Lamprecht, Karl

[380] Lamprecht, Karl. geb. 1856 in Jessen, Prof. der Geschichte in Leipzig, hat auch Schriften über historische Methodologie und zur Geschichtsphilosophie verfaßt.

L. ist der Hauptvertreter der deutschen »kollektivistischen« Geschichtsschreibung. Die historischen Zustände sind sozialpsychische Erscheinungen, welche verobjektiviert sind. Es besteht das Gesetz der »sozialpsychischen Lebensentfaltung in einer Reihe von Kulturstufen«. Gemäß der »Kulturgeschichtsschreibung« bildet das Politische einen Teil des Kulturgeschehens. Die Wirtschaftsentwicklung ist nicht die Ursache, aber ein wichtiger Faktor der Geschichte. Die Geschichte ist darzustellen nach »Perioden einer inneren höchsten Wandlung der nationalen Psyche, nach Zeitaltern des symbolischen, typischen, konventionellen, individuellen und subjektiven Seelenlebens«, also nach »Kulturzeitaltern« mit überwiegendem seelischen Habitus (»Dominante«, »Diapason«). Die Geschichte ist »angewandte Psychologie« mit besonderen Entwicklungsgesetzen. Individuen und Masse wirken zusammen. Die »Heroen« sind nur »Führer nach entwicklungsgeschichtlich nahe gelegten, eben herannahenden Zielen einer immanenten Entfaltung«.

SCHRIFTEN: Alte und neue Richtungen in der Geschichtswissenschaft, 1896. – Die kulturhistorische Methode, 1900. – Der Begriff der Geschichte, 1903. – Moderne Geschichtswissenschaft, 1905; 2. A. 1909, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 380.
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