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[3] Da ich diejenigen Gegenstände, welche in der Vorrede zur ersten Ausgabe dieses Wörterbuches berühret worden, theils seitdem an andern Orten vollständiger und gründlicher vorgetragen habe, theils noch künftig in meiner Geschichte der Deutschen Sprache und Litteratur mit mehr Ausführlichkeit bearbeiten werde; die Einrichtung des Werkes auch aus der ersten Ausgabe bekannt genug ist: so werde ich mich hier bloß auf dasjenige einschränken, was in gegenwärtiger Bearbeitung von mir geleistet worden.
Der gütige Beyfall, welchen dieses Werk von seinem ersten Anfange an gefunden, hat es mir zur Pflicht gemacht, dasselbe auch nach dessen Vollendung niemahls aus den Augen zu setzen, sondern jede Gelegenheit zu benutzen, wo ich etwas zu dessen Bereicherung und Berichtigung beytragen konnte. Es betrifft dieses theils die Menge der in eigenen Artikeln aufgefühten Wörter, theils ihre Bearbeitung.
Es war dieses Werk weder zu einem Glossarium, noch zu einem allgemeinen Deutschen Wörterbuche bestimmt, sondern zu einem Wörterbuche der Hochdeutschen Mundart, so wie sie noch jetzt in Schriften üblich ist. Es fielen also alle veraltete, alle provinzielle, und alle niedrige, bloß dem Volke eigene Wörter und Ausdrücke der Regel nach von selbst weg. Allein auch hier waren Ausnahmen nothwendig. Es werden noch jetzt manche ältere Schriften sehr häufig gelesen, welche[3] mehrere veraltete Wörter und Formen enthalten, wie z. B. Luthers Bibel, und folglich theils einer Erklärung, theils aber auch einer Warnung bedürfen, damit Ungeübte und Ausländer sie nicht für noch jetzt gangbar halten. Manche provinzielle oder unrichtig gebildete Wörter kommen bey sonst guten Schriftstellern vor, und konnten daher nicht übegangen werden, wäre es auch nur, ihre Mängel zu zeigen. Eine große Menge sonst niedriger Wörter ist für die niedrig komische Schreibart brauchbar, und hatte also ein gegründetes Recht gleichfalls aufgeführet zu werden. Das ist der Plan, welchen ich bereits bey der ersten Ausgabe befolgte, und da ich keine Gründe sahe, von demselben abzugehen, so habe ich ihn bey dieser neuen Bearbeitung beybehalten, nur daß ich die Wörter aller Art, besonders aber die guten und noch jetzt gangbaren mit mehrern tausend vermehret habe, welche bey der ersten Auflage meiner Aufmerksamkeit entgangen waren.
Es haben sich seit der ersten Ausgabe dieses Werkes sehr viele Gönner und Freunde gefunden, welche meine Arbeit theils in gedruckten Werken, theils schriftlich zu ergänzen und zu bereichern gesucht. Ich sage ihnen dafür hier den verbindlichsten Dank, habe auch ihre Beyträge, so weit es meine Absicht verstattete, auf das sorgfältige benutzt. Allein ich muß doch bedauern, daß nicht allen mein Plan gehörig eingeleuchtet hat, daher betreffen die meisten Beyträge dieser Art Wörter und Formen des niedrigen Lebens, welche selbst für die niedrig-komische Schreibart unbrauchbar seyn würden, und mir daher keiner Aufnahme würdig schienen. Ich habe schon bey der ersten Bearbeitung viele tausend dieser Wörter und Bedeutungen selbst zurück gelegt, welche ich in der ersten Hitze mit aufgesammelt hatte, und mich auch jetzt nicht entschließen können, selbige mit aufzunehmen, weil ich keinen Nutzen davon sehe. Wer alle Eigenheiten des niedrigen Volkes in einem Werke dieser Art für nothwendig hält, dem wird es nicht schwer fallen, dasselbe dadurch um die Hälfte, ja noch weit mehr zu vergrößern. Gelegentlich habe ich eine große Menge provinzieller und niedriger Ausdrücke, theils als Synonymen, theils zur etymologischen Erläuterung mit angeführet; allein den ganzen Wust des niedrigen Lebens in eigenen Artikeln darzustellen, dazu konnte ich mich unmöglich entschließen.
Ich hatte bey der ersten Bearbeitung dieses Wörterbuches anfänglich den Entschluß gefasset, alle theils aus Noth, theils aus Unverstand und Mangel des Geschmackes in die Deutsche Sprache eingeführte fremde Wörter gänzlich bey Seite zu legen, und mich bloß auf eigentlich Deutsche einzuschränken.[4] Allein ich wurde doch sehr bald selbst überzeugt, daß die ganzliche Abwesenheit aller Wörter dieser Art leicht für einen wesentlichen Mangel gehalten werden könnte, zumahl da ein großer Theil derselben nunmehr unentbehrlich ist, und für viele vielleicht noch mehr einer Erklärung bedarf, als eigentlich Deutsche Wörter. Ich bin daher schon in der ersten Auflage sehr bald von diesem Entschlusse abgegangen, und habe in der gegenwärtigen neuen noch mehr solcher Wörter aufgeführet, ohne mich doch überwinden zu können, sie alle aufzunehmen. Manche sind bloß um deßwillen angeführet, um durch den beygefügten Deutschen Ausdruck ihre Unnöthigkeit und Verwerflichkeit zu zeigen.
Was die Bearbeitung der aufgeführten Wörter betrifft, so ist selbige theils grammatisch, theils kritisch, theils etymologisch. Zur grammatischen gehöret theils die Aussprache, theils die Orthographie, theils die Biegung, theils aber auch die Verbindung mit andern oder der Syntax. Die beyden letztern Stücke, auf welche bereits in der ersten Ausgabe hinlänglich gesehen war, sind gegenwärtig an mehrern Orten theils verbessert, theils näher bestimmt worden. Für die Aussprache war in der ersten Ausgabe zu wenig gesorgt, indem außer dem tiefen e (ê) aus Mangel an Schriftzeichen nichts davon bezeichnet war. Doch diesem Fehler ist in der gegenwärtigen neuen durch die genaue Bezeichnung des Tones, da wo es nöthig ist, abgeholfen worden. Ich sage, da wo es nöthig ist; denn in eigentlich Deutschen Wörtern folget der Ton einer so leichten und übereinstimmigen Regel, daß dessen Bezeichnung in den allermeisten Fällen unnöthig ist. Er ist daher nur in solchen Fällen angegeben worden, welche eine Ausnahme von der Regel zu machen scheinen, z. B. wenn ein Vocal vor gedoppelten Consonanten in einer und eben derselben Sylbe gedehnt lautet (Ārzt, Bārt) besonders vor dem ch und sch, weil diese im Deutschen niemahls verdoppelt werden, folglich die Dehnung und Schärfe daraus nicht erkannt werden kann (láchen, máchen, háschen, dréschen, aber Bùche, sùchen, ich dràsch.) Am nothwendigsten war die Bezeichnung des Tones bey den fremden Wörtern, welche darin keiner, wenigstens keiner Deutschen Regel folgen. In allen diesen Fällen ist der gedehnte Ton durch (ˉ) und der geschärfte durch (´) bezeichnet worden.
Was die Orthographie betrifft, so war ich, als ich dieses Wörterbuch anfing, selbst noch von den Vorurtheilen eingenommen, theils daß die Bildung und Ausbildung der Sprache ein Werk der Schriftsteller sey, theils aber auch, daß die Orthographie auf die Etymologie gegründet werden müsse. Ich wollte daher auch mein Schärflein zur so genannten Berichtigung der Sprache beytragen, wenigstens meinem[5] Käpplein auch seinen eigenen Schnitt geben, und erlaubte mir daher manche orthographische Neuerungen, z. B. einzel für einzeln, einig für einzig, und glaubte Wunder, wie trefflich ich sie aus der Etymologie beweisen könnte. Nachmahls, als ich tiefer in die Sprache einzudringen genöthiget wurde, lernte ich einsehen, daß das Verdienst der Schriftsteller um die Sprache in ganz andern und weit wichtigern Stücken bestehe, als in Neuerungen, welche auch der Unwissendste aussinnen kann. Auf der andern Seite ward mir auch der Unterschied zwischen der nähern und entferntern Etymologie deutlicher, und ich lernte einsehen, daß zwar jene, nicht aber diese die Orthographie leiten könne und müsse. Ich kam also von diesen Neuerungen sehr bald wieder zurück, und ich hoffe, daß diejenigen Herren, welche mir daraus ein so großes Verbrechen machten, sich nunmehr wieder mit mir aussohnen werden. Ich wünsche nur, daß sie eben so gelehrig seyn, und ihre noch weit größern Abweichungen von der gewöhnlichen Orthographie gleichfalls ablegen mögen, damit es nicht auch von ihnen heiße, wie dort im Evangelio, daß sie Mücken säugen und Kamehle verschlucken.
Zu der kritischen Behandlung der Wörter rechne ich vornehmlich den bestimmten Begriff eines Wortes und seiner verschiedenen Bedeutungen. Die meisten Wörterbücher begnügen sich, ein Wort und dessen Bedeutungen entweder durch ein fremdes, oder nur ungefähr durch andere für gleich bedeutend gehaltene Ausdrücke zu erklären. Dieses schien mir nicht genug, und ich legte mir gleich Anfangs die Pflicht auf, den Begriff eines jeden Wortes und einer jeden Bedeutung desselben auf das genaueste zu bestimmen; eine Pflicht, deren Erfüllung mir bey dem ganzen Werke die meiste Mühe verursachte, ob es gleich scheinet, daß sie von den wenigsten bemerkt und erkannt worden. Es ist überaus schwer, und in manchen Fällen ganz unmöglich, den Begriff eines Wortes so genau anzugeben, daß dasselbe dadurch zu allen Zeiten von allen ähnlichen unterschieden werden könne. Eine große Menge Wörter, welche in die vielfachen Theile der Philosophie einschlagen, sind zwar bereits von den Philosophen definiret, und man sollte glauben, hinlänglich definiret worden. Allein die wenigsten Definitionen dieser Art waren für mich brauchbar, weil jeder Philosoph sie immer nach seinem Systeme modelt, und sie nicht selten so abstract ausdruckt, daß die Definition dunkler wird als das Definitum. Der Begriff eines Wortes, einer Bedeutung muß aus der Etymologie, verbunden mit dem Sprachgebrauche, hergeleitet werden, und dabey kurz und für jedermann faßlich seyn. Philosophen sind selten so große Sprachkenner, daß sie auf die Etymologie Rücksicht nehmen können, und den Sprachgebrauch[6] kennen sie gemeiniglich auch nicht anders, als aus dem Umfange des Systemes. Da ich diese Schwierigkeiten in mehr als hundert tausend Fällen, in manchen mehr, in manchen weniger, zu überwinden hatte, so ist nicht zu erwarten, daß ich in allen gleich glücklich gewesen seyn sollte; denn oft kommt es bloß auf das Glück an, denjenigen Gesichtspunct zu finden, aus welchem sich der Begriff eines Wortes, oder einer Bedeutung am richtigsten und faßlichsten herleiten lässet. Ich habe in der gegenwärtigen neuen Auflage viel darin gebessert und berichtiget, bin aber überzeuget, daß hier noch das meiste zu verbessern und nachzutragen übrig ist. Von den vielen Gönnern, welche sich durch Beyträge um mein Wörterbuch verdient gemacht, ist keiner auf diesen Umstand gefallen, den Prediger in Berlin, Hrn. Stosch, ausgenommen, der mir in seinen Schriften über die gleich bedeutenden Wörter manchen nützlichen Wink gegeben, welchen ich mit Dank benutzt und weiter verfolget habe. Aber sehr oft mußte ich anderer Meinung seyn, weil mir seine Unterschiede nicht genug durch die Etymologie unterstützt schienen, welche doch hier nicht aus den Augen gesetzt werden darf. In der ersten Auflage hatte ich meine Gegengründe gegen manche seiner Bestimmungen angeführet; ich habe alles das in der gegenwärtigen wieder weggestrichen, weil der Umfang dieses Werkes für die grammatische Polemik zu enge ist.
Manche haben die Menge von Beyspielen getadelt, welche ihnen in vielen Fällen zu groß geschienen. Im Ganzen genommen glaube ich nicht, daß ich deren zu viel angeführet habe. Manche Wörter haben in ihrer Verbindung mit andern so viel Eigenes, daß sehr viel Platz erfordert werden würde, auch nur das Vornehmste davon durch Worte anzugeben. Das kann am besten durch eine hinlängliche Anzahl Beyspiele geschehen, welche ein Wort in seinen vornehmsten Lagen gegen andere Wörter darstellen; zu geschweigen, daß durch Beyspiele der Gebrauch eines Wortes immer am anschaulichsten wird. Wenn ich z. B. bey dem Worte borgen mehrere Gegenstände anführe, welche geborget werden können, so erhellet daraus zugleich, daß dieses Wort nicht von dem Gelde allein gebraucht wird, wie von einigen behauptet worden. Der Unterschied vieler in manchen Stücken gleich bedeutender Wörter, z. B. anzeigen, berichten, melden, benachrichtigen, Nachricht ertheilen u. s. f. läßt sich durch Worte nicht ohne große Weitläuftigkeit, und oft gar nicht mit der gehörigen Schärfe bestimmen; das kann denn wieder am besten durch hinlängliche Beyspiele geschehen. Das gebe ich zu, daß der aus Luthers Bibelübersetzung angeführten Stellen oft zu viele sind; ich habe daher in der gegenwärtigen[7] neuen Auflage deren viele wieder weggestrichen. Erst neulich machte mir jemand den Vorwurf, ich hätte meine meisten Beyspiele aus Obersächsischen Schriftstellern gewählt. Das ist völlig ungegründet, wie schon der flüchtigste Augenschein lehret. Aus Hochdeutschen Schriftstellern mußte ich sie nehmen, das lag in der Natur der Sache; übrigens war mir jede Nation gleich, und ich habe gewiß eben so viele Beyspiele aus einem Geßner, Rammler, Dusch, Opitz u. s. f. als aus Gellert, Weiße und andern Obersachsen angeführet.
Ich sage nichts von der Etymologie, so fern sie sich mit der entferntern Ableitung und Verwandtschaft der Wörter beschäftiget; denn ob ich gleich jetzt nicht mehr den hohen Begriff von derselben und ihrem Nutzen habe, von welchem ich bey der ersten Bearbeitung eingenommen war, so habe ich doch, einige wenige auffallende Auswüchse ausgenommen, nichts davon weglassen mögen, weil doch viele Leser immer noch Geschmack an dergleichen Untersuchungen finden. Aber verbessert habe ich sie in vielen Fällen, wenn mir seitdem richtigere und bessere Ableitungen vorgekommen sind.
Ueberhaupt kann ich versichern, daß, mehrere tausend ganz neuer Artikel ungerechnet, fast kein Artikel der ältern Ausgabe ohne Zusätze oder Verbesserungen geblieben ist; manche sind völlig umgearbeitet worden. Da der Vorrath zu den Bereicherungen und Verbesserungen der neuen Ausgabe schon über das ganze Werk gesammelt ist, so hoffe ich, alle halbe Jahre Einen der folgenden Theile liefern zu können. Zugleich werde ich dahin sehen, daß, der vielen neuen Zusätze ungeachtet, doch das Ganze in vier Bände von gleicher Stärke gebracht werde.
Die der ersten Ausgabe vorgesetzte Preisschrift des nunmehr verstorbenen Prediger Fulda ist bey der gegenwärtigen weggelassen worden, theils, weil die darin durchgeführten etymologischen Grundsätze von den meinigen ganz verschieden sind, und daher zu diesem Werke nicht passen; theils aber auch, weil der Verfasser diese Schrift nachmahls zu einem eigenen Werke unter dem Titel: Sammlung und Abstammung Germanischer Wurzelwörter, erweitert hat.
Mit diesem ersten Theile wird zugleich die erste Abtheilung des schon so lange versprochenen Auszuges ausgegeben, von dessen Absicht und Einrichtung ich mich in der Vorrede näher erklären werde.
Dresden den 1ten May, 1793.[8]
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