Liegnitz. Torgau.

[420] Daun hatte sich auf das Drängen der Wiener Regierung und den Befehl seiner Kaiserin jetzt wirklich entschlossen, der preußischen Armee zu Leibe zu gehn. Die Österreicher waren von der einen, die Russen von der anderen Seite in Niederschlesien eingerückt und nur durch die Oder getrennt.

Friedrich hatte nur noch 30000 Mann; die Österreicher 90000; die Russen mit 74000 wurden in Schach gehalten durch Prinz Heinrich mit 37000. Friedrich hielt sich schon für zu schwach, um noch zu schlagen und wollte nur noch manövrieren, um Breslau und Schweidnitz gegen eine Belagerung zu decken und so den Sommer hinzuhalten. Da brachte ihm der Angriffsplan der Österreicher die Rettung. Von Wien aus angespornt, entwarf Daun den Plan nicht nur zu einer Angriffs- sondern zu einer Vernichtungsschlacht. Von drei Seiten zugleich sollten die österreichischen Korps sich in Bewegung setzen, in einem Nachtmarsch das Heer des Königs einkreisen und erdrücken. Indem die Preußen selber einen Nachtmarsch machten, gingen sie dem einen dieser Korps unter Loudon, 24000 Mann, entgegen, warfen es in der Frühe des Tages über den Haufen, ehe die österreichische Hauptmacht zur Stelle war, und diese wagte nun nicht mehr, das geplante Unternehmen fortzusetzen und zu Ende zu führen. Man sieht also, es ist grundfalsch zu glauben, daß Daun der Gedanke einer Vernichtungsschlacht überhaupt fremd gewesen sei. Diesen Vorsatz zu fassen, war leicht genug, aber Daun hat besser gewußt als die Spötter, daß er gegen den König von Preußen sehr schwer auszuführen war.

Der Erfolg von Liegnitz rettete den König aus der äußersten augenblicklichen Bedrängnis und noch einmal versuchte er jetzt, als das Jahr zu Ende ging, durch einen großen Schlag das Schicksal zu zwingen und griff Daun in einer Stellung bei Torgau an (3. November 1760). Er mußte unter allen Umständen versuchen, seinen Gegnern Sachsen wieder zu entreißen, und gleichsam entschuldigend sagt er uns in seinen Denkwürdigkeiten, daß er das Schicksal Preußens dem Schlachtenlose habe anvertrauen müssen, weil es nicht gelungen sei, Daun durch Manöver zur Räumung[420] seiner Stellung bei Torgau zu bewegen. Der Sieg war aufs teuerste erkauft und der Erfolg doch nur mäßig, da die Österreicher nur drei Tagemärsche weit zurückgingen und Dresden weiter behaupteten.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 420-421.
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