§ 11. Philosophen zwischen Wolf und Kant.

[34] Baumgarten, in seiner Metaphysica, §§ 20-24 und §§ 306-313, wiederholt die Wolfischen Unterscheidungen.

Reimarus, in der Vernunftlehre § 81, unterscheidet

1) innern Grund, wovon seine Erklärung mit Wolfs ratio essendi übereinstimmt, indessen von der ratio cognoscendi gelten würde, wenn er nicht auf Dinge übertrüge, was nur von Begriffen gilt: und

2) äußern Grund, d.i. causa. § 120 seq. bestimmt er die ratio cognoscendi richtig, als eine Bedingung der Aussage: allein § 125 verwechselt er doch, in einem Beispiel, Ursache damit.

Lambert, im neuen Organen, erwähnt die Wolfischen Unterscheidungen nicht mehr, zeigt aber in einem Beispiel, daß er Erkenntnißgrund von Ursache unterscheide, nämlich Bd. I, § 572, wo er sagt, Gott sei principium essendi der Wahrheiten und die Wahrheiten principia cognoscendi Gottes.

Platner, in den Aphorismen, § 868, sagt: »Was innerhalb der Vorstellung Grund und Folge (principium cognoscendi, ratio – rationatum) heißt, das ist in der Wirklichkeit Ursache und Wirkung (causa efficiens – effectus). Jede Ursache ist Erkenntnißgrund, jede Wirkung Erkenntnißfolge.« Er meint also, daß Ursache und Wirkung Dasjenige seien, was, in der Wirklichkeit, den Begriffen von Grund und Folge im Denken entspricht, daß jene zu diesen sich verhielten etwan wie[34] Substanz und Accidenz zu Subjekt und Prädikat, oder wie Qualität des Objekts zur Empfindung derselben in uns u.s.f. Ich halte es für überflüssig, diese Meinung zu widerlegen, da jeder leicht einsehn wird, daß das Verhältniß von Grund und Folge in Urtheilen etwas ganz anderes ist, als eine Erkenntniß von Wirkung und Ursache; obwohl in einzelnen Fällen auch Erkenntniß einer Ursache, als solcher, Grund eines Unheils seyn kann, das die Wirkung aussagt. (Vergl. § 36.)

Quelle:
Arthur Schopenhauer. Zürcher Ausgabe. Werke in zehn Bänden. Band 5, Zürich 1977, S. 34-35.
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