III

[39] Die Frage der deutschen Einheit war in den letzten beiden Jahrzehnten unter Friedrich Wilhelm III. nur in Gestalt der burschenschaftlichen Strebungen und deren strafrechtlicher Repression in die äußere Erscheinung getreten. Friedrich Wilhelm's IV. deutsches oder, wie er schrieb, »teutsches« Nationalgefühl war gemüthlich lebhafter wie das seines Vaters, aber durch mittelalterliche Verbrämung und durch Abneigung gegen klare und feste Entschlüsse in der praktischen Bethätigung gehemmt. Daher versäumte er die Gelegenheit, die im März 48 günstig war; und es sollte das nicht die einzige versäumte bleiben. In den Tagen zwischen den süddeutschen Revolutionen, einschließlich der Wiener, und dem 18. März, so lange es vor Augen lag, daß von allen deutschen Staaten, Oesterreich inbegriffen, Preußen der einzige feststehende geblieben war, waren die deutschen Fürsten bereit, nach Berlin zu kommen[39] und Schutz zu suchen unter Bedingungen, die in unitarischer Richtung über das hinausgingen, was heute verwirklicht ist; auch das bayerische Selbstbewußtsein war erschüttert. Wenn es zu dem, nach einer Erklärung der preußischen und der österreichischen Regierung vom 10. März auf dem 15. nach Dresden berufenen Fürstenkongreß gekommen wäre, so wäre nach der Stimmung der betheiligten Höfe eine Opferwilligkeit auf dem Altar des Vaterlandes wie die französische am 4. August 1789 zu erwarten gewesen. Diese Auffassung entsprach den thatsächlichen Verhältnissen; das militärische Preußen war stark und intakt genug, um die revolutionäre Welle zum Stehen zu bringen und den übrigen deutschen Staaten für Gesetz und Ordnung in Zukunft Garantien zu bieten, welche den andern Dynastien damals annehmbar erschienen.

Der 18. März war ein Beispiel, wie schädlich das Eingreifen roher Kräfte auch den Zwecken werden kann, die durch dasselbe erreicht werden sollen. Indessen war am 19. Morgens noch nichts verloren. Der Aufstand war niedergeschlagen. Führer desselben, darunter der mir von der Universität her bekannte Assessor Rudolf Schramm, hatten sich nach Dessau geflüchtet, hielten die erste Nachricht von dem Rückzuge der Truppen für eine polizeiliche Falle und kehrten erst nach Berlin zurück, nachdem sie die Zeitungen erhalten hatten. Ich glaube, daß mit fester und kluger Ausnutzung des Sieges, des einzigen, der damals von einer Regierung in Europa gegen Aufstände erfochten war, die deutsche Einheit in strengerer Form zu erreichen war, als zur Zeit meiner Betheiligung an der Regierung schließlich geschehen ist. Ob das nützlicher und dauerhafter gewesen wäre, lasse ich dahingestellt sein.

Wenn der König im März die Empörung in Berlin definitiv niederwarf und auch nachher nicht wieder aufkommen ließ, so würden wir von dem Kaiser Nicolaus nach dem Zusammenbruch Oesterreichs keine Schwierigkeiten in der Neubildung einer haltbaren Organisation Deutschlands erfahren haben. Seine Sympathien waren ursprünglich mehr nach Berlin als nach Wien gerichtet, wenn auch Friedrich Wilhelm IV. persönlich dieselben nicht besaß und bei der Verschiedenheit der Charaktere nicht besitzen konnte.

Der Umzug auf der Straße in den Farben der Burschenschaft war am wenigsten geeignet, das wieder einzubringen, was im Innern und nach Außen verloren war. Die Situation wurde dadurch dergestalt umgedreht, daß der König nun an der Spitze nicht mehr seiner Truppen, sondern der Barrikadenkämpfer, derselben unlenkbaren[40] Massen, stand, vor deren Bedrohung die Fürsten einige Tage zuvor bei ihm Schutz gesucht hatten. Der Gedanke, eine Verlegung des geplanten Fürstencongresses von Berlin nach Potsdam als einziges Ergebnis der Märztage zu behandeln, verlor durch den würdelosen Umzug jede Haltbarkeit.

Die Weichlichkeit, mit der Friedrich Wilhelm IV. unter dem Drucke unberufener, vielleicht verrätherischer Rathgeber, gedrängt durch weibliche Thränen, das blutige Ergebniß in Berlin, nachdem es siegreich durchgeführt war, dadurch abschließen wollte, daß er seinen Truppen befahl, auf den gewonnenen Sieg zu verzichten, hat für die weitere Entwicklung unsrer Politik zunächst den Schaden einer versäumten Gelegenheit gebracht. Ob der Fortschritt ein dauernder gewesen sein würde, wenn der König den Sieg seiner Truppen festgehalten und ausgenutzt hätte, ist eine andere Frage. Der König würde dann allerdings nicht in der gebrochenen Stimmung gewesen sein, in der ich ihn während des Zweiten Vereinigten Landtags gefunden habe, sondern in dem durch den Sieg gestärkten Schwunge der Beredsamkeit, welche er bei Gelegenheit der Huldigung 1840, in Köln 1842 und sonst entwickelt (hatte). Ich wage keine Vermuthung darüber, welche Einwirkung auf die Haltung des Königs, die Romantik mittelalterlicher Reichserinnerungen Oesterreich und den Fürsten gegenüber und das vorher und später so starke fürstliche Selbstgefühl im Inlande, sein Bewußtsein geübt haben würde, den Aufruhr definitiv niedergeschlagen zu haben, ihm gegenüber allein siegreich im außerrussischen Continent. Eine auf dem Straßenpflaster erkämpfte Errungenschaft wäre von andrer Art und von minderer Tragweite gewesen als die später auf dem Schlachtfeld gewonnene. Es ist vielleicht für unsre Zukunft besser gewesen, daß wir die Irrwege in der Wüste innerer Kämpfe von 1848 bis 1866 wie die Juden, bevor sie das gelobte Land erreichten, noch haben durchmachen müssen. Die Kriege von 1866 und 1870 wären uns doch schwerlich erspart worden, nachdem unsre 1848 zusammengebrochenen Nachbarn in Anlehnung an Paris, Wien und anderswo sich wieder ermuthigt und gekräftigt haben würden. Es ist fraglich, ob auf dem kürzeren und rascheren Wege des Märzsieges von 1848 die Wirkung der geschichtlichen Ereignisse auf die Deutschen dieselbe gewesen sein würde, wie die heute vorhandene, die den Eindruck macht, daß die Dynastien, und gerade die früher hervorragend partikularistischen, reichsfreundlicher sind als die Fraktionen und Parteien.[41]

Mein erster Besuch in Sanssouci kam unter ungünstigen Aspekten zu Stande. Wenige Tage vor dem Abgange des Ministerpräsidenten Ludolf Camphausen, also gegen den 20. Juni, befand ich mich in Potsdam, als ein Leibjäger mich in dem Gasthofe aufsuchte, um mir zu melden, daß der König mich zu sprechen wünsche. Ich sagte unter dem Eindruck meiner frondirenden Gemüthsstimmung, daß ich bedauerte, dem Befehle Sr. Majestät nicht Folge leisten zu können, da ich im Begriffe sei, nach Hause zu reisen, und meine Frau, deren Gesundheit besonderer Schonung bedürfe, sich ängstigen würde, wenn ich länger als verabredet ausbliebe. Nach einiger Zeit erschien der Flügeladjutant Edwin von Manteuffel, wiederholte die Aufforderung in Form einer Einladung zur Tafel und sagte, der König stelle mir einen Feldjäger zur Verfügung, um meine Frau zu benachrichtigen. Es blieb mir nichts übrig, als mich nach Sanssouci zu begeben. Die Tischgesellschaft war sehr klein, enthielt, wenn ich mich recht erinnere, außer den Damen und Herren vom Dienste nur Camphausen und mich. Nach der Tafel führte der König mich auf die Terrasse und fragte freundlich: »Wie geht es bei Ihnen?« In der Gereiztheit, die ich seit den Märztagen in mir trug, antwortete ich: »Schlecht.« Darauf der König: »Ich denke, die Stimmung ist gut bei Ihnen.« Darauf ich, unter dem Eindrucke von Anordnungen, deren Inhalt mir nicht erinnerlich ist: »Die Stimmung war sehr gut, aber seit die Revolution uns von den königlichen Behörden unter königlichem Stempel eingeimpft worden, ist sie schlecht geworden. Das Vertrauen zu dem Beistande des Königs fehlt.« In dem Augenblicke trat die Königin hinter einem Gebüsch hervor und sagte: »Wie können Sie so zu dem Könige sprechen?« – »Laß mich nur, Elise,« versetzte der König, »ich werde schon mit ihm fertig werden,« und dann zu mir gewandt: »Was werfen Sie mir denn eigentlich vor?« – »Die Räumung Berlins.« – »Die habe ich nicht gewollt,« erwiderte der König. Und die Königin, die noch in Gehörsweite geblieben war, setzte hinzu: »Daran ist der König ganz unschuldig, er hatte seit drei Tagen nicht geschlafen.« – »Ein König muß schlafen können,« versetzte ich. Unbeirrt durch diese schroffe Aeußerung sagte der König: »Man ist immer klüger, wenn man von dem Rathhause kommt; was wäre denn damit gewonnen, daß ich zugäbe, ›wie ein Esel‹ gehandelt zu haben? Vorwürfe sind nicht die Mittel, einen umgestürzten Thron wieder aufzurichten, dazu bedarf ich des Beistandes und thätiger Hingebung, nicht der Kritik.« Die Güte, mit der er dies und Aehnliches sagte, überwältigte mich. Ich war gekommen in der Stimmung[42] eines Frondeurs, dem es ganz recht sein würde, ungnädig weggeschickt zu werden, und ging, vollständig entwaffnet und gewonnen.

Auf meine Vorstellungen, daß er Herr im Lande sei und die Macht besitze, die bedrohte Ordnung überall herzustellen, sagte er, er müsse sich hüten, den Weg des formellen Rechtes zu verlassen, wenn er mit der Berliner Versammlung, dem Tagelöhnerparlamente, wie man sie damals in gewissen Kreisen nannte, brechen wolle, so müsse er dazu das formelle Recht auf seiner Seite haben, sonst stehe seine Sache auf schwachen Füßen und die ganze Monarchie laufe Gefahr, nicht blos von inneren Bewegungen, sondern auch von außen her. Vielleicht hat er dabei an einen französischen Krieg unter Betheiligung deutscher Aufstände gedacht. Wahrscheinlicher aber ist mir, daß er gerade mir die Besorgniß, seine deutschen Aussichten Preußens zu schädigen, in dem Moment wo er meine Dienste gewinnen wollte, nicht aussprach. Ich erwiderte, daß das formale Recht und seine Grenzen in der vorliegenden Situation verwischt erschienen und von den Gegnern, sobald sie die Macht hätten, ebenso wenig respectirt werden würden wie am 18. März, ich sähe die Situation mehr in dem Licht von Krieg und Nothwehr als von rechtlichen Argumentationen. Der König beharrte jedoch dabei, daß seine Stellung zu schwach werde, wenn er von dem Rechtsboden abweiche, und der Eindruck ist mir geblieben, daß er dem von Radowitz bei ihm gepflegten Gedankengange, dem schwarz-rot-goldenen, wie man damals sagte, die Möglichkeit der Herstellung der Ordnung in Preußen zunächst unterordnete.

Aus den zahlreichen Gesprächen, die auf jenes erste folgten, ist mir das Wort des Königs erinnerlich: »Ich will den Kampf gegen die Tendenzen der Nationalversammlung durchführen, aber wie die Sache heut liegt, so mag ich zwar von meinem Rechte vollständig überzeugt sein, es ist mir aber nicht gewiß, daß Andere und daß schließlich die großen Massen es auch sein werden; damit ich dessen gewiß werde, muß die Versammlung sich noch mehr und in solchen Fragen in's Unrecht setzen, in denen mein Recht, mich mit Gewalt zu wehren, nicht nur für mich, sondern allgemein einleuchtend ist.«

Meine Ueberzeugung, daß die Zweifel des Königs an seiner Macht unbegründet seien und daß es deshalb nur darauf ankomme, ob er an sein Recht glaube, wenn er sich gegen die Uebergriffe der Versammlung wehren wolle, konnte ich bei ihm nicht zur Anerkennung[43] bringen. Daß sie richtig war, ist demnächst dadurch bestätigt worden, daß den großen und kleinen Aufständen gegenüber jede militärische Anordnung unbedenklich und mit Eifer durchgeführt wurde, und zwar unter Umständen, wo die Bethätigung des militärischen Gehorsams schon von Hause aus mit dem Niederwerfen bereits vorhandenen bewaffneten Widerstandes verbunden war, während eine Auflösung der Versammlung, sobald man ihre Wirksamkeit als staatsgefährlich erkannte, in den Reihen der Truppen die Frage des Gehorsams gegen militärische Befehle nicht berührt haben würde. Auch das Einrücken größerer Truppenmassen in Berlin nach dem Zeughaussturme und ähnlichen Vorgängen würde nicht blos von den Soldaten, sondern auch von der Mehrheit der Bevölkerung als dankenswerthe Ausübung eines zweifellosen, königlichen Rechts aufgefaßt worden sein, wenn auch nicht von der Minderheit, welche die Leitung übte; und auch wenn die Bürgerwehr sich hätte widersetzen wollen, so würde sie bei den Truppen nur den berechtigten Kampfeszorn gesteigert haben. Ich kann mir kaum denken, daß der König im Sommer an seiner materiellen Macht, der Revolution in Berlin ein Ende zu machen, Zweifel gehegt haben sollte, vermuthe vielmehr, daß Hintergedanken rege waren, ob nicht die Berliner Versammlung und der Friede mit ihr und ihrem Rechtsboden unter irgend welchen Constellationen direkt oder indirekt nützlich werden könne, sei es in Combinationen mit dem Frankfurter Parlamente oder gegen dasselbe, sei es, um nach andern Seiten hin auf die deutsche Frage einen Druck auszuüben, und ob der formale Bruch mit der preußischen Volksvertretung die deutschen Aussichten compromittiren könne. Den Umzug in den deutschen Farben setze ich allerdings nicht auf Rechnung solcher Neigungen des Königs; er war damals körperlich und geistig so angegriffen, daß er Zumuthungen, die ihm mit Entschiedenheit gemacht wurden, wenig Widerstand entgegensetzte.

Bei meinem Verkehr in Sanssouci lernte ich die Personen kennen, die das Vertrauen des Königs auch in politischen Dingen besaßen, und traf zuweilen in dem Cabinet mit ihnen zusammen. Es waren das besonders die Generale Leopold von Gerlach und von Rauch, später Niebuhr, der Cabinetsrath.

Rauch war praktischer, Gerlach in der Entschließung über actuelle Vorkommnisse mehr durch geistreiche Gesammtauffassung angekränkelt, eine edle Natur von hohem Schwung, doch frei von dem Fanatismus seines Bruders, des Präsidenten Ludwig von Gerlach,[44] im gewöhnlichen Leben bescheiden und hülflos wie ein Kind, in der Politik tapfer und hochfliegend, aber durch körperliches Phlegma gehemmt. Ich erinnere mich, daß ich in Gegenwart beider Brüder, des Präsidenten und des Generals, veranlaßt wurde, mich über den ihnen gemachten Vorwurf des Unpraktischen zu erklären und das in folgender Weise that: »Wenn wir drei hier aus dem Fenster einen Unfall auf der Straße geschehen sehen, so wird der Herr Präsident daran eine geistreiche Betrachtung über unsern Mangel an Glauben und die Unvollkommenheit unsrer Einrichtungen knüpfen; der General wird genau das Richtige angeben, was unten geschehen müsse, um zu helfen, aber sitzen bleiben; ich würde der Einzige sein, der hinunter ginge oder Leute riefe, um zu helfen.« So war der General der einflußreichste Politiker in der Camarilla Friedrich Wilhelms IV., ein vornehmer und selbstloser Charakter, ein treuer Diener des Königs, aber geistig vielleicht ebenso wie körperlich durch das Schwergewicht seiner Person an der prompten Ausführung seiner richtigen Gedanken behindert. An Tagen, wo der König ungerecht oder ungnädig für ihn gewesen war, wurde in der Abendandacht im Hause des Generals wohl das alte Kirchenlied gesungen:


Verlasse Dich auf Fürsten nicht,

Sie sind wie eine Wiege.

Wer heute Hosiannah spricht,

Ruft morgen crucifige.


Aber seine Hingebung für den König erlitt unter diesem christlichen Erguß seiner Verstimmung nicht die mindeste Abschwächung. Auch für den seiner Meinung nach irrenden König setzte er sich voll mit Leib und Leben ein, wie er schließlich seinen Tod dadurch fast eigenwillig herbeiführte, daß er hinter der Leiche seines Königs bei Wind und sehr hoher Kälte stundenlang in bloßem Kopfe, den Helm in der Hand, folgte. Dieser letzten formalen Hingebung des alten Dieners für die Leiche seines Herrn unterlag seine schon länger angegriffene Gesundheit; er kam mit der Kopfrose nach Hause und starb nach wenigen Tagen. Sein Ende erinnert an das Gefolge eines altgermanischen Fürsten, das freiwillig mit ihm stirbt.

Neben Gerlach und vielleicht in höherem Grade war Rauch seit 1848 von Einfluß auf den König. Sehr begabt, der fleischgewordene gesunde Menschenverstand, tapfer und ehrlich, ohne Schulbildung, mit den Tendenzen eines preußischen Generals von der besten Sorte,[45] war er wiederholt als Militärbevollmächtigter in Petersburg in der Diplomatie thätig gewesen. Einmal war Rauch von Berlin in Sanssouci erschienen mit dem mündlichen Auftrage des Ministerpräsidenten Grafen Brandenburg, von dem Könige die Entscheidung über eine Frage von Wichtigkeit zu erbitten. Als der König, dem die Entscheidung schwer wurde, nicht zum Entschluß kommen konnte, zog endlich Rauch die Uhr aus der Tasche und sagte mit einem Blick auf das Zifferblatt: »Jetzt sind noch zwanzig Minuten, bis mein Zug abgeht; da werden Ew. Majestät doch nun befehlen müssen, ob ich dem Grafen Brandenburg Ja sagen soll oder Nee, oder ob ich ihm melden soll, daß Ew. Majestät nich Ja und nich Nee sagen wollen.« Diese Aeußerung kam heraus in dem Tone der Gereiztheit, gedämpft durch die militärische Disziplin, als Ausdruck der Verstimmung, die bei dem klaren, entschiedenen und durch die lange fruchtlose Discussion ermüdeten General erklärlich war. Der König sagte: »Na, denn meinetwegen Ja«, worauf Rauch sich sofort entfernte, um in beschleunigter Gangart durch die Stadt zum Bahnhof zu fahren. Nachdem der König eine Weile schweigend dagestanden hatte, wie wenn er die Folgen der widerwillig getroffenen Entscheidung noch erwöge, wandte er sich gegen Gerlach und mich und sagte: »Dieser Rauch! Er kann nicht richtig Deutsch sprechen, aber er hat mehr gesunden Menschenverstand als wir Alle,« und darauf gegen Gerlach gewandt und das Zimmer verlassend: »Klüger wie Sie ist er immer schon gewesen.« Ob der König darin Recht hatte, lasse ich dahingestellt; geistreicher war Gerlach, praktischer Rauch.

Quelle:
Bismarck, Otto Eduard Leopold: Gedanken und Erinnerungen. Stuttgart 1959, S. 39-46.
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