Zu Kapitel IX.

[533] 16) Zum »Prinzip des Grundes« im Philebus (S. 327 ff.) wäre Aehnliches wie zur »Idee des Guten« im Staat zu bemerken; im Grunde ist es dieselbe Frage. Auch die Gleichsetzung des »Grundes« mit der »Vernunft« (nous) rechtfertigt es nicht, bloß das »Urgesetz« oder »Prinzip« des Logischen, als das »einheitliche Prinzip der Methode in allen Wissenschaften« (S. 330) darin zu sehen. Etwas von Substanzialität kann diesem platonischen »Grunde« schwerlich abgesprochen werden. Doch bleibt der Ausdruck gefährlich (s. o. Anm. 14), weil sich immer wieder die Vorstellung von etwas Dinghaftem unterschiebt.[533] Aber jedenfalls die Rangordnung der drei Momente des Agathon (S. 345 ff.), die Erhöhung des Agathon als des Prinzips des Maßes (das allein den Bestand sichert) über das Schöne oder Vollkommene (als das Symmetrische) und das Wahre, dann erst weiterhin über die »Vernunft« als Wissenschaft, schließt eine einseitig auf die letztere beschränkte Deutung des Prinzips des Grundes offenbar aus; vollends widerspricht ihr die Hinaushebung dieses letzten Prinzips auch über die drei obersten dieser Reihe, die alle von ihm erst ausstrahlen. Es selbst ist in sich keins von diesen allen, sondern es ist das, was die Gesetze und der 7. Brief als das letzte Unsagbare, Uebergegenständliche und Ueberwissenschaftliche ja Ueberwahre, Ueberschöne, Uebergute nur noch als die »Sache selbst« zu bezeichnen wissen. Meint man mit »Substanz« ebendies, so wäre dagegen nichts einzuwenden, wenn man nur sicher wäre, daß nicht doch die Verdinglichung sich wieder einschleicht. Besser wird man daher tun, es ganz unbenannt zu lassen, es bloß negierend, oder nur unbestimmt als Grund, Prinzip, Erstes allem dadurch erst zu Begründenden, also logisch Nachgeordneten entgegenzusetzen, oder als das letzte Eine, eben im Sinne der Zentrierung, zentralen Vereinigung Begründende, zu bezeichnen.

Quelle:
Paul Natorp: Platos Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus. Leipzig 21921, S. 533-534.
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