Petzoldt, Josef

[537] Petzoldt, Josef, geb. 1862 in Altenburg, Dozent an der technischen Hochschule, Berlin, Gymnasialprofessor.[537]

P. ist von R. Avenarius beeinflußt und vertritt wie dieser einen »empirio-kritischen« Positivismus, der mit dem Standpunkt E. Machs verwandt ist. Er betont aber nicht so sehr das Prinzip der »Denkökonomie« als das der »Stabilität« (vgl. Fechner), wonach alle Entwicklung (auch die geistige) in der Richtung auf eine immer vollständigere Verwendung der Kräfte für stationäre Systeme fortschreitet; größte Stabilität bedeutet stets auch größte Ausnutzung der Kräfte. Das Denken strebt, nach einem »Dauerzustand«. An die Stelle der Kausalität setzt P. das »Gesetz der Eindeutigkeit«, welches es ermöglicht, für einen Vorgang Bestimmungsmittel zu finden, durch die er allein festgelegt wird. Psychisches und Physisches sind zwei Auffassungsweisen eines und desselben Inhalts; psychisch ist die Welt, sofern sie wahrgenommen wird, physisch als eindeutiger Zusammenhang der Elemente. Eine Welt an sich gibt es nicht, nur eine Welt für uns. »Ihre Elemente sind nicht Atome oder sonstige absolute Existenzen, sondern Farben-, Ton-, Druck-, Raum-, Zeit- usw. Empfindungen.« Aber die Dinge sind nicht bloß subjektiv, nicht bloß Bewußtseinserscheinungen. Vielmehr »müssen wir die aus jenen Elementen zusammengesetzten Bestandteile unserer Umgebung in derselben Weise wie während der Wahrnehmung fortexistierend denken, auch wenn wir sie nicht mehr wahrnehmen«. »Das zuletzt Gegebene... ist weder Erscheinung noch Ding an sich, weder der Sinnlichkeit noch dem Verstände Gegebenes, weder Bewußtsein noch Bewußtseinsinhalt, weder Bewußtes noch Unbewußtes, weder Inneres noch Äußeres, weder Materielles noch Immaterielles, weder Physisches noch Psychisches, weder Stoff noch Geist.« Diese Gegensätze differenzieren sich erst in gegenseitiger unauflöslicher Beziehung auf dem Grunde der »einen einheitlichen Urerfahrung«. Es gibt keine absoluten Substanzen, nur relativ konstante Qualitätenkomplexe. Alles Sein ist ein Werden. – Der ethische Imperativ lautet nach P.: »Wir sollen durch alle unsere Handlungen, durch all unser Tun und Denken so viel wie möglich den aus der Natur der Menschen und ihrer Umgebung fließenden einstigen Dauerzustand verwirklichen helfen.«

SCHRIFTEN: Maxima, Minima und Ökonomie, 1891. – Einführung in die Philosophie der reinen Erfahrung, 1900-04 (Hauptwerk). – Die Notwendigkeit und Allgemeinheit des psychophys. Parallelismus. – Archiv f. systemat. Philos. VIII, 1902. – Das Weltproblem, 1906, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 537-538.
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