IV

[28] Die Männer der Allianz, die sich hinter dem Föderalkomitee von Neuchâtel verbargen und einen neuen Versuch auf einem größeren Feld machen wollten, um die Internationale zu desorganisieren, beriefen für den 12. November 1871 einen Kongreß ihrer Sektionen nach Sonvillier ein. Schon im Juli drohte Meister Guillaume in zwei Briefen an seinen Freund Robin dem Generalrat mit einer solchen Kampagne, falls er nicht einwilligen werde, ihnen »gegen die Räuber von Genf« recht zu geben.

Der Kongreß von Sonvillier setzte sich aus sechzehn Delegierten zusammen, die im ganzen neun Sektionen zu vertreten vorgaben, darunter die neue Sektion der revolutionären sozialistischen Propaganda und Aktion in Genf.

Die Sechzehn begannen ihren ersten Auftritt mit dem anarchistischen Dekret, in dem die Romanische Föderation für aufgelöst erklärt wurde, die sich ihrerseits beeilte, den Angehörigen der Allianz ihre »Autonomie« zurückzugeben, indem sie sie aus allen Sektionen hinausjagte. Übrigens muß der Generalrat anerkennen, daß ein Blitz gesunden Menschenverstandes sie den Namen Jurassische Föderation annehmen ließ, den ihnen die Londoner Konferenz gegeben hatte.

Alsdann schritt der Kongreß der Sechzehn zur »Reorganisation der Internationale«, indem er gegen die Konferenz und den Generalrat ein[28] »Zirkular an alle Föderationen der Internationalen Arbeiterassoziation« vom Stapel ließ.

Die Verfasser des Zirkulars beschuldigen den Generalrat zunächst, daß er 1871 eine Konferenz einberufen habe statt eines Kongresses. Aus den vorher gegebenen Erläuterungen ergibt sich, daß diese Angriffe direkt gegen die ganze Internationale gerichtet sind, die in ihrer Gesamtheit die Einberufung einer Konferenz akzeptiert hatte, bei der übrigens die Allianz durch die Bürger Robin und Bastelica angemessen vertreten war.

Bei jedem Kongreß hat der Generalrat seine Delegierten gehabt; beim Baseler Kongreß zum Beispiel waren ihrer sechs. Die Sechzehn behaupten, daß

»die Mehrheit der Konferenz von vornherein durch die Zulassung von sechs Delegierten des Generalrats mit beschließender Stimme gefälscht worden sei«.

In Wirklichkeit waren unter den Delegierten des Generalrats auf der Konferenz die französischen Verbannten keine anderen als die Vertreter der Pariser Kommune, während seine englischen und Schweizer Mitglieder nur ausnahmsweise an den Sitzungen teilnehmen konnten, wie es die Protokolle beweisen, die dem nächsten Kongreß vorgelegt werden. Ein Delegierter des Rats hatte ein Mandat von einer nationalen Föderation. Laut eines an die Konferenz gerichteten Briefes wurde das Mandat eines anderen zurückbehalten, weil die Zeitungen seinen Tod angezeigt hatten. Bleibt ein Delegierter übrig, so daß im Verhältnis zum Rat die Belgier allein wie 6:1 vertreten waren.

Die internationale Polizei, die in der Person Gustave Durands ferngehalten wurde, hatte sich bitter über die Verletzung der Allgemeinen Statuten durch die Einberufung einer »geheimen« Konferenz beklagt. Sie war über unsere Verwaltungsverordnungen noch nicht genügend auf dem laufenden, um zu wissen, daß die administrativen Sitzungen der Kongresse obligatorisch intern sind.

Nichtsdestoweniger fanden ihre Klagen ein mitfühlendes Echo bei den Sechzehn von Sonvillier, die sofort schrien:

»Und um das Ganze zu krönen, besagt eine Entscheidung dieser Konferenz, daß der Generalrat selber den Termin und den Ort des nächsten Kongresses oder der Konferenz, die ihn ersetzen wird, bestimmen wird; auf diese Weise sind wir von der Unterdrückung der allgemeinen Kongresse bedroht, dieser großen öffentlichen Zusammenkünfte der Internationale.«[29]

Die Sechzehn wollten nicht sehen, daß diese Entscheidung nichts weiter besagt, als daß die Internationale gegenüber den Regierungen ihre unerschütterliche Entschlossenheit bekräftigt, allen Repressalien zum Trotz ihre allgemeinen Versammlungen auf die eine oder andere Weise abzuhalten.

In der Generalversammlung der Genfer Sektionen vom 2. Dezember 1871, die den Bürgern Malon und Lefrançais einen schlechten Empfang bereitete, brachten letztere einen Vorschlag ein, der darauf abzielte, die von den Sechzehn von Sonvillier erlassenen Dekrete zu bestätigen, dem Generalrat eine Rüge zu erteilen und die Konferenz nicht anzuerkennen. Die Konferenz hatte beschlossen, daß »die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Beschlüsse der Konferenz... den Föderalräten der verschiedenen Länder durch die korrespondierenden Sekretäre des Generalrats mitgeteilt werden«. Dieser den Allgemeinen Statuten und den Verwaltungsverordnungen völlig entsprechende Beschluß wurde durch B. Malon und seine Freunde auf folgende Weise verfälscht:

»Ein Teil der Beschlüsse der Konferenz wird nur den Föderalräten und den korrespondierenden Sekretären mitgeteilt werden.«

Sie beschuldigen außerdem den Generalrat, daß er »es an dem Prinzip der Aufrichtigkeit habe fehlen lassen«, indem er sich weigerte, der Polizei durch » die Öffentlichkeit« Beschlüsse auszuliefern, die als ausschließlichen Zweck die Reorganisation der Internationale in den Ländern haben, wo sie verfolgt wird.

Die Bürger Malon und Lefrançais beklagen sich ferner, daß

»die Konferenz sich an der Freiheit des Gedankens und seiner Äußerung vergriffen habe... , da sie dem Generalrat das Recht gab, jedes öffentliche Organ der Sektionen und Föderationen anzuklagen und zu verleugnen, das entweder die Prinzipien, auf denen die Assoziation beruht, oder die jeweiligen Interessen der Sektionen und Föderationen, oder schließlich die allgemeinen Interessen der gesamten Assoziation erörtert (siehe die ›Égalité‹ vom 21. Oktober)«.

Und was steht in der »Égalité« vom 21. Oktober? Ein Beschluß der Konferenz, worin sie ankündigt, »daß von nun an der Generalrat gehalten sein wird, öffentlich anzuklagen und zu verleugnen alle angeblichen Organe der Internationalen, welche, nach dem Vorgang des ›Progrès‹ und der ›Solidarité‹, in ihren Spalten vor dem Bourgeoispublikum Fragen besprechen sollten, die nur zur Debatte in den lokalen und föderalen Komitees, im Generalrat oder in den geschlossenen Verwaltungssitzungen der föderalen oder allgemeinen Kongresse geeignet sind«.[30]

Um das sauersüße Wehklagen B. Malons richtig einzuschätzen, muß man in Betracht ziehen, daß dieser Beschluß ein für allemal den Versuchen einiger Journalisten ein Ende macht, die sich an die Stelle der verantwortlichen Komitees der Internationale zu setzen und in ihrer Mitte dieselbe Rolle zu spielen trachten wie die Journalisten-Boheme in der bürgerlichen Welt. Als Folge eines solchen Versuchs hatte das Genfer Föderalkomitee erlebt, daß Mitglieder der Allianz das offizielle Organ der Romanischen Föderation, die »Égalité«, in einem ihr gegenüber völlig feindlichen Sinne redigierten.

Übrigens bedurfte der Generalrat nicht der Londoner Konferenz, um den Mißbrauch des Journalismus »öffentlich anzuklagen und zu verleugnen«, denn der Baseler Kongreß hat (Beschluß II) entschieden, daß »alle Zeitungen, die Angriffe gegen die Assoziation enthalten, dem Generalrat sofort durch die Sektion zugeschickt werden müssen«.

»Es ist offensichtlich«, sagt das Romanische Föderalkomitee in seiner Erklärung vom 20. Dezember 1871 (»Égalité« vom 24. Dezember), »daß dieser Artikel nicht in der Absicht angenommen worden ist, damit der Generalrat in seinen Archiven die Zeitungen, die die Assoziation angreifen, aufbewahrt, sondern um zu antworten und nötigenfalls die verderbliche Wirkung von Verleumdungen und böswilligen Anschwärzungen zu beseitigen. Es ist auch offensichtlich, daß sich dieser Artikel im allgemeinen auf alle Zeitungen bezieht, und wenn wir nicht ohne weiteres die Angriffe der bürgerlichen Zeitungen dulden wollen, so müssen wir mit um so größerem Recht durch unsere zentrale Vertretung, durch den Generalrat, jene Zeitungen desavouieren, deren Angriffe gegen uns mit dem Namen unserer Assoziation gedeckt werden.«

Nebenbei sei bemerkt, daß die »Times«, dieser Leviathan der kapitalistischen Presse, der »Progrès« (von Lyon), die Zeitung der liberalen Bourgeoisie, und das »Journal de Genève«, eine ultrareaktionäre Zeitung, die Konferenz mit denselben Vorwürfen überhäuften und sich fast derselben Ausdrücke bedienten wie die Bürger Malon und Lefrançais.

Nachdem das Zirkular der Sechzehn gegen die Einberufung der Konferenz, dann gegen ihre Zusammensetzung und ihren sogenannten geheimen Charakter Stellung genommen hatte, greift es die Beschlüsse selbst an.

Indem es zunächst feststellt, daß der Baseler Kongreß auf seine Befugnisse verzichtet hätte,

»da er dem Generalrat das Recht gibt, Sektionen der Internationale abzulehnen, zuzulassen oder zu suspendieren«,

legt es weiter der Konferenz folgende Sünde zur Last:

»Diese Konferenz hat... Beschlüsse gefaßt... , die danach streben, aus der Internationalen, der freien Föderation autonomer Sektionen, eine hierarchische und[31] autoritäre Organisation disziplinierter Sektionen zu machen, vollständig in der Hand des Generalrats, der ganz nach Belieben ihre Zulassung verweigern oder ihre Tätigkeit suspendieren könne!!«

Später kommt das Zirkular auf den Baseler Kongreß zurück, der »die Befugnisse des Generalrats entstellt« hätte.

Alle diese Widersprüche des Zirkulars der Sechzehn laufen auf folgendes hinaus: Die Konferenz von 1871 ist für die Beschlüsse des Baseler Kongresses von 1869 verantwortlich, und der Generalrat ist schuldig, die Statuten eingehalten zu haben, die ihm die Durchführung der Kongreßbeschlüsse auferlegen.

In Wirklichkeit ist der wahre Beweggrund aller dieser Angriffe gegen die Konferenz intimerer Natur. Mit ihren Resolutionen hatte sie zunächst die praktischen Intrigen der Allianzleute in der Schweiz durchkreuzt. Überdies hatten die Anführer der Allianz in Italien, in Spanien, in einem Teil der Schweiz und Belgiens mit einer bewundernswerten Hartnäckigkeit eine vorsätzliche Verwirrung zwischen dem Gelegenheitsprogramm Bakunins und dem Programm der Internationalen Arbeiterassoziation geschaffen und aufrechterhalten.

Die Konferenz hat mit ihren beiden Resolutionen über die proletarische Politik und über die sektiererischen Sektionen dieses vorsätzliche Mißverständnis klar umrissen. Die erste Resolution, die mit der in Bakunins Programm gepredigten politischen Abstention abrechnet, ist durch ihre auf die Allgemeinen Statuten, auf den Beschluß des Lausanner Kongresses und andere Präzedenzfälle gestützten Erwägungen vollauf gerechtfertigt.5

Gehen wir jetzt zu den sektiererischen Sektionen über:

Die erste Phase in dem Kampfe des Proletariats gegen die Bourgeoisie ist durch die Sektenbewegung bezeichnet. Diese ist berechtigt zu einer Zeit,[32] in der das Proletariat sich noch nicht hinreichend entwickelt hat, um als Klasse zu handeln. Vereinzelte Denker unterwerfen die sozialen Gegensätze einer Kritik und geben zugleich eine phantastische Lösung derselben, welche die Masse der Arbeiter nur anzunehmen, zu verbreiten und praktisch ins Werk zu setzen braucht. Es liegt schon in der Natur dieser durch die Initiative einzelner gebildeten Sekten, daß sie sich jeder wirklichen Tätigkeit, der Politik, den Streiks, Gewerksgenossenschaften, mit einem Worte jeder Gesamtbewegung gegenüber fremd und abgeschlossen verhalten. Die Masse des Proletariats bleibt stets ihrer Propaganda gegenüber gleichgültig, ja selbst feindlich. Die Arbeiter von Paris und Lyon wollten ebensowenig von den Saint-Simonisten, Fourieristen, Ikariern wissen, wie die englischen Chartisten und Trade-Unionisten von den Owenisten. Die Sekten, im Anfange[33] Hebel der Bewegung, werden ein Hindernis, sowie diese sie überholt; sie werden dann reaktionär; Beweis dafür sind die Sekten in Frankreich und England und letzthin die Lassalleaner in Deutschland, welche, nachdem sie jahrelang die Organisation des Proletariats gehemmt, schließlich einfache Polizeiwerkzeuge geworden sind. Kurz, sie stellen die Kindheit der Proletarierbewegung dar, wie die Astrologie und Alchimie die Kindheit der Wissenschaft. Damit die Gründung der Internationalen zur Möglichkeit wurde, mußte das Proletariat diese Entwicklungsstufe überschritten haben.

Gegenüber den phantastischen und antagonistischen Sektenorganisationen ist die Internationale die wirkliche und streitende Organisation der Proletarierklasse in allen Ländern, verbunden unter sich in ihrem Kampfe gegen die Kapitalisten, die Grundeigentümer und ihre im Staate organisierte Klassenmacht. Daher kennen die Statuten der Internationale nur einfache »Arbeiter« – Gesellschaften, die sämtlich den gleichen Zweck verfolgen und dasselbe Programm annehmen, das sich darauf beschränkt, nur die großen Hauptzüge des Ganges der Arbeiterbewegung zu zeichnen, und ihre theoretische Ausarbeitung dem durch die Bedürfnisse des praktischen Kampfes gegebenen Anstoß und dem Gedankenaustausch innerhalb der Sektionen überläßt, wie denn die Internationale ohne Unterschied jede sozialistische Überzeugung in ihren Organen und auf ihren Kongressen zuläßt.

Wie in jeder neuen historischen Phase die alten Irrtümer für einen Augenblick von neuem auftauchen, um bald danach wieder zu verschwinden, so hat auch die Internationale in ihrem Schoße sektiererische Sektionen entstehen sehen, wenn auch in einer kaum ausgeprägten Form.

Die Allianz, die die Auferstehung der Sekten durchweg als einen ungeheuren Fortschritt ansieht, ist ein schlagender Beweis dafür, daß deren Zeit vorüber ist. Denn, während sie in ihren Ursprüngen Elemente des Fortschritts darstellten, stellt das Programm der am Gängelband eines »Mohammeds ohne Koran« trippelnden Allianz nur eine Anhäufung längst überwundener Ideen dar, die, in tönende Phrasen verhüllt, nur bürgerliche Idioten erschrecken oder den bonapartistischen oder anderen Staatsanwälten als Beweisstücke gegen die Internationalen dienen können.6[34]

Die Konferenz, auf der Sozialisten aller Schattierungen vertreten waren, begrüßte einstimmig den Beschluß gegen die sektiererischen Sektionen in der Überzeugung, daß dieser Beschluß die Internationale auf den ihr gebührenden Platz zurückführt und eine neue Phase auf ihrem Wege bedeuten wird. Die Parteigänger der Allianz, die sich durch diese Resolution zu Tode getroffen fühlten, sahen darin nur einen Sieg des Generalrats über die Internationale, durch den, wie es ihr Zirkular sagt, das »spezielle Programm« einiger seiner Mitglieder zur »Herrschaft« gebracht wurde, »ihre persönliche Doktrin«, »die orthodoxe Doktrin«, »die offizielle Theorie, die in der Assoziation allein Bürgerrecht hat«. Übrigens war das nicht Schuld dieser wenigen Mitglieder, sondern die notwendige Folge, »die verderbliche Wirkung« der Tatsache, daß sie Teil des Generalrats waren, denn

»es ist absolut unmöglich, daß ein Mensch, der über seinesgleichen Macht (!) hat, ein moralischer Mensch bleibt. Der Generalrat wird zu einem Herd von Intrigen.«

Nach Meinung der Sechzehn konnte man den Allgemeinen Statuten schon dafür einen ernsten Vorwurf machen, daß sie dem Generalrat das Recht gegeben haben, sich durch neue Mitglieder zu ergänzen. Mit dieser Macht versehen, sagen sie,

»könnte der Generalrat sich nachträglich durch einen ganzen Personenkreis ergänzen, der seine Majorität und seine Zielrichtung vollständig verändert hätte«.

Es scheint, daß für sie die bloße Tatsache der Zugehörigkeit eines Menschen zum Generalrat genügt, um nicht nur seine Moral zu zersetzen, sondern auch seinen gesunden Menschenverstand zu zerstören. Wie sollte man sonst annehmen, daß sich eine Mehrheit von selber durch freiwillige Kooptierungen in eine Minderheit verwandelt?

Übrigens scheinen die Sechzehn selbst nicht recht davon überzeugt zu sein, denn etwas weiter beklagen sie sich, daß der Generalrat

»sich fünf Jahre hintereinander aus denselben, stets wiedergewählten Leuten zusammengesetzt«

habe, und unmittelbar darauf wiederholen sie:

»Die Mehrzahl unter ihnen sind nicht unsere ordentlichen Bevollmächtigten, da sie nicht von einem Kongreß gewählt worden sind.«[35]

Tatsache ist, daß die Zusammensetzung des Generalrats ständig gewechselt hat, obgleich einige seiner Gründer darin geblieben sind, wie in den Belgischen, Romanischen u.a. Föderalräten.

Der Generalrat ist bei der Ausübung seines Auftrags drei wesentlichen Bedingungen unterworfen. Erstens braucht er einen ziemlich großen Personenkreis, um seine Arbeit in all ihrer Mannigfaltigkeit durchführen zu können; dann muß er sich »aus Arbeitern der verschiedenen, in der Internationalen Assoziation vertretenen Länder« zusammensetzen, und schließlich muß das proletarische Element überwiegen. Wie könnte denn der Generalrat, wo die für den Proletarier existierenden Erfordernisse der Arbeit eine ständige Ursache von Veränderungen in der personellen Zusammensetzung des Generalrats sind, diese unentbehrlichen Bedingungen erfüllen, ohne das Koop tionsrecht zu besitzen? Nichtsdestoweniger scheint dem Generalrat eine genauere Definition dieses Rechts notwendig, wie er ja auch den Wunsch danach auf der letzten Konferenz geäußert hat.

Die Wiederwahl des Generalrats in seiner bisherigen Zusammensetzung durch die aufeinanderfolgenden Kongresse, auf denen England kaum vertreten war, dürfte beweisen, daß er seine Pflicht in den Grenzen seiner Möglichkeiten getan hat. Die Sechzehn hingegen sehen darin nur den Beweis des »blinden Vertrauens der Kongresse«, eines Vertrauens, daß sich in Basel

»bis zu einer Art freiwilliger Abdankung zugunsten des Generalrats«

gesteigert hätte.

Nach ihnen soll »die normale Rolle« des Generalrats »die eines einfachen Büros für Korrespondenz und Statistik« sein. Sie belegen diese Definition mit mehreren aus einer falschen Übersetzung der Statuten entnommenen Artikel.

Im Gegensatz zu den Statuten aller bürgerlichen Gesellschaften berühren die Allgemeinen Statuten der Internationale kaum ihre administrative Organisation. Deren Entwicklung überlassen sie der Praxis und ihre Regelung den künftigen Kongressen. Nichtsdestoweniger befassen sich die Statuten mehr mit dem Generalrat als mit anderen Teilen der Organisation, da nur die Einheit und die Gemeinsamkeit der Aktion den Sektionen in den verschiedenen Ländern einen klaren Charakter der Internationalität verleihen können.

Der Artikel 5 der ursprünglichen Statuten lautet:

»Der Generalrat wird als internationaler Vermittler zwischen den verschiedenen nationalen und lokalen Gruppen fungieren«[36]

und gibt dann einige Beispiele, in welcher Weise er vorgehen soll. Unter diesen Beispielen findet sich die Instruktion für den Rat, derart vorzugehen, »daß alle Gruppen der Assoziation, falls unmittelbares Handeln erforderlich wird, wie im Falle internationaler Konflikte, gleichzeitig und einheitlich handeln können«.

Der Artikel fährt fort:

»Je nachdem er es für angebracht hält, wird der Generalrat die Initiative ergreifen und allen lokalen und nationalen Gesellschaften Vorschläge unterbreiten.«

Außerdem bestimmen die Statuten die Rolle des Rats bei der Einberufung und Vorbereitung der Kongresse und beauftragen ihn mit gewissen Arbeiten, die er diesen vorlegen muß. Die ursprünglichen Statuten stellen die spontane Aktion der Gruppen so wenig der Einheit der Aktion der Assoziation entgegen, daß Artikel 6 sagt: »Da die Arbeiterbewegung in jedem Lande nur durch die Kraft gesichert werden kann, die aus der Einigung und Verbindung erwächst; da andrerseits die Tätigkeit des Generalrats wirksamer sein wird... , müssen die Mitglieder der Internationale alles in ihren Kräften stehende tun, um die in ihren jeweiligen Ländern noch Isolierten Arbeitergesellschaften in nationalen Assoziationen zu vereinigen, die durch Zentralorgane vertreten werden.«

Der erste Verwaltungsbeschluß des Genfer Kongresses (Art. 1) lautet:

»Der Generalrat ist gehalten, die Kongreßbeschlüsse auszuführen

Dieser Beschluß legalisierte die vom Generalrat von seinem Bestehen an eingenommene Position: die eines exekutiven Organs der Assoziation. Es dürfte schwierig sein, Aufträge ohne moralische »Autorität« auszuführen, wenn jede andere »freiwillig zuerkannte Autorität« fehlt. Der Genfer Kongreß beauftragte den Generalrat gleichzeitig, »den offiziellen und verbindlichen Text der Statuten« zu veröffentlichen.

Derselbe Kongreß beschloß (Genfer Verwaltungsbeschluß, Art. 14):

»Jede Sektion hat das Recht, sich ihr Reglement und ihre besonderen Statuten je nach den Lokalumständen und Landesgesetzen zu geben. Dieselben dürfen jedoch nichts den Allgemeinen Statuten und dem Allgemeinen Reglement Widersprechendes enthalten.«

Stellen wir zunächst fest, daß es hier weder die geringste Anspielung auf besondere Prinzipiendeklara tionen gibt noch auf spezielle Missionen, die diese oder jene Sektion außerhalb des von allen Gruppen der Internationale verfolgten gemeinsamen Ziels auf sich nehmen könnte. Es handelt sich ganz[37] einfach um das Recht der Sektionen, die Allgemeinen Statuten und das Allgemeine Reglement »den Lokalumständen und Landesgesetzen« anzupassen.

Zweitens, durch wen müßte die Übereinstimmung der besonderen Statuten mit den Allgemeinen Statuten festgestellt werden? Offensichtlich wäre der Beschluß, wenn es keine mit diesen Funktionen beauftragte »Autorität« gäbe, null und nichtig. Nicht genug damit, daß sich feindliche und Polizeisektionen bilden könnten, könnte auch das Eindringen deklassierter Sektierer und bürgerlicher Philanthropen in die Assoziation deren Charakter entstellen, auf den Kongressen durch ihre Anzahl die Arbeiter erdrücken.

Von Anfang an nahmen sich die nationalen und lokalen Föderationen das Recht, in ihren jeweiligen Ländern neue Sektionen zuzulassen oder abzulehnen, je nachdem, ob deren Statuten mit den Allgemeinen Statuten übereinstimmten oder nicht. Die Ausübung der gleichen Funktion durch den Generalrat ist durch Artikel 6 der Allgemeinen Statuten vorgesehen, der den lokalen unabhängigen Gesellschaften, das heißt den Gesellschaften, die sich außerhalb der föderalen Verbindungen ihrer Länder konstituieren, das Recht läßt, sich mit ihm in direkte Verbindung zu setzen. Die Allianz verschmähte es nicht, von diesem Recht Gebrauch zu machen, um nach den bestehenden Bedingungen Vertreter zum Baseler Kongreß entsenden zu können.

Artikel 6 der Statuten berücksichtigt auch die gesetzlichen Hindernisse, die sich der Bildung nationaler Föderationen in gewissen Ländern entgegenstellen, wo infolgedessen der Generalrat berufen ist, als Föderalrat zu fungieren. (Siehe »Procès-verbaux du Congrès, etc., de Lausanne, 1867«, p. 13.)

Seit dem Fall der Kommune sind diese gesetzlichen Hindernisse in verschiedenen Ländern nur noch gewachsen und machen die Tätigkeit des Generalrats noch unerläßlicher, um verdächtige Elemente aus der Assoziation herauszuhalten. So haben kürzlich Komitees in Frankreich den Generalrat um sein Eingreifen gebeten, um sich der Polizeispitzel zu entledigen, und in einem anderen großen Lande haben die Internationalen gefordert, keine Sektion anzuerkennen, die nicht von ihren direkten Bevollmächtigten oder von ihnen selbst gegründet worden ist. Sie begründeten ihre Bitte mit der Notwendigkeit, auf diese Weise Agents provocateurs zu entfernen, deren glühender Eifer sich in der raschen Bildung von Sektionen kundtat, deren Radikalismus ohnegleichen war. Andererseits zögern sogenannte antiautoritäre Sektionen nicht, an den Generalrat zu appellieren,[38] sobald ein Streitfall in ihren Reihen auftaucht, um von ihm sogar noch zu fordern, daß er aus Leibeskräften auf ihre Gegner dreinschlage, wie das bei dem Lyoner Streitfall geschah. Erst vor kurzem, nach der Konferenz, entschloß sich die Arbeiterföderation von Turin, sich zur Sektion der Internationale zu erklären. Infolge einer Spaltung gründete die Minderheit die Gesellschaft Befreiung des Proletariers. Sie schloß sich der Internationale an und begann mit einer Resolution zugunsten der Jurassier. Ihre Zeitung »Il Proletario« wimmelt von zornschnaubenden Phrasen gegen jeden Autoritarismus. Bei der Übersendung der Beiträge der Gesellschaft warnt ihr Sekretär den Generalrat, daß die alte Föderation wahrscheinlich auch ihre Beiträge schicken werde. Und er fährt dann fort:

»Wie Sie wahrscheinlich im ›Proletario‹ gelesen haben, hat die Gesellschaft Befreiung des Proletariers... erklärt,... jede Solidarität mit der Bourgeoisie abzulehnen, die unter der Maske von Arbeitern die Arbeiterföderation bildet«,

und sie bittet den Generalrat,

»diesen Beschluß allen Sektionen mitzuteilen und die 10-Centimes-Beiträge zurückzuweisen, falls sie ihm geschickt würden«.7

Ebenso wie alle Gruppen der Internationale hat der Generalrat die Pflicht, Propaganda zu treiben. Er hat sie durch seine Manifeste und durch seine Bevollmächtigten erfüllt, die die ersten Bausteine der Internationale in Nordamerika, in Deutschland und in vielen Städten Frankreichs gesetzt haben.

Eine andere Funktion des Generalrats besteht darin, die Streiks zu unterstützen, indem er ihnen die Hilfe der ganzen Internationale sichert (siehe die Berichte des Generalrats an die verschiedenen Kongresse). Unter anderem beweist die folgende Tatsache, von welchem Gewicht sein Eingreifen in den Streiks gewesen ist. Die Widerstandsgesellschaft der englischen Eisengießer ist an und für sich eine internationale Trade-Union, die in[39] anderen Ländern Zweigorganisationen besitzt, namentlich auch in den Vereinigten Staaten. Nichtsdestoweniger hielten die amerikanischen Gießer bei einem Streik es für notwendig, die Fürsprache des Generalrats anzurufen, um zu verhindern, daß englische Gießer in ihr Land geholt wurden.

Die Entwicklung der Internationale hat dem Generalrat wie auch den Föderalräten die Funktion eines Schiedsrichters auferlegt.

Der Brüsseler Kongreß beschloß:

»Die Föderalräte sind verpflichtet, dem Generalrat alle drei Monate einen Bericht über die Verwaltung und den finanziellen Stand ihres Gebiets zu schicken« (Verwaltungsbeschluß Nr. 3).

Schließlich tat der Baseler Kongreß, der die gallige Wut der Sechzehn erregt, nichts anderes, als die administrativen Verbindungen, die sich aus der Entwicklung der Assoziation ergaben, in Regeln zusammenzufassen. Wenn er die Grenzen der Befugnisse des Generalrats übermäßig ausdehnte, wer hat daran schuld, wenn nicht Bakunin, Schwitzguébel, F. Robert, Guillaume und andere Delegierte der Allianz, die es mit großem Geschrei gefordert haben? Sollten sie sich vielleicht wegen »blinden Vertrauens« in dem Londoner Generalrat anklagen?

Hier sind zwei der Resolutionen des Baseler Kongresses:

»IV. Jede neue Sektion oder Gesellschaft, die sich bildet und der Internationale beitreten will, muß sofort ihren Beitritt dem Generalrat anzeigen« und

»V. Der Generalrat hat das Recht, jede neue Gesellschaft oder Gruppe aufzunehmen oder abzulehnen, vorbehaltlich der Berufung beim nächsten Kongreß.«

Was unabhängige lokale Gesellschaften angeht, die sich außerhalb der föderalen Verbindungen bilden, so bestätigen diese Artikel nur die von Anfang an von der Internationale geübte Praxis, deren Beibehaltung für die Assoziation eine Frage von Leben oder Tod ist. Aber man ginge zu weit, wenn man die Praxis verallgemeinerte und unterschiedslos auf jede in Bildung begriffene Sektion oder Gesellschaft anwendete. Diese Artikel geben dem Generalrat tatsächlich das Recht, sich in das innere Leben der Föderationen einzumischen; aber in diesem Sinne sind sie vom Generalrat noch niemals angewandt worden. Er fordert die Sechzehn heraus, ihm einen einzigen Fall zu nennen, in dem er sich in die Angelegenheiten neuer Sektionen, die sich bestehenden Gruppen oder Föderationen anschließen wollten, eingemischt hätte.

Die soeben von uns angeführten Resolutionen betreffen Sektionen, die sich gerade bilden; die folgenden Resolutionen betreffen schon anerkannte Sektionen:

[40] »VI. Der Generalrat hat ebenfalls das Recht, eine Sektion der Internationale bis zum nächsten Kongreß zu suspendieren.«

»VII. Wenn zwischen Gesellschaften oder Zweiggesellschaften einer nationalen Gruppe oder zwischen Gruppen verschiedener Nationalitäten Zwistigkeiten entstehen sollten, wird der Generalrat das Recht haben, über den Streitfall zu entscheiden, vorbehaltlich der Berufung beim nächsten Kongreß, der endgültig entscheidet.«

Diese beiden Artikel sind für extreme Fälle notwendig, wenn auch der Generalrat bisher niemals auf sie zurückgegriffen hat. Der weiter oben angeführte geschichtliche Abriß beweist, daß der Generalrat keine Sektion suspendiert und in Streitfällen nur als ein von beiden Parteien herbeigerufener Schiedsrichter fungiert hat.

Wir kommen schließlich zu einer Funktion, die dem Generalrat die Erfordernisse des Kampfes auferlegt haben. Wie schmerzlich es auch für die Parteigänger der Allianz sein mag, so sieht sich der Generalrat schon allein durch die Hartnäckigkeit der Angriffe, denen er seitens aller Feinde der proletarischen Bewegung ausgesetzt ist, an die Spitze der Verteidiger der Internationalen Arbeiterassoziation gestellt.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 18, S. 28-41.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Brachvogel, Albert Emil

Narziß. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Narziß. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Albert Brachvogel zeichnet in seinem Trauerspiel den Weg des schönen Sohnes des Flussgottes nach, der von beiden Geschlechtern umworben und begehrt wird, doch in seiner Selbstliebe allein seinem Spiegelbild verfällt.

68 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon