Der vierte Grund der Arznei, welcher ist Wesenheit

[566] Wenn nun die Schrift von dem Wissen und den Künsten der Arznei, auf denen ein jeglicher Arzt stehen und seine Profession darein setzen soll, zum Schluß gekommen ist, so ist nun von nöten zu sagen, daß der selbige Arzt noch einen Grund an sich haben muß, der da auf die drei diene, das ist, der die drei in seinem Grund innehält und nach dem Willen Gottes, der die Arznei gegeben und geschaffen hat, trägt. Denn der Arzt ist der, der nur andern arzneit, nicht sich selber. Wie ein Schaf, das nicht sich Wolle trägt, sondern dem Weber und dem Kürschner, und wird drum gelobt, daß es viel und gute Wolle trage, so soll auch der Arzt gleich dem Schafe sein, und nit sich sondern andern den Nutz tragen und geben, und sich dieses Exempels nit entäußern. Denn ebenso ist auch Christus von Johannes baptista einem Lamm gleichgebildet worden. Nun ist es sehr von nöten, daß ein Arzt einem Lamme gleich sei, denn da liegen viel größere Dinge in ihm innen verborgen, nämlich Mörderei, Erwürgen, Verkrümmen, Erlahmen, Verderberei, Schinderei, Diebstahl, Raub; diese Dinge alle sind in einem Wolfsarzt. Wie ein Lamm und Schaf soll der Arzt sein, der von Gott ist, wie ein Wolf ist der, der seine Arznei wider Gott braucht. Nun entnehmt aus dem, was für ein verflucht Tier der Wolf ist, wie Gott den Schnödesten und Verdammtesten dem Wolf vergleicht; so soll der Name billig auch dem reißenden Arzte zugelegt werden. Welche sind die (reißenden)? Es sind die, die da arzneien und wissen bei ihrem Gewissen, daß sie nichts davon wissen und können, doch gebrauchen sie es um des Geldes willen; denen ist gleich dem Wolf, der nimmt die Schafe[566] und weiß es wohl, daß sie nicht sein sind, aber um seines Nutzes willen tut ers. Ein solcher Arzt ist ein Mörder, denn er wagt es, die Kranken genesen oder sterben, nur damit sein Nutz vor sich gehe. Und gleich einem Schaf in des Wolfs Rachen, so sind auch diese Kranken in des Arztes Hand. Desgleichen weiter: sie stehlen dem Kranken sein Gut, sie nehmen ihm sein Haus und Hof, fressen ihm das seine, entblößen ihn und die seinen, – das ist gestohlen und geraubt. Denn einer, der sich mit unwahrhaftiger, Ungewisser Kunst nährt, – was er damit einnimmt, ist nichts anderes als ein Raub. Sie morden und erwürgen, verkrüppeln und erlahmen. Denn Ursach: sie wissen von den Dingen allen nichts, es muß bei ihnen seinen Fortgang nehmen, wie der Wind eben das Segel weht. Nicht also soll der Arzt sein. Er soll nicht seinen Nutz betrachten; ob er seine Kunst schon kann und weiß, so kann er und weiß sie darum nicht, daß er dadurch Hoffart erlange, Pracht, Pomp, und seine Hausfrau in güldenen Ketten aufziehe, und sie, die eine Bäuerin, eine Köchin, eine Magd, eine Dirn, etwa einst eine Hur gewesen ist, einer Gräfin gleich mache, setze und stelle, gekleidet und gewandet. Dies sind alle reißende Wölfe. Die Arznei soll in einem Schaf sein und in einem Lamm, also daß sie mit solchem Gemüt, Treue und Herzen gereicht und mitgeteilt werde, und hingegen Treue vom Kranken erwarten. Denn Treue auf Treue gebührt sich, Wahrheit auf Wahrheit, Gerechtes auf Gerechtes, nicht Gerechtes auf Ungerechtes, wie etwa einen Wolfsarzt mit Treue bezahlen, wie: durch einen Kranken, der ein Lamm ist, den reißenden Wolf ersättigen. Sondern die Dinge alle sollen im Arzt anfangen; wenn sie im Anfange vorhanden sind, werden sie im Ende, das ist vom Kranken, auch gefunden werden. Wo aber der Arzt die Ordnung umkehrt und ist ein Wolf und will ein Schaf haben, oder ist ungerecht, will einen Gerechten haben, der ihm gebe, und er selbst gibt dem Kranken nichts, oder daß ihm der Kranke treu sei und er ihm untreu, – wo das ist, am selbigen Ort wißt, daß kein Fieber, kein Wind, kein[567] Wetter über den Märzen irriger läuft und verworrener durcheinander geht, als solche Arzt ein Gewächs durcheinander machen, daß niemand wohl erkennen kann, was es ist, und vermischen Treu und Untreu, Falsch und Betrug, Gutes und Böses, ärger als Galle und Zucker.

Ob ich nit billig die Redlichkeit eines Arztes auch einen Grund und eine Säule der Arznei sein lassen soll? Was ist des Arztes Redlichkeit? Ja, ja, nein, nein, das ist seine Redlichkeit, darauf soll er gründen. So nun Ja ja sein soll, so muß er die Arznei dermaßen im rechten Grund wissen, daß das Ja ein Ja sei und werde, und so soll auch nein das Nein sein. Drum muß er wissen, was Nein der Arznei sei. Aus dem folgt, daß diese Redlichkeit eines Arztes auf der Wissenheit der Kunst stehe, welche Wissenheit aus dem gemeldeten und angezeigten Grund geht und kommt, außerhalb derer auch keiner in der Arznei sich redlich heißen oder melden kann. Nun merkt, daß Gott unter allen Künsten und Fakultäten der Menschen den Arzt am liebsten hat, befiehlt und gebeut. Wenn nun der Arzt dermaßen von Gott hervorgenommen und gesetzt worden ist, so darf er endlich kein Larvenmann sein, kein altes Weib, kein Henker, kein Lügner, kein Leichtfertiger, sondern er muß ein wahrhaftiger Mann sein. Denn so wenig Gott den falschen Propheten Discipel und Jünger läßt, ebensowenig läßt er diesen Ärzten die Kunst der Arznei. Denn ihr seht, daß die falschen Propheten, Apostel usw., Märtyrer und Beichtiger nit grünen, nicht vorankommen, sondern dann, wenn sie sich am höchsten und am besten schätzen, so fallen sie, und alle ihre Jünger erheben sich gegen sie, und die ihrigen überwinden sie, denn Gott läßt sein Wort und Geheimnis durch keinen Falschen einen Vorangang haben. Wenn er durch die Falschen ebenso wie durch den Gerechten und ohne Arglist Wahrhaftigen wirkte, so hätte er nit seine Apostel auszuwählen brauchen, sondern hätte es wohl dem Satan befohlen. So es aber wider den Satan ist, und die falschen Propheten des Satans sind, so stehets in den Auserwählten Gottes.[568] Und so werden die falschen Propheten, Apostel usw. Märtyrer in diesen Dingen ausgeschlossen, und all ihre Wunderwerke, Zeichen, Taten, Predigten, Lehre, Weissagung werden alle verworfen und weder ihr Ja noch Nein wird vor Gott angenommen werden, sondern Gutes und Böses in den Abgrund der Hölle gestoßen. So ist es auch hier mit der Arznei zu verstehen, nämlich daß Gott nit die Leichtfertigkeit damit begaben will, sondern will, daß sie durch die Wahrhaftigen geschehe. Denn weil Gott die Kunst dem Menschen zu nutz geschaffen und gegeben hat, was niemand Widerreden kann, so muß sie allein in der Wahrheit und in gewisser Wahrheit stehen, nicht in verzweifelter Kunst, sondern in gewisser Kunst. Denn Gott will, daß der Mensch wahrhaftig und nicht ein Zweifler und Lügner sei, er hat die Wahrheit geschaffen, nit die Lügen, dem Arzte also verordnet und angeschafft, in der Wahrheit zu sein, nicht in Lügen. Die Wahrheit ist seine Redlichkeit. Also ist des Arztes Redlichkeit, daß er so standhaft und so wahrhaft wie die erwählten Apostel Christi sei, denn er ist nicht weniger als sie bei Gott. So nun Gott die Wahrheit ist und er setzt den Arzt, wie könnte er ihn dann zu einem alten Weibe oder zu einer (Plapper)taschen machen, sondern er muß ihn in der Wahrheit machen. Hierauf soll die vierte Säule gesetzt werden. Aber wo sie nicht in der Wahrheit, so unbeweglich wie Gott selbst, steht, sondern sie steht in der Luft, so steht sie auf den Satan gebaut, gleich wie die falschen Propheten, die sperren den Leuten das Maul auch auf, und gleich wie die falschen Apostel, die tun auch Zeichen vor der Welt, und gleich wie die falschen Märtyrer, die sich töten lassen wie die gerechten, und gleich wie die falschen Beichtiger, die beten und fasten ebenso wohl wie die gerechten. Nun sind sie um solches willen nicht auf die Wahrheit Gottes noch auf Christum gebaut, sondern auf den Teufel und Satan, in dem tun sie es. Ebenso suchen und nennen auch diese Ärzte ihre Fortuna und Kunst, und darnach sagen sie, gleich den oben gemeldeten falschen: wir sind aus Gott; sehet, was wir können, seht[569] was wir tun; da seht, wie Gott durch uns wirkt, – und verschweigen die Wahrheit, daß es durch den Teufel geschieht. So ihr betrachtetet, wie so seltsam die Zeichen geschehen, so würdet ihr in denselben auch finden, wie euer großer Triumph beschehen sei, und das Geschrei, nicht durch euch, sondern durch den, der leidet.

Nit weniger soll der Arzt eines guten Glaubens sein. Denn der, der eines guten Glaubens ist, der lügt nicht und ist ein Vollbringer der Werke Gottes. Denn so wie er ist, so ist er sein selbst ein Zeugnis; das ist: du mußt in Gott eines ehrlichen, redlichen, starken, wahrhaftigen Glaubens mit allem deinem Gemüt, Herzen, Sinn und Gedanken, in aller Liebe und Vertrauen, sein, – alsdann, auf solchen Glauben und Liebe wird Gott seine Wahrheit nit von dir ziehen und wird dir seine Werke glaublich, sichtlich, tröstlich offenbar machen. Nun aber, so du gegen Gott nit eines solchen Glaubens bist, so wird es dir in deinen Werken abgohn und du wirst darin Mangel haben; nachfolgend hat das Volk alsdann auch keinen Glauben in dich. Auf das folgt, daß du dem Volk offenbar würdest, wie du gegen Gott in deinem Glauben stehest. Denn wenn sie dich unwahrhaftig, lügenhaft, zweiflig, unwissend finden, so können sie aus dem Vollen Grund dafür haben, daß deine Sache gegenüber Gott nichts sei und daß du ein Schwärmer in der Arznei bist, und also kann niemand deine Kunst genießen. Gleicherweise wie einer, der da predigt und lehrt das Volk und sagt ihm viel, und es geht kein apostolisch Werk nebenher, das ist der Buchstabe, der tot ist. Denn diese Predigt läßt Gott in den Schäflein oder Zuhörenden nit fruchtbar werden; er nimmt es wieder von ihnen. Denn der, der da säet, der ist nit der rechte Sämann zum Acker und säet nichts als Raden ein; ebenso ist es mit solchen ungegründeten Ärzten. Alldieweil die Arznei nichts als eine Wahrheit sein soll, so muß sie aus Gottes und auf Gottes Wahrheit gegründet stehen, und in keiner Lüge. Soll ich denn dann im Unrecht sein, wenn ich den Grund dahin setze, daß Gott der Lehrer der Arznei sei, das ist in der[570] Weise, daß er sie erschaffen hat. Drum soll der Arzt vom Volk seinen Glauben haben, – so hat er ihn auch bei Gott, denn von dir zu Gott, vom Volk in dich will Gott, daß alle Teile in der Wahrheit stehen sollen und leben. Und alle Künste auf Erden sind göttlich, sind aus Gott und nichts ist aus anderem Grund. Denn der Hl. Geist ist der Anzünder des Lichts der Natur, darum kann niemand die Astronomie, niemand die Alchemie, niemand die Medizin, niemand die Philosophie, niemand die Theologie, niemand die Artisterei, niemand die Poeterei, niemand die Musik, niemand die Geomantie, niemand die auguria und das andere alles lästern. Denn warum? Was erfindet der Mensch aus sich selbst oder durch sich selbst. Nicht ein Plätzlein an ein Paar Hosen zu setzen. Was erfindet der Teufel? Nichts auf Erden, gar nichts, nit so viel, daß man eine Laus auf dem Haupte töten oder fangen könnte. Was aber in uns erfunden wird durch das angezündete Licht der Natur, – alsdann so ist der Teufel der Wegweiser, der alle Dinge, so uns Gott gibt, sich zu fälschen untersteht, sie zu Lügen zu machen und zu Betrügerei, woraus dann alle Handwerke Hinderungen empfangen; die Alchemie ist verführt und in die lügenhafte Sprache und falsche Lehre gebracht worden, desgleichen die Geomantie auf einen falschen Grund gesetzt, die Medizin aus ihrem rechten Gang gebracht worden. Und so hat der Teufel die auguria auch verwandelt. Und er ist ein Lügner und die Lüge allein, und Gott die Wahrheit, und Gott gibt und lehrt uns die Wahrheit, und der Teufel untersteht sich von stundan Gott dadurch zu schmähen und ihn zu einem Lügner zu machen, und verführt die in Gott schwachen Gläubigen und führt sie in Irrtume, auf daß sie von Gott abfallen und in der Kunst Lügen finden und Gott als Lügner strafen, und so mit Lügen ihre Zeit verzehren und umgehen, und suchen und grübeln, und daß sie doch ohne das Finden der Wahrheit sterben. So wißt, daß der Arzt hierin ein Aufmerken haben soll, denn nicht auf des Satans Grund sondern auf den Grund Gottes ist er gebaut, und soll stetig unverrückt[571] in der Wahrheit wandern. Und ich melde, daß die Fakultäten und alle Ärzte in der Lügnerei wandeln und mit Gewalt darin liegen, und die Lüge für einen Grund halten und achten, und auf ihr bleiben. Und sie heißen es eine Wahrheit, – die doch erlogen ist. Und so muß der Vater der Lüge, der Satan eine Säule der Arznei sein, so es doch Gott sein soll und nicht der Satan. Und ob ihr auf solcher Säule recht steht, das merkt und erfahrt ihr daran, wie nahe ihr Gott seid oder wie weit von ihm entfernt, und daß ihr die Lügensäule Gott zulegt, und euch selbst dem Teufel also ergebt und sein Reich erhaltet.

Und nicht allein in den gemeldeten, seinen Leib betreffenden Tugenden, sondern auch in weiteren den Leib betreffenden Dingen sich rein und keusch halten, nicht seine Arznei zur Hoffart brauchen! Denn aus dem wächst ein falscher Arzt. So bald der Arzt im Sinn hat, seinen Gewinn anders als aus reinem Herzen zu brauchen, steht er auf falschem Grund. Drum gebührt dies Gut nicht den Huren. Denn was davon den Huren gehört, wird nicht aus dem rechten Grund gewonnen; denn Gott läßt das aus ihm gewonnene Gut den Huren und Buben, weil Huren und Buben nicht fruchten und werden. Denn anders ist es ein gewonnen Gut eines Arztes, anders ein gewonnen Gut eines Kriegsmannes, anders ist eines Arztes Gut gegen eines Königs Gut, einen andern Auftrag hat ein König mit seinem Gut, einen andern Auftrag der Arzt. Nun ist des Arztes Auftrag nichts anderes, als sein Gut zur Ehrbarkeit hin zu ordnen. Wenn ers dahin ordnet, so ist er eines guten Grundes; wenn er das aber bricht, und wenn er schon seine Ehefrau dem Bilde der Hure gleich machen wollte, seine ehelichen Kinder den Königen gleich zieren und sie in die Hoffart richten, so ist doch sein Gut nicht aus gutem Grunde gewonnen, nicht aus dem Grunde von Gott, sondern vom Teufel, der ihm Kranke macht und gibt, und sie ihm auch gesund macht.

Was meint ihr Ärzte, – wenn ihr schon von einem eine rechte Kunst lernt und ihr seid Buben und gebraucht sie[572] zur Büberei, – es ist aus dem Teufel. Die Kunst ist aus Gott, euer Brauch und Wesen aus dem Teufel. Und wenn ihr nun damit viel gewinnt, es ist gleich wie einer, der mit gestohlenem Gute gewinnt und wird mit gestohlenem Gut reich; was ist der bei Gott?! Ein Dieb. So habt ihr etliche Künste inne. Nicht als Arzt, sondern als die, die sie den Ärzten gestohlen haben, und weil euer Herz sich dermaßen mit Stehlen nähren, führen und begehren will, so läßt euch Gott auch die Nahrung in der Gestalt geschehen. Aus Gott werden alle Menschen genährt und geführt, und Gott muß uns ernähren, sonst vermag uns niemand zu nähren. Aber wie ein Herr mit seinen Knechten, wess' Sinns ein jeglicher ist, darnach hält er ihn; so Gott auch. Will sich einer mit Wahrheit nähren, so gibt ihm Gott in der Wahrheit genug und gibt ihm mit der Wahrheit seine Nahrung, denn er ist uns schuldig die Nahrung zu geben. Die gibt er uns, wie wirs haben wollen. Wollen wir es mit Lüge haben, so wer den die Wahrheiten bei uns Lügen, und wir leben als Lügner. Nun gibt Gott den Lügnern ihre Nahrung ebensowohl wie den Wahrhaftigen, denn er muß uns alle ernähren, Gute und Böse, wie er es mit der Sonne und Erde und allen Geschöpfen beweist. Also soll der Arzt rein und keusch sein, das ist: so ganz, daß sein Gemüt zu keiner Geile, Hoffart, Argem usw. oder dergleichen stünde, noch das sein Fürnehmen sei. Denn die selbigen, die in solcher Lüge stehen, offenbaren lügenhaftige Werke, verlogne Arbeit, und alles, das falsch ist, ist bei ihnen, und sie nähren sich so mit Lügnerei; das ist kein Grund der Arznei, sondern die Wahrheit soll ein Grund sein. Dieselbige ist rein und keusch, und alle ihre Früchte aus diesem Gut bleiben rein und keusch, und kein Makel der Hoffart, des Neides, der Geile, der Unkeuschheit, des Übermuts, des Pompes, der Pracht, des Ansehens, des Spiegels usw. ist an ihnen. Wenn ich euch hierauf den Grund des Arztes vorlege, so sagt ihr, ich sei unsinnig, niemand wisse, was ich rede, ich sei besessen; ich bin des Sinnes, die Dinge vorzubringen, daß man es wohl verstehe,[573] und ihr sagt, es diene nit zur Sache. Fragt die Bauern darüber, ob ex nit zur Sache diene, oder ob es nit die materia sei, die euch zuwider ist.

Damit der Arzt ganz werde und in vollkommenem Grunde stehe, so wißt, daß er in allen Dingen mit bequemer Ordnung handeln soll. Nun ist von der Bequemlichkeit zu schreiben, daß sie sei congruitas, das ist: nach der gesetzten Ordnung der Natur und nit der Menschen handeln. Denn der Arzt ist nit dem Menschen unterworfen, sondern durch die Natur allein Gott. Nun folgt hierauf, daß diese Bequemlichkeit und Bestimmung der Ordnung aus der Art des Leibes wie auch aus dem Licht der Natur gehen soll: denn der Leib hat ein ander Licht an sich selbst, wieder ein anderes ist das Licht der Natur, die Art betreffend. Nun sollen sich diese Arten zusammenfügen. Weil nun Gleiches zu Gleichem kommen soll, das ist congruitas, so daß eins das andere recht angreife, eins auf das andere laute, so sollt zuerst ein Wissen um die Art des Leibes vorhanden sein. Wenn der Leib naturt und gezogen ist, so braucht er zu keinem Arzt. Denn der gezogene Leib ist anders und kein Kind mehr, das in die Lehre geht; der gezogene Leib ist der ausgewachsene Leib, in fremden Dingen. Der ist ausgewachsen, der sich selbst empfindet: der ist fremd, der in ein Unbekanntes geht. Es ist die An des Lichts der Natur, daß sie dem Menschen in der Wiege eingeht, daß sie mit Ruten in ihn hineingeschlagen wird, daß sie am Haar herzu gezogen wird, und geht dermaßen in ihn hinein, daß sie kleiner als das Senfkorn ist und wächst größer auf als der Senf. Dieweil nun der Senfbaum Vögel auf sich sitzen sieht und war der kleinste unter allen, was ist seine Bedeutung anderes, als daß das jung in uns kommt, das im Alter groß wird und so groß, daß der Mensch nicht allein für sich selbst da ist, sondern auch für alle anderen. Auf dieses nun: Weil der Mensch ein Baum werden und diese Lehr Christi und das Exempel vom Senfbaum erfüllen soll, – ein alter ausgewachsener Baum kann nichts mehr fassen und ist diesem Senfkorn gegenüber so gut wie tot. Weil er nun tot ist und[574] ist nichts, und das Exempel lautet auf das Senfkorn und nit auf das Holz und die Äste, – wie kann dann aus einer alten Tanne ein Kütten oder Sprößling wachsen? Oder aus einem alten Lorbeerbaum ein junger Holunder? Es ist nit möglich. Noch viel unmöglicher ist es, daß ein alter Korrektor in einer Druckerei, ein alter Conventor in einer Logiker-Burse, ein alter pater in einer Schule Arzt werde, denn der Arzt soll wachsen. Wie können die Alten noch wachsen? Sie sind ausgewachsen und verwachsen und im Moder vermoost und verwickelt, so daß nichts als Knorren und Knebel daraus werden. Darum, wenn ein Arzt auf einem Grunde stehen soll, so muß er in der Wiege gesät werden wie ein Senfkorn, und darin aufwachsen, so wie die Großen vor Gott, so wie die Heiligen vor Gott, und müssen so wachsen, daß sie in den Dingen der Arznei wie ein Senfbaum zunehmen, daß sie über alle hinaus wachsen. Solches muß mit der Jugend aufgehen und muß wachsen. Wie wächst es denn bei den alten Vätern auf, die verwachsen sind, und sie treten einher, und die Zeit ist hin, sie haben nit geblühet, haben nit gesproßt, haben nit ausgeschoßt, sind nit im Märzen gewesen, wissen vom April nichts, wissen nicht, ob der Mai blau oder grün sei, sind in den Heumonat gekommen und haben wollen Frucht tragen. Das sind die Zeitlosen, das ist Kunstlosen, die im Herbst wachsen. Drauf wißt, daß congruitas da sein soll; nit wie sie es verstehen, sondern wie ich es anzeige, daß die Art des Leibes soll mit der Art des natürlichen Lichts aufwachsen, so gleichen sie sich selbst zusammen. Denn der Mensch kann sie nit zusammensetzen und -ordnen, denn das ist nicht seines Vermögens. So soll der Grund von Jugend auf stehen und befestet werden, und was nit zu seiner Zeit gesät wird, da wird kein guter Trieb draus. Das sind die Ärzte, die von wilden Apfelbäumen auf Weidenstöcke veredelt werden, haben weder Kern noch Samen; wenn man sie sät, so geraten sie zu dem, das sie begehren.

Es mag auch nit ohne sein: wo der Grund eines guten Arztes ist, daß da auch die Treue mitläuft und vollkommen[575] sei, nit eine halbe, nit eine geteilte, nit ein Stückwerk, sondern eine ganze, vollkommene Treue. Denn so wenig in Gott die Wahrheit geteilt oder gemischt werden kann, so wenig auch die Treue. Denn das sind Dinge, die sich nicht teilen lassen, so wenig wie die Liebe, denn Treue und Liebe ist ein Ding. Worin aber liegt nun die Treue eines Arztes? Nit allein, daß er fleißig den Kranken besucht, sondern: ehe daß er den Kranken erkennt, sieht und hört, soll er in die Treue eingegangen sein, das ist: mit Fleiß und Treuen gelernt haben, was sein Anliegen sein soll. Denn hier wird die größte Treue versäumt, darin daß einer lernen will um der Pracht, um des Scheines, um des Maulgeschwätzes, um des Namens willen, und in solchen Dingen gesättigt sein möchte. Das sind alles Untreuen und ist außerhalb der Liebe. Denn die Liebe ist um ihrer selbst, nicht um anderer Dinge willen da. Einer lernt und befleißigt sich, sich selbst nutz zu sein, nit einem andern. Nun liegt die Treue in dem, daß man sie wisse und könne; der sie nit kann, derselbe kann sie auch nicht mitteilen. Drum so liegt es am Lernen, damit man es könne. Weil es nun am Lernen liegt, im Erfahren, so muß sie angefangen werden, zuvor und ehe die Kranken da sind. Wenn sie da sind, so ist darnach das Zeigen und Oben der selben Treue da, das ist das Werk der Treue. Nun aber vom Lernen und vom Anfang des Werkes wißt, daß keiner ein Arzt werden kann ohne Lehre, ohne Erfahrenheit, nit in einer kurzen Zeit, sondern in einer langen Zeit. Denn lang ist die Zahl der Krankheiten, und sehr viel und mannigfach. Denn niemand wird ohne Lehr und Erfahrenheit, und die gar lange und eingehend, ein Arzt. So wenig, wie vor dem Maien die Blüte ausschlägt, vor der Ernte das Korn zeitig wird, vor dem Herbst der Wein, ebenso wenig kann die Zeit in einer jeglichen Erfahrenheit verkürzt werden. Nun reicht die Erfahrenheit von der Jugend an bis in das Alter und bis nahe an den Tod; nit zehn Stunden lang bleibt einer unbelehrt. Wie wollen dann die alten patres, die erst in der Mitte ihres Lebens hereinkommen, zur[576] Ernte und zum Herbst kommen? Es hilft ihnen nicht: ich bin auch sonst und vorher in diesem und jenem recht gelehrt gewesen, – diese Dinge alle dienen nicht der Treue zu den Kranken, sondern der Förderung deines Eigennutzes und dir selbst treu, dem Kranken untreu zu sein. Nicht das selbige, sondern die Arznei sollst du wissen, das sind die Treuen zu den Kranken; die anderen gehören allein dir und deiner Frau, – wie ein Roßdreck, der neben den Äpfeln schwimmt. Der Grund, den du so hereinziehst, ist ein sandiger Grund, auf den du nichts bauen magst noch kannst. Weil nun kein fremder Grund hier in der Arznei etwas taugt, sondern allein der von Jugend auf eingebildete Grund lauterer Arznei, so wisse hierüber: wie schwer und hart es einem Kranken ist, einem solchen Conventor, Schulmeister, Provisor und dergleichen Pater, (die da allein verzweifeln machen), hierin ihnen zu vertrauen, dieweil alle Handwerke, Schuhmacher, Kürschner usw. von Jugend auf darin erzogen sein müssen, und mit noch mehrerem Fleiß von der jungen Jugend auf Maler, Bildschnitzer, Goldschmiede. So das bei den Handwerkern so ist, noch viel mehr ist es in der Arznei, die mehr Lernens bedarf denn diese alle. Und ebensowenig wie du einen geschickten und sehr gelehrten Meister von der Hohen Schule von Leipzig oder von Wien nehmen kannst, der nun sehr hoch gelehrt ist, und kannst aus demselben Gelehrten einen noch geschickteren Schuhmacher machen als du bist, ebenso wenig gibt er auch einen geschickten Arzt, sondern viel tölpischer als geschickt. Und wie ein Esel auf der Leiern, so sind sie im Pulsgreifen und Fühlen an der Stirn, ob sie brenne oder nicht. Darauf wißt, ihr Ärzte, daß ihr, so spät anfangend, die Treue nicht vollkommen lernt noch fertig bringt, und daß euch eure Sophisterei und Philosophie nichts hilft. Denn euch hängt das Doktorat so an wie einem Bauern der Adel; das ist (eure Rede): ich bin edel, ich bin Doktor. Wie könnt ihr alten Schreiberlinge treu werden? Ihr könnt doch in euern alten Tagen nicht Treues erlernen. Saturn ist zu stark wider euch.[577]

Weiter soll der Arzt kunstreich sein. Der da kunstreich sein will, der muß in allem seine Erfahrenheit haben, denn der Grund deiner Künste geht aus der Kunstreiche; das ist, versteh, nicht der Grund der Lehre, sondern der Grund der arzneiischen Kunst. Denn wie kannst du etwas beurteilen, wenn du das nicht aus anderm urteilen kannst. Ein Urteiler soll sein Urteil, das er innen gibt, von dem außen nehmen. Der versteht die Kunst, der kunstreich ist, und der kann in ihr nichts beurteilen, der nicht kunstreich ist; aus anderem wird das, das beurteilt werden soll, verstanden. Nun, wie kann ein Arzt ohne Kunstreiche sein, weil in ihm die größten Arkanen, ihm bekannt, liegen und wohnen sollen. Denn die größten Arkanen sind durch die Klugen aufgegangen. Was ist nun Kunstreiche eines Arztes? Daß er wisse, was den unempfindlichen Dingen nutz und zuwider sei, was den beluis marinis, das ist den Meerwundern, was den Fischen, was den brutis, das ist Vernunftlosen, angenehm und unangenehm sei, was ihnen gesund und ungesund sei. Das ist Kunstreiche, die natürlichen Dinge betreffend. Was mehr? Die Wundsegen und ihre Kräfte, von wannen oder aus was sie das tun; was sonst sei; was die Melusine sei, was die Syrene sei, was permutatio, das ist Veränderung, transplantatio, das ist Verpflanzung, und transmutatio, das ist Vertauschung, sei, und wie sie mit vollkommenem Begreifen zu verstehen seien, was über die Natur sei, was über die Art sei, was über das Leben sei, was das Sichtbare und das Unsichtbare sei, was die Süße und was das Bitter gebe, was da rieche, was der Tod sei, was dem Fischer diene, was dem Lederer, was dem Gerber, was dem Färber, was dem Schmiede der Metalle, was dem Schmiede des Holzes, das ist dem Holzarbeiter, not zu wissen sei; was in die Küche gehört, was in den Keller gehört, was in den Garten gehört, was der Zeit angehört, was ein Jäger weiß, was ein Bergmann weiß, was einem Landfahrer zusteht, was einem Ansäßigen zusteht, was Kriegsläufe bedürfen, was Frieden mache, was den Geistlichen, was den Weltlichen Ursache (ihrer Einsicht) gebe, was jedweder Stand mache, was[578] jedweder Stand sei, was jedweden Standes Ursprung sei, was Gott, was der Satan sei, was Gift, was Gegengift sei, was in Frauen, was in Mannen sei, was Unterschied zwischen Frauen und Jungfrauen sei, zwischen gelben und bleichen, zwischen weißen und schwarzen und roten und falben in allen Dingen, warum die Farbe da, eine andere da, warum kurz, warum lang, warum geraten, warum verfehlt, und was diese Adepterei in allen Dingen anbetrifft. Nit daß dies Arznei sei, sondern eine der Arznei angehängte Eigenschaft. Gleicherweise wie es eine Eigenschaft eines gerechten, ausgewählten Apostels ist, daß er die Kranken gesund macht, die Blinden sehend, die Lahmen gerade, und die Toten auferweckt, – so hangen auch solche Dinge am Arzt. Wie aber will dann so ein alter, ehrbarer, betagter Mann, der da in casualibus, in temporalibus verlegen ist, diese Dinge erfassen? Der da eine lange Zeit braucht, allein die Namen, die mit der Rute hätten gelernt werden sollen, zu lernen? Auf solchen Dingen aber steht der Grund der Arznei, daß ein Arzt solcher Dinge Wissen haben muß. Denn mehr ist an einem Arzte denn an den Menschen anderer Fakultäten gelegen, mehr an einem Arzte denn an andern dergleichen Dingen. Wenn also mehr an ihm gelegen ist, ist er auch mehr, mehr soll er auch sein, mehr soll er auch wissen, denn er soll ein Vater der Philosophie und Astronomie sein. Wie können diese alten Schüler, Apotheker und andere, die erst mit der Zeit in die Arznei kommen und den Grad erlangen, wohl bestehen und wohl gegründet sein?! Alters halben hätte es keine Not, wohl aber der Kunst halben; da ist das Gebrechen. Das ist keine Kunst, Doktor und Meister zu werden; das Geld tuts. Das ist eine Kunst, wahrhaftig Doktor und Meister zu sein. Wessen berühmt ihr professores und promotores euch in euren discipulis? Wenn sie Doktor werden, so sagt ihr: er ist zu Leipzig mein Schüler gewesen, hat bei mir Avicenna, Galen usw. gehört und die Aphorismen des Hippokrates usw. und viel gute Dinge, – doch an dir und deinem Ding ist nichts Gutes darin. Was hat er denn Gutes von dir gelernt?[579] Erlähmen auf beiden Seiten. Das wäre wohl des Berühmens wert, wenn ein doctor, promotor, praeceptor etc. seinen auditores die secreta der Wahrheit lehrte. Hier läge der Butz (des Apfels); da könnte sich der auditor, das ist Hörer, freuen und sagen: das hab ich. Aber ach Gott, diese secreta sind klein bei euch, so daß ihr euch derselben schämen müßt. Ihr laßts also gut sein mit den toten Büchern, aus denen bei euch nie ein wahrhafter Arzt erstanden ist. Der sich seines Schülers mit Ehren berühmen will, der muß ihm mehr als den Plunder Avicennas und die Possen Galens usw. und das mare magnum des Jakobus de Partibus mitteilen.

Obwohl die Dinge alle von den Kranken zerbrochen werden können, denn Ursach: ihr seht, daß die Dinge alle in denen gewirkt werden oder die Wirkung vollbracht werden soll, da müssen sie dazu auch geschickt sein; wo nicht, so wird in dem selben nichts ausgerichtet. Weil nun das alles im Arzt vorhanden ist, und nun am Kranken so viel liegt, soll er zu empfangen geschickt sein, – ohne welche Geschicktheit nichts erfolgen kann. Drum wißt, was im Kranken sein muß: eine natürliche Krankheit, ein natürlicher Wille, eine natürliche Kraft, in diesen dreien steht das Vollendendes Werkes des Arztes. Wenn nun etwas anderes im Kranken als dieses ist, so wird er vom Arzte keine Heilung erwarten können. Denn die, die Christus gesund gemacht hat, mußten geschickt sein zu empfangen; der Ungeschickten ward nie einer gesund. Noch viel mehr ist es hier einem Arzte zu erkennen not, daß seine Kranken der Geschicktheit sein sollen, denn die Kraft des Arztes ist kleiner als die Gottes. Gott hat eine Austeilung über die Menschen und über die Natur getroffen, die niemand ermessen oder ergründen oder erfahren kann, in was ein jedes eingeteilt worden ist. Den Menschen ist ein Großes bei Gott nicht wissend. Das geht aber den Arzt nicht an, sondern allein das geht ihn an, daß er nichts als durch Gott gewollt verantworte. Denn niemanden ist es möglich zu erkennen, wo Gott fördert oder hindert. Der Arzt soll in des Himmels, des Wassers, der Luft und der Erden und[580] aus den selbigen des Mikrokosmos Erkenntnis stehen, und auf solcher Erkenntnis vor seinem Gewissen bestehen, nichts Gott entziehen noch zulegen, alle Zeit Gnade und Barmherzigkeit erwarten. Denn hat er der Sonne eine Finsternis geschaffen und dem Monde, hat er sie stille stehen geheißen, hat er einen Sündfluß über die Welt ergehen lassen, hat er täglichen Reif und Hagel angeordnet, so ordnet er in dergleichen Dingen auch seinen Willen, und will dabei nicht, daß seine Arznei, seine Schöpfung gelästert oder geschmäht oder untauglich genannt sei; sie sei nicht genügend, sondern sie ist aller Kräfte voll. Das aber ist in diesem Zusammenhange auch sein Wille, so will er nach seinem Willen handeln und der Natur ihre Kraft nicht nehmen, aber sie still stehen lassen; so wie er der Sonne ihren Schein nicht nimmt, wenn Finsternisse kommen; aber die Zeit über, während die Finsternis ist, die Zeit über sieht man nichts. Während also Gott der Arznei solchen Untergang verhängt, schleicht dieweil der Tod herein und nimmt das Leben. Und darnach, wenn er fort ist, scheint die Arznei so sehr wie zuvor, wie die Sonne. In der Nacht stehlen die Diebe. Man sieht sie nicht, und es sind die geschicktesten Diebe, die stehlen, ohne daß man sieht; so schleicht der Tod, in solcher Nacht der Arznei, herein, und stiehlt das Leben, das ist: den höchsten Schatz, den der Mensch hat. Wenn Gott die Arznei nicht still stehen ließ, wie die Sonne zu der Zeit Josuah, wer könnte sterben? Viele, denen er die Gesundheit nimmt, so wie er die Sonne hinter sich gezogen hat, die will er krank haben, und will doch nit, daß sie ihn dessen zeihen. Denn so geheim sind seine Werke, daß wir es nicht meinen, nicht wissen, empfinden, und nicht »woher« wissen, – und er will, daß wir der Arznei unterworfen sein sollen, daß wir in uns rein seien, daß wir keinen Argwohn auf ihn haben und tragen. So guten Willens sollen wir sein und so beherzt gegen ihn, daß wir ihm solches nicht zutrauen sollen, sondern der Natur die Schuld geben, und für und für in die, durch seine Arznei, arbeiten, in dem Glauben, daß alles, was der Arzt tue, daß es durch Gott getan, vollbracht[581] oder gehindert sei. Solche Treue und solches Herz, Hoffnung und Vertrauen, soll der Kranke Gott gegenüber haben, auf daß er nit in Ursache der Finsternis falle, in der der Tod kommt, in der die Sonne zurückgezogen wird oder gar ein Sündfluß vorsichgehe. Denn hat er der ganzen Welt (die Sünde) nit übersehen, wie wollte er sie dann einigen übersehen, und das in der Stille und verborgen. So offenbar damals der Sündfluß war und allen Kreaturen bekannt, so verborgen sind nach diesem solche beschlossene Urteile, so daß der Mensch selbst ohne das ausgesprochene Urteil Gottes von dieser Welt abscheidet.

Weil nun der Arzt so hoch und fest angesehen werden soll, gegründet auf solche starken Gründe und Fundamente, so wißt hierbei, daß kein Arzt auf einem Grunde außerhalb der angezeigten vier Gründe bestehen kann, weil so viel an einem Arzt liegt, daß Gott durch ihn wirkt und ihn haben will, und er das Lob und das Leid der Arznei tragen soll, – das Lob, indem er genießt, durch was man Gott preist, nachfolgend das Leid, das ist: wenn ihm die Arznei gestellt wird. Weil der ein Dieb ist, der ihm den Kranken stiehlt, so duldet sie Gott in keinem falschen, daß solche weder Freude noch Leid von ihm tragen sollen. Darum wißt hierin auch, daß die Ärzte, die sich mit der Arznei allein zu erhalten begehren, weiter nichts ergründen noch erfahren. Wenn nun diese Ärzte, die Gott ernähren muß, nach ihrem Willen mit Lüge wirken oder töten, will das Gott nicht, daß das auf ihn gelegt werde, sondern dem selbigen Arzt wird der Mord zugeteilt, seine Freude, sein Leid als ein Ding, Arges und nichts Gutes. Denn Gott will nicht, daß die Arznei durch solche falschen Leute erhalten werden soll. Darum ist zu betrachten, in was Grund und Weg der Arzt wandeln soll, und daß ich euch billig den vorhalte, dieweil ihr das sein wollt, das ihr mit nichten seid, und wollt den Grund verwerfen, auf den ihr gebaut sein sollt und ohne den ihr nicht stehen könnt noch Platz habt.

Nun berechnet es euch von mir, aus was ich rede und schreibe und was mein Grund sei, und deren, die ihr aus[582] meiner Sekte zu sein nennt, wieviel ehrlicher und statthafter sie gegründet seien denn ihr, die da nichts anderes wissen als auf das Papier zu zeigen, das aus alten Hadern gemacht wird und im nächsten Wasser zergeht. Und wie das selbige ist, so ist es auch eine Haderei, was ihr darauf findet, und ist eine Lehr der Hadern und Lumpen. Das Papier ist der Acker, in den die Raden gesät werden, und ihr seid der Raden Arzt, denn ihr klaubt allein heraus, das nichts taugt; das was taugt, das zertretet ihr. Darum, weil die Raden fetter stehen und ansehnlicher in ihrem Ansehen als der Weizen, müssen sie eure Apotheken füllen und in Ehren halten, und euch bei euerm Namen. Und ihr seid doctores, wie die simplicia sind; sie sind faul und gerodiert, das ist zerfressen, verlegen, wurmstichig, und niemand ist unter euch, der wisse, was in ihnen sei. Also wie ihr nichts in ihnen wißt, so weiß man und findet man auch nichts in euch, außer dem, das in den Apotheken beschrieben ist, und ist auch an euch das beste. Und weil ihr auf solchen ungründigen Grund gebaut seid, so wißt ihr nichts. Und so bald ein kleiner Schweiß kommt, so stockt ihr und wißt nit, wodran ihr seid, und Doktor (Theoprast, der) Schweizer, den ihr verachtet, ist euer aller Meister. Und ihr lest und lest, lernt und lernt, und könnt nichts. Was seid ihr anders denn die aus der Zahl der Jungfrauen, die das Öl ihrer Lampen verschüttet hatten, kamen zu den andern und wollten welches entleihen?! Ebenso seid ihr doctores; all eure Büchsen sind ausgeschüttete Lampen, und wenn ein fremder Doktor kommt, so sprecht ihr: Lieber, lehr mich etwas, meine Lampen wollen nicht brennen; ich hab kein öl, ich hab keinen Saft, und so ich, ich und ein anderer, der euch nit als Narren kennt, der selbige teilt euch mit, – und wir machen uns damit selbst unsere Feinde. Wenn wir aber nach der Jungfrauen-Parabel lebten und gäben euch nichts, und ließen euch Stadtärzte, Fürstenärzte und andere auf den Polsterdecken sitzen und euch um euer Ampelöl usw. selbst sorgen, so würdet ihr inne werden, was ihr erlangen würdet. Und wenn wir Landfahrer (die ihr uns so heißt)[583] nit wären, wie große Morde geschähen durch euch? Wie viele der Verderbten bringen wir wieder auf? Und da ihr seht, daß in solcher Erfahrenheit so viel liegt, schickt ihr eure Raden auch auszuwandern aus; so habt ihr jetzt das Wandern auch betrogen und beschissen, also daß ihr nit allein die Heimischen, sondern auch Fremde und Heimische bescheißt und betrügt. Will euch also hiermit meinen Grund vorgehalten haben, guter Hoffnung, ihr werdet eure Augen auftun und zu erkennen wissen, was eure Kunst und Arznei sei, (will aber doch) die auditores, daß sie euch nit zufallen, ermahnt haben.

Dixi.[584]

Quelle:
Theophrast Paracelsus: Werke. Bd. 1, Darmstadt 1965, S. 566-585.
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