VIII

[336] Die Kämpfe des vergangenen Winters mit dem Könige, der den Krieg nicht wollte, während des Feldzuges mit den Militärs, die nur Oesterreich, nicht die übrigen Mächte Europas vor sich sahen,[336] und mit dem Könige über den Friedensschluß und dann wieder über die Indemnität, hatten mich so angegriffen, daß ich der Ruhe und Erholung bedurfte. Ich ging zunächst am 26. September zu meinem Vetter, dem Grafen Bismarck-Bohlen in Karlsburg, und dann am 6. October nach Putbus, wo ich in dem Gasthofe schwer erkrankte. Der Fürst und die Fürstin Putbus gewährten mir eine liebenswürdige Gastfreiheit in einem Pavillon, der neben dem abgebrannten Schlosse stehen geblieben war. Nachdem der erste heftige Anlauf der Krankheit überstanden war, konnte ich die Geschäfte wieder in die Hand nehmen durch Correspondenz mit Savigny. Als der letzte preußische Gesandte am Bundestage war er der natürliche Erbe des Decernates über die im Vordergrunde stehende deutsche Politik. Er führte die Verhandlungen mit Sachsen zu Ende, was vor meiner Abreise nicht gelungen war. Das Ergebniß derselben ist publici juris, und ich kann mich einer Kritik derselben enthalten. Die militärische Selbständigkeit Sachsens wurde demnächst unter Vermittlung des Generals von Stosch durch persönliche Entschließungen Sr. Majestät weiter entwickelt, als sie nach dem Vertrage bemessen war.

Die geschickte und ehrliche Politik der beiden letzten sächsischen Könige hat diese Concessionen gerechtfertigt, namentlich so lange es gelingt, die bestehende preußisch-österreichische Freundschaft zu erhalten. Es ist in den geschichtlichen und confessionellen Traditionen, in der menschlichen Natur und speciell in den fürstlichen Ueberlieferungen begründet, daß der enge Bund zwischen Preußen und Oesterreich, der 1879 geschlossen wurde, auf Bayern und Sachsen einen concentrirenden Druck ausübt, um so stärker, je mehr das deutsche Element in Oesterreich, Vornehm und Gering, seine Beziehungen zur habsburgischen Dynastie zu pflegen weiß. Die parlamentarischen Excesse des deutschen Elements in Oesterreich und deren schließliche Wirkung auf die dynastische Politik drohten nach dieser Richtung hin das Gewicht des deutschnationalen Elements nicht nur in Oesterreich abzuschwächen. Die doctrinären Mißgriffe der parlamentarischen Fraktionen sind den Bestrebungen politisirender Frauen und Priester in der Regel günstig.

Quelle:
Bismarck, Otto Eduard Leopold: Gedanken und Erinnerungen. Stuttgart 1959, S. 336-337.
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