Rosmini-Serbati, Antonio

[611] Rosmini-Serbati, Antonio, geb. 1797 in Roveredo bei Trient, studierte in Trient und Padua, wurde 1831 katholischer Priester, wurde wegen seiner philos. Anschauungen von den Jesuiten, wegen seiner politischen Reform-Idee von österreichischer Seite angegriffen, lebte seit 1840 in seiner Villa in Stresa (am Lago maggiore), gest. daselbst 1855.

R., der von Plato, Thomas, Descartes, Leibniz, Kant, Schelling, Hegel beeinflußt ist, lehrt einen Real-Idealismus, den er seiner Methode nach (Ausgang vom denkenden Ich) als »Psychologismus« bezeichnet (Nuovo saggio, § 1465 ff.). Die Erkenntnis des Wirklichen ist nach R. durch die Ideen bedingt. Die universalste, oberste, ursprünglichste Idee ist die angeborene, apriorische Idee des Seins, des möglichen Seins (»essere possibile«). Sie geht[611] allem Urteilen voraus, ist nichts Sinnliches (»non è un immagine sensibile«), bedarf keiner ändern Idee zu ihrer Erfassung, wird unmittelbar durch geistige Anschauung erfaßt. Die Seinsidee wird in allem gedacht, sie geht allem Erkenntnisinhalte als dessen apriorische Form vorher, kommt an ihm zur Entfaltung (in den reinen und unreinen Ideen, »idee pure« und »non pure«). Alle erworbenen Ideen gehen aus der angeborenen Seins-Idee hervor. Die reinen Ideen sind: Einheit, Zahl, Substanz, Ursache, Notwendigkeit, Wahrheit, Gerechtigkeit, Schönheit. Die unreinen Ideen (Geist, Körper, Raum, Zeit, Bewegung usw.) sind ein Produkt von Vernunft und Erfahrung. Die Objekte der Außenwelt werden (vermittelst des Grund- und Lebensgefühls) von uns auf Grund dessen, was wir von ihnen erleiden, als vorhanden beurteilt (Als »fatti passivi« setzen die Empfindungen eine »causa diversa a noi« voraus). Geist und Körper hängen auf unbegreifliche Weise zusammen. Das Dasein Gottes wird apriorisch erkannt, indem wir in der Idee des Seins eine Wirkung erfassen, die nicht von uns herrühren kann, sondern auf eine absolute Wirklichkeit hinweist. Die Sittlichkeit besteht in der Behandlung jedes Dinges nach seinem Wirklichkeitswerte. Das Ziel der Geschichte ist die Realisierung der Idee der Menschheit. Vier Epochen gibt es: Epoche der Erhaltung und Sicherung, der Machtvernichtung, des Strebens nach nationalem Wohlstande, des Strebens nach Genüssen. Die soziale Mission der Kirche wird von R. betont.

Anhänger R.s sind A. Manzoni, N. Tommaseo, M. Minghetti, V. Garelli, R. Bonghi, G. Allievo, A. Moglia u. a., zum Teil Mamiani u. a.

SCHRIFTEN: Saggio sulla felicità, 1822. – Dell' educazione cristiana, 1823. – Opuscoli filosofici, 1827-28. – Nuovo saggio sull' origine delle idee, 1830; 5. ed. 1851 (Hauptwerk). – Principii di scienza morale, 1831-37, – L'antropologia in servizio della morale, 1838, 1847. – Filosofia del diritto, 1839-41, 1865-67. – La societa e il suo fine, 1838. – Opuscoli morali, 1841. – Trattato della coscienza morale, 1844. – Psicologia, 1858, 1887. – Introduzione alla filosofia, 1850. – Logica, 1854. – Teosofia, 1859. – Saggio storico-critico sulle categorie e la dialettica, 1883. – Anthropologia sopranaturale, 1884, u. a. – Vgl. F. PAOLI, Memorie della vita di A. R., 1880-84 (mit Bibliographie). – R. WERNER, Die italien. Philos. d. 19. Jahrh. I: R. u. seine Schule, 1884. – ORESTANO, R., 1908. – PALHORIÈS, R, 1909.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 611-612.
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