Baader, Franz

[39] Baader, Franz (von), geb. 1765 in München, studierte Medizin und Bergbau, war höherer Beamter (Bergbau), seit 1826 Professor in München, gest. 1841.

B. ist ein auf katholischem Boden selbständig spekulierender (von Jacobi, Schelling, auch von der Kabbala, J. Böhme, V. Weigel, Saint-Martin beeinflußter) Philosoph, dessen Lehren einen gnostischen, mystischen, theosophischen Charakter haben und vielfach ein Prävalieren der symbolisierenden Phantasie vor dem reinen Denken aufweisen. In seiner Erkenntnislehre ist eigenartig die organische Auffassung des Erkenntnisaktes, dessen Analogie zur Zeugung betont wird, wie überhaupt bei B. Geistiges, auch Religiöses zu erotischen Begriffen in Beziehung gebracht wird. Erkennen ist ein »Durch- und Eindringen«, ein »Umgreifen«, ein Bilden und Gestalten, ein Erhobenwerden des Durchdrungenen in das Ein- und Durchdringende. Der Erkenntnistrieb geht.auf geistige Zeugung, wobei von dem äußern, mechanischen das innere, lebendige, dynamische – Erkennen zu unterscheiden ist. Nicht »cogito, ergo sum« (Descartes) muß es heißen, sondern »cogitor«. denn unser Erkennen ist ein Mitwissen des göttlichen Wissens, ein Gewußtwerden, indem uns Gott innewohnt.

Gott ist erkennend und wollend, »aktuose« Einheit, er ist Sein und Werden, ein sich entfaltendes Leben, das sich selbst gebiert, sich innerlich und äußerlich offenbart. In Gott ist als Ungrund die ewige Natur enthalten. Gott erkennt sich nur, indem er sich hervorbringt und umgekehrt, es besteht eine ewige Selbsterzeugung Gottes. Der Ungrund faßt sich wollend als Vater[39] immer als Wort, geht aus dieser Fassung immer als Geist in die Weisheit. Der Vater wird sich durch das Wort (den Sohn) erst selbst offenbar. Wie in uns ein »Ternar« von Geist, Seele, Leib besteht, so ist Gott der »Urternar«, der mit der Welt einen »Quaternar« bildet. »Sich selbst verzehrend in der Zeugung des Sohnes, kehrt Gott als Geist wieder vom Gezeugten in sich zurück, im Sohne mit Wohlgefallen ruhend und doch wirksam oder schöpferisch tätig von ihm ausgehend.« »Urei sind hervorgebracht: Sohn, Geist und Welt, und einer nicht hervorgebracht: der Vater«. Der »immanente« Lebensprozeß Gottes wird zum »emanenten«, durch den erst Gott dreipersönlich wird. Die Schöpfung der Welt (aus der ewigen Natur) ist ein Akt der Liebe. Die Materie (sowie Raum, Schein-Zeit und das Mechanische) ist erst durch den Sündenfall bedingt. Das vollkommene Leben ist die wahre, ewige Zeit. Der Mensch war ursprünglich mann-weiblich; durch den Sündenfall ist er dem wahren, zentralen Leben entrückt, in einer Unnatur, von der er zu erlösen ist. Die Ethik gründet B. auf den Glauben an eine innere Wiedergeburt. Prinzip des Gesellschaftlichen ist die Autorität; das Ideal ist ein theokratischer, christlicher Staat, ohne daß B. dem unbedingten Papsttum ergeben wäre.

B. hat besonders auf Schelling, Molitor u. a. eingewirkt. Schüler Baaders sind Franz Hoffmann, Lutterbeck, Hamberger.

SCHRIFTEN: Beiträge zur Elementarphysiologie, 1796 (von Schelling benutzt). – Über das pythagoreische Quadrat in der Natur, 1798. – Beitrage zur dynamischen Philosophie, 1809. – Über den Blitz als Vater des Lichts, 1815. – Über den Urternar, 1816. – Über den Begriff der Zeit, 1818. – Fermenta cognitionis, 1822-25. – Vorlesungen über Sozietätsphilos., 1832. – Vorlesungen über spekulat. Dogmatik, 1828-38. – Sämtliche Werke, 1851-60 (im 15. Band die Biographie B.'s von Hoffmann). – Philos. Schriften und Aufsätze, 1832. – Vgl. HAMBERGER, Die Kardinalpunkte der B.'schen Philos., 1855. – HOFFMANN, F. v. Baader, 1856 u. Die Weltalter, 1868. – NOACK, Philoa.-geschichtl. Lex., S. 87 ff.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 39-40.
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