Die Naturphilosophie

[118] Ich gehe nun über zur Darstellung des Systems, wie es in der völligen Unabhängigkeit von Fichte hervorgetreten ist. Hier war es also nicht mehr das endliche oder menschliche Ich, von dem ausgegangen wurde, sondern das unendliche Subjekt, nämlich 1. das Subjekt überhaupt, weil das allein unmittelbar Gewisse, aber 2. das unendliche Subjekt, d.h., das nie aufhören kann Subjekt zu sein, nie im Objekt untergehen, zum bloßen Objekt werden, wie es dem Spinoza durch einen Akt, dessen er selbst sich nicht bewußt ist, geschehen ist.

Das Subjekt, inwiefern es noch in seiner reinen Substantialität gedacht wird, insofern ist es noch frei von allem Sein, und obgleich nicht nichts, doch als nichts. Nicht nichts, weil doch Subjekt, als nichts, weil nicht Objekt, weil nicht im gegenständlichen Sein seiend. Aber es kann in dieser Abstraktion nicht bleiben, es ist ihm gleichsam natürlich, sich selbst als Etwas und demnach als Objekt zu wollen. Aber der Unterschied dieses Objektwerdens von dem, was auch der Spinozischen Substanz vorausgedacht werden muß, ist dieser, daß letzteres mit gänzlichem Verlust seiner selbst, also ganz und ohne Rückhalt übergeht in das Objekt und nur als solches (als Objekt) noch angetroffen wird, jenes Subjekt aber nicht blindes, sondern vielmehr unendliches Selbstsetzen ist, d.h. das im Objekt-Werden nicht aufhört Subjekt zu sein, unendliches also – nicht in dem bloß negativen Sinn, daß es nur nicht endlich ist oder gar nicht endlich werden könnte, sondern in dem positiven, daß es sich verendlichen (sich zu etwas machen) kann, aber aus jeder Endlichkeit siegreich, wieder als Subjekt, hervortritt, oder: daß es durch jedes Endlich-, Objekt-Werden sich nur wieder in eine höhere Potenz der Subjektivität erhebt.[118]

Aber eben darum, weil dies seine Natur ist, nie bloß Objekt sein zu können, sondern immer und notwendig zugleich Subjekt zu sein, so ist, die Bewegung einmal angefangen, oder ihren Anfang gesetzt – ist sie eine notwendig fortschreitende.

Der Anfang ist natürlich das erste sich zu etwas Machen das erste Objektiv-Werden; denn mit diesem war infolge der Unendlichkeit des Subjekts, nach welcher jedem Objektiv-Werden unmittelbar nur eine höhere Potenz der Subjektivität folgt – aus diesem Grunde also war mit dem ersten Objektiv-Werden der Grund aller folgenden Steigerung und damit der Bewegung selbst gelegt. Das Wichtigste ist daher die Erklärung dieses Anfangs, dieses ersten Etwas-sein. Dies wurde nun auf folgende Weise gedacht. Das Subjekt noch in seiner reinen Substantialität oder Wesentlichkeit, vor allem Aktus gedacht, ist, wie schon bemerkt, zwar nicht nichts, aber als nichts; dieses als drückt immer etwas über das Wesen Hinzukommendes aus und bezieht sich demnach auf das gegenständliche, auf das über das Wesen hinausgehende Sein; wenn also gesagt wird, das Subjekt oder Ich in seiner reinen Substantialität war als nichts, so drückt dies nichts anderes aus als die Negation alles gegenständlichen Seins. Dagegen wenn wir nun zuerst von ihm sagen: es ist als Etwas, so wird eben damit ausgedrückt, daß dieses Etwassein als Sein ein Akzessorisches, Hinzugekommenes, Zugezogenes, in gewissem Betracht Zufälliges ist. Das als bezeichnet hier eine Anziehung, eine Attraktion, ein angezogenes Sein. Zur Erläuterung! Es gibt gewisse moralische und andere Eigenschaften, die man gerade nur hat, inwiefern man sie nicht hat, oder wie die deutsche Sprache trefflich dies ausdrückt, inwiefern man sich dieselben nicht anzieht. Z.B. wahre Anmut ist gerade nur möglich im Nichtwissen ihrer selbst, dagegen eine Person, die um ihre Anmut weiß, sie sich anzieht, sogleich aufhört, anmutig zu sein, und wenn sie als anmutig sich gebärdet, vielmehr das Gegenteil wird. Ebenso ist es mit der Unbefangenheit. Das unbefangene Sein ist überall nur das, was sich[119] selbst nicht weiß; sowie es sich selbst Gegenstand wird, ist es auch schon ein befangenes. Wenden Sie diese Bemerkungen auf das Vorliegende an, so ist das Subjekt in seiner reinen Wesentlichkeit als nichts – eine völlige Bloßheit aller Eigenschaften – es ist bis jetzt nur Es selbst, und so weit eine völlige Freiheit von allem Sein und gegen alles Sein; aber es ist ihm unvermeidlich, sich sich selbst anzuziehen, denn nur dazu ist es Subjekt, daß es sich selbst Objekt werde, da vorausgesetzt wird, daß nichts außer ihm sei, das ihm Objekt werden könne; indem es sich aber sich selbst anzieht, ist es nicht mehr als nichts, sondern als Etwas – in dieser Selbstanziehung macht es sich zu etwas; in der Selbstanziehung also liegt der Ursprung des Etwas-Seins oder des objektiven, des gegenständlichen Seins überhaupt. Aber als das, was es Ist, kann sich das Subjekt nie habhaft werden, denn eben im sich-Anziehen wird es ein anderes, dies ist der Grund-Widerspruch, wir können sagen, das Unglück in allem Sein – denn entweder läßt es sich, so ist es als nichts, oder es zieht sich selbst an, so ist es ein anderes und sich selbst Ungleiches – nicht mehr das mit dem Sein wie zuvor Unbefangene, sondern das sich mit dem Sein befangen hat – es selbst empfindet dieses Sein als ein zugezogenes und demnach zufälliges. Bemerken Sie hier, daß demgemäß der erste Anfang ausdrücklich als ein Zufälliges gedacht wird. Das erste Seiende, dieses primum Existens, wie ich es genannt habe, ist also zugleich das erste Zufällige (Urzufall). Diese ganze Konstruktion fängt also mit der Entstehung des ersten Zufälligen – sich selbst Ungleichen –, sie fängt mit einer Dissonanz an und muß wohl so anfangen. Denn zuvor – vor der Zuziehung des Seins, in seinem an und vor sich Sein, war das Subjekt auch unendlich, aber inwiefern es die Endlichkeit noch vor sich hatte, aber eben darum ist es dort noch nicht als unendlich gesetzt; um sich als unendlich zu setzen, muß es von dieser Möglichkeit, auch das Endliche zu sein, sich gereinigt haben, also die Endlichkeit selbst wird ihm zum Mittel, sich als unendlich (d.h. als Freiheit vom Sein, denn ein anderer[120] Begriff wird mit dem Wort unendlich hier nicht verbunden) sich als unendlich zu setzen. Nur durch wirklichen Gegensatz konnte es in sein wahres Wesen erhöht werden, konnte es sich als Unendliches erreichen.

Ich will das letzte noch in einer anderen, obwohl völlig äquivalenten Wendung erklären.

Das Subjekt, das erst reines, sich selbst nicht gegenwärtiges Subjekt ist – indem es sich haben will, sich selbst Objekt wird, ist es mit einer Zufälligkeit behaftet (Zufälligkeit ist Gegensatz des Wesens). Aber dadurch ist es als Wesen nicht aufzuheben, denn es ist nicht bloß Wesen überhaupt, sondern unendlicher Weise. Jene Zufälligkeit wird ihm also nur Anlaß, in sein Wesen zurücktretend sich gegen jenes Zufällige als Wesen zu setzen, das es zuvor nicht war. An und vor sich war es Wesen (= Freiheit vom Sein), aber nicht als Wesen, denn es hatte jenen, daß ich so sage, verhängnisvollen Akt des sich selbst-Anziehens noch vor sich; es stand noch an jenem Abhang, von dem es sich selbst nicht zurückhalten kann. Denn entweder bleibt es stehen (bleibt, wie es ist, also reines Subjekt), so ist kein Leben, und es selbst ist als nichts, oder es will sich selbst, so wird es ein anderes, sich selbst Ungleiches, sui dissimile. Es will sich zwar als solches, aber dies eben ist unmittelbar unmöglich, im Wollen selbst schon wird es ein anderes und entstellt sich aber es ergibt sich darein, weil ihm doch nur versagt ist unmittelbar sich als Wesen zu setzen, jenes endliche oder befangene Sein – das allein unmittelbar mögliche – stellt sich ihm selbst gleich nur dar als Vermittlung seines als unendlich-, als Wesen-Seins; insofern kann es jenes Sein wollen, ob es gleich nicht das ist, was es eigentlich will. Dieses endliche Sein vermittelt ihm, sich in einer zweiten Stufe oder Potenz zu setzen – nun als Wesen. Dieses in der zweiten Potenz gesetzte Wesen ist, was das unanfängliche ist, mit dem einzigen Unterschied, daß es (ohne sein eigenes Zutun) gleich als Wesen gesetzt und demnach festgemacht ist. Nennen wir das Wesen oder reine Subjekt A, so ist das Subjekt vor allem Aktus nicht als A,[121] also ist es auch nicht so A, daß es nicht nicht-A oder = B sein könnte. Nun aber macht es sich selbst zu B in der Selbstanziehung, wo es ein anderes wird. Aber die Notwendigkeit seiner Natur ist, unendliches Subjekt, unendliches A zu sein, d.h. nicht Objekt sein zu können, ohne Subjekt zu sein. Es kann also nicht B sein, ohne uno eodemque actu als A zu sein, nicht sofern es B ist, wohl aber in einer andern Gestalt seines Wesens. In dieser ist es nicht mehr bloßes A, sondern als A, als A, weil jetzt die Möglichkeit, nicht-A zu sein, schon ausgeschlossen ist. Das als A gesetzte A ist aber nicht mehr das einfache A, sondern A, das A ist, nicht – ist und nicht ist, sondern entschieden ist. A, das A ist, ist das mit sich selbst duplizierte A (in der älteren Logik wurde diese Art des Setzens, wo A nicht simpliciter, sondern als A gesetzt wird, die reduplikative oder Reduplicatio genannt), also das als A gesetzte A ist nicht mehr einfaches, sondern dupliziertes A, das wir (nachdem der Begriff erklärt ist) der Kürze wegen wohl A2 nennen können, und wir hätten also nun auf der einen Seite A, das B geworden ist, auf der andern im Gegensatz und in der Spannung mit diesem – aber eben darum zugleich in der Erhöhung durch dieses – A2 (das in sich selbst erhöhte A, denn das heißt das als solches gesetzte A).

Auf diese Weise wären wir also aus der Einheit heraus und bis zur Zweiheit gelangt, mit welcher nun, wie Sie zum voraus begreifen, der Grund eines ferneren notwendigen Fortschritts schon gelegt ist. Doch eh' ich zu diesem fortgehe, habe ich noch erst die nähere und bestimmtere Bedeutung jenes Gegensatzes aufzuzeigen.

In dem nun als A gesetzten A, in dem A2, hat sich das A zum Höheren seiner selbst, inwiefern es B ist, erhoben. Notwendig und immer aber ist das Höhere zugleich das Begreifende und Erkennende des Niederen, was unmittelbar auch so einzusehen ist. Das absolute Subjekt, das als nichts ist, macht sich zu Etwas, zu einem gebundenen, beschränkten, befangenen Sein. Aber es ist das unendliche, d.h. das nie und in nichts untergehen könnende Subjekt,[122] und demzufolge, indem es etwas ist, ist es auch unmittelbar wieder das über sich selbst Hinausgehende, also das sich selbst in diesem Etwas-sein Begreifende, Erkennende. Als das etwas seiende ist es das Reale, als das Begreifende desselben das Ideale, hier treten also zuerst auch diese Begriffe (des Realen und des Idealen) in unsere Betrachtung ein. Wenn nun aber diese Geschichte des sich selbst setzenden, sich selbst in allen Bestimmungen seines Seins erzeugenden Subjekts eine wahre, eine wirkliche Geschichte ist, so muß sich dieses erste Etwas-sein des Subjekts, so wie das ihm Entgegengesetzte, worin es als Subjekt ist – jenes Reale und dieses Ideale, diese beiden ersten Potenzen des Selbstsetzens – der Selbstverwirklichung – müssen sich in der Wirklichkeit nachweisen lassen oder einen entsprechenden Ausdruck in der Wirklichkeit haben. Als jenes erste überhaupt Etwas-sein des zuvor freien und als nichts seienden Subjekts, als das mit sich selbst also befangene oder verfangene Subjekt, als dieses erste wurde die Materie erklärt. Mehr wird nämlich vorerst im Begriff der Materie nicht gedacht als das überhaupt etwas, das nicht mehr nichts, d.h. das nicht mehr frei Seiende. Diese Materie, die nur das erste Etwassein selbst ist, ist allerdings nicht die Materie, die wir jetzt vor uns sehen, die geformte und mannigfach gebildete, also namentlich auch nicht die schon körperliche Materie; was wir als Anfang und erste Potenz, als das Nächste am Nichts, bezeichnen, ist vielmehr selbst die Materie dieser Materie, der schon geformten nämlich und uns sinnlich erkennbaren, mit sinnlichen Eigenschaften ausgestatteten Materie, ihr Stoff, ihre Grundlage; denn jene Materie, die nur das erste Etwas-sein überhaupt ist, wird, wie wir bald sehen werden, unmittelbar zum Gegenstand eines Prozesses, in welchem sie verwandelt und zur Grundlage eines höheren Seins gemacht wird, und nur indem sie dazu wird, nimmt sie jene sinnlich erkennbaren Eigenschaften an. Diesem ersten Realen nun, diesem ersten Etwas-sein steht das Ideale entgegen, das insofern das Nichts (nämlich das nicht Etwas) ist, aber weil es das[123] dem Etwas entgegengesetzte, das als solches gesetzte Nichts oder reine Wesen ist, insofern ist es doch eben darum selbst auch Etwas: wir werden sagen, oder vielmehr in der ersten Entwicklung dieser Philosophie wurde gesagt, dieses als solches gesetzte reine Wesen – das gegen die Materie als nichts ist – sei das Licht. Das Licht ist gegen die Materie als nichts und doch nicht nichts; dasselbe, was in der Materie als etwas ist, ist in dem Licht als nichts, und insofern allerdings auch als etwas, aber als ein anderes Etwas, als das rein ideale gesetzt. Das Licht ist offenbar nicht Materie, wozu frühere Hypothesen es herabgesetzt haben. Wenn selbst Materie, wie könnte es Körper geben, die das Licht in allen Richtungen nicht bloß, sondern in jedem Punkt ihrer Substanz geradlinig durchdringt? Wollte man dies durch Poren oder von Materie leere Zwischenräume erklären, so müßte der durchsichtige Körper von jedem Punkt seiner Oberfläche aus geradlinig durchbohrt sein (denn in jedem Punkt seiner Oberfläche ist er durchsichtig), also er müßte in jedem Punkt Porus und daher nichts als Porus sein. (Eben jetzt ist auch die beobachtende Physik geneigter, die Immaterialität des Lichts als seine Materialität zu behaupten. Bekanntlich wird die Undulationstheorie vorgezogen, nach welcher das Licht nur ein Akzidenz, insofern freilich nicht Materie ist, aber das Akzidenz einer Materie, was als Hypothese für den Kalkül gewisse Erleichterungen gewährt, und eben nur so weit zulässig ist wie auch die Atome, deren Gewicht die Stöchiometrie sogar bestimmt, ob sie gleich nie einen dieser Atome gesehen hat. Übrigens hat es etwas durchaus Widerstrebendes, die Phänomene das Lichts, in denen gerade die geradlinige Bewegung das Dominierende, unter die Vorstellung eines undulierenden Mediums zu subsumieren. Die Naturphilosophie erklärt das Licht nicht für immateriell in dem Sinn, daß es bloß Akzidenz, sondern es ist ihr auch Substanz, aber immaterielle – wie Spinoza ausgedehnte und denkende Substanz.) Das Licht ist also selbst nicht Materie, aber es ist im Idealen eben das, was die Materie im Realen ist; denn es[124] erfüllt den Raum auf seine, d.h. auf ideale Weise geradeso nach allen Dimensionen, wie ihn die Materie erfüllt; das Licht ist also der Begriff der Materie, nicht etwa innerlich oder bloß subjektiv, sondern es ist der selbst objektiv gesetzte Begriff der Materie, eine Bestimmung, bei der ich einen Augenblick verweile, indem sie Veranlassung gibt, einen wesentlichen Fortschritt dieser Philosophie in bezug auf Fichte und noch weiter zurück ins Licht zu setzen.

Descartes und sein Nachfolger Spinoza hatten das Denken von der Ausdehnung und dem Ausgedehnten rein ausgeschlossen. Aber z.B. das Licht ist in der ausgedehnten Welt offenbar ein Analogon des Geistes oder des Denkens, und wenn wir diesen unbestimmten Begriff eines Analogon auf einen bestimmten Begriff reduzieren, so ist das Licht gar nichts anderes als der Geist oder das Denken selbst, nur auf einer tieferen Stufe oder Potenz. Ganz auf dieselbe Weise hatte Fichte den Gegensatz von Ich und Nicht-Ich. Zwar hätte er seiner eignen Lehre zufolge, daß nur das Ich wahrhaft existiert, das Ich auch als die Substanz oder als das letzte Wesen der Natur erkennen, er hätte von der Natur behaupten müssen, daß auch sie wahrhaft nur existiere, inwiefern sie innerlich oder ihrem Wesen nach = Ich, Subjekt-Objekt sei. Er hätte dies behaupten müssen, wenn er ihr nicht alle Realität außer unsern Vorstellungen abgesprochen hätte. Also auch Fichte kannte nichts Subjektives als nur in dem menschlichen Ich oder Geist, während man z.B. von dem Licht sagen kann, es sei ein Subjektives, aber ein in die Natur selbst Gesetztes, das, worin die Natur gegen sich selbst subjektiv oder Subjekt ist, woraus denn auch folgt, daß die Natur nicht etwas bloß Objektives – bloßes Nicht-Ich sei. Denn das Ich ist gleichsam das Ich oder das erste Subjektive der Natur – das erste Subjektive außer uns. Nirgendwo, in keiner Sphäre ist ein bloß Subjektives oder ein bloß Objektives, sondern immer eine Einheit beider. Das Licht gehört für mich allerdings zu der mir objektiven Welt, zu der Welt, die für mich, der bereits auf eine höhere Stufe erhoben ist, als Objektiv sich verhält, die aber in[125] sich selbst auch ein Subjektives hat. Nur gegen ein noch höheres Ideales, z.B. gegen das menschliche Wissen, also überhaupt nur relativ, beziehungsweise gehört das Licht zur reellen Welt, für sich betrachtet aber, oder auch mit der Materie verglichen, ist es in seiner Art oder Potenz ebensowohl ein Ideales, als das menschliche Denken in seiner Potenz ein Ideales ist.

Aus den bisherigen Bestimmungen hat sich nun also ergeben, daß die ersten Momente des unendlichen sichselbst-Setzens oder, da in diesem das Leben des Subjekts besteht, daß die ersten Momente dieses Lebens Momente der Natur sind. Hieraus folgt also, daß diese Philosophie mit ihren ersten Schritten in der Natur ist oder von der Natur anfängt – natürlich nicht um in ihr zu bleiben, sondern um in der Folge durch immer fortschreitende Steigerung sie zu übertreffen, über sie hinauszukommen und zum Geist, in die eigentlich geistige Welt, sich zu erheben. Diese Philosophie konnte also in ihrem Anfang Naturphilosophie heißen, aber die Naturphilosophie war nur der erste Teil oder die Grundlage des Ganzen. Die Natur war selbst nur die eine Seite des Universums oder der absoluten Totalität, in welcher erst das absolute Subjekt ganz verwirklicht ist, die relativ ideale Welt. Die Welt des Geistes war die andere Seite. Die Philosophie mußte in die Tiefen der Natur hinabsteigen, nur um sich von dort aus zu den Höhen des Geistes zu erheben. Die andere Seite des Systems war also die Philosophie des Geistes. Wenn man daher das ganze System Naturphilosophie nannte, so war dies eine denominatio a potiori, oder eigentlich a priori, als eine Benennung von dem, was in dem System das Vorausgehende, das Erste, aber insofern vielmehr das Untergeordnete war. Es war im Grunde schwer, diesem System einen Namen zu finden, weil es eben die Gegensätze aller früheren Systeme in sich aufgehoben enthielt; in der Tat war es weder Materialismus noch Spiritualismus zu nennen, weder Realismus noch Idealismus. Man hätte es Real-Idealismus nennen können, inwiefern in ihm der Idealismus selbst einen Realismus[126] zur Basis hatte und aus einem Realismus entwickelt wurde. Nur einmal, in der Vorrede, also in dem exoterischen Teil meiner ersten Darstellung dieses Systems, hatte ich es das absolute Identitätssystem genannt, um eben anzudeuten, daß hier kein einseitiges Reales noch ein einseitiges Ideales behauptet werde, sondern in dem, was man von Fichte her das Reale, und in dem, was man das Ideale zu nennen gewohnt war, nur Ein letztes Subjekt gedacht werde. Allein auch diese Benennung wurde übel gedeutet und von denen, welche nie in das Innere des Systems eindrangen, benutzt, um daraus zu schließen, oder dem ununterrichteten Teil des Publikums glauben zu machen, es werden in diesem System alle Unterschiede, namentlich jeder Unterschied von Materie und Geist, von Gutem und Bösem, selbst von Wahrheit und Irrtum aufgehoben, nach diesem System sei im gemeinen Sinn alles eins. Ich setze nun übrigens die Darstellung desselben fort.

Wir hätten also nun die zwei ersten Potenzen, die Materie auf der einen Seite als Ausdruck des ersten noch mit oder von sich selbst Befangenseins des zuvor lauteren und freien Subjekts und das Licht als Ausdruck des als frei und unbefangen gesetzten Subjekts, was aber eben darum nicht mehr das ganze oder das absolute Subjekt sein kann, eben weil es das schon als solches gesetzte ist. Denn das absolute Subjekt ist noch rein unendlich, also auch noch nicht als solches gesetzt. Es ist nun zu zeigen, wie von diesem Punkt aus die Entwicklung weiter fortgeschritten. Hier kommt dann zuerst das eigentliche Prinzip des Fortschreitens oder die Methode zur Sprache, welche auf der Voraussetzung ruhte, daß immer das, was auf einer vorhergehenden Stufe noch subjektiv gesetzt ist, in einer folgenden selbst objektiv werde – zum Objekt hinzutrete, damit auf diese Weise zuletzt das vollkommenste Objekt entstehe, endlich aber das letzte, allein stehenbleibende Subjekt, das nicht mehr Objektiv werden könnende (weil alle Formen da sind), also wirklich das höchste, als solches gesetzte Subjekt sei, denn was im Lauf der Entwicklung als Subjekt erscheint, ist gleichsam nur für einen Moment[127] Subjekt, aber in einem folgenden Moment schon finden wir es als mit zum Objekt gehörig, selbst wieder objektiv gesetzt. Das Subjekt hat die notwendige Tendenz zum Objektiven, diese erschöpft sich.

Sie sehen von selbst, daß diese Methode nicht eine bloß äußerliche, nur von außen auf die Gegenstände angewendete, daß sie eine innere, immanente, dem Gegenstand selbst inwohnende war. Nicht das philosophierende Subjekt – der Gegenstand selbst (das absolute Subjekt) bewegte sich nach einem ihm inwohnenden Gesetz, welchem zufolge das, was auf einer früheren Stufe Subjekt, in einer folgenden zum Objekt wird. So steht nun auch – im gegenwärtigen Moment noch – das Licht, d.h. das relativ Ideale der Natur, der Materie, als Subjekt dem Objekt, entgegen. Aber dieses Ideale muß nun auch selbst zu dem Objekt hinzutreten – objektiv werden, damit auf diese Art das ganze, das vollkommene Objekt entstehe. In diesem ersten Idealen ist schon wieder ein höheres, weiter zurückliegendes verborgen, das nicht eher hervortritt und unterscheidbar wird, als jenes selbst real geworden ist. Es kann aber nicht real oder objektiv werden, ohne eben damit an dem Sein der Materie teilzunehmen (die den ganzen Raum des Objektiven genommen), d.h. nicht ohne die Materie ihres bisherigen Selbstseins zu berauben, nicht ohne ein Drittes hervorzubringen, von welchem Materie und Licht beide selbst nur noch Akzidenzen oder Attribute sind. Was zuvor (im vorhergehenden Moment) noch jedes ein selbst-Seiendes war – Materie und Licht – diese beiden sollen in einem folgenden Moment nur noch die gemeinschaftlichen Attribute eines Höheren, Dritten sein, beide gemeinschaftlich einer noch höheren Potenz untergeordnet werden. Diese Beraubung ihres Selbstseins kann sich nun aber die Materie, daß ich so sage, nicht ohne Widerstand gefallen lassen. Damit ist also ein Prozeß gesetzt, in welchem, wie ich schon zum voraus andeutete, die Materie zur bloßen Grundlage eines höheren Seins genommen oder darein verwandelt wird. Dieser Moment wurde der dynamische Prozeß genannt, der auch[128] wieder seine Momente hat. Als Erscheinungen dieser Momente wurden die jetzt noch in der Natur erkennbaren, der magnetische, der elektrische und der chemische angesehen, oder deutlicher: die drei Momente eines noch jetzt in der Natur wahrnehmbaren und immer fortgehenden Prozesses, die wir als Magnetismus, Elektrizität und Chemismus unterscheiden, diese drei Momente wurden angenommen auch als Momente der ursprünglichen Entstehung der geformten und differenten (mit unterscheidbaren Eigenschaften ausgestatteten) Materie. Ich nannte sie in dieser Beziehung die drei Kategorien aller materiellen Entstehung oder die drei Kategorien der Physik. Dieser dynamische Prozeß nun aber ist bloß Übergang und beruht noch immer auf der gegenseitigen Spannung der beiden Potenzen; der Chemismus z.B. ist nur das Phänomen, in welchem es der widerstrebenden Materie gelingt, die in ihr durch Magnetismus und Elektrizität gesetzten höheren Bestimmungen immer wieder auszulöschen und zu vernichten. Im dynamischen Prozeß behauptet die Materie noch immer ihre Selbstrealität; von dem Moment an aber, wo sie ihre Selbständigkeit oder ihren selbständigen Gegensatz gegen das Ideale verliert, tritt ein höheres Subjekt ein, gegen welches nun beide sich als die bloßen gemeinschaftlichen Attribute verhalten, wir wollen dieses Subjekt A3 nennen. Es ist das Subjekt oder der Geist der organischen Natur, der Geist des Lebens, welcher nun mit jenen Potenzen, mit Licht und Materie, als den seinigen wirkt. Dabei kommt also die Materie nicht mehr als Substanz in Betracht; in der Tat ist der Organismus nicht durch die materielle Substanz, die beständig wechselt, sondern nur durch die Art oder Form seines materiellen Seins – ist er Organismus. Das Leben hängt an der Form der Substanz, oder für das Leben ist die Form das Wesentliche geworden. Die Tätigkeit des Organismus hat daher auch nicht unmittelbar die Erhaltung seiner Substanz zum Zweck, sondern die Erhaltung der Substanz in dieser Form, in welcher sie eben Form der Existenz der höheren Potenz (A3) ist.[129]

Der Organismus hat eben davon seinen Namen, daß, was zuvor um seiner selbst willen zu sein schien, in ihm nur noch Werkzeug, als Organ eines Höheren ist. In dem früheren Moment – noch im dynamischen Prozeß- behauptet die Materie ihr Selbstsein und nimmt jene Tätigkeitsformen, die wir als Magnetismus, Elektrizität und Chemismus bezeichnet haben, nur als Akzidenzen in sich auf. Ein unorganischer Körper kann in elektrischem Zustand sein oder nicht sein ohne Nachteil für ihn selbst, dagegen sind die Tätigkeitsformen der organischen Materie ihr wesentlich; ein Muskel z.B. ohne Kontraktions- und Expansionsvermögen oder ohne Irritabilität gedacht, wäre eigentlich auch kein Muskel mehr.

Wenn nun aber das Reale als solches nur in der Spannung gegen das Ideale da ist, so existiert jetzt, da beide in einer höheren Potenz untergeordnet sind, weder mehr das eine noch das andere als solches, sondern nur das Dritte, in dem sie eins sind, zu dem sie beide sich gleichsam verständigt haben und für das es eben keinen andern Namen mehr gibt als den des Lebendigen.

Aber diese Unterordnung kann auch nur stufenweise, also durch einen Prozeß erreicht werden. Denn noch immer sucht die Materie ihre Selbständigkeit zu behaupten, wie z.B. in jenen unorganischen Absätzen der Schaltiere, die ihre Abhängigkeit von dem Leben nur durch die ihnen äußerlich aufgedrückte Form beurkunden, innerlich aber unbelebt sind; das Unorganische, d.h. die ein Selbstsein affektierende Materie, ist hier schon in den Dienst des Organismus getreten, aber ohne ihm völlig unterworfen zu sein. Das Knochensystem der höheren Tiere ist eben dieses nun nach innen zurückgedrängte und in den inneren Lebensprozeß mit aufgenommene Unorganische, das bei den Tieren niederer Ordnung (den Mollusken) noch äußerlich ist und als Schale und Gehäuse erscheint. Das Tier auch der höheren Klasse enthält in der Verschiedenheit seiner Organe noch die Andeutungen oder Reminiszenzen der Stufen, über welche der gesamte organische Naturprozeß emporgestiegen ist. Während des Prozesses, durch den die organische[130] Natur selbst ensteht, verhält sich jenes Höhere, das wir durch A3 bezeichnet haben, noch immer zum Teil subjektiv, denn noch ist es nicht ganz verwirklicht. Die Stufen, durch welche es bis zu seinem vollkommenen Objektivwerden hindurchgeht, sind durch die verschiedenen Organisationen bezeichnet. (Hier wurde in der vollständigen Entwicklung des Systems der Unterschied des Pflanzen- und des Tierreichs erörtert, ferner wurde hier die Stufenfolge der tierischen Oganisationen selbst erklärt. Hier kann ich überall den bloßen Grundriß geben, in die einzelnen Untersuchungen, in die zahlreichen Vermittlungen, welche wieder die Übergänge von der einen Stufe des organischen Lebens zu der anderen bilden, kann ich mich hier nicht einlassen, wo jenes System nicht mehr selbst Zweck ist, sondern bloß für den geschichtlichen erörtert wird.)

Diese Lehre, daß, was auf einer früheren Stufe als das Seiende sich darstellt, auf einer folgenden zum relativ nicht-Seienden, nämlich eben zur bloßen Stufe, also zum Mittel herabgesetzt wird, diese Lehre, die, so einfach und in der unmittelbaren Natur jedes Fortschritts gegründet sie ist, gleichwohl zuerst eine Sache der Philosophie war und von dieser ausgesprochen wurde, ist jetzt bereits in die Naturforschung gedrungen und im weitesten Umfang angewendet.

Hat nun der (organische) Prozeß sein Ziel erreicht, so tritt auch jenes bisher Subjektive selbst wieder zum Objekt hinzu, sein Reich, seine Herrschaft endet, um wieder einer höheren Potenz Platz zu machen. (Es entstehen jetzt keine ursprünglichen Organisationen mehr. Insofern ist auch historisch dieses ursprünglich organisierende, Organisationen hervorgerufene Prinzip zu einer Vergangenheit geworden.) Das Prinzip des organischen Lebens gehört also in bezug oder im Verhältnis zu dem höheren Prinzip der folgenden Periode selbst noch zur objektiven Welt und ist insofern Gegenstand sogar der empirischen Naturforschung. Der Moment, wo jenes bis jetzt Höchste, das A3, nun selbst auch ganz objektiv wird, also einem noch höheren Subjekt sich unterordnet, ist – die Geburt des[131] Menschen, mit welcher die Natur als solche vollendet ist und eine neue Welt, eine völlig neue Folge von Entwicklungen beginnt. Denn der Anfang der Natur war eben jenes erste Etwas-Sein, und der ganze Naturprozeß ging nur auf Überwindung desselben in seiner Selbständigkeit oder Substantialität, ging nur dahin, es selbst wieder zur bloßen Existenzform eines Höheren zu machen. Nachdem also dieses erste Sein von seiner Befangenheit erlöst und eben dadurch, daß es einem Höheren sich unterordnete, zu der Freiheit wieder gebracht ist, die es im Organischen schon zum Teil in den freiwilligen Bewegungen der Tiere erlangt hat, so ist der Naturprozeß als solcher geendigt; das Subjektive, das jetzt eintritt, hat nicht mehr unmittelbar, wie noch die vorhergehenden Potenzen, mit dem Sein zu tun, indem es dies als ein fertiges, vollendetes, abgeschlossenes vor sich hat; die höhere Potenz, die nun wieder über dieser Welt des Seins sich erhebt, hat zu dieser nur noch einen idealen Bezug, oder sie kann nur noch Wissen sein. Denn was sich gegen das gesamte Sein wieder als Höheres, es Begreifendes verhält, kann nur Wissen sein. Wir hätten also jetzt das Subjekt bis zu dem Punkt gebracht, wo es reines Wissen ist, oder wo es dasjenige ist, dessen Sein eben nur noch im Wissen besteht, das wir nicht mehr nachweisen können als ein Ding oder als Materie (hier war die Immaterialität der Seele oder dessen, was in uns unmittelbar nur noch Wissen ist, besser und einleuchtender erklärt als in allen früheren Theorien, für welche noch außerdem die Existenz dieses Einfachen und Immateriellen, wie sie es nannten, selbst nur eine zufällige war, während sie in jener Folge als eine notwendige einleuchtet) – es muß in dieser Folge ein Punkt kommen, wo das Subjekt nicht mehr zur Materie herabsinkt, wo es nur noch Wissen, also reines Wissen, d.h. reiner Geist ist, und wo es alles, was es außerdem und unmittelbar sein könnte, bereits außer sich, als ein Anderes vor sich, als ein für es selbst Objektives hat. Dennoch bleibt es zwar nur in idealer, aber doch in notwendiger Beziehung auf das, was es nun vor sich hat; denn es ist reines Wissen[132] eben nur, weil es das gesamte Sein schon außer sich hat; denn an sich ist es nicht ein anderes, sondern dasselbe Subjekt, das in seinem ersten und unmittelbaren Tun Materie geworden, in einer höheren Potenz als Licht, in einer noch höheren als Lebensprinzip erschien; könnte man also diese früheren Momente vor ihm hinwegnehmen, so würde das Subjekt nur wieder eben da anfangen können, wo es angefangen hatte, und es würde – auf dieser bestimmten Stufe – zu dieser Potenz seiner selbst abermals erhoben, wieder als reines Wissen sein; es ist als reines Wissen gesetzt nicht an sich, sondern nur vermöge dieser Stufe, d.h. inwiefern es jene Momente vor sich hat, inwiefern es von diesen, die in ihm, dem absolut oder an sich betrachteten, als Möglichkeiten waren, inwiefern es sich von diesen schon gereinigt, sie außer sich, also zugleich von sich ausgeschlossen hat, es ist als reines Wissen nicht an sich, sondern nur durch seine Potenz, als A4, als welches es aber sich selbst in den früheren Potenzen voraussetzt. Eben darum steht es in notwendigem und nicht aufzuhebendem Bezug zu jenen vorausgegangenen Momenten, in unmittelbarem Bezug aber zu dem, in welchem allein der Schluß und das Ende des vorhergehenden Seins ist, also zu dem Menschen (denn das folgende Moment muß immer das vorhergehende als seine unmittelbare Basis festhalten) – es ist also reines Wissen, das zwar auf die ganze Natur sich bezieht, seine unmittelbare Beziehung aber nur zum Menschen hat und insofern menschliches Wissen ist. Hiermit entsteht denn eine neue Folge von Momenten, welche nicht umhinkann, der Folge von Momenten, die wir bereits in der Natur erkannt haben, parallel zu sein. Aber der Unterschied ist, daß hier alles nur im Idealen vorgeht, was dort im Realen ist.

Die erste Stufe wird auch hier wieder das Objektive oder Endliche sein, die zweite das als solches gesetzte Subjekt oder Unendliche, die dritte – Einheit beider; aber wie dort, in der Natur, das Reale und das Ideale, Materie und Licht, beides, objektiv oder real ist, so wird hier (in der nun anfangenden geistigen Welt) Reales und Ideales[133] der Entgegensetzung ohnerachtet beides nur ein Ideales. Das Subjekt, welches wir als über die ganze Natur erhabenes bestimmt haben, ist unmittelbar nur reines Wissen, als solches unendlich und in völliger Freiheit; insofern steht es wieder an demselben Punkt wie das erste in seiner reinen Freiheit und Unendlichkeit gesetzte Subjekt, aber es steht in unmittelbarer Beziehung zu einem Endlichen und Begrenzten, dem menschlichen Wesen, und indem es nicht umhinkann, zur unmittelbaren Seele desselben zu werden, ist es auch genötigt, an allen Bestimmungen, Verhältnissen und Begrenzungen desselben teilzunehmen, und auf diese Weise, indem es in alle Formen der Endlichkeit eingeht, sich selbst zu verendlichen, und obgleich es selbst immer ideal bleibt, dennoch mit der im Gebiete des Seins oder des Realen herrschenden Notwendigkeit (ideal) sich zu verwickeln. Aus diesem Verhältnis nun des in sich unendlichen Wissens und eines Endlichen, mit welchem es in Bezug steht, wurde das ganze System der notwendigen Vorstellungen sowie der Begriffe, nach welchem sich die objektive Welt dem menschlichen Bewußt sein bestimmt, abgeleitet; die eigentlich erkennende oder theoretische Seite des menschlichen Bewußtseins wurde hier entwickelt der ganze, wiewohl berichtigte, Inhalt der Kantischen Vernunftkritik, oder was in dieser Inhalt der gesamten theoretischen Philosophie war, wurde hier, aber als Inhalt eines bloßen Moments, in das Gesamtsystem aufgenommen. Aber indem nun auf diese Weise das an sich freie und unendliche Wissen sich den Endlichen einbildet und durch ein neues Herabsinken in die reale Welt sich mit der Notwendigkeit befängt und nun selbst als notwendiges und gebundenes Wissen erscheint: so wird eben dadurch der Grund zu einer neuen Steigerung gelegt; denn das unüberwindliche Subjekt tritt auch aus dieser Gebundenheit, die es im Menschen angenommen, nochmals in sein Wesen zurück und wird im Gegensatz mit seiner Gebundenheit als das freie, als zweite Potenz seiner selbst und außer jener Notwendigkeit, als sie selbst beherrschend, behandelnd und begreifend gesetzt; der Gegensatz,[134] der durch die ganze Folge hindurchging, erhält hier seinen höchsten Ausdruck als Gegensatz von Notwendigkeit und Freiheit. Die Notwendigkeit ist das, womit der Mensch in seinem Erkennen zu tun hat, dem er in seinem Erkennen unterworfen ist; die Freiheit ist Freiheit des Handelns und des Tuns; alles Handeln setzt ein Erkennen voraus, oder im Handeln macht sich der Mensch sein eignes Erkennen wieder objektiv oder gegenständlich und erhebt sich über dasselbe; was im Erkennen Subjekt war, wird im Handeln Objekt, Werkzeug, Organ, und wenn es Ihnen früher oder bisher nicht klar gewesen sein sollte, wie jenes Übertreten des Subjekts ins Objekt oder jenes selbst Objektivwerden eines soeben noch Subjektiven geschehe, so haben Sie hier ein ganz naheliegendes Beispiel. (Bild der magnetischen Linie.)

In einer neuen Steigerung also, wodurch ihm die in seinem Erkennen gesetzte Notwendigkeit selbst wieder objektiv wird, befreit sich das Subjekt von eben dieser Notwendigkeit und erscheint nun als frei, zwar nicht in Ansehung des Erkennens oder Wissens, wohl aber in Ansehung des Handelns. Aber der Gegensatz ist damit nicht aufgehoben, sondern eben erst gesetzt, der Gegensatz zwischen Freiheit und Notwendigkeit, der durch immer weiter ausgedehnte Verzweigungen, welche ich hier nicht darstellen kann, endlich jene hohe Bedeutung annimmt, die er in der Geschichte hat, in der nicht das Individuum sondern die ganze Gattung handelt.

Hier also war der Punkt des Systems, wo es in die Sphäre des Handelns, die praktische Philosophie überging, wo demnach die moralische Freiheit des Menschen, der Gegensatz des Guten und Bösen und die Bedeutung dieses Gegensatzes, wo dann insbesondere auch der Staat als eine, wiewohl untergeordnete Vermittlung der Freiheit und Notwendigkeit, als ein Erzeugnis der zwischen beiden ringenden Menschheit, und endlich die Geschichte selbst als der große Prozeß, in den die ganze Menschheit verwickelt ist, zur Sprache kam. Und so wurde denn dieselbe Philosophie, welche auf einer früheren Stufe. Naturphilosophie[135] war, hier Philosophie der Geschichte. In dieser zeigte sich, daß eine schrankenlose Freiheit, die durch keine Gesetzmäßigkeit gezügelt wäre, zu einer trostlosen und verzweiflungsvollen Ansicht der Geschichte führe. Hier, wo die höchste und am meisten tragische Dissonanz hervortritt, in welcher der Mißbrauch der Freiheit uns selbst wieder die Notwendigkeit zurückzurufen lehrt, hier sieht der Mensch sich genötigt, etwas zu erkennen, das höher ist denn die menschliche Freiheit; die Pflicht selbst könnte ihm nicht gebieten, sobald sie entschieden habe, über die Folgen seiner Handlung ruhig zu sein, wenn er sich nicht bewußt sein dürfte, daß seine Handlung zwar von ihm, von seiner Freiheit, die Folgen aber oder das, was aus dieser Handlung für sein ganzes Geschlecht sich entwickelt, von einem Anderen und Höheren abhängig ist, welches durch die freieste, ja gesetzloseste Handlungsweise des Individuums hindurch eine höhere Gesetzmäßigkeit handhabt und behauptet.

Ohne diese Voraussetzung würde nie ein um die Folgen seiner Handlung ganz unbekümmerter Mut, zu tun, was die Pflicht gebietet, ein menschliches Gemüt begeistern; ohne diese Voraussetzung könnte nie ein Mensch wagen, eine Handlung von großen Folgen zu unternehmen, wäre sie ihm selbst durch die heiligste Pflicht vorgeschrieben. Hier wird also für die Geschichte selbst eine Notwendigkeit gefordert, die auch gegen die moralische Freiheit noch besteht und sich behauptet, die also nicht blinde Notwendigkeit (über welche die Freiheit allerdings erhoben ist) sein kann, welche vielmehr nur darum die Freiheit mit der Notwendigkeit vermittelt, weil sie selbst nicht (wie menschliche Freiheit) mit der Notwendigkeit in Konflikt tritt, und nicht bloß relativ, sondern absolut frei gegen sie, immer Vorsehung, also immer und gegen alles Subjekt – reines, freies, unbeteiligtes und daher wahrhaft unendliches Subjekt bleibt. Hier kam also die Philosophie auf jenes letzte, über alles siegreiche Subjekt, das selbst nicht mehr objektiv wird, sondern immer Subjekt bleibt, und das der Mensch nicht mehr wie im Wissen als [136] Sich, sondern als über Sich und eben darum als über allem erkennen muß, dem zuletzt alles unterworfen ist, und das nun nicht mehr bloß, wie im ersten Ausgang, Geist und Vorsehung ist, sondern auch als Vorsehung sich erklärt und am Ende zeigt, was es im Anfang schon war. Die letzte Aufgabe konnte nun bloß noch sein, das Verhältnis dieses seiner Natur nach unzugänglichen und wie in einem unzugänglichen Licht wohnenden – weil nie Objekt werden könnenden – Subjekts zum menschlichen Bewußtsein zu zeigen; denn irgendein Verhältnis zu diesem mußte ihm zukommen. Da aber bereits ausgesprochen ist, daß es selbst nie und durch keinen weiteren Fortschritt zum Objekt werden könne, sondern als herrschend über allem stehenbleibe, so läßt sich kein weiteres Verhältnis zum menschlichen Bewußtsein als das der bloßen Manifestation denken. Denn da es nicht mehr selbst Objekt wird oder werden kann, so kann man nur sagen, daß es sich manifestiere. Es fragt sich also, ob im menschlichen Bewußtsein solche Manifestationen oder, um einen Leibnizischen Ausdruck zu brauchen, der hier passender angewendet sein möchte, ob solche Fulgurationen jenes Höchsten, über alles Erhabenen im menschlichen Bewußtsein nachzuweisen sind, Erscheinungen, in denen das menschliche Selbst sich als Werkzeug oder Organ jenes Höchsten verhält; denn was sich bloß manifestiert, wirkt nicht unmittelbar, sondern nur durch ein anderes hindurch. (So in der ganzen Linie des Fortschritts.) Nun müssen wir uns erinnern, daß jenes höchste Subjekt zwar an sich nur Eines ist, aber im Verhältnis zu den zwei Seiten des jetzt vollendet vor uns stehenden Universums unter drei Gestalten gedacht werden kann; denn es ist, eben weil das Höchste, und weil alles unter ihm, ebensowohl das Letzte, final Hervorbringende der Natur, der realen Welt, als es Herr der geistigen, der idealen Welt und wieder das beide Vermittelnde, als eins unter sich Begreifende ist. Als Hervorbringendes nun wird es sich im Menschen manifestieren ebenfalls durch Hervorbringung, reale Produktion; es wird sich zeigen 1. als das Macht über den Stoff, über die Materie[137] hat, sie bewältigen und zwingen kann, der Ausdruck des Geistes, ja der höchsten Ideen selbst zu sein – so weit geht die bildende Kunst bloß als solche, aber 2. in der Poesie, welche von der bildenden Kunst vorausgesetzt wird, und zu welcher jene selbst wieder nur in einem werkzeuglichen Verhältnis steht, in der Poesie wird es sich manifestieren als Geist, welcher Gewalt hat, auch den Stoff selbst hervorzubringen oder zu schaffen.

Die höchste Wahrheit und Trefflichkeit des plastischen Kunstwerks besteht nicht in der bloßen Übereinstimmung mit dem Geschöpf oder geschöpflichen Vorbild, sondern darin, daß der Geist der Natur selbst es hervorgebracht zu haben scheint; in ihm offenbart sich also eine Tätigkeit, die selbst nicht mehr geschöpflicher Art ist, sondern in der man den Schöpfer zu sehen glaubt. In dem höchsten Werk, der mit Kunst vereinigten Poesie – in dem höchsten Werk der Dichtkunst, der Tragödie, erscheint in den Stürmen blind gegeneinander wütender Leidenschaften, wo für die Handelnden selbst die Stimme der Vernunft verstummt und Willkür und Gesetzlosigkeit immer tiefer sich verwickelnd zuletzt in eine gräßliche Notwendigkeit sich verwandeln – mitten unter allen diesen Bewegungen erscheint der Geist des Dichters als das stille, allein noch leuchtende Licht, als das allein oben bleibende, in der heftigsten Bewegung selbst unbewegliche Subjekt, als weise Vorsehung, welche das Widerspruchsvollste doch zuletzt zu einem befriedigenden Ausgang zu leiten vermag.

Hier also manifestiert sich jenes Höchste als Genius der Kunst. Ist nun die Kunst das Objektivste menschlicher Tätigkeit, so ist die Religion die subjektive Seite derselben, inwiefern diese nicht, wie jene, darauf geht, ein Sein, sondern im Verhältnis zu jenem höchsten Subjekt alles Seiende als nicht seiend zu setzen. Hier offenbart sich also jenes höchste Subjekt eben als das, wogegen alles in nichts versinkt, als solches offenbart es sich in der Begeisterung jener sittlich-religiösen Heroen, durch welche die Menschheit selbst verherrlicht und als göttlich erscheint.

Es gibt eine dritte menschliche Tätigkeit, welche das[138] Objektive der Kunst und das Subjektive (oder die Unterwerfung) der Religion in sich vereinigt – die Philosophie. Sie ist objektiv wie die Kunst, denn sie zeigt den Gang des hervorbringenden, von Stufe zu Stufe wandelnden, durch alle hindurchgehenden, aber in keiner bleibenden Schöpfers. Sie ist subjektiv wie die Religion, weil sie alles nur in die Wirklichkeit bringt, zeigt oder als seiend setzt, um es am Ende dem höchsten Subjekt, der an sich selbst der höchste Geist ist, zu überantworten.

Kunst, Religion und Philosophie, dies sind die drei Sphären menschlicher Tätigkeit, in denen allein der höchste Geist als solcher sich manifestiert, er ist der Genius der Kunst, der Genius der Religion, der Genius der Philosophie. Diesen drei Sphären wird allein Göttlichkeit und daher auch ursprüngliche Begeisterung zugestanden (alle andere Begeisterung ist schon nur eine abgeleitete, und wie Homer durch das einstimmige Zeugnis aller Zeiten, so ist auch Platon von seiner Nachwelt der göttliche genannt worden). Betrachten wir jenes höchste Subjekt nicht in einer jener besonderen Beziehungen, sondern schlechthin und allgemein, so bleibt uns für dasselbe kein anderer Name, als den ihm alle Völker ohne Unterschied geben, der Name des Gottes – nicht bloß Gottes, nicht theou, sondern tou theou, des bestimmten Gottes, dessen, der Gott ist. In diesem Begriff endigt also die Philosophie, er ist, nachdem die drei Potenzen der realen und der idealen Welt, gleichsam als ebensoviel sukzessive Herrscher verschwunden und untergegangen sind, der letzte, allein überbleibende, in welchem die Philosophie ruht von ihrer Arbeit und gleichsam ihren Sabbat feiert.

Auf diese Weise war also von dem Tiefsten, das sich uns darstellt, bis zu dem Höchsten, dessen die menschliche Natur fähig ist, eine Linie, ein stetiger und notwendiger Fortschritt dargetan. –

Mit dem zuletzt vorgetragenen System wird sich auch heutzutage noch jeder, der es in seiner echten und ursprünglichen Gestalt kennenlernt, in einer eignen Lage befinden. Einerseits wird ihm gleichsam unmöglich scheinen,[139] daß dieses System falsch sei, von der anderen wird er etwas empfinden, das ihn verhindert, es wenigstens als das letzte wahre auszusprechen. Er wird es als wahr erkennen innerhalb einer gewissen Begrenzung, nicht aber unbedingt und schlechthin. Es wird also, um ein gegründetes Urteil darüber zu haben, vorzüglich darauf ankommen, sich jener Begrenzung bewußt zu werden.

Man kann dem System 1. hinsichtlich seines Umfangs nicht absprechen, daß es alles Erkennbare, alles, was auf irgendeine Weise Gegenstand der Erkenntnis werden kann, umfaßt, daß es nichts ausgeschlossen hat und daß es außerdem im Besitz einer Methode ist, durch die es sich der Vollständigkeit seiner Erfassung versichert; man kann sogar behaupten, daß es für jede künftige Erweiterung der menschlichen Erkenntnis schon zum voraus den Ort und gleichsam die Stelle enthalte. Was 2. die Methode betrifft, so war durch diese selbst dafür gesorgt, der Subjektivität des Philosophen keinen Einfluß zu gestatten. Es war der Gegenstand selbst, der sich nach einem ihm inwohnenden Prinzip fortbestimmte, es war der nach innerem Gesetz fortschreitende Gedanke, der sich seinen Inhalt gab. 3. Der Form nach war durch dieses System zuerst in die Philosophie eingeführt der Begriff des Prozesses und von Momenten dieses Prozesses. Sein Inhalt war die Geschichte des unvermeidlich sich verendlichenden, aber aus jeder Verendlichung wieder siegreich hervortretenden Subjekts, das am Ende als über alle Objektivität und Blindheit erhabenes, im höchsten Sinn sich bewußtes Subjekt, als Vorsehung stehenblieb. Bedenkt man außerdem, welche Gewalt aller natürlichen Vorstellung durch den Subjektiven Fichteschen Idealismus angetan, wie das Bewußtsein durch die frühere absolute Entgegensetzung von Natur und Geist sich zerrissen, nicht weniger aber durch den krassen Materialismus und Sensualismus, der sich eben damals über das übrige Europa (außer Deutschland) verbreitet hatte, sich verletzt fühlte so begreift man, daß dieses System im Anfang mit einer Freude aufgenommen wurde, die kein früheres erregt hatte[140] oder ein späteres wieder erregte. Denn man weiß jetzt nicht mehr, wie manches damals errungen werden mußte, was heutzutage zum Gemeingut und in Deutschland gleichsam zum Glaubensartikel aller höher denkenden und fühlenden Menschen geworden ist. Hiezu gehört namentlich die Überzeugung, daß, was in uns erkennt, dasselbe ist mit dem, was erkannt wird.

Da jene Philosophie die gesamte Wirklichkeit – Natur, Geschichte, Kunst – alles Niedere und Höhere umfaßte, also dem Menschen gleichsam sein ganzes Wissen vor Augen stellte, mußte es mehr oder weniger auch auf den Geist der andern Wissenschaften wirken, und man kann wohl sagen, daß es nicht bloß in der Philosophie als solcher, daß es eine Veränderung in der Ansicht und Betrachtungsweise der Dinge überhaupt hervorgebracht hat. Ein neues Geschlecht entstand, das sich gleichsam mit neuen Organen des Denkens und des Wissens ausgestattet fühlte, das ganz andere Forderungen an die Naturwissenschaft, andere an die Geschichte stellte.

Die früheren mechanischen und atomistischen Hypothesen in der Physik ließen für die Naturerscheinungen fast kein anderes Interesse als etwa das übrig, mit welchem die Neugierde den Kunststücken eines Taschenspielers auf den Grund zu kommen sucht. Ihr erklärt wohl, könnte man zu solchen Theoretikern sagen, ihr erklärt freilich zur Not, wenn man euch diese Körperchen, diese Figuren derselben, diese feinen Materien, diese bald so, bald anders gebohrten, in dieser oder jener Richtung mit Klappen versehenen Kanäle zugibt, aber eins laßt ihr unerklärt, wozu alle diese Anstalten selbst gemacht sind, wie die Natur in solchen Taschenspielereien sich gefällt.

Glücklicherweise traten zu jenen durch die Philosophie gewonnenen, tieferen Ansichten der Natur, nach welcher auch sie ein Autonomisches, ein sich selbst Setzendes und Betätigendes ist, die Entdeckungen der neueren Experimentalphysik hinzu, welche die Voraussagungen der Philosophie erfüllten, zum Teil übertrafen. Die bis dahin für tot geachtete Natur gab jene Zeichen eines tieferen Lebens,[141] die das Geheimnis ihrer verborgensten Prozesse offen darlegten. Was man kaum zu denken gewagt hatte, schien Sache der Erfahrung zu werden.

Wie man früher die Natur in eine bloße Äußerlichkeit, in ein Spiel ohne alles innere Leben, ohne ein wahres Lebens-Interesse verwandelt hatte, so gefiel man sich nicht weniger, die Geschichte als das zufälligste Spiel gesetzloser Willkür, eines sinn- und zwecklosen Treibens erscheinen zu lassen, ja derjenige Gelehrte galt als der geistreichste, der das Sinnlose, ja Unsinnige der Geschichte am meisten hervorzuheben, und je größer das Ereignis, je erhabener die historische Erscheinung war, desto kleinere, zufälligere und nichtswürdigere Ursachen zur Erklärung derselben aufzubringen wußte. Dies war besonders so ziemlich der herrschende Geist der Universitäten. Ausnahmen gibt es freilich zu jeder Zeit. Eine große Ausnahme dieser Art war Johannes von Müller, den, während mehr oder weniger alle Stände sich selbst untergruben, aber besonders der größte Teil der Gelehrten vorzüglich in den positiven Fächern sich gleichsam um die Wette bemühten, durch Wegerklärung alles höheren Geistes ihre eigne Wissenschaft verächtlich zu machen, den, sage ich, während einer solchen Zeit die angeborene Ehrfurcht vor der Geschichte davor bewahrt hatte, in diesen Ton einzustimmen, aber es war auch höchstens seine Gelehrsamkeit, die Anerkennung fand, seinen Geist zu würdigen war einer späteren Zeit vorbehalten.

Der Wert und das Interesse der Wissenschaften steigt immer in dem Verhältnis, in welchem man sie eines tiefen und reellen Bezugs auf die höchste aller Wissenschaften, die Philosophie, fähig sieht, und diejenigen, welche aus einem bedauerlichen Mißverstand sich Mühe geben, ihre spezielle Wissenschaft so weit möglich von der Philosophie loszureißen, wissen nicht, was sie tun; denn die Achtung, in der sie ihre Wissenschaft sehen und bei der sie sich wohl befinden, ist selbst nur eine Folge davon, daß in ihnen jener Bezug auf die höhere, wenn nicht ausgesprochen, doch infolge der früheren philosophischen[142] Entwicklungen als vorhanden gesehen wird. Wenn einmal ein veränderter Gang der Literatur bevorstand, so mußte er sich zuerst in den höheren, eben darum sensibleren Organen (in Poesie und Philosophie) ankündigen, wie zarte und geistiger organisierte Naturen Witterungsveränderungen, bevorstehende Gewitter und andere physische Ereignisse eher als materieller organisierte empfinden. Goethe war wohl der erste Verkünder einer neuen Zeit, aber er blieb eine isolierte, nicht bloß seiner Zeit, sondern zum Teil sogar sich selbst unbegriffene Erscheinung; das wahre Licht über ihn gab ihm selbst erst die große durch Kant bewirkte Veränderung, von welcher an der durch sie geweckte Geist sukzessiv alle Wissenschaften und die ganze Literatur ergreifen mußte. Auch Herder verdient wohl unter den Genien erwähnt zu werden, die diese neue geistige Bewegung zum Teil ohne Wissen und ohne Wollen vorbereitet haben.

Wie kam es nun, daß diese Philosophie in der Gestalt, in welcher sie zuerst eine fast allgemeine Anziehungskraft ausübte, dennoch nicht lange nachher sich in ihrer Wirkung gehemmt sah, einen abstoßenden Pol zeigte, der im Anfang weniger bemerkt wurde? Nicht die großenteils sinnlosen und ungerechten Angriffe, denen sie von vielen Seiten ausgesetzt war, wohin z.B. das Triviale, das Gewöhnliche gehörte, daß sie Spinozismus, Pantheismus sei – nicht diese Angriffe konnten sie eigentlich hemmen; es war vielmehr ein Mißverstand, in dem sie sich über sich selbst befand indem sie sich für etwas gab oder (man könnte eher sagen) sich für etwas ansehen ließ, was sie nicht war, was sie dem ursprünglichen Gedanken nach nicht sein sollte.

Um dies zu erklären, muß ich etwas weiter ausholen.

Der Punkt, in welchem jede Philosophie mit dem allgemeinen menschlichen Bewußtsein immer entweder in Übereinstimmung oder in Konflikt sich finden wird, ist die Art, wie sie sich über das Höchste, über Gott erklärt. Welche Stellung hatte nun Gott in der zuletzt vorgetragenen Philosophie? Zunächst die Stellung eines bloßen Resultats, des höchsten und letzten, alles abschließenden[143] Gedankens – ganz der Stellung gemäß, welche er auch in der früheren Metaphysik gehabt und die ihm auch Kant gelassen hatte, dem Gott bloß der zur formalen Abschließung der menschlichen Erkenntnis notwendige Gedanke war. In dem zuletzt vorgetragenen System war Gott jenes zuletzt als Subjekt, als über alles siegreich stehenbleibende Subjekt, das nicht mehr zum Objekt herabsinken kann; eben dieses Subjekt war durch die ganze Natur, durch die ganze Geschichte, durch die Aufeinanderfolge aller der Momente hindurchgegangen, von denen es nur das letzte Resultat schien, und dieses Hindurchgehen wurde als eine wirkliche Bewegung (nicht als ein Fortschreiten im bloßen Denken), es wurde sogar als realer Prozeß vorgestellt. Nun kann ich mir Gott wohl als das Ende und das bloße Resultat meines Denkens, wie er es in der alten Metaphysik war, aber ich kann ihn nicht als Resultat eines objektiven Prozesses denken; dieser als Resultat angenommene Gott könnte ferner, wenn er Gott ist, nicht etwas außer Sich (praeter se), er könnte höchstens sich selbst zur Voraussetzung haben; nun hat er aber in jener Darstellung allerdings die früheren Momente der Entwicklung zu seiner Voraussetzung. Hieraus – aus dem letzten – folgt, daß dieser Gott am Ende denn doch bestimmt werden muß, als der auch schon im Anfang war, daß also jenes Subjekt, das durch den ganzen Prozeß hindurchgeht im Anfang und Fortgang schon Gott ist, eh' es im Resultat auch als Gott gesetzt wird – daß in diesem Sinn allerdings alles Gott ist, daß auch das durch die Natur hindurchgehende Subjekt Gott ist, nur nicht als Gott – also Gott nur außer seiner Gottheit oder in seiner Entäußerung, oder in seiner Anderheit, als ein anderer von sich selbst, als welcher er erst im Ende ist. Wird nun aber wieder dies angenommen, so zeigen sich folgende Schwierigkeiten. Teils ist Gott offenbar in einem Prozeß begriffen und wenigstens gerade, um als Gott zu sein, einem Werden unterworfen, was die angenommenen Begriffe zu sehr vor den Kopf stößt, als daß es je auf allgemeine Zustimmung rechnen könnte. Die Philosophie ist aber nur[144] Philosophie, um allgemeine Verständigung, Überzeugung und daher auch allgemeine Zustimmung zu erhalten, und jeder, der eine philosophische Lehre aufstellt, macht diesen Anspruch. Man kann freilich sagen: der Gott begibt sich in dieses Werden, eben um sich als solchen zu setzen, und dies muß man freilich sagen. Aber sowie dies ausgesprochen ist, sieht man auch ein, daß man alsdann entweder eine Zeit annehmen muß, wo Gott nicht als solcher war (dem widerspricht aber wieder das allgemeine religiöse Bewußtsein), oder man leugnet, daß je eine solche Zeit gewesen, d.h. jene Bewegung, jenes Geschehen wird als ein ewiges Geschahen erklärt. Ein ewiges Geschehen ist aber kein Geschehen. Mithin ist die ganze Vorstellung jenes Prozesses und jener Bewegung eine selbst illusorische, es ist eigentlich nichts geschehen, alles ist nur in Gedanken vorgegangen, und diese ganze Bewegung war eigentlich nur eine Bewegung des Denkens. Dies hätte jene Philosophie ergreifen sollen; damit setzte sie sich außer allen Widerspruch, aber eben damit begab sie sich ihres Anspruchs auf Objektivität, d.h., sie mußte sich als Wissenschaft bekennen, in der von Existenz, von dem, was wirklich existiert, und also auch von Erkenntnis in diesem Sinn gar nicht die Rede ist, sondern nur von den Verhältnissen, welche die Gegenstände im bloßen Denken annehmen, und da Existenz überall das Positive ist, nämlich das, was gesetzt, was versichert, was behauptet wird, so mußte sie sich als rein negative Philosophie bekennen, aber eben damit den Raum für die Philosophie, welche sich auf die Existenz bezieht, d.h. für die positive Philosophie, außer sich frei lassen, sich nicht für die absolute Philosophie ausgeben, für die Philosophie, die nichts außer sich zurückläßt. Es bedurfte einer geraumen Zeit, bis sich die Philosophie hierüber ins klare setzte, denn alle Fortschritte in der Philosophie geschehen nur langsam. Wodurch übrigens jener Zeitraum noch beträchtlich verlängert wurde, war eine Episode, die dieser letzten Entwicklung entgegentrat, und von der nun auch wenigstens das Notwendige zu erwähnen ist.[145]

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Zur Geschichte der neueren Philosophie. Leipzig 1966, S. 118-146.
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