Cohn, Jonas

[100] Cohn, Jonas, geb. 1869 in Görlitz, Prof. in Freiburg in Br.

Die Ästhetik ist nach C. eine kritische Wertwissenschaft, für welche die Psychologie nur eine Hilfswissenschaft ist. Der ästhetische Wert hat »Forderungscharakter«, will allgemeingültig sein. Das Schöne tritt da auf, wo der »Ausdruck« gänzlich in der Form sich offenbart.

In erkenntnistheoretischer Beziehung weist C. Verwandtschaft mit Rickert auf. Die Logik: und Erkenntnistheorie ist nicht auf Psychologie zu basieren. Die Erkenntnistheorie fragt, »was muß gelten oder vorausgesetzt werden, damit sie, sei es Erkenntnis überhaupt, sei es eine bestimmte Art von Erkenntnis, möglich ist«; es handelt sich hier um eine rein logische Genese, ein Aufsteigen von den Folgen zum Grunde. Die Grundsätze des Erkennens sind von Werten und Zielen abhängig. Der »Satz der Immanenz« besagt, daß »alles, was erkannt werden soll, unter den Bedingungen der Erkenntnisformen stehen muß«. »Alles zu Erkennende und alles Erkannte steht unter den Bedingungen des erkennenden Ich.« Aber nicht um das psychologische, individuelle Ich handelt es sich hier, sondern um das reine Erkenntnissubjekt, um ein ideales Ich, welches Norm und Ziel des Erkennens ist. »Im Erkennen strebt das individuelle Ich danach, sich von seiner Individualität zu befreien.« Es will sich auf den Standpunkt des überindividuellen Ich erheben, welches nie bloßes Objekt sein kann, sondern als »Einheit der Formen alles zu Erkennenden« vorausgesetzt wird (vgl. Kants »Bewußtsein überhaupt«, Rickerts »erkenntnistheoretisches Subjekt«). Eine metaphysische Existenz hat dieses reine Ich nicht. Dingheit und Einheit sind Erzeugnisse dieses Ich welches also selbst kein Ding ist (vgl. Fichte). Die Ichheit ist die »Zusammenfassung zur Einheit einer Forderung«. Voraussetzung des Erkennens ist »das zur Möglichkeit des Erkennens teleologisch Geforderte«. Ziel des Erkennens ist stets ein Zusammenhang; reines Erkenntnisziel ist ein Urteilszusammenhang. Die »ideale Erlebniswirklichkeit« ist das überlogische Erkenntnisziel, der Zusammenhang aller Wertgebiete. Unter einem »Wertgebiet« versteht C. den »Inbegriff alles dessen, was durch die Beurteilung nach einem Wert zusammengehalten wird«. Der zusammenhaltende Wert ist der »leitende Wert«. »Wahrheit ist der leitende Wert des Erkenntnisgebietes; wahr ist das Urteil als Ergebnis, nicht das Urteilen. Urteile sind die einzelnen Gegenstände oder Bestandteile des Wertgebietes der Erkenntnis, auf die der leitende Wert Wahrheit anwendbar ist.« Wo der Gegenstand des Wertes durch eine Tätigkeit erreicht werden kann, wird er Ziel.[100]

SCHRIFTEN: Geschichte d. Unendlichkeitsproblems im abendländ. Denken I, 1896. – Beitr. z. Lehre von d. Wertungen, Zeitschr. f. Philos., 1897. – Allgemeine Ästhetik, 1901. – Psychologie u. kritische Begründung der Ästhetik, Archiv f. systemat. Philos, X, 1904. – Voraussetzungen u. Ziele d, Erkennens, 1908, – führende Denker, 1907, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 100-101.
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