VI. Die juristische Literatur. Schluß.

[427] Wir haben hiermit die Entwicklung der von uns behandelten Institute bis zu einem Punkte verfolgt, wo für die offene Handelsgesellschaft alle wesentlichen Grundlagen: Firma, Solidarhaftung, Sondervermögen, gewonnen sind. Wir haben ebenso, um den Gegensatz zu gewinnen, die Kommanditgesellschaft von ihren Anfängen an bis zu einer Stufe der Entwicklung betrachtet, welche der rechtlichen Struktur nach von ihrer heutigen Bedeutung nicht mehr allzufern abliegt. Der späteren Rechtsbildung, welche hier nicht behandelt werden kann, waren damit die juristischen Gesichtspunkte geliefert, durch deren Kombination und Ausbau sie den modernen Verhältnissen entsprechende Gesellschaftsformen zu schaffen in der Lage war. – Es sollen hier nur noch einzelne Punkte zur Sprache kommen.

Zunächst das Verhältnis der zeitgenössischen Jurisprudenz zu den vorstehend betrachteten Instituten.

Was die Kommanditverhältnisse anlangt, so hätten dieselben, als auf dem Boden des Vertragsrechts stehend, der romanistischen Theorie erhebliche Schwierigkeiten nicht verursachen dürfen. Und doch ist dies der Fall, und es muß in Uebereinstimmung mit Lastigs Bemerkungen gegen Endemann, bei einer Betrachtung der juristischen Literatur jener Zeit davon ausgegangen werden, daß eine solche nur die Bedeutung haben kann, zu zeigen, wie die romanistische Jurisprudenz es, zum Teil nicht mit Glück, versucht hat, sich mit Instituten, deren historische Erfassung ihr fern lag, abzufinden. Die Consilia des Baldus und die einschlagenden Schriften anderer geben davon genügend Zeugnis. Die von ihnen behandelte societas »pecunia-opera« (in qua alter imposuit pecuniam, alter operam) soll die Kommenda vorstellen209.[427] Historisch wird dabei der ursprüngliche Zweck derselben im Seehandel nicht berücksichtigt. In dogmatischer Beziehung gehen die Juristen, – offenbar infolge der romanistischen Ansicht, daß »socii« grundsätzlich einander gleichstehende und gleichberechtigte Kontrahenten sein müssen, – von der Vorstellung aus, der Kommendatar bringe »sich selbst«, seine Arbeitskraft, als Einlage in die Gesellschaft ein, wie der Kommendant sein Kapital, seine Arbeitsleistungen seien seine »fructus«, entsprechend den Zinsen des Kapitalisten210, – ohne dabei zu erkennen, daß ein derartiges Bild, wenn gelegentlich, zum Zweck der Anschaulichkeit verwendet, eine zulässige Spielerei, wenn aber darauf eine juristische Konstruktion aufgebaut werden soll, Unsinn ist. Den späteren Schriftstellern hat dann, wie Endemann nachgewiesen hat, bei diesen Sozietäten mehr noch die Frage, ob und wann dieselben unter das Wucherverbot fallen, Kopfzerbrechen gemacht. Wir sahen, daß einzelne Abarten der Kommenda dem Wucherverbot wirklich zum Opfer fielen211, im übrigen hat dasselbe wohl sicherlich die Theoretiker mehr als die Praxis beunruhigt. Auch zeigt die ganze Art der Behandlung und Erörterung bei den Juristen, daß nicht irgendeine durchdachte und konsequent durchgeführte wirtschaftliche oder gar soziale Theorie ihrer Betrachtungsweise zugrunde liegt, sondern daß ihre einzelnen Entscheidungen lediglich ein Ergebnis abstrakter Konstruktion sind.

Uns interessiert hier mehr das Verhalten der Jurisprudenz gegenüber der offenen Handelsgesellschaft.

[428] Anlangend zunächst das Sondervermögen, so ist dasselbe, soviel ersichtlich, in der Literatur nicht speziell behandelt; die Rechte der Sozietätsgläubiger und ihr Verhältnis zu den Privatgläubigern ließen sich juristisch in die Form von Konkursprivilegien bringen, wie wir in Pisa sahen; die socii gegenüber den Privatgläubigern und die Sozietätsgläubiger gegenüber den socii werden daher zunächst nur als statutarisch privilegierte Gläubiger aufgefaßt worden sein. Franciscus de Porcellinis von Padua212 gelangt dann, in Uebereinstimmung mit den Genueser Statuten213 zu dem Satz, daß auch auf die Illaten des socius (Kommendanten) der römische Gedanke: »res succedit in locum pretii et pretium in locum rei« Anwendung finde. Die socii seien in bezug auf das Sozietätsgut als una persona anzusehen. Mit alledem ist ein Sondervermögen nicht entwickelt, sondern der Sozietätsfonds ist etwa mit der römischen dos auf eine Linie gestellt. Nach der entgegengesetzten Seite hin liegt es, wenn schon Baldus von einem corpus societatis spricht214 und unter Berufung auf ihn und andere in den Dezisionen der Rota von Genua die societas ein »corpus mysticum«215, eine juristische Person genannt wird. Hierbei ist der Sozietätsfonds als Sondervermögen entwickelt, aber nicht als Gesellschafts-, sondern als Korporationsvermögen. Denn mag nun der Ausdruck corpus societatis schon bei Baldus das Rechtssubjekt – die Gesellschaft – oder das Rechtsobjekt – deren Vermögen – bezeichnen, – das letztere ist wahrscheinlicher216, – jedenfalls ist klar, daß der Anlaß für die juristische Personifikation der societas für die Jurisprudenz in der Beobachtung lag, daß die Konstruktion mittels Konkursprivilegien nicht ausreichte, daß man vielmehr dem Sozietätsfonds den Charakter eines Vermögens zugestehen müsse, für welches man alsdann ein Subjekt nur durch die Auffassung der societas als einer Korporation gewinnen zu können glaubte. Daraus ergab sich dann, daß 1. gesta extra societatem non obligant consortium, sed solum ipsum contrahentem217, während 2. wenn ein socius als solcher[429] kontrahiert, »qui habet unum obligatum, habet et alterum et ipsam societatem« (das Gesellschaftsvermögen), denn: »quic-quid scribitur per socium habentem facultatem nominis expendendi, dicitur scriptum ab ipso corpore seu societate, non ab ipsis ut particularibus«218. Die Darstellung der Sozietät als einer aus mehreren »nomina« zusammengesetzten Person zeigt, daß die Personifikation der Firma das Mittel zur Konstruktion der selbständigen Existenz der Gesellschaft war. Die Auffassung der Sozietät als einer juristischen Person war, darüber waltet kein Zweifel mehr ob, historisch und dogmatisch ungerechtfertigt, allein sie hat die klare Ausscheidung des Gesellschaftsfonds als eines Sondervermögens aus dem Privatvermögen der socii in der Rechtsentwicklung ebenso zweifellos sehr erleichtert: der damaligen Jurisprudenz stand eine andere Kategorie nicht zu Gebote.

War so die romanistische Konstruktion des Gesellschaftsvermögens, nachdem man einmal die Kategorie der juristischen Person zur Anwendung brachte, nicht besonders schwierig, so machte die Solidarhaftung den Juristen um so mehr zu schaffen. Die naturgemäße Abhilfe war, daß man den kontrahierenden socius als präsumtiven Vertreter der übrigen socii auffaßte. Man nahm zunächst die Präsumtion eines Mandats zu Hilfe, behandelte ihn als procurator219 oder mandatarius exigendi220 der übrigen und suchte dementsprechend darauf hinzuwirken, daß womöglich eine gegenseitige Bevollmächtigung expressis verbis urkundlich ausgefertigt werde221. Indessen entsprach diese Konstruktion den tatsächlichen Verhältnissen wenig, indem es im höchsten Grade abnorm erscheinen mußte, für den Fall des Mangels einer ausdrücklichen Vollmacht – und gerade auf diesen kam es an – dieselbe mit ihren ungemein einschneidenden Wirkungen zu präsumieren. Die gelegentlich vorkommende Auffassung der socii als gegenseitiger Bürgen222 reichte zur Erklärung ihrer Haftung als prinzipaler Selbstschuldner nicht aus223, ebensowenig konnte die Anknüpfung an die Mithaft der argentarii in Rom,[430] welche bei Petrus de Ubaldis angedeutet wird224, befriedigen, indem die mit Solidarhaft verbundenen Gemeinschaften keineswegs wesentliche Bankgeschäfte betrieben. Man glaubte vielmehr schließlich, im römischen Institorat die juristische Formel für das Institut finden zu können. Wie bei dem institor der Pandekten, so handelte es sich hier um Haftung für in einem Geschäftsbetriebe, welchem der Kontrahierende als Verwalter vorsteht, und welcher materiell auf Rechnung anderer, – hier der Gesamtheit der socii (aber einschließlich des Kontrahenten, das ist schon die erste Differenz vom römischen Recht), – geht, geschlossene Kontrakte. Wie für den institor so wird für den socius in solidum gehaftet rein auf Grund dessen, daß er in dem Geschäftsbetrieb tätig ist ohne besonderes Vollmachtsverhältnis. Wenn endlich – das schien besonders wesentlich – mehrere Personen einen gemeinsamen institor haben, so haften sie für ihn ein jeder in solidum. Man nahm demgemäß wechselseitige praepositio institoria der socii an und, wie bekannt, ist diese Auffassung dauernd die herrschende geblieben225. Auch sie führte, wo man mit der Verwendung der römischen Begriffe Ernst machte, zu erstaunlichen Resultaten: Carpano in seinem Kommentar zu den Statuten von Mailand zieht die Konsequenz, daß die Solidarhaftung nur da eintrete, wo ein einzelner socius namens der Sozietät kontrahiere; wenn dagegen etwa bei Abschluß eines Kontraktes namens der Sozietät sich alle socii persönlich beteiligt hätten, könne nicht Solidarhaftung, sondern nur Haftung pro rata eintreten, indem dann ja jeder socius selbst und für sich kontrahiere, also kein institor vorhanden und damit der Rechtsgrund der solidarischen Haftung weggefallen sei226. Wieder ein Beweis dafür, wie weit juristische Konsequenzmacherei Grundlage der einzelnen Entscheidungen der Juristen ist und wie wenig man deshalb berechtigt ist, darin Ausflüsse einer tiefliegenden philosophischen oder sozialen Theorie zu sehen. – Im allgemeinen stieß man sich an der von Carpano aufgeworfenen Schwierigkeit nicht, wiewohl auch andere Schriftsteller sie erwähnen227.

Trotz dieser Versuche einer rein romanistischen Konstruktion konnte sich aber die Jurisprudenz doch unmöglich der Beobachtung[431] verschließen, daß die Solidarhaftung, wie sie tatsächlich in Uebung war, nicht an die erwähnten juristischen Denkformen, sondern an ganz konkrete äußere Tatbestände anknüpfte. Es mußten deshalb diese Tatbestände mit jenen Denkformen in Beziehung gesetzt werden, was nicht immer gelang. Daß die Haushaltsgemeinschaft der historische Ausgangspunkt der Entwicklung war, tritt auch in der juristischen Literatur hervor. Das Thema der duo fratres communiter viventes ist in den größeren juristischen Werken wiederholt erörtert, außerdem aber zum Gegenstand von Monographien gemacht worden228. Soviel möglich, wurde das römische Schema der societas omnium bonorum angewendet, die wirkliche Grundlage, der gemeinsame Haushalt, spielt nur die Rolle, die oben dargestellten Präsumtionen für das Bestehen eines Mandats- oder Institoratsverhältnisses im obigen Sinn zu rechtfertigen, eine Betrachtungsweise, welche dem Wesen des Verhältnisses wenig entsprach. Indessen hat sie doch andererseits für dessen Fortbildung auch günstige Wirkungen gehabt. Indem die Jurisprudenz die Gemeinschaft des Haushaltes, später der stacio oder taberna, nur als Symptom des Bestehens einer Sozietät betrachtete, mußte sie darauf hingeführt werden, durch Analyse des Tatbestandes diejenigen Momente zu entwickeln, welche ihr als für den Sozietätscharakter charakteristisch sich darstellten. So betonen denn die Juristen zunächst, daß es nicht auf das Zusammenwohnen als solches ankomme, sondern darauf, daß dies Zusammenwohnen in der Absicht der Erwerbsgemeinschaft stattfinde. Eine mit dem Ehemann zusammenlebende Ehefrau, so führt die Rota Florentina Dec. 65 aus, ist deshalb nicht socia des Mannes; denn ihr Zusammenleben hat prinzipaliter einen anderen Rechtsgrund, als die Absicht gemeinsamer Erwerbstätigkeit. Entsprechend ist es bei gemeinsam lebenden fratres. Auch hier ist nicht die einfache cohabitatio der Rechtsgrund der Haftung229, sondern die mit derselben verbundene Absicht gemeinsamer Arbeit und gemeinsamen Erwerbs. Diese Absicht fand die Jurisprudenz in der Abwesenheit kontomäßiger Abrechnung unter den fratres ausgedrückt230. Alles dies[432] sind Merkmale, die, wie wir sahen, auch im praktischen Leben bestanden. – War die wesentlichste Seite die Absicht gemeinsamer Erwerbstätigkeit, so mußte sich diese Absicht äußerlich in entsprechender Weise dokumentieren. Baldus verlangt gemeinsame »negociatio«231 und im Anschluß daran, daß jeder der Beteiligten, seien es Familienglieder oder extranei, auch wirklich eine Erwerbstätigkeit entfalte, als »negociator« auftrete232. Die Konsequenz, daß auch nur der Gewinn aus dieser Erwerbstätigkeit in die Gemeinschaft fällt, ist denn auch alsbald gezogen, lucrum anderer Art ist »Adventizgut«233. Eine weitere Konsequenz ist, daß demnach die auf Rechnung der Sozietät gehenden Geschäfte auch formell von anderen geschieden werden mußten. Ein solches formelles Merkmal fand die Jurisprudenz in dem Satz, daß nur »nomine communi« – auch formell für Rechnung der Gemeinschaft – geschlossene Geschäfte diese angehen234, ein Satz, zu welchem sowohl die Mandats- als die Institoratspräsumtion hindrängte. Mit Aufstellung dieses Merkmals befand sich die Jurisprudenz wiederum auf dem Boden der praktischen Rechtsentwicklung, welche, wie wir sahen, zu dem gleichen Resultat gelangte. Daß letzteres geschah, war vielleicht zu einem Teil mit das Verdienst der Juristen, in deren Händen die Statutenredaktion sowohl als die gerichtliche Praxis zum wesentlichen Teil lagen und welche diese Konsequenzen klar entwickelt hatten.

Immerhin war die Solidarhaftung auf dem Grunde des bloßen Bestehens einer derartigen Gemeinschaft eine der romanistischen Doktrin nicht bequeme, weil trotz aller Umdeutung nicht recht[433] in die römische Schablone passende Erscheinung. Baldus erkennt, gegenüber dem nun einmal geltenden Recht, sie als bestehend an, aber durch seine einzelnen Entscheidungen geht offenbar das Bestreben, durch Steigerung der Schwierigkeiten für den Beweis der Absicht der Parteien, daß ihre Gemeinschaft eine societas sein solle, das mißliebige Institut tunlichst einzuschränken235. Carpano in seinem Kommentar zu den Statuten von Mailand zweifelt sehr, ob nicht cap. 415 der Statuten von 1498, betreffend die Abschichtungspflicht des Vaters zugunsten der Gläubiger des Sohnes, contra divina et humana jura sei236, und sucht damit die Erschwerung des Beweises zu rechtfertigen, welche er für erwünscht hält. Zu cap. 481 der Statuten von 1502, betreffend die unabgeteilt lebenden Brüder, bemerkt er, man müsse sich vor derartigen Gemeinschaften hüten, »wie vor dem Feuer«237, denn sie könnten nur zum Ruin aller Beteiligten, führen. Jedenfalls wirkte die juristische Auffassung energisch darauf hin, daß die Eigenschaft der haftenden socii und der Sozietätskontrakte als solcher durch ausdrückliche Bezugnahme und Nennung der Namen in den Kontrakten konstatiert wurde und daß diese namentliche Bezeichnung, das Kontrahieren »nomine societatis« eins der sichersten. Kriterien der Unterscheidung von den Privatschulden wurde. Das war von dauernder Bedeutung. Denn als die alten Grundlagen der Haftung: gemeinsamer Haushalt, gemeinsame stacio, bottega, taberna, im internationalen Verkehr ihre Bedeutung verloren und nun ein anderes Merkmal für die zu Lasten der Sozietät gehenden Kontrakte und für die aus denselben. haftenden Personen Bedürfnis wurde, gewann die Vorarbeit der Jurisprudenz praktische Bedeutung. Sie hatte den Grundsatz, daß nur Geschäfte, die für Rechnung der Sozietät geschlossen wurden, die socii angehen, juristisch konstruiert, sie hatte ferner die Sozietät als eine Personengesamtheit, ein »corpus«, personifiziert und hatte endlich den Usus durchgesetzt, daß bei, derartigen Kontrakten das Kontrahieren für Rechnung aller socii besonders hervorgehoben wurde, daß also die Sozietät nach außen als ein Ganzes unter einer die Namen der socii enthaltenden[434] Kollektivbezeichnung238, einer eigenen Firma239, auftrat, – und sie konnten nunmehr die Konsequenz ziehen: die Absicht, eine Sozietas mit Solidarhaftung einzugehen, sei daraus zu entnehmen, daß die Betreffenden einen Kollektivnamen annehmen und unter ihm ihre Kontrakte schließen; derjenige, dessen Namen in der Kollektivfirma enthalten sei – »cujus nomen expenditur« –, sei solidarisch haftender socius; Kontrakte, welche unter der Kollektivfirma geschlossen werden, seien Sozietätskontrakte. Diese Grundsätze, und damit die Möglichkeit klarer Scheidung zwischen der offenen Gesellschaft und den Kommanditverhältnissen, sind in der Tat in das Handelsrecht übergegangen, wie wir schon oben sahen; und daß dies geschehen, ist, wie mir scheint, wesentlich auch ein Verdienst der Jurisprudenz, welches eine Einschränkung des an die Spitze des Kapitels gestellten Urteils über deren Verhältnis zum Recht ihrer Zeit involviert. Der wirtschaftlichen Bedeutung und dem historischen Werdegang der Rechtsinstitute stand sie vielfach fern – dies Urteil muß aufrecht erhalten bleiben – und man wird nach dieser Richtung an einen in den Hörsälen von Bologna und Padua vorgebildeten Juristen billigerweise nur bescheidene Ansprüche stellen dürfen, – aber die klärende Macht der römischen Rechtsgedanken bewährte sich auch hier auf fremdem Gebiet. Dies anschaulich zu machen, war der Zweck der vorstehend skizzierten Uebersicht über die juristische Literatur, welche auf eine auch nur annähernde Vollständigkeit oder darauf, die dogmengeschichtliche Entwicklung im ganzen klargestellt zu haben240, keinen Anspruch macht.

Das Ergebnis dieser Arbeit der Rechtswissenschaft tritt am vollständigsten in den Dezisionen der Rota von Genua zutage, eines mit gelehrten Richtern besetzten Gerichtshofes241, welche ihrer Zeit eine zweifellos internationale Bedeutung erlangt haben. In Genua, einer der Wiegen der Kommanditen, wie wir sahen, war die brennende Frage der Praxis des Gesellschaftsrechts notwendig[435] die Scheidung der offenen Handelsgesellschaft von den Kommanditverhältnissen, der persönlich haftenden socii von den Kommanditisten. In der Tat ist nun diese Scheidung scharf durchgeführt. Besonders in dem großen Millionenprozeß Pallavicini c/a. Grimaldi (Decis. 14) nimmt die Rota prinzipiell Stellung, betont, daß die Institoratspräsumtion keineswegs überall Platz greife, wo Kaufleute in einem Sozietätsverhältnis stehen (gegen Bartolus)242, insbesondere dann nicht, wenn vertragsmäßig nur einer der socii die Verwaltung habe und das Geschäft so führe, daß nur er als Kontrahent nach außen auftritt, wenn also die Kontrakte nicht auf den Namen auch der anderen socii gehen243 und die dritten Kontrahenten mithin nicht »fidem eorum secuti sunt«244, d.h. also, wenn deren persönlicher Kredit nicht Kreditbasis der Sozietät ist. Es ist also nur der socius, auf dessen Namen kontrahiert wird und der seinerseits das Recht hat, namens der socii zu kontrahieren, offener Gesellschafter. Nur unter dem Namen der Sozietät geschlossene Kontrakte gehen die socii, quorum nomina expenduntur, an, andere sind propria negotia des Kontrahierenden245. Die bekannte duplex persona des socius erscheint auf der Bildfläche246.

Diesen Rechtszustand, welcher, wie die Rota betont, aus dem gemeinen Recht abgeleitet ist, haben dann, während die Statuten von 1567 davon noch nichts enthalten, die Statuten von 1588/89 lib. IV cap. 12 und 13 aufgenommen247. Es ist daselbst[436] das Ergebnis der Entwicklung zu folgenden Rechtsformen gestaltet:

1. Sozietät von mehreren Personen, welche unter ihrem gemeinschaftlichen Namen ein Geschäft betreiben mit Solidarhaftung der Socii gegenüber den creditores societatis und nur ihnen gegenüber (offene Handelsgesellschaft);

2. Sozietät von mehreren Personen, von welchen eine das Geschäft auf ihren Namen betreibt, die anderen mit Kapitaleinlagen an demselben beteiligt sind. Die letzteren haften nicht persönlich, sondern mit ihrer Einlage. Nach der Decis. 14 der Rota von Genua, welche eine derartige Sozietät betrifft, scheint es, daß auch die nur mit Kapital beteiligten socii einen gewissen Einfluß auf die Art der Geschäftsführung gehabt haben, sonst hätte die Frage nicht entstehen können, ob der geschäftsführende socius (is qui complementum dat, – Dec. R. G. 18, – der Komplementar) als ihr institor zu betrachten sei. Es liegt darin eine Reminiszenz daran, daß ursprünglich die, nicht der Komplementar, als die Unternehmer zu gelten hatten. Dies ist offenbar die Kommanditgesellschaft.

Bei diesen beiden Gesellschaften gibt es ein Gesellschaftsvermögen in dem von uns festgehaltenen Sinn. Es ist bei Vergleichung von c. 12 l. IV dieser Statuten mit den alten Statutenredaktionen (Stat. Perae 207) offensichtlich, daß ersteres Kapitel eine Weiterbildung der in den letzteren enthaltenen Ansätze enthält und es unterliegt ferner bei Durchsicht des cap. 12 l. c. keinem Zweifel, daß die dort geschilderte Sozietät ohne Solidarhaftung das Entwicklungsprodukt der societas maris ist. Die alte einseitige Kommenda ist im folgenden Kapitel behandelt und es ist aus den am Schlusse gegebenen Definitionen ersichtlich, daß sie zum Kommissionsgeschäft geworden ist. Es hat sich also das alte einheitliche Rechtsinstitut der Kommenda nach zwei Richtungen entwickelt: nach der einen Seite durch die societas maris hindurch zur Kommandite, nach der anderen zum Kommissionsgeschäft248. Da nun in cap. 12 l. c. die, wie wir annehmen,[437] aus den alten, bei der Kommenda vorhanden gewesenen Ansätzen entwickelte Konstruktion des gesellschaftlichen Sondervermögens für offene und Kommanditgesellschaft gleichmäßig verwertet wird, so erscheint hiermit wahrscheinlich gemacht, daß, wie oben als möglich hingestellt wurde, die Sondervermögensbildung bei den Kommendaverhältnissen von Einfluß auf die Art der Entwicklung und Konstruktion des Gesellschaftsvermögens bei der offenen Handelsgesellschaft gewesen ist. – Die Statuten von Genua von 1588/9 sind hier noch erörtert worden, einmal, weil sie den Gegensatz der Kommandite und der offenen Gesellschaft in besonders klarer Nebeneinanderstellung enthalten, dann, weil an ihnen der Einfluß der Jurisprudenz ersichtlich ist, indem die Bestimmungen über die offene Gesellschaft der gemeinrechtlichen Praxis, wie sie vorstehend geschildert wurde, offenbar entnommen sind. Im übrigen war diese Untersuchung an ihrem Ende angelangt, nachdem wir die behandelten Institute in den Lokalstatuten bis zu dem Punkte verfolgt hatten, wo, zunächst auf dem Boden der Wissenschaft, die internationale Entwicklung einsetzt und den lokalen Gewohnheitsrechten die Rechtsbildung aus der Hand nimmt. Wie dann das Produkt dieser internationalen Entwicklung seinerseits wieder Eingang in die moderne Territoriallegislation gefunden hat, gehört nicht mehr hierher.

Fragt man nun nach der dogmatischen und praktischen Bedeutung der Ergebnisse vorstehender Untersuchungen, so muß konstatiert werden, daß eine solche ihnen in ihrer Vereinzelung nicht in irgend beträchtlichem Maße zukommt. Dies wäre vielleicht anders, wenn aus denselben die Antwort auf eine Frage hervorginge, welche hier nur aufgeworfen, nicht beantwortet werden soll, nämlich die nach dem Verhältnis des Instituts der gesamten Hand zu den als Grundlagen der offenen Handelsgesellschaft ermittelten Instituten. Aufgeworfen muß diese Frage werden, weil, wie bekannt, von hervorragenden Seiten249[438] die gesamte Hand als Grundlage der offenen Handelsgesellschaft vertreten worden ist, und zwar so entschieden, daß die Frage in der Tat zunächst so gestellt werden müßte: Ist die offene Handelsgesellschaft historisch und dogmatisch Gesamthandsverhältnis oder etwas anderes? und alsdann erst eventuell: was? Unbeantwortet muß die Frage hier aus verschiedenen Gründen bleiben. Einmal, weil sie zunächst eine terminologische ist, indem der Begriff der gesamten Hand in seiner Anwendung auf Schuldverhältnisse bekanntlich keineswegs allseitig auf das Kontrahieren communi manu beschränkt wird; – diese Frage der Terminologie hinsichtlich eines deutschrechtlichen Instituts kann aber nicht auf dem Boden des romanischen Rechtsgebiets ausgefochten werden. Dasselbe gilt aber, mag die Antwort auf jene Frage ausfallen wie sie will, für die weiter entstehende, ob die hier als rechtshistorische Vorfahren der offenen Handelsgesellschaft in Italien angesehenen Institute unter jenen Begriff fallen. Der letztere ist ein rein germanischer und, wenn wir auch im Laufe der Untersuchung darüber, wie weit germanische Rechtsgedanken für die von uns verfolgte Entwicklung bestimmend waren oder eine anderweite Provenienz anzunehmen ist, nicht unerhebliche Anhaltspunkte gewonnen haben, so wäre es doch ungerechtfertigt, ohne Feststellung dessen, was auf dem Boden des reinen deutschen Rechts an Parallelen vorhanden ist, darüber eine definitive Entscheidung treffen zu wollen; ohne Feststellung aber, wie weit das deutsche Recht beteiligt ist, geht eine Erörterung über das Verhältnis der hier behandelten Institute zu den deutschen Rechtsgedanken der gesamten Hand im Dunkeln. Und da diese Frage bei Eintritt in eine dogmatische Erörterung des Instituts sofort brennend wird, so muß eben eine solche suspendiert werden bis zur Ermittlung und Analyse der dem; deutschen Rechtsgebiet angehörigen gleichartigen Institute, – daß es solche gibt, zeigt die in Kap. III Anm. 14 zitierte Sachsenspiegelstelle. Diese Untersuchung muß aber einer gesonderten Betrachtung vorbehalten bleiben.

Nach einer anderen Richtung dürfte dagegen immerhin ein Ergebnis zu konstatieren sein. Die historische Betrachtung kann die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft nicht als zwei, auf prinzipiell gleicher Grundlage ruhende, nur dem Grade nach verschiedene Gesellschaftsformen behandeln. Das Sondervermögen ist ihnen gemeinsam, aber zu dessen Entwicklung[439] sind sie von gänzlich verschiedenen Ausgangspunkten aus gelangt, und ferner ist die Vermögensfähigkeit nicht eine nur diesen Gemeinschaftsformen zukommende, also zwar eine sehr wesentliche, aber nicht ihre in erster Linie charakteristische Eigenschaft. Die letztere kann nur in der juristischen Natur der Basis der Vergesellschaftung liegen und diese ist eine bei beiden grundverschiedene. Die Kommanditgesellschaft hat eine von derjenigen der offenen Handelsgesellschaft weit abliegende Vergangenheit. Die sogenannte »Haftung« des Kommanditisten kann in keiner Beziehung neben diejenige des offenen Handelsgesellschafters gestellt, als eine Abschwächung und Beschränkung der letzteren gefaßt werden. Denn dem geschichtlichen Werdegang nach ist es überhaupt nicht gerechtfertigt, von einer »Haftung des Kommanditisten« zu sprechen250. Er »haftet« nicht, sondern er partizipiert mit seinem Kapital an Gewinn und Verlust – das ist die Auffassung der italienischen Quellen – eines fremden Geschäftsbetriebs und kann deshalb seine Einlage nur deducto aere alieno zurückverlangen bzw. muß sie zur Deckung der Schulden einzahlen. Die offene Gesellschaft ergreift die gesamte vermögensrechtliche Persönlichkeit der socii, die vermögensrechtliche Persönlichkeit der Kommanditisten bleibt von der Kommanditgesellschaft unberührt. Die Kreditbasis ist eine grundverschiedene. Während die offene Gesellschaft eine Personengemeinschaft darstellt, ist die Kommanditgesellschaft als Partizipationsverhältnis zu konstruieren.


Quelle:
Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Hrsg. von Marianne Weber. Tübingen 21988, S. 427-440.
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