11. Schatten und Halbschatten

[51] Die Ränder des Schattens fragten den Schatten und sprachen: »Bald bist du gebückt, bald bist du aufrecht; bald bist zu zerzaust, bald bist du gekämmt; bald sitzest du, bald stehst du auf; bald läufst du, bald bleibst du stehen. Wie geht das zu?«

Der Schatten sprach: »Alterchen, Alterchen, wie fragt Ihr oberflächlich! Ich bin, aber weiß nicht, warum ich bin. Ich bin wie die leere Schale der Zikade, wie die abgestreifte Haut der Schlange. Ich sehe aus wie etwas, aber ich bin es nicht. Im Feuerschein und bei Tag bin ich kräftig. An sonnenlosen Orten und bei Nacht verblasse ich. Von dem andern da (dem Körper) bin ich abhängig, ebenso wie der wieder von einem andern abhängt. Kommt er, so komme ich mit ihm. Geht er, so gehe ich mit ihm. Ist er stark und kraftvoll, so bin ich mit ihm stark und kraftvoll. Bin ich stark und kraftvoll, was brauche ich dann noch zu fragen?«

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 51.
Lizenz: