Die italienischen Capitularien.

[43] Die Capitularien, die uns aus dem Longobardenreiche über das Kriegswesen erhalten sind (ebenfalls zusammengestellt bei BORETIUS, Beitr. z. Capitularienkritik), weichen im einzelnen mannigfach von den fränkischen ab, in den Grundzügen jedoch stimmen sie mit ihnen überein und bestätigen in glücklicher Weise unsere Auslegung.43

Noch viel deutlicher als im Frankenreiche ersehen wir aus ihnen, wie hier seit den Tagen der Völkerwanderung ein Kriegerstand inmitten einer unkriegerischen Bevölkerung lebte und sich fortpflanzte. Von einem solchen Kriegerstand, der kein geschlossenes Volk ist, keine große Gefolgschaft bildet und auch nicht auf Landleihe aufgebaut ist, hat man sich bisher keine Vorstellung machen können, und so ist es gekommen, daß in dem grundlegenden Buche für die mittelalterliche italienische Rechtsgeschichte, der »Geschichte der Städteverfassung von Italien« von CARL[43] HEGEL das Richtige eigentlich mit runden Worten dasteht, weil die Urkunden völlig deutlich sind, und dann doch wieder durch falsche Wendungen verdrängt wird, weil es dem Verfasser praktisch so unmöglich erscheint.

Die Zeugnisse beziehen sich ebensowohl auf die longobardischen, wie auf die nicht von den Longobarden unterworfenen Gebiete.

Gregor I. (590-604) schreibt einmal an die Ravennaten, zählt alle einzelnen Stände auf und darunter auch die »Krieger« (milites). Ganz ähnlich in einem anderen Brief an die Einwohner von Zara oder Jadera.44

Um die Mitte des 7. Jahrhunderts, als der griechische Kaiser den Papst Martin gefangen nehmen lassen wollte, empfiehlt er seinem Statthalter, erst die Stimmung des römischen »Heeres« auszuforschen und sich still zu verhalten, wenn sie feindlich sein sollte.45

Könnte man sich noch vorstellen, daß es sich hier nur um eine zufällig vorhandene Söldnerbande handelt, so wird man diese Auslegung nicht mehr für nötig halten, wenn man sieht, daß in den Urkunden des folgenden Jahrhunderts fortwährend von dem Stande der Krieger (milites) und den Optimates militiae die Rede ist. Auch bei den Papstwahlen haben sie (primates exercitus) ihr Recht und sind berufen, das Wahldekret am Schlusse zu unterschreiben. HEGEL sagt selbst (I, 253), dieses Heer könne weder ein Heer von Soldtruppen, noch ein ganzes Volksheer gewesen sein, und will deshalb einen »angesehenen Kriegerstand aus dem Kern der Bürgschaft« darin sehen. »Die Römer waren wieder wehrhaft, das Volk ein Heer geworden« (S. 250). Es sind die durch Grundbesitz und Waffentüchtigkeit vollberechtigten Mitglieder der römischen Gemeinde, hauptsächlich die ehemaligen Possessoren (S. 254).

Woher sollten aber gerade die Hausbesitzer in Rom und Ravenna wieder kriegstüchtig geworden sein, die übrigen »cives honesti«, wie die ehrsamen Stadtbürger im Gegensatz zu ihnen genannt werden, nicht? Sie sind nicht nur plötzlich kriegstüchtig geworden, sie haben sogar eine militärische Organisation von ehrwürdigem Alter, die »scholas militiae«, wie sie einst der große Constantin genannt und die noch Papst Hadrian dem Frankenkönig Carol entgegenschickte (HEGEL, S. 259), und in Ravenna waren sie von solcher Wildheit, daß sie Sonntags vor den Toren blutige Waffenspiele aufführten, wobei die verschiedenen Stadtquartiere gegeneinander fochten (HEGEL, S. 263).[44]

Für die Nachkommen der Bürger, für deren Dienste in der Schlacht Belisar einst trotz Anerkennung des guten Willens freundlich gedankt hatte, scheint das doch eine gar zu merkwürdige Verwandlung, besonders unter der Obhut griechischer Statthalter oder geistlicher Regenten. Hier muß offenbar ein ganz anderes Moment im Spiel sein und es ist auch nicht schwer zu finden.

Dieser neue kriegerische Stand ist nicht ein plötzlich kriegerisch gewordener Hausbesitzerstand, sondern umgekehrt, es sind die barbarischen Krieger, die sich allmählich romanisiert und eingebürgert, vielfach auch Haus- und sonst Besitzer geworden sein mögen, dabei aber ihren kriegerischen Charakter noch Generationen hindurch bewahren und durch Übung erhalten. Man bedurfte ihrer ja fortwährend und wäre ohne sie völlig schutzlos gewesen.

Noch als Otto der Große im Jahre 963 in der Peterskirche seine große Synode abhielt, war dabei »omnis Romanorum militia« zugegen.46

Die Langobarden waren im Unterschied von den Goten von vornherein kein geschlossener Volksstamm, sondern ein Kriegsbund, zu dem sich mit dem Hauptstamm Gepiden, Sachsen, Pannonier, Noricer und sogar Bulgaren zusammengeschlossen hatten; sie lösten sich gleich nach der Eroberung des Landes in Kleinherrschaften unter 35 Herzogen auf und hatten auch später immer ein schwaches Wahl-Königtum. Die Zeit der Herzogtümer haben wir uns so vorzustellen, daß in jeder größeren Stadt sich ein Bandenführer (Geschlechtshaupt, Hunno) niederließ und die Herrschaft ergriff, für sich nahm, was ihm gefiel, und seinen Leuten anwies, was ihm gutdünkte. Die Überlieferung,47 daß damals viele vornehme Römer aus Habgier umgebracht oder ausgetrieben worden seien, wird wohl richtig sein. Es dürften römische Großbesitzer überhaupt wenig übrig geblieben sein. Die gesamte römische Bevölkerung trat in den Stand der Halbfreiheit; die Römer wurden Aldien (oder Liten), die Langobarden waren der allein vollfreie Stand der Krieger, der Arimannen (Exerzitalen). So war es ja auch bei den Franken, nur mit dem Unterschied, daß es hier vermöge des starken Königtums von Anfang an vornehmen römischen Familien möglich war, Schutz für Leben und Eigentum zu gewinnen und durch Eintritt in den königlichen Dienst und in die Kriegerschaft selber Mitglieder des herrschenden vollfreien Standes zu werden, was bei den Langobarden kaum der Fall gewesen sein wird.

Daß jeder Langobarde Grundbesitzer geworden sei und ein so bedeutender Besitzer, daß er davon als Reiter zu Felde ziehen konnte, wie HARTMANN, Gesch. Italiens im Mittelalt. II, 1, 42 u. II, 2, 50 annimmt,[45] ist sicherlich unrichtig. In der Hauptsache sind die neuen Grundbesitzer der König, die Herzöge und eine Anzahl Gefolgsleute und Beamte. Die gemeinen langobardischen Krieger wurden aus den Band II S. 343 entwickelten Gründen entweder gar nicht angesiedelt, sondern lebten im Gefolge des Königs, der Herzoge und Gastalden, oder sie lebten wohl auf, aber nicht von einem Kolonenhofe, sondern hatten hier nur eine Heimstätte und ein Existenzminimum, rechneten aber daneben und vor allem auf den Ertrag des Dienstes, des Krieges und der Beute. HARTMANN a.a.O. II, 1, 52 stellt eine größere Zahl von italienischen Ortsnamen zusammen, die mit »fara« (Geschlecht) gebildet sind. Das läßt darauf schließen, daß hier größere Gruppen von Langobarden sich zusammen niedergelassen haben, d.h. also nicht als Groß-, sondern als Kleingrundbesitzer. Ein Kleingrundbesitzer aber kann nicht aus eigenen Mitteln zu Rosse in den Krieg ziehen.

Falsch ist der Ausdruck, den HARTMANN II, 2, 52 gebraucht, »Der wehrhafte langobardische Stamm war ausgezogen, um arbeitslose Rente zu genießen, seine Ausbreitung in Italien war die Eroberung arbeitsloser Rente«. Zwar ist dieser Satz der Wahrheit immer noch näher, als jener andere, die Germanen seien ins römische Reich gekommen, um sich Land zuteilen zu lassen und darauf als Bauern zu legen, aber es fehlt ihm die Hauptsache, daß die Eroberer nicht bloß Rente aus dem Lande zogen, sondern daß sie es beherrschten und die Leistung des Kriegerstandes übernahmen. Die Einzöglinge kamen zunächst als die reinen Räuber und Plünderer, wie später die Wikinger; als sie sich aber dauernd niedergelassen und die Herrschaft ergriffen hatten, da boten sie auch ihre Gegenleistung an, und man kann der Hartmannschen, nicht aus der Geschichte geschöpften, sondern aus einer modernen Doktrin in die Geschichte übertragenen Floskel zutreffend entgegenhalten, daß ja die Rittersprache den Krieg selber mit dem Worte »Arbeit« bezeichnet.

In der Schilderung, die HARTMANN II, 1, 132 von der Umbildung des Kriegswesens in dem römisch gebliebenen Italien im 6. und 7. Jahrh. entwirft, heißt es: »Man könnte sagen, daß infolge der Lokalisierung des Militärwesens die Militärwirtschaft aus einer Geld- in eine Naturalwirtschaft umgewandelt wurde.« Die Substanz dieses Satzes ist richtig, nur muß das Kausalitätsverhältnis umgekehrt werden: weil (schon seit dem 3. Jahrh.) die Geldwirtschaft in Naturalwirtschaft übergegangen war, mußte das »Militärwesen lokalisiert werden«, d.h. die Truppen statt auf Sold auf Lieferungen und schließlich auf Grundbesitz angewiesen werden.


Edictum Liutprandi a.d. Jahre 726. M. Germ. Leg. IV. 140.

cap. 83. De omnibus iudicibus, quando in exercito ambolare necessitas fuerit, non dimittant alios homenis nisi tantummodo, qui[46] unum cavallo habent, hoc est homines sex et tollant ad saumas suas ipsos cavallos sex; et de minimis hominibus qui nec casas nec terras suas habent, dimittant homenis decem, et ipsi homenis ad ipsum iudicem faciant per ebdomata una operas tres usque dum ipse iudex de exercito revertitur. Sculdahis vero dimittat homenis tres, qui cavallus habent, ut tollant ad saumas suas cavallos tres; et de minoribus hominibus dimittant homenis quinque qui faciant ei operas, dum ipse reversus fuerit, sicut ad iudicem discemus, per ebdomata una operas tres. Saltarius quidem tollat cavallo uno et de minoribus qui ei operas faciat tollat homine uno et faciat si operas, sicut supra legitur. Et si amplius iudex vel sculdahis aut saltarius dimittere presumpserit homines sine regis permisso aut iussione, qui in exercito ambolare devit, conponat wirgild suo in sagro palatio.

Ganz wie die fränkischen geht auch diese Vorschrift von der altgermanischen Vorstellung aus, daß grundsätzlich, wenn zum Kriege aufgeboten wird, alle Männer ausziehen; unausgesprochen aber selbstverständlich ist dabei, daß es sich nur um die Krieger, die Langobarden und die etwa in deren Kriegsgenossenschaft eingetretenen Romanen oder Halbromanen handelt. Dieser Grundsatz kann aber nicht mehr vollständig durchgeführt werden. Um zu einer Auswahl zu gelangen, hat man bei den Franken das Gruppensystem erfunden; die Langobarden haben eine andere Technik angewendet: den Richtern wird freigegeben, in ihrem Bezirk 6 Männer, die im Besitz eines Rosses sind, und 10 Nichtbesitzer; den Schultheißen je drei Roßbesitzer und fünf Nichtbesitzer; den Saltariern (Dekanen, Amtsvorstehern) einen Roßbesitzer zu dispensieren und zu Hause zu lassen. Diese Dispensierten haben dafür, ev. mit ihren Pferden für ihre Vorgesetzten, so lange der Feldzug dauert, je drei Tage die Woche zu arbeiten. Stellen wir uns vor, daß sie diese Arbeit durch irgendwelche Abgaben ablösten, so haben wir ein ganz ähnliches Ergebnis, wie bei der fränkischen Gruppenbildung.

Wichtig ist, daß die langobardische Vorschrift aus dem Jahre 726 stammt, also viel älter ist, als die erhaltenen fränkischen Capitularien. Das darf uns als Beleg dienen, daß das Bedürfnis, das allgemeine Aufgebot durch Dispense einzuschränken und zu regeln, auch bei den Franken viel höher hinaufgegangen ist, als die zufällig erhaltenen Capitularien es direkt bezeugen.

HEGEL, Ital. Städteverf. I, 430 hat gemeint, aus diesem Edikt ersehe man, daß es damals im Langobardenreiche auf die nationale Abstammung nicht mehr ankam, denn das Edikt wende sich an alle Freien, auch die Römer. HEGEL selber hat aber mit Recht die Ansicht durchgeführt, daß ursprünglich alle Römer zu Aldien gemacht wurden. Es gibt also keine freien Römer, und diejenigen, die es im 8. Jahrhundert[47] gab, waren Freigelassene und ihre Nachkommen oder Eingewanderte. Das können nicht so gar viele gewesen sein. Von ihnen aber mögen tatsächlich viele in den Kriegerstand eingetreten sein.


Capitular Aistulfs von 750. Mon. Germ. Leg. IV, 196.

cap. 2. De illos homines qui possunt loricam habere et minime habent, vel minores homines qui possunt habere cavallum et scutum et lanceam et minime habent, vel illi ihomines qui non possunt habere nec habent unde congregare, debeant habere scutum et coccura. Et stetit ut ille homo qui habet septem casas massarias habeat loricam suam cum reliqua conciatura sua, debeat habere et cavallos; et si super habuerit per isto numero debeat habere caballos et reliqua armatura. Item placuit, ut illi homines, qui non habent casas massarias et habent quadraginta jugis terrae, habeant cavallum et scutum et lanceam, item de minoribus hominibus principi placuit, ut si possunt habere scutum, habeant coccora cum sagittas et arcum,48 item di illis hominibus qui negotiantes sunt et pecunias non habent. Qui sunt majores et potentes, habeant loricam et cavallos, scutum et lanceam; qui sunt sequentes, habeant caballos, scutum et lanceam; et qui sunt minores, habeant coccoras cum sagittas et arcum.

cap. 7. De iudicis es sculdahis vel aactores, qui homines potentes dimittunt ad casa seu de exercitu; qui hoc faciunt conponant sicut edictus continet pagina.

Das Capitular hat die Form eines nur andeutenden Protokolls über in mündlicher Verhandlung gefaßte Beschlüsse und mündliche Willenskundgebungen. Der König verlangt, daß gewisse Leute eine volle Rüstung mit Panzer haben sollen, andere Roß, Schild und Lanze, die Ärmsten bloß Schild und Köcher, d.h. Bogen und Pfeile. Ob und was für Strafen denen angedroht werden, die nicht richtig bewaffnet erscheinen, ist nicht gesagt, es scheint, daß der Schreiber es bloß ausgelassen hat. Wer sieben Hufen hat, soll vollgepanzert zu Roß erscheinen, und wer mehr hat, für je sieben Hufen einen solchen bewaffneten Mann stellen. Wer nur vierzig Joch Land hat, soll zu Roß mit Schild und Lanze erscheinen, die kleinen Leute womöglich mit einem Schilde, jedenfalls[48] aber mit Köcher, Pfeil und Bogen;49 ebenso die negotiantes (Kaufleute, Gewerbetreibende, Handwerker), die keinen Besitz haben. Die größeren und wohlhabenderen unter ihnen sollen ebenfalls im Panzer, die mittleren zu Roß mit Schild und Lanze erscheinen.

Von Dispensen ist hier nicht die Rede. Entweder der König hat diesmal – es handelte sich darum, den Griechen Ravenna zu entreißen – wirklich den ganzen Heerbann ins Feld führen wollen oder er hat in der Erkenntnis, daß die Regulative darüber doch keinen praktischen Wert hätten, die Ausführung gänzlich den Beamten anheimgestellt. Auch die wenigen Vorschriften, die tatsächlich gegeben werden, sind ja sehr lückenhaft; namentlich ist nicht zu ersehen, wie diejenigen, die zwischen 40 Joch und 7 Hufen besitzen, bewaffnet sein sollten. Auch ist fraglich, was denn das für Leute sein sollen, die die Großbesitzer für je 7 Hufen schwergerüstet zu stellen haben.

Am interessantesten ist die Einreihung der negotiantes. Wir erkennen daraus, wie der alte Kriegerstand sich nicht nur eingebauert, sondern auch eingebürgert hat. Schon bei den Burgundern haben wir eine Spur gefunden,50 daß keineswegs die Einwandernden sich alle auf dem Lande festsetzten, und es liegt ja auf der Hand, daß die Grafen, die in Städten residieren, eine nicht ganz unbedeutende Schar unmittelbar bei sich behalten und in der Stadt untergebracht haben müssen. Von den Langobarden hat schon HEGEL hervorgehoben, daß sie sich bei der Eroberung vorwiegend nicht auf dem Lande, sondern gerade in den Städten niederließen. Fortwährend werden Arimannen als die maßgebenden Bewohner von Städten genannt.51 In den Friedensperioden, die eintraten, begannen sie sich irgend einem bürgerlichen Beruf zuzuwenden, ohne deshalb ebenso wie die Hufenbesitzer auf dem Lande gleich ihr Kriegertum völlig dranzugeben und zu verlieren. Als Analogie aus einer späteren Zeit man herangezogen werden ein Privileg, das Erzbischof Gebhard von Bremen i. J. 1233 den Bürgern ausstellte;52 er verheißt darin, daß er die mercatores nicht gegen ihren Willen zum Krieg aufbieten werde »exceptis illis mercatoribus, qui vel tamquam ministeriales, vel tamquam homines ecclesiae ab ecclesia sunt feodati«. Es gab also belehnte Leute im Kriegerstand, die zugleich mercatores waren, in Bremen.


Aus einem italienischen Capitulare missorum Karl des Großen. M. G. I, 206.

[49] 7. De liberorum hominum possibilitate: ut iuxta qualitatem proprietatis exercitare debeant.

13. Ut haribannum aut aliquod conjectum pro exercitali causa comites de liberis hominibus recipere aut requirere non persumant, excepto si de palacio nostro aut filii nostri missus veniat qui illum haribannum requirat.


Aufgebot Lothars für einen Feldzug gegen Corsica. Februar 825. M. G. I, 324.

Volumus ut singuli comites hanc districtionem teneant inter eos qui cum eis introeant in Corsica vel remanere debeant.

1. Ut domnici vassalli qui austaldi sunt et in nostro palatio frequenter serviunt, volumus ut remaneant; eorum homines quos antea habuerunt, qui propter hanc occassionem eis se commendaverunt cum eorem senioribus remaneant. Qui autem in eorum proprietate manent, volumus scire qui sint et adhuc considerare volumus, quis eant aut quis remaneant. Illi vero qui beneficia nostra habent et foris manent, volumus ut eant.

2. Homines vero episcoporum seu abbatum qui foris manent, volumus ut cum comitibus eorum vadant, exceptis duobus quos ipse elegerit; et eorum austaldi liberi, exceptis quattuor, volumus ut pleniter distringantur.

3. Ceteri vero liberi homines quos vocant bharigildi, volumus ut singuli comites hunc modum teneant: videlicet ut qui tantam substantiae facultatem habent qui per se ire possint et ad hoc sanitas et viris utiles adprobaverit, vadant; illi vero qui substantiam habent et tamen ipsi ire non valent, adiuvet valentem et minus habentem. Secundi vero ordinis liberis, quis pro paupertate sua per se ire non possunt et tamen ex parte possunt, coniungantur duo vel tres aut quattuor (alii vero si necesse fuerit) qui iuxta considerationem comitis eunti adiutorium faciant quomodo ire possit; et in hunc modum ordo iste servetur usque ad alios qui pro nimia paupertate neque ipsi ire valent neque adiutorium eunti praestare. A comitibus habeatur excusatus post antiqua consuetudo eis fidelium comitibus observanda.


Aus dem Capitular Lothars aus dem Mai 825. M. G. I, 319.

1. Statuimus ut liberi homines qui tantum proprietatis habent unde hostem bene facere possunt et iussi facere nolunt, ut prima vice secundum legem illorum statuto damno subiaceant; si vero secundo[50] inventus fuerit neglegens, bannum nostrum id est LX solidos persolvat; se vero tertio quis in eadem culpa fuerit implicatus, sciat se omnem substantiam suam amissurum aut in exilio esse mittendum. De mediocribus quippe liberis qui non possunt per seu hostem facere comitum fidelitati committimus, ut inter duos aut tres se quattuor vel si necesse fuerit amplius uni qui melior esse videtur adiutorium praebeant ad nostrum servicium faciendum. De his quoque qui propter nimiam paupertatem neque per se hostem facere neque adiutorium prestare possunt, conserventur quousque valeant recuperare.

Daß die Langobarden den Franken, ohne auch nur eine Schlacht zu wagen, unterlegen sind, dürfte weniger in der größeren Masse des Frankenreichs seinen Grund haben – denn über die Alpen können die Karolinger doch immer nur mäßige Heere geführt haben – als in der Einbürgerung der Langobarden, der kein Lehnswesen entgegenwirkte. Aus den vorstehenden Capitularien erkennen wir nun, daß Karl der Große die fränkische Kriegsverfassung auf sein langobardisches Reich übertragen hat. Die entschiedene Betonung, daß bei der Gruppenbildung, die ganz diskretionär in die Hand der Grafen gelegt wird, der körperlich tüchtigste Mann ausziehen soll, legt den Gedanken nahe, daß die Maßregel eine Zeitlang auch wirklich ausgeführt worden ist, bis dann auch hier der rein vasallische Kriegerstand an die Stelle getreten ist.


Nach dem folgenden Capitular Ludwigs II. vom Jahre 866 (M. G. II, 94) hat man freilich selbst damals noch eine Fort- und Umbildung des alten Systems versucht. Es lautet:

1. Quicumque de mobilibus widrigild suum habere potest, pergat in hoste; qui vero medium widrigild habet, duos iuncti in unum utiliorem instruant, ut bene ire possit. Pauperes vero personae ad custodiam maritimam vel patriae pergant, ita videlicet, ut qui plus, quam decem solidos habet de mobilibus, ad eandem custodiam vadant. Qui vero non plus, quam decem solidos habet de mobilibus, nil ei requiratur. Si pater quoque unum filium habuerit et ipse filius utilior patre est, instructus a patre pergat; nam si patre utilior est, ipse pergat. Si vero duos filios habuerit, quicumque ex eis utilior fuerit, ipse pergat; alius autem cum patre remaneat; quodsi plures filios habuerit, utiliores omnes pergant; tantum unus remaneat, qui inutilior fuerit. De fratribus indivisis, iuxta capitularem domini et genitoris nostri volumus, ut, si duos fuerint, ambo pergant; si tres fuerint, unus, qui inutilior apparuerit, remaneat, ceteri pergant; si quoque plures omnes utiliores apparuerint, pergant, unus inutilior remaneat. De qua condicione volumus, ut neque per praeceptum neque per advocationem aut quamcumque occasionem excusatus sit, aut comes aut gastaldus vel ministri eorum ullum excusatum habeant, praeter quod comes in unoquoque comitatu unum relinquat, qui eundem[51] locum custodiat et duos cum uxore sua; episcopi ergo nullum laicum relinquant.

2. Quicumque enim contra hanc institutionem remanere presumpserit, proprium eius a missis, quos subter ordinatum habemus, praesentaliter ad nostrum opus recipere iussimus et illum foras eicere. Omnibus enim notum esse volumus, quia iam a prioribus nostris iuxta hanc institutionem tultae fuerunt, sed pro misericordia recuperare meruerunt. Nunc autem certissime scitote, cuiuscumque proprietas tulta fuerit, vix a nobis promerebitur recuperatione.

3. (Eine Anzahl Namen und Gebiete.) Hi volumus, ut populum eiciant et custodiam praevideant et populum in castella residere faciant etiam et cum pace. Nam si missus aliquis ausus fuerit pretermittere, quin omnibus, [qui] remanserint, presentaliter proprium tollat et eum foris eiciat, et si inventus fuerit ipse missus, proprium suum perdat. Et si comes aliquem excusatum aut bassallum suum, preter quod superius diximus, dimiserit, honorem suum perdat; similiter eorum ministri, si aliquem dimiserint, et proprium et ministerium perdant.

4. Quodsi comes aut bassi nostri aliqua infirmitate [non] detenti remanserint, aut abbates vel abbatissae si plenissime homines suos non direxerint, ipsi suos honores perdant, et eorum bassalli et proprium et beneficium amittant. De episcopis autem cuiuscumque bassallus remanserit, et proprium et beneficium perdant. Si quoque episcopus absque manifesta infirmitate remanserit, pro tali neglegentia ita emendet, ut in ipsa marcha resideat, quousque alia vice exercitus illuc pergat, in quantum Dominus largire dignatus fuerit.

5. Et ut certissime sciatis, quia hanc expeditionem plenissime explere volumus, constituimus, ut episcopus, comes aut bassus noster, si in infirmitate incerta detentus fuerit, episcopus quippe per suum missum, quem meliorem habet, comes vero et bassi nostri per se ipsos hoc sub sacramentum affirment, quod pro nulla occasione remansissent, nisi quod pro certissima infirmitate hoc agere non potuissent.

6. Omnes enim volumus, ut omni hostili apparatu secum deferant, ut, cum nos hoc prospexerimus et inbreviare fecerimus, non neglegentes appareant, sed gratiam quoque nostram habere mereantur. Vestimenta autem habeant ad annum unum, victualia vero quousque novum fructum ipsa patria habere poterit.

Nach diesem Capitular sollen diejenigen zur Feldarmee gehören, die an Mobilien ihr Wehrgeld, d.i. 150 Solidi für den Gemeinfreien, besitzen, und von denen, die an Mobilien das halbe Wehrgeld besitzen, sollen je zwei einen schicken. Einige Erleichterungen werden noch gewährt, wenn Vater und Sohn oder mehrere Brüder auf einem ungeteilten Erbe sitzen.

Die eigentliche Tragweite dieser Verordnung können wir nicht abmessen, da uns jeder Maßstab dafür fehlt, wieviel Männer ihr ganzes oder auch nur ihr halbes Wehrgeld an Mobilien zu besitzen abgeschätzt[52] wurden. Es muß doch jedenfalls sehr viele gegeben haben, die weniger hatten, und daß diese bei der Feldarmee ganz ausfallen und bloß zum Wachdienst oder, wenn sie weniger als 10 Solidi besitzen, gar nicht herangezogen werden, muß uns gegen die ganze Verordnung sehr vorsichtig stimmen. Auch unter den Leuten von geringerem Vermögen müssen doch militärisch recht Brauchbare und unter den Wohlhabenden viele recht Unbrauchbare gewesen sein. Bei einem Heer, wo nicht feste und gut disziplinierte taktische Körper die Schwächen des Einzelnen wettmachen, ist die Aushebung bloß nach dem Vermögensstande kein geeigneter Modus, kampflustige Truppen zu gewinnen. Der Verdacht ist kaum abzuweisen, daß wir es hier, ähnlich wie bei dem Edikt Karls des Kahlen im Jahre 864, mit einer bloßen Theorie zu tun haben, Konstruktionen eines eifrigen Ratgebers am Hofe, die mit der Wirklichkeit des Lebens kaum irgendeine Berührung hatten. Die Strenge, mit der die Erfüllung gefordert wird und die Dispensationen auf das Geringste beschränkt werden, ist jedenfalls kein Beweis, daß das Edikt auch so ausgeführt worden ist.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 43-53.
Lizenz:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Jenny

Jenny

1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon