Weismann, August

[807] Weismann, August, geb. 1834 in Frankfurt a. M., Prof. der Zoologie in Freiburg i. B. = W. ist der Hauptvertreter des »Neo-Darwinismus«, des extremen Selektionismus (»Allmacht der Naturzüchtung«). Selektion ist eine »Selbstregulierung der Art im Sinne ihrer Erhaltung; ihr Resultat ist die unausgesetzte Anpassung der Art an ihre Lebensbedingungen, Sobald diese sich ändern, ändert auch die Naturzüchtung ihre Auswahl, denn die vorher die Besten waren, sind es jetzt nicht mehr«. Nur das möglichst Beste erhält sich, das minder Gute wird immer wieder verworfen. Es gibt nach W. eine Personal-, Germinal-, Histonal-, Kormalselektion; besonders wichtig ist die Germinalselektion, die Auslese der »Determinanten« und »Biophoren« im Keimplasma im Kampfe um die Ernährung derselben. Trotz seiner Wertschätzung der Selektion erklärt aber W. doch: »Das Selektionsprinzip beherrscht alle Kategorien von Lebenseinheiten, es schafft zwar nicht die primären Veränderungen, wohl aber bestimmt es die Entwicklungsbahnen, welche diese einschlagen von Anfang bis Ende, denn alles an den Lebewesen beruht auf Anpassung.« Eine[807] direkte Vererbung (funktionell) erworbener Eigenschaften gibt es nach W. nicht, sondern es können höchstens äußere Einflüsse im gleichen Sinne auf das Keimplasma wie auf das Soma einwirken, auch können Giftstoffe u. dgl. von diesem in jenes überwandern; sonst aber übt das Soma auf das Keimplasma keinen Einfluß aus, der zur Variation des letzteren führt. Es besteht eine »Kontinuität des Keimplasmas«, eine Vererbung nur von selten des »Ahnenplasma«, wobei die »Chromosomen« (Idanten) die Träger der Vererbung sind, welche wieder aus »Iden« (Anlagen-Komplexen) bestehen. Die »Determinanten«, die (aus »Biophoren« bestehenden) Träger der Zelleigenschaften, stehen alle zu bestimmten Teilen des Lebewesens in Beziehung (modifizierte Präformationstheorie). Die Variation erfolgt nur im Keimplasma, nicht durch das Milieu – das aber, wie W. später annimmt, doch daß Keimplasma modifizieren kann – und nicht durch funktionelle Übung (gegen den Lamarckismus). – W.s Theorie hat auch auf einen Teil der Soziologen Einfluß ausgeübt (Ammon, Matzat, Schallmayer u. a.; gegen W.: Goldscheid u. a.).

Schriften: Die Berechtigung der Darwinschen Theorie, 1876. – Studien zur Deszendenztheorie, 1878. – Über die Dauer des Lebens, 1882. – Vererbung, 1883. – Leben und Tod, 1884. – Essays upon Heredity, 1889-92. – Aufsätze über Vererbung und verwandte biolog. Probleme, 1892. – Das Keimplasma, 1892. – Die Allmacht der Naturzüchtung, 1893. – Äußere Einflüsse als Entwicklungsreize, 1894. – Neue Gedanken zur Vererbungsfrage, 1895. – Germinal-Selektion, 1895. – Vorträge über Deszendenztheorie, 1902. 1904. – The Evolution Theory, 1904. – Die Selektionstheorie, 1909, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 807-808.
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