Aus den Elegien

[54] 1. Nun ist ja der Estrich rein und aller Hände und Becher. Gewundene Kränze setzt uns einer aufs Haupt, und ein anderer reicht [54] duftende Salbe in einer Schale dar. Schon steht der Mischkrug angefüllt mit Frohsinn, auch noch anderer Wein ist bereit in den Krügen, der nimmer zu versagen verspricht, ein milder, blumenduftender. In unsrer Mitte sendet der Weihrauch heiligen Duft empor, kaltes Wasser ist da, süßes, lauteres. Daneben liegen blonde Semmeln, und der stattliche Tisch beugt sich unter der Last des Käses und fetten Honigs. Rings mit Blumen geschmückt steht in der Mitte der Altar, Gesang und Festfreude schallt durch das ganze Hans. Da ziemt's zuerst verständigen Männern den Göttern lobzusingen mit heiligen Gesängen und reinen Worten. Dann aber nach der Spende und nach dem Gebet, uns Kraft zu verleihen das Rechte zu tun (denn die [zu erbitten,] ist doch das nächstliegende), ist's keine Sünde so viel zu trinken, daß sich ungeleitet nach Hause finden kann, wer nicht ganz altersschwach ist. Von den Männern aber ist der zu loben, der nach dem Trunke wackere Proben ablegt, wie Gedächtnis und Stimme für die Tugend ihm glühen. [55] Nicht Kämpfe der Titanen oder Giganten oder auch der Kentauren zu besingen – Erfindungen der Vorzeit – oder tobenden Bürgerzwist darin kein Heil ist, sondern allzeit die Götter zu ehren, das ist tüchtig.

2. Mag einer auch in der Schnelligkeit der Füße den Sieg gewinnen oder im Fünfkampf, wo des Zeus heilige Flur ist am Pisaquell in Olympia, oder im Ringen oder auch wenn er den schmerzensreichen Faustkampf besteht oder ein gewisses schreckliches Wettspiel, das sie Allkampf [Pankration] benennen, so wäre er zwar für die Bürger glorreicher anzuschauen [als je,] er erhielte den weithin sichtbaren Ehrensitz bei den Kampfspielen und die Speisung auf öffentliche Kosten von der Stadt und eine Ehrengabe, die ihm ein Kleinod wäre; ja mag er selbst einen Wagensieg erringen, so würde er trotz aller dieser [56] gewonnenen Preise ihrer doch nicht so würdig sein wie ich. Denn besser als Männer- und Rossekraft ist doch unsere Weisheit. Freilich ist das eine gar grundlose Sitte, und es ist ungerecht die Stärke der tüchtigen Weisheit vorzuziehen. Denn wenn auch ein tüchtiger Faustkämpfer im Volke wäre oder wer im Fünfkampf oder der Ringkunst hervorragte, oder in der Schnelligkeit der Füße, was ja doch den Vorrang hat unter allen Kraftstücken, die sich im Wettkampfe der Männer zeigen, so wäre doch um dessentwillen die Stadt nicht in besserer Ordnung, und die Stadt hätte nur geringen Genuß davon, wenn einer an Pisas Ufern den Wettsieg gewänne; denn das macht die Kammern der Stadt nicht voll.

3. Überflüssigen Prunk hatten sie von den Lydern erlernt, solange sie noch frei waren von der verhaßten Zwingherrschaft. Da schritten sie zum Markte mit purpurnen Gewändern nicht weniger denn tausend[57] zumal, prunkend, einherstolzierend mit schön geschmückten Locken und triefend vom Dufte künstlich bereiteter Salben.

4. [Die Lyder prägten zuerst Geld.]

5. Auch beim Mischen im Becher würde Niemand den Wein zuerst hineingießen, sondern das Wasser und darüber den Wein.

6. Du sandtest die Keule eines Böckchens und erhieltst dafür den fetten Schenkel eines Mastochsen, wie sich das als Preis für einen Mann gebührt, dessen Ruhm über ganz Hellas reichen und nimmer verklingen wird, solange nur das Geschlecht der Hellenischen Lieder am Leben bleibt.

7. Jetzo will ich wieder zu anderer Rede mich wenden und den Pfad weisen.

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[58] Und es heißt, als er einmal vorüberging, wie ein Hündchen mißhandelt wurde, soll er Mitleid empfunden und dieses Wort gesprochen haben: ›Hör auf mit deinem Schlagen. Denn es ist ja die Seele eines Freundes, die ich erkannte, wie ich ihre Stimme hörte‹.

8. Siebenundsechzig Jahre sind es bereits, die meinen Kummer durch das Hellenische Land auf und ab treiben. Damals aber waren es fünfundzwanzig von meiner Geburt gerechnet, wenn ich hierüber der Wahrheit gemäß zu berichten weiß.

9. Viel kraftloser als ein gealterter Mann.

Quelle:
Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. 1. Band, Berlin 41922, S. 54-59.
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