Opitz, H. G.

[516] Opitz, H. G., geb. 1846 in Netzschkau i. V., Hofrat, Treuen i. V.

Nach O. ist die Philosophie oder »Seinswissenschaft« die Ur- und Grundwissenschaft, die Wissenschaft vom Ich. Sie ist zunächst »Erscheinungslehre«, welche in Erkenntnis- und Willenslehre zerfällt, ferner »Wesenslehre« (Metaphysik). Die Philosophie beruht auf innerer Erfahrung. O. sondert die gesamten Seelentätigkeiten nach der Form der Gebundenheit (an den Erhaltungs- und Fortpflanzungstrieb) und nach der Form der Freiheit und unterscheidet scharf zwischen Verstand und Vernunft. Letztere ist »der von den Fesseln des Erhaltungs- und Fortpflanzungstriebes befreite, seinem Erkennens- und Willenstriebe nach ins Unendliche gehende Verstand«. Das Bewußtsein ist die innere Wahrnehmung, die »Ver-Ichung« der Lebewesen, eine Abzweigung[516] des göttlichen »Allbewußtseins«. Aus dem Bewußtsein hat sich das freie »Vernunft-Ich« entwickelt, welches in Ich-Vorstellungen besteht, es ist das Subjekt, dessen Objekt das »Verstandes-Ich« ist, das reine, transzendentale, universelle, absolute Ich. So ist der Mensch, der Besitzer eines Selbstbewußtseins, den Tieren gegenüber etwas Neues. Das Ichbewußtsein ist das A priori der Erkenntnis. Das Ich weiß sich als Substanz, als die »einheitliche, dauernde, zusammenfassende Unterlage aller unserer Erkenntnis- und Willenstätigkeiten«. Apriorisch, angeboren ist auch das Freiheitsbewußtsein und das Bewußtsein der Unvergänglichkeit des Ich. Dieses bringt auf die Welt auch ein Bild von der Welt mit. Raum und Zeit sind Formen unserer Ordnung der Dinge. Der »evolutionistische Monismus« O.s faßt Gott als alles erschaffenden, erhaltenden und umfassenden Urwillen auf.

SCHRIFTEN: Grundriß einer Seinswissenschaft, 3 Bde., 1897-1904. – Auf dem Wege zu Gott, 1907. – Die Moderne auf dem Kriegspfad gegen Gott, 1909. – Die Philosophie der Zukunft, 1911.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 516-517.
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