6. Der Sinn als das Unsagbare

[231] Unstät Bittersüß war mit dem göttlichen Landmann zusammen in der Lehre des alten Drachen. Der göttliche Landmann hatte seine Tür verschlossen, lag mit dem Kopf auf dem Tisch und schlief bei Tage. Unstät Bittersüß stieß mittags die Tür auf und kam herein.

Er sprach: »Der alte Drache ist gestorben.«

Da stützte sich der göttliche Landmann auf seinen Tisch, nahm seinen Stab und stand auf.

Dann warf er heftig seinen Stab zur Erde und sagte lachend: »O Himmlischer, du hast erkannt, wie schlecht und anmaßend ich war; darum hast du mich verlassen und bist gestorben. Nun habe ich keinen Meister mehr, der meine unüberlegten Reden bessern könnte. Das beste ist, ich sterbe auch.«

Da kam Deckeltopf, um zu kondolieren.

Er hörte diese Worte und sprach: »Wer den SINN verkörpert, um den sammeln sich die Edlen der ganzen Welt. Dieser Mann da versteht vom SINNE auch noch nicht das allermindeste, und doch weiß er seine unüberlegten Worte zu verbergen und stirbt. Wieviel mehr (müssen sich die verbergen), die den SINN verkörpern. Man schaut nach ihm, und er hat keine Form; man horcht auf ihn, und er gibt keinen Laut. Wenn man mit den Menschen von ihm redet, nennt man ihn geheimnisvoll und dunkel. Der SINN, von dem man reden kann, ist nicht der SINN.«

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 231-232.
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