2. Die Schlacht bei Heraklea.

[307] Die Stärke der Römer wird von Mommsen auf mindestens 50000 von Scala auf etwa 36000 Mann veranschlagt. Die Stärke des Pyrrhus kennen wir ebenso wenig.

Pyrrhus stellte sich hinter dem Flusse Siris auf und soll gewünscht haben, die Schlacht zu vermeiden, um noch Bundesgenossen abzuwarten. Das ist in jeder Beziehung unwahrscheinlich. Pyrrhus war Feldherr genug, um zu wissen, daß ein kleiner Fluß, wie der Siris, kein wirkliches Hindernis abgebe. Erwartete er seinerseits noch Bundesgenossen, so hätten die Römer ebenfalls mit Leichtigkeit noch Verstärkungen heranziehen können; sie hatten bei weitem nicht ihre ganze Macht zur Stelle, angeblich sogar nur ein Viertel165.[307]

Richtig mag sein, daß den Römern mehr an einer baldigen Entscheidung lag, als dem Epiroten. Schon sein bloßes Verweilen auf italischem Boden schwächte die Autorität der Römer bei ihren untertänigen Landschaften, und was von den Römern abfiel, fiel dem Pyrrhus zu. War man aber einmal aneinander, so mußte Pyrrhus die taktische Entscheidung annehmen, um die Überlegenheit seiner Kriegskunst den gespannt erwartungsvollen Völkerschaften Italiens zu beweisen. Hinziehen hätte das Zutrauen zu ihm geschwächt. Pyrrhus wird also die Stellung mit dem Fluß vor der Stellung genommen haben, nicht um die Schlacht zu vermeiden, sondern um für die zu erwartende Schlacht den taktischen Vorteil zu gewinnen. Er schlug sein Lager nicht unmittelbar am Flusse auf, sondern in einiger Entfernung und bewachte den Übergang nur mit Kavallerie. Wenn die Quellen berichten, daß er bei der Meldung, die Römer hätten den Fluß über schritten, zuerst in Bestürzung geraten sei, so erscheint mir das durchaus nicht glaubwürdig, denn er konnte sich gar nichts Besseres wünschen.

Ebenso unglaubwürdig ist, daß er, nunmehr seinen Vorteil erkennend, um die Römer noch in der Unordnung des Überganges anzugreifen, mit der Kavallerie allein gegen sie vorgegangen sei, die Phalanx aber habe stehen lassen. Weshalb diese Zersplitterung der eigenen Kräfte?

Als die Reiterei wich, soll Pyrrhus die Phalanx vorgeschickt, und nachdem diese lange unentschieden gefochten, endlich durch die Elefanten die Entscheidung herbeigeführt haben. Jede Erklärung, weshalb Pyrrhus in solch' sinnwidriger Weise seine Kräfte vereinzelt eingesetzt haben soll, fehlt. Da der Übergang eines großen Heeres über einen Fluß, der, wie ausdrücklich berichtet wird (Plutarch), für Fußvolk nur in einer Furt zu durchschreiten war, eine sehr lange Zeit in Anspruch nimmt und Pyrrhus durch seine Reiter rechtzeitig von dem Anrücken der Römer unterrichtet war, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß er vollauf Zeit hatte, sein Heer regelrecht in Schlachtordnung zu stellen und geschlossen anrücken zu lassen. Irgend ein Grund, die Elefanten zurückzuhalten, ist nicht erfindlich. Pyrrhus hätte ja wahrlich mutwillig sein Fußvolk den schweren Verlusten ausgesetzt, wenn er, statt gleich im Anfang mit Hilfe seiner Elefanten die römischen Reiter zu verjagen und dann dem römischen Fußvolk in die Flanke zu fallen, seine Phalanx erst, wie Plutarchs Quelle fabuliert, siebenmal mit den römischen Legionären in Flucht und Verfolgung hätte abwechseln lassen. Der König hatte es ja völlig in der Hand, sowohl der Schlacht auszuweichen, indem er den Rückzug antrat, ehe die Römer den Fluß überschritten hatten – oder die Schlacht zu liefern, sei es unmittelbar am Fluß, sei es weiter rückwärts etwas später. Daß er in unbesonnener Hitze, um die Römer noch beim Übergang anzugreifen, seine Truppen stückweise gegen den Feind geführt, ist an sich bei einem anerkannt bedeutenden Feldherrn unglaublich, und endlich ganz unmöglich, daß die Elefanten später gekommen sein sollen als das Fußvolk, dessen Aufstellung immer längere Zeit in Anspruch nimmt.[308]

Selbst wenn wir annehmen wollen, daß der König anfänglich noch keine Schlacht habe liefern, sondern mit der Einsetzung seiner Kavallerie den übergegangenen Teil der Römer bloß über den Fluß wie er habe zurücktreiben wollen, so würde es immer eine Unbegreiflichkeit bleiben, daß er nicht auch sofort das Fußvolk heranführte und gar, daß er die Elefanten dahinter ließ.

Die bei Zonaras erhaltene Tradition weiß zwar auch, daß die Schlacht entstand, indem die Römer über den Fluß gingen, und läßt auch die Elefanten erst zuletzt kommen, im übrigen aber ist sie sehr abweichend und meldet namentlich gar nichts von dem langen unentschiedenen Ringen der beiden Phalangen.

Die Verlustangaben schwanken für die Römer zwischen 7000 und etwa 15000. Da wir aber die Stärke nicht kennen, haben sie geringeres Interesse. Auffällig ist, daß in den Quellen gar nichts gesagt wird von den Schwierigkeiten, die den geschlagenen Römern der Rückübergang über den Fluß gemacht haben muß; nur Zonaras erwähnt, daß sie wieder über den Fluß zurück mußten. Pyrrhus soll die Verfolgung wegen der Verwundung eines Elefanten, der darüber wild wurde und die anderen erschreckte, eingestellt haben.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 1, S. 307-309.
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