Schultz, Julius

[660] Schultz, Julius, geb. 1862 in Göttingen, lebt in Berlin.

S. verbindet den Kritizismus mit einer biologisch-evolutionistischen Erkenntnispsychologie. Die apriorischen Erkenntniselemente haben innerhalb der Erscheinungswelt eine Entwicklung. Die Anschauungsformen (Raum und Zeit) sind hier ererbte »angeborene Gewohnheiten der Psyche«. Die Kategorien, als Tätigkeiten der Subjekte, entwickeln sich innerhalb der Erscheinung trotz ihrer apriorischen Gültigkeit. Die logischen Axiome sind »Forderungssätze, Postulate«, deren Denkzwang sich aus ererbten triebartig gewordenen »Gewöhnungen des Assoziierens« erklärt. Es gibt für das Erkennen drei Welten. Die erste Welt ist die von der Wissenschaft objektiv gemachte Sinnenwelt, welche durch Verarbeitung des Phänomens entsteht und auch der Schauplatz des praktisch-ästhetischen Erlebens ist. Die zweite Welt ist die aus logischen Zwecken begrifflich konstruierte, mechanische Welt, ebenso die Welt des Psychologen. Wir denken uns die Dinge (den Aussagen des Tastsinnes gemäß) als Atomkomplexe, wo in Wahrheit »psychoide Zusammenhänge« bestehen. Diese zweite Welt ist denkbezogen, relativ. Die dritte Welt ist das »Erlebnis des Erlebens selber«, die der Kategorien beraubte momentane Erlebniswelt, welche unmittelbar gewiß ist, aber kein Verstehen und keine Wahrheit, bietet. – Das[660] Universum ist die Außenseite der Weltseele. Der »psychische Zustand« aller Materie ist Kraft; das Bewußtsein ist erst eine Funktion des Erinnerns. Jedem psychischen Elemente entspricht im Physischen eine Beschleunigung. Die psychische Struktur ist unbewußt, sie spiegelt sich in der Taxis des Leibes; das Innensein des Organismus ist eine innige Verbindung von »Psychaden«. Der Vitalismus widerspricht dem Grundsatze der Mechanik, daß nur Zentralkräfte wirken sollen; nur eine »Maschinen-Theorie« des Lebens ist möglich. Das Wesen des Lebens ist »Streben zur Form«, »Typovergenz«, Konservierung einer bestimmten Struktur. Das Finale, Teleologische steckt in dieser Struktur, das Geschehen selbst ist rein kausal, alle Anpassung selektorisch. Von Ewigkeit bestehen die »Biogene« als »Typovergenzmaschinen«, die unter geeigneten Bedingungen zu Organismen werden.

SCHRIFTEN: Psychologie der Axiome, 1899. – Über genetische Psychologie, 1902. – Die Bilder der Materie, 1905. – Die drei Welten der Erkenntnistheorie, 1907. – Die Maschinentheorie des Lebens, 1909, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 660-661.
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