Nachmittagssitzung.

[40] OBERST CHARLES W. MAYS, GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Der Angeklagte Streicher wird der heutigen Nachmittagsverhandlung krankheitshalber nicht beiwohnen.

STAATSJUSTIZRAT SCHENIN: Ich verlese Auszüge aus der Note des Volkskommissars...


[Die Übertragung versagt,

eine längere Pause tritt ein.]


VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich vertagen.


[Verhandlungspause.]


VORSITZENDER: Wegen der Verzögerung wird der Gerichtshof bis 5.30 Uhr tagen und keine weitere Pause einschalten.

Bitte, Herr Oberst!


STAATSJUSTIZRAT SCHENIN: Ich verlese Auszüge aus der Note des Volkskommissars für die Auswärtigen Angelegenheiten vom 27. April 1942, wobei ich mir zur Zeitersparnis und mit Genehmigung des Herrn Vorsitzenden erlauben werde, nur kurz die wichtigsten Auszüge aus der Note zu verlesen.

Diese Note stellt fest, daß neue Tatsachenberichte, die im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten einliefen, und Dokumente, die in die Hände der Sowjetregierung gefallen waren, vorsätzliche Plünderungen der Hitler-Banden beweisen.

Ich verlese folgende Auszüge, letzter Absatz, Seite 44 meines russischen Textes:

»Im Anhang zum Sonderbefehl der Operationsabteilung des Generalstabs der deutschen Wehrmacht, Nr. 43761/41, heißt es, daß es notwendig sei, sich durch Zwangsumlagen auf die Bevölkerung der besetzten Gebiete mit allen Mitteln Kleidungsstücke zu beschaffen. Vor allem müssen Woll- und Lederhandschuhe, Mäntel, Westen und Schals, wattierte Westen und Hosen, Leder- und Filzstiefel sowie Fußlappen beschlagnahmt werden.

In einer Anzahl befreiter Ortschaften der Gebiete Kursk und Orel ist ein Befehl gefunden worden, der vorschreibt:

›Waren, wie Waagen, Säcke, Korn, Salz, Petroleum, Benzin, Lampen, Töpfe und Pfannen, Wachstuch, Gardinen, Vorhänge, Teppiche, Grammophone mit Platten müssen bei der Kommandantur abgeliefert werden. Wer diesem Befehl zuwiderhandelt, wird erschossen.‹

In der Stadt Istra, Gebiet Moskau, ›konfiszierten‹ die Eindringlinge Weihnachtsschmuck und Kinderspielzeug. Auf dem [40] Bahnhof von Schachowsk organisierten sie die ›Ablieferung‹ von Kinderwäsche, Wanduhren und Samowaren durch die Bevölkerung.

In den Gebieten, die sich noch unter der Gewalt der Eindringlinge befinden, dauern Durchsuchungen und die Beraubung der Bevölkerung an, die bereits durch die Ausraubung, die seit dem ersten Auftauchen der deutschen Truppen andauert, an den Bettelstab gebracht ist.«

Ich überspringe die folgenden Absätze der Note und gehe zum letzten Absatz über:

»Der allgemeine Charakter der von der Hitler-Regierung geplanten Plünderung, mit deren Hilfe das deutsche Oberkommando versucht hat, die Versorgung seiner Armee und des Hinterlandes aufzubauen, wird durch folgende Tatsache gekennzeichnet:

Allein in 25 Bezirken des Bezirks Tula raubten die Eindringlinge den Sowjetbürgern 14048 Kühe, 11860 Schweine, 28459 Schafe, 213678 Hühner, Gänse und Enten und vernichteten 25465 Bienenstöcke.«

Ich überspringe den Rest des Zitates über die Beschlagnahmungen von Vieh, Geflügel und Gutem in den 25 Kreisen von Tula.

Meine Herren Richter! In der von mir verlesenen Note sind nur einige wenige der zahlreichen Greueltaten und Plünderungen aufgeführt, die von den Hitler-Banden auf sowjetrussischem Boden begangen wurden.

Mit Erlaubnis des Gerichtshofs lege ich nun einige deutsche Dokumente vor, aus denen ersichtlich ist, wie die deutschen Befehlshaber und Beamten selbst das Benehmen ihrer Soldaten charakterisiert haben.

Ich werde später die freimütigen Äußerungen der faschistischen Anführer verlesen, in denen gesagt wird, daß Offiziere und Soldaten in ihrer Plünderungstätigkeit nicht gehindert werden dürften. Es ist natürlich, daß unter diesen Umständen der moralische Verfall der deutsch-faschistischen Truppen seinen Höhepunkt erreichen mußte. Es kam schließlich so weit, daß die Nazis sich gegenseitig zu bestehlen anfingen und damit dem russischen Sprichwort: »Ein Dieb stiehlt den Knüppel des anderen« recht gaben.

Gestatten Sie, daß ich jetzt einige Auszüge aus dem Dokument verlese, das ich dem Gerichtshof als USSR-285 einreiche. Dies ist ein Auszug aus dem Bericht des deutschen Gebietskommissars von Shitomir, an den Generalkommissar in Shitomir gerichtet und vom 30. November 1943 datiert. Sie werden das Dokument, das ich meine, auf Seite 93 des Dokumentenbuches finden. Ich verlese:

»Ehe die deutsche Verwaltung Shitomir räumte, konnte beobachtet werden, daß hier liegende Ein heiten besonders die [41] Wohnungen der Reichsdeutschen erbrachen und, was mitnehmenswert war, sich aneigneten. Dabei ist sogar persönliches Gepäck von Reichsdeutschen, die noch in ihren Dienststellen tätig waren, gestohlen worden. Bei der Wiederbesetzung der Stadt konnte man feststellen, daß teilweise die Wohnungen der Reichsdeutschen von Einheimischen kaum geplündert waren, daß aber die inzwischen in die Stadt einrückenden Truppen darangingen, die Wohnungen und Betriebe auszurauben....«

Ich verlese den zweiten Auszug aus demselben Dokument:

»Die Soldaten begnügen sich nicht damit, das für sie brauchbare Gerät mitzunehmen, sondern das zurückgelassene Inventar wird zum Teil zerstört, wertvolle Möbel verheizt, trotzdem Holz genügend vorhanden ist.«

Nun verlese ich einen Auszug aus dem Bericht des deutschen Gebietskommissars der Stadt Korostyschew, der an den Generalkommissar von Shitomir gerichtet ist. Diesen Auszug wird der Gerichtshof auf Seite 94 des Dokumentenbuches finden. Ich verlese:

»... Das Verhalten der deutschen Soldaten war leider schlecht. Im Gegensatz zu den Russen haben sie die Speicher erbrochen, auch schon zu einer Zeit, als die Frönt noch weit weg war. Getreide, darunter auch viel Saatgetreide, wurde in großen Mengen genommen. Dies lasse ich noch für die kämpfenden Einheiten gelten.

... In Popelnja wurden die Speicher nach dem Wiedereinrücken von unseren Soldaten sofort wieder aufgebrochen. Der Gebiets- und Kreislandwirt haben dann die Türen wieder zugenagelt. Sie wurden dann aber von den Truppen wieder erbrochen.«

Ich verlese weitere Auszüge aus diesem Dokument:

»Der Kreislandwirt meldete mir, daß von den zurückgehenden Einheiten die Molkerei geplündert sei. Butter, Käse usw. wurde dann von den Soldaten mitgenommen.«

Und der zweite Auszug:

»Vor den Augen der Ukrainer wurde der Kooperativladen geplündert und von den Soldaten u. a. auch noch die Kasse mitgenommen.«

Und der dritte Auszug:

»Vor dem Kooperativladen in Korostyschew stand am 9. und 10. dieses Monats fein Posten der Feldgendarmerie. Er konnte sich dem Ansturm der Soldaten nicht erwehren...«

Und dann der letzte Auszug:

»Schweine und Geflügel wurden in einem unverantwortlichen Ausmaß von den Einheiten abgeschlachtet und [42] mitgenommen... Das Bild, das dann die Einheiten boten, ist geradezu katastrophal.«

Meine Herren Richter! Auf diese Weise wird das Verhalten der deutschen Soldaten von einem deutschen Kommissar in einem amtlichen Bericht gekennzeichnet. Die Unparteilichkeit dieser Beschreibung unterliegt keinem Zweifel, um so mehr, als sie von einem amtlichen Bericht der Landbewirtschaftungs-Gesellschaft Ukraine in dem Generalkommissariat unterstützt wird, der an den Generalkommissar von Shitomir gerichtet wurde.

In diesem Bericht werden die Ergebnisse eines Überfalls der deutschen Soldaten auf das Dienstgebäude der Gesellschaft wie folgt geschildert. Ich zitiere:

»... Der Zustand der Dienststelle war verheerend und unvorstellbar.«

Zweiter Auszug, ich verkürze ihn:

»... Der Anblick des Wohngebäudes, Hauptstraße 57 (20 Zimmer), war erschreckend. Es fehlten die vorhandenen Teppiche und Läufer, Klubsessel und Sofas, sämtliche Betten mit Stahl- und Auflegematratzen sowie alle Stühle und Holzsessel.«

Ich lasse einige Zeilen aus:

»... Der allgemeine Zustand der Wohnräume ist kaum zu beschreiben.«

Ich lasse zwei weitere Auszüge aus und gehe weiter.

Das war, Hoher Gerichtshof, der »Herzensschrei« der deutschen Räuber von der »Gesellschaft für die wirtschaftliche Anpassung der Ukraine«, die selbst über die Plünderer aus dem deutschen Heere klagten.

Um zu zeigen, daß solche Taten nicht nur in den Städten von Shitomir und Korostyschew begangen worden sind, werde ich Ihnen einen Bericht des Gebietskommissars von Kasatin zitieren, in dem wörtlich folgendes steht:

»... Die deutschen Soldaten haben Lebensmittel, Vieh und Wagen gestohlen.«

Nach dieser lakonischen, aber eindrucksvollen Einführung folgen nicht weniger eindrucksvolle Einzelheiten.

Ich lese:

»... Der Gebietskommissar wurde von einem Obergefreiten unter Bedrohung mit einer Pistole gezwungen, den Schlüssel zu einem Getreidespeicher auszuliefern... Auf meine Antwort, der Schlüssel sei in meiner Tasche, brüllte er mich an: ›Den Schlüssel raus!‹ und zog damit die Pistole, setzte sie mir auf die Brust und schrie: ›Ich knalle Sie nieder, Sie Drückeberger!‹ und gebrauchte noch mehrere Schimpfworte. [43] Gewaltsam griff er in meine Tasche und riß den Schlüssel an sich mit den Worten: ›Nur ich allein habe auf dem Betrieb zu befehlen!‹«

Dies geschah in Gegenwart einer großen Zahl von Deutschen und Ukrainern.

Über dieselbe Tatsache wird in dem Bericht des Hauptabteilungsleiters Dr. Moisich an den Generalkommissar von Shitomir vom 4. Dezember 1943 berichtet. Alle diese Dokumente lege ich dem Gerichtshof im Original vor.

Jetzt, Hoher Gerichtshof, gehe ich zur Verlesung von Auszügen aus amtlichen Akten und Berichten der Außerordentlichen staatlichen Kommission zur Untersuchung und Feststellung von Verbrechen über, die von den deutsch-faschistischen Eindringlingen und ihren Mittätern begangen wurden. Um Zeit zu sparen, bitte ich den Gerichtshof um Erlaubnis, nur kurze Auszüge aus dem Dokument zu verlesen und den Rest mit eigenen Worten darlegen zu dürfen.

Dem Gerichtshof wurde bereits als USSR-45 ein Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die von den Hitler-Banden verursachten Zerstörungen, Plünderungen und Greueltaten in der Stadt Rowno und im Gebiet von Rowno vorgelegt. In dem betreffenden Teil dieses Berichts heißt es:

»Während ihres Aufenthalts in Rowno und Umgebung rührten die Hitler-Offiziere und -Soldaten, zügellose Plünderungen friedlicher Sowjetbürger durch und raubten Kultur- und Erziehungsanstalten völlig aus.«

Ich werde die einzelnen Beweisstücke, die in diesem Dokument der Außerordentlichen staatlichen Kommission aufgezählt sind, nicht anführen. In dem Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Nazi-Greueltaten in Kiew, der dem Gerichtshof bereits als USSR-9 vorgelegt wurde, heißt es, daß die Hitler-Faschisten die friedliche Bevölkerung in Kiew ausgeplündert haben. Ich zitiere einen kurzen Auszug aus diesem Bericht:

»In Kiew plünderten die deutschen Besatzungstruppen und schafften die Einrichtungen industrieller Unternehmungen nach Deutschland.«

Die Vasallenstaaten Hitler-Deutschlands nahmen, den Anweisungen der verbrecherischen Deutschen Regierung und des Oberkommandos der Wehrmacht folgend, ebenfalls an den Plünderungen und anderen Verbrechen teil.

Rumänische Truppen, die Odessa vorübergehend besetzten, haben die Anweisungen ihrer deutschen Herren befolgt und zusammen mit den deutschen Soldaten Plünderungen in dieser blühenden Stadt durchgeführt.

[44] In den Mitteilungen der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Greueltaten der deutsch-rumänischen Eindringlinge in Odessa wird unter anderem ausgeführt:

»... Während der Zeit der Besetzung haben die Rumänen die Stadt Odessa vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus schwer geschädigt. Maschinen und andere technische Ausrüstungen, Werkzeuge, Material wurden beschlagnahmt. Außerdem wurden nach Rumänien gebracht: 1042013 Zentner Getreide, 45227 Pferde, 87646 Stück Vieh, 31821 Schweine usw., die den Kolchosen und Kolchosbauern gehörten.«

Der »Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die von den deutsch-faschistischen Angreifern der Industrie, der Kommunalwirtschaft, den Kultur- und Erziehungsanstalten im Gebiet Stalino zugefügten Schäden«, der dem Gerichtshof bereits als USSR-2 vorgelegt wurde, bringt verschiedene Angaben über den Raub von Betriebseinrichtungen aus diesem bedeutendsten Industriegebiet und über ihren Abtransport nach Deutschland.

Ich habe nur einige Mitteilungen der Außerordentlichen staatlichen Kommission über bestimmte ukrainische Gebiete zitiert. Diese blühende Sowjet-Republik war einer hemmungslosen Ausplünderung durch die Hitler-Faschisten ausgesetzt. Die Hitler-Verschwörer betrachteten die Ukraine als einen Leckerbissen und plünderten sie mit außergewöhnlicher Gier.

Ich möchte einige Urkunden zum Beweise für das Vorstehende verlesen:

Ein Schreiben Rosenbergs an den Reichsleiter Bormann vom 17. Oktober 1944. Dieses Dokument, Hoher Gerichtshof, das bereits am 17. Dezember durch die Amerikanische Anklagevertretung als US-338 vorgelegt wurde, stellt fest, daß »Die Zentralhandelsgesellschaft Ost für landwirtschaftlichen Absatz und Bedarf« seit ihrer Gründung im Jahre 1943 bis zum 31. März 1944 folgendes nach Deutschland gesandt hat:

»Getreide: 9200000 Tonnen

Fleisch und Fleischprodukte: 622000 Tonnen

Ölsaat: 950000 Tonnen

Butter: 208000 Tonnen

Zucker: 400000 Tonnen

Viehfutter: 2500000 Tonnen

Kartoffeln: 3200000 Tonnen usw.«

So berichtet der Angeklagte Rosenberg dem engsten Mitarbeiter Hitlers über seine »landwirtschaftlichen Erfolge«.

Ich muß hinzufügen, daß bereits während des ersten Kriegsjahres der Appetit der Hitler-Faschisten bei der Ausplünderung der Ukraine so groß war, daß sogar bei einigen von ihnen selbst Zweifel aufkamen.

[45] Ich werde nunmehr einen Auszug aus dem Brief des Rüstungsinspekteurs für die Ukraine verlesen, der an den Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes im OKW, General der Infanterie Thomas, gerichtet war. Der Brief ist vom 2. Dezember 1941 datiert. Dieses Dokument wurde dem Gerichtshof von der Amerikanischen Anklagevertretung am 14. Dezember als US-290 überreicht. Ich verlese einen kurzen Auszug:

»Eine Abschöpfung landwirtschaftlicher Überschüsse aus der Ukraine für die Ernährungszwecke des Reiches ist mithin nur denkbar, wenn der ukrainische Binnenverkehr auf ein Minimum herabgedrückt wird. Es wird versucht, dies zu erreichen:

1) durch Ausmerzung überflüssiger Esser (Juden, Bevölkerung der ukrainischen Großstädte, die, wie Kiew, überhaupt keine Lebensmittelzuteilung erhalten);

2) durch äußerste Reduktion der den Ukrainern der übrigen Städte zur Verfügung gestellten Rationen;

3) durch Verminderung des Verzehrs der bäuerlichen Bevölkerung.«

Nachdem der Verfasser dieses Programm vorgelegt hat, erwägt er weiter und schreibt:

»Wenn der Ukrainer arbeiten soll, dann müssen wir für seine physische Existenz sorgen, und zwar nicht aus einem Sentiment heraus, sondern aus sehr nüchternen wirtschaftlichen Erwägungen.«

Ich lasse die nächsten Absätze dieses Zitats aus.

Der Reichskommissar für die Ukraine, Koch, setzte jedoch die Politik unbarmherziger Ausplünderung der Ukraine hartnäckig fort. Ich werde Ihnen später zahlreiche neue und ebenfalls echte Dokumente vorlegen, die das Vorstehende bekräftigen. Die Politik Kochs hatte die volle Zustimmung der Hitler-Regierung.

Es ist bemerkenswert, daß zu Beginn des Krieges die Plünderung der besetzten Gebiete der USSR in Übereinstimmung mit Anweisungen organisiert wurde, die in der bereits erwähnten »Grünen Mappe« enthalten waren.

Ich unterbreite dem Gerichtshof als USSR-13 einen Brief Görings vom 6. September 1941, betreffend: »Inspekteur für Erfassung und Einsatz von Rohstoffen«, in dem er unter anderem folgendes schrieb, die Herren Richter finden diesen Auszug auf Seite 131 des Dokumentenbuches:

»Die Kriegslage verlangt, daß die in den neubesetzten Ostgebieten vorgefundenen Rohstoffvorräte mit größter Beschleunigung der deutschen Kriegswirtschaft nutzbar gemacht werden. Hierfür sind die ›Richtlinien für die Führung der [46] Wirtschaft in den besetzten Ostgebieten‹ (Grüne Mappe) maßgebend.«

Ich lasse den letzten Teil des Zitates aus.

Später jedoch, als die Deutschen insbesondere in der Ukraine ihre sogenannte Zivilverwaltung einrichteten und eine Anzahl besonderer wirtschaftlicher Körperschaften errichteten, begann ein Hader zwischen den deutschen militärischen und zivilen Körperschaften und Organisationen, von denen eine jede mit der Ausplünderung der besetzten Gebiete beschäftigt war.

Rosenberg begann als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete darauf zu bestehen, daß alle militärischen Wirtschaftsorganisationen in der Ukraine liquidiert und ihre Ämter in die deutsche Zivilverwaltung überführt werden sollten.

Ich unterbreite dem Gerichtshof als USSR-180 den Entwurf des Berichts für Staatssekretär Körner über diesen Gegenstand vom 3. Dezember 1943. Ich verlese:

»Betrifft: 1) Wirtschaftsverwaltung in den besetzten Ostgebieten.

2) Allgemeiner Wirtschaftsstab für die besetzten Gebiete.

Minister Rosenberg hat mit Schreiben vom 20. November 1943, das an den Reichsmarschall gerichtet und in Abschrift dem Chef OKW und dem Leiter der Parteikanzlei zugegangen ist, folgende Forderungen erhoben:

1) Für die Ukraine

a) Auflösung der noch bestehenden militärischen Wirtschaftsdienststellen.

b) Aufhebung der Institution des Heeresgruppen- Wirtschaftsführers, dessen militärische Aufgaben künftig wieder von dem Oberquartiermeister wahrzunehmen seien.

c) Für den Fall der Beibehaltung der Heeresgruppen-Wirtschaftsführer: Aufhebung der Personalunion zwischen den Fachbearbeitern beim Reichskommissar und beim Heeresgruppen- Wirtschaftsführer.«

Ich lasse den Rest aus. Im gleichen Entwurf finden wir auch die ausführlichen Einwendungen von General Stapf, die er Keitel auseinandersetzt.

Er kritisiert die Vorschläge Rosenbergs und setzt sich für die Aufrechterhaltung des Wirtschaftsstabes Ost ein.

Ich unterbreite nunmehr dem Gerichtshof als USSR-174 ein anderes Originaldokument, und zwar ein Begleitschreiben des ständigen Vertreters des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete über die gleiche Angelegenheit, das an den Staatssekretär Körner gerichtet ist. Diesem Schreiben waren schriftliche Vorschläge Rosenbergs beigefügt.

[47] In diesen Vorschlägen verlangt Rosenberg erneut, daß die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit seinem Ministerium unterstellt werde.

Da dies ein ziemlich umfangreiches Dokument ist, wollte ich das Original vorlegen, bitte aber um die Erlaubnis, es nicht verlesen zu müssen, da sein Inhalt den Ausführungen entspricht, die ich dem Gerichtshof bereits dargelegt habe, das heißt also dem Vorschlag Rosenbergs.

Ich lasse zwei Seiten aus und gehe auf Seite 62 über.

Anscheinend hat Rosenberg auf diese Vorschläge nicht die erwünschte Antwort bekommen. Daher hat er sich am 24. Januar 1944 in einem denselben Gegenstand betreffenden Schreiben an Göring gewandt.

Ich lege dieses Schreiben als Dokument USSR-179 vor. In diesem Schreiben schlägt Rosenberg vor, ich verweise den Gerichtshof auf Seite 151 des Dokumentenbuches und verlese kurz:

»...Im Interesse einer möglichst reibungslosen und personalersparenden Arbeit wird gebeten, den Wirtschaftsstab Ost mit seinen nachgeordneten Dienststellen aufzuheben und die Wirtschaftsverwaltung in den besetzten Ostgebieten bis in die Kampfgebiete hinein der mir unterstehenden Verwaltung zu übertragen.«

Göring antwortete auf dieses Schreiben am 14. Februar. Ich lege es dem Gerichtshof als Beweisstück USSR-179 vor. Ich zitiere:

»Lieber Parteigenosse Rosenberg!

Ihr Schreiben vom 24. Januar 1944 betr. die Wirtschaftsverwaltung in den besetzten Ostgebieten ist inzwischen in meine Hände gelangt. Nachdem insbesondere das Reichskommissariat Ukraine fast ausschließlich Armeegebiet geworden ist« – es handelt sich um den Vormarsch der Roten Armee –, »halte ich es für zweckmäßig, unsere Unterredung über die künftige Gestaltung der Wirtschaftsverwaltung zurückzustellen, bis die operative Lage endgültig geklärt ist.«

Auf diese Weise, Hoher Gerichtshof, stießen Rosenbergs Ansprüche auf den Widerstand anderer deutscher Behörden, die sich hartnäckig weigerten, eine so leckere »wirtschaftliche Tätigkeit« aufzugeben. Seinerseits jedoch weigerte sich Rosenberg nachzugeben und bestand weiter auf seinen Ansprüchen.

Als Beweisstück dafür will ich das nächste Dokument als USSR-173 unterbreiten. Es ist ein Schreiben Rosenbergs an Göring vom 6. März 1944. In diesem Brief bezieht sich Rosenberg auf die Erfahrungen in Weißrußland und besteht erneut auf seinen Vorschlägen.

[48] Ich will das lange Schreiben nicht verlesen, da es dem Gerichtshof vorgelegt wird. Göring hatte jedoch weiterhin seine Bedenken und hat die Frage nicht im Sinne Rosenbergs entschieden. Einen Monat nach Absendung des von mir soeben genannten Schreibens, bereits am 6. April 1944, wandte sich Rosenberg erneut in einem Schreiben an Göring. Dieses Dokument lege ich dem Gerichtshof als USSR-176 Vor. Erlauben Sie mir, es ebenfalls nicht zu verlesen. Sein Inhalt behandelt dasselbe Thema, die Motivierungen jedoch sind derart, daß sie uns im Augenblick kaum interessieren. Ich überspringe Seite 65 und gehe auf Seite 66 über.

Wie Sie sehen, meine Herren Richter, setzten die Hitler-Banditen, während die Rote Armee den deutsch-faschistischen Horden bereits ihre letzten entscheidenden Schläge erteilte, eifrig ihren Streit um die Beute fort.

Ich glaube, ich brauche nicht zu beweisen, daß während dieses Kuhhandels die besetzten Gebiete sowohl von den militärischen wie auch von den Zivilbehörden in fieberhaftem Tempo geplündert wurden.

Jetzt, meine Herren Richter, möchte ich kurze Auszüge aus dem Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Verbrechen der Hitler-Räuber in den Litauischen, Lettischen und Estländi schen Sowjet-Republiken verlesen, die ebenfalls der schonungslosen Ausplünderung seitens der deutsch-faschistischen Eindringlinge unterworfen waren. Alle diese Berichte sind dem Gerichtshof bereits durch die Sowjetische Anklagevertretung unterbreitet worden.

Der Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Verbrechen der Hitleristen in der Litauischen Sozialistischen Sowjet-Republik besagt unter anderem folgendes; ich zitiere:

»Als Ergebnis der Wirtschaft der Hitler-Eindringlinge, und zwar auf Grund unvollständiger Angaben, ist der Vieh- und Geflügelbestand in allen 14 Kreisen der Litauischen SSR im Vergleich zu 1940-1941 folgendermaßen zurückgegangen: Der Bestand an Pferden hat sich um 136140, an Großvieh um 565995, an Schweinen um 463340 Stück verringert.«

Der Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die in der Lettischen Sozialistischen Sowjet-Republik von den deutschen Eindringlingen durchgeführten Plünderungen stellt unter anderem folgendes fest; ich gehe auf Seite 68, Absatz 2 über:

»Die Deutschen plünderten alle lettischen Maschinen- und Traktorendepots, und nach bei weitem nicht vollständigen Angaben wurden 700 Traktoren, 180 Lastwagen, 4057 Pflüge, 2815 Kultivatoren, 3532 Eggen nach Deutschland geschafft.«

Das zweite Zitat:

»Infolge der Zerrüttung der lettischen Landwirtschaft durch die Deutschen verringerte sich die Zahl des Viehbestandes um [49] 127300 Pferde, 443700 Hornvieh, 318200 Schweine, 593800 Schafe.«

Weiter verlese ich kurze Auszüge aus dem Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Estnische Sozialistische Sowjet-Republik; Ich verlese:

»Die deutschen Eindringlinge haben rücksichtslos die landwirtschaftliche Bevölkerung Estlands ausgeraubt. Die Ausraubung erfolgte in der Form von Zwangslieferungen landwirtschaftlicher Produkte.

Die von den Deutschen beschlagnahmte Menge landwirtschaftlicher Erzeugnisse war außerordentlich hoch.«

Ich übergehe jetzt einzelne Teile und lese auf der nächsten Seite, Absatz 2, weiter:

»Die Deutschen beschlagnahmten 107000 Pferde, 31000 Kühe, 214000 Schweine, 790000 Hausgeflügel und schafften sie nach Deutschland. Außerdem plünderten sie 50000 Bienenstöcke.«

Ich übergehe einen weiteren Absatz und verlese den letzten Auszug aus diesem Bericht:

»Die Nazis beschlagnahmten an persönlichem Eigentum der Bauern: 1000 Dreschmaschinen, 600 Dreschmaschinenmotoren, 700 Lokomobilen, 350 Traktoren und 24781 landwirtschaftliche Maschinen aller Art.«

Hoher Gerichtshof! Die gleiche Politik der Ausraubung und Ausplünderung des privaten, öffentlichen und staatlichen Eigentums haben die deutsch-faschistischen Eindringlinge auch in den besetzten Gebieten Weißrußlands, der Moldauischen SSR, in der Finnisch-Karelischen Republik und in der Russischen Föderativen Sozialistischen Sowjet-Republik durchgeführt.

Die verschiedenen militärischen Einheiten und Organisationen haben in den verschiedenen Gebieten der USSR und in verschiedenen Zeitabschnitten des Krieges nach demselben verbrecherischen Plan mit den gleichen verbrecherischen Zielen gehandelt. Die Hauptverbrecher, die jetzt auf der Anklagebank sitzen, haben diesen Plan ausgearbeitet und diese Ziele festgelegt. Der Sowjetischen Anklagebehörde stehen Zehntausende von Dokumenten über diese Tatsachen zur Verfügung.

Die Vorlage all dieser Dokumente würde soviel Zeit in Anspruch nehmen, daß dadurch der Prozeß zu sehr erschwert würde. Deswegen werde ich mit Genehmigung des Gerichtshofs fernerhin die einzelnen Abschnitte der Berichte der Außerordentlichen staatlichen Kommission, die sich auf einzelne Sowjet-Republiken beziehen, nicht verlesen, sondern zur Verlesung des Schlußergebnisses dieser Kommission übergehen, das sich mit den von den deutsch-faschisti schen [50] Eindringlingen den staatlichen Betrieben und Institutionen, den Kollektivwirtschaften, den öffentlichen Organisationen und den Bürgern der USSR zugefügten materiellen Schäden befaßt.

Dieses Dokument lege ich dem Gerichtshof als USSR-35 vor.

Ich werde nur diejenigen Teile des Berichts verlesen, die sich unmittelbar auf meinen Vortrag beziehen. Es steht dies auf Seite 71 des Berichts. Dort heißt es:

»Die deutsch-faschistischen Eindringlinge zerstörten und raubten 98000 Kollektivwirtschaften, 1876 Staatsgüter und 2890 Maschinen- und Traktorstationen. Sie schlachteten, nahmen weg oder brachten nach Deutschland: 7 Millionen Pferde, 17 Millionen Stück Rindvieh, 20 Millionen Schweine, 27 Millionen Schafe und Ziegen, 110 Millionen Stück Geflügel.«

Die Außerordentliche staatliche Kommission stellte fest, daß der sowjetrussischen Volkswirtschaft und den Einwohnern von Dörfern und Städten ein Schaden in Höhe von 679 Milliarden Rubel, errechnet in den amtlichen Preisen von 1941, zugefügt wurde.

»Davon:

1. Den Staatsbetrieben und Unternehmungen: 287 Milliarden,

2. den Kollektivwirtschaften: 181 Milliarden,

3. den Dorf- und Stadtbewohnern: 192 Milliarden und

4. den Genossenschaften, Gewerkschaften und anderen öffentlichen Organisationen: 19 Milliarden Rubel.«

Ich überspringe die nächsten Abschnitte dieses Berichts, in denen angegeben wird, wie sich diese Schäden im einzelnen auf die verschiedenen Sowjet-Republiken verteilen. Ich gehe zum Paragraphen 4 über, in dem von der Zerstörung der Kollektivwirtschaften, der Sowjetwirtschaften und der Maschinen-Traktor-Stationen gesprochen wird. Um Zeit zu sparen, werde ich aus diesem Abschnitt nur einige Auszüge verlesen:

»Bei der Einäscherung von Dörfern und Flecken haben die deutschen Faschisten eine völlige Ausplünderung der Bewohner dieser Dörfer durchgeführt. Diejenigen Bauern, die Widerstand leisteten, wurden in tierischer Weise ermordet. Weiter werden konkrete Tatsachen darüber angeführt, wie im Gebiet von Kamenez-Podolsk, im Gebiet von Kursk, in den Kollektivwirtschaften ›Für Frieden und Arbeit‹ im Gebiet Krasnodar, ›Für die Zeiten‹ im Gebiet Stalino, sowie in den Kollektivwirtschaften der Gebiete von Mogilew, Schitomir und anderen Gebieten vorgegangen wurde. Die deutsch-faschistischen Eindringlinge haben den sowjetischen Staatsgütern einen Riesenschaden zugefügt. Sie schleppten aus diesen die Vorräte [51] der landwirtschaftlichen Produkte fort und zerstörten die Wirtschafts- und anderen Gebäude.«

Ein weiterer Auszug:

»Das Gestüt Nr. 62 im Bezirk Poltawa hat infolge der deutschen Besetzung ihren Zuchtstutenbestand russisch-amerikanischer Traber verloren. Vor dem Kriege gab es in diesem Gestüt 670 Zuchtstuten. So gingen die Deutschen auch mit anderen sowjetischen Viehzuchtgütern um.«

Ich lasse die folgenden Auszüge aus und gehe auf Paragraph 6 des Berichts über, der den Massenplünderungen der Sowjetbürger seitens der Deutschen gewidmet ist. Ich verlese:

»In allen Republiken, Bezirken und Gebieten der Sowjetunion, die besetzt waren, haben die deutsch-faschistischen Eindringlinge die Land- und Stadtbevölkerung ausgeplündert, ihre Vermögen, Wertgegenstände, Kleidung und Haushaltsgegenstände geraubt. Sie haben friedlichen Einwohnern Strafen, Steuern und Kontributionen auferlegt.«

Weiter führt dieser Abschnitt eine ganze Reihe konkreter Tatsachen über die Ausplünderung von Sowjetbürgern im Gebiet von Smolensk und Orel, in Leningrad, Dnjepropetrowsk und Ssumsky und so weiter an. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs lasse ich zwei Seiten meines Textes aus und fahre auf Seite 76 fort: Ich verlese den letzten Absatz:

»Die deutschen Eindringlinge haben die Sowjetbevölkerung im gesamten besetzten Gebiet der Sowjetunion ausgeplündert.

Die Außerordentliche staatliche Kommission hat eine Berechnung des Schadens vorgenommen, den die Sowjetbürger durch die Besatzungsbehörden erlitten haben und festgestellt, daß die deutsch-faschistischen Eindringlinge etwa 4 Millionen Wohnhäuser niedergebrannt und zerstört haben, die das persönliche Eigentum von Kollektivbauern, Arbeitern und Angestellten waren, und daß sie bei ihnen 11/2 Millionen Pferde, 9 Millionen Stück Rindvieh, 12 Millionen Schweine, 13 Millionen Schafe und Ziegen beschlagnahmt und ferner eine gewaltige Menge jedweden Hausrates entwendet haben.«

In den angeführten Noten und Berichten der Außerordentlichen staatlichen Kommission werden die von den Nazis in den besetzten Gebieten der Sowjetunion begangenen Verbrechen aufgeführt. Diese Verbrechen wurden von den Angeklagten organisiert.

Die Tatsache, daß Göring, in seiner Eigenschaft als Reichsmarschall und Beauftragter der Hitler-Regierung für den Vierjahresplan die ganze Tätigkeit der deutschen Militär- und Zivilbehörden für die Vorbereitung und Durchführung der Ausplünderung der besetzten Gebiete leitete, geht aus den von mir bereits vorgelegten Dokumenten hervor.

[52] Trotzdem möchte ich um die Erlaubnis bitten, das letzte hier einschlägige Dokument verlesen zu dürfen, und zwar den Erlaß Hitlers vom 29. Juni 1941. Die Abschrift dieses Erlasses ist uns liebenswürdigerweise von der Amerikanischen Anklagevertretung zur Verfügung gestellt worden. Er ist noch nicht vorgelegt worden; ich lege ihn dem Gerichtshof deshalb jetzt als USSR-287 vor. In diesem Befehl heißt es wörtlich: Ich verlese:

»1. In den neubesetzten Ostgebieten ordnet der Reichsmarschall Hermann Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan im Rahmen der ihm als solchem zustehenden Befugnisse alle Maßnahmen an, die zur höchstmöglichen Ausnützung der vorgefundenen Vorräte und Wirtschaftskapazitäten und zum Ausbau der Wirtschaftskräfte zugunsten der deutschen Kriegswirtschaft erforderlich sind.

2. Hierzu kann er auch den Dienststellen der Wehrmacht in den besetzten Ostgebieten unmittelbar Weisungen erteilen.

3. Dieser Erlaß tritt mit dem heutigen Tage in Kraft. Er ist erst auf besondere Anordnung zu veröffentlichen.«

Hoher Gerichtshof! Die außerordentlichen Vollmachten, die Göring eingeräumt wurden, bedeuten jedoch nicht, daß die anderen Angeklagten sich an der Organisation des Raubes der besetzten Gebiete nur passiv beteiligt hätten. Einzeln und gemeinsam haben sie alle eine fieberhafte Tätigkeit in dieser Richtung entwickelt. Frank plünderte das polnische Volk aus; Rosenberg wirkte in der Ukraine und in den anderen besetzten Gebieten der USSR; Sauckel und Seyß-In quart waren hier und dort tätig, Speer und Funk machten Pläne und führten räuberische Maßnahmen auf Gebieten durch, die dem Wirtschafts- und Rüstungsministerium und so weiter unterstellt waren; Keitel führte diese auf dem Gebiete der Wehrmacht durch.

In Verbindung damit möchte ich noch 2 Dokumente vorlegen, die sich auf die Wirtschaftstätigkeit Keitels beziehen. Ich lege sie dem als USSR-175 vor.

Am 29. August 1942 hat Keitel in seiner Eigenschaft als Chef des Oberkommandos der Wehrmacht folgenden Befehl unter der Nummer 002865/42-g.Kdos. über die Lebensmittelversorgung der Wehrmacht herausgegeben. Ich werde nur zwei kurze Auszüge aus diesem Befehl verlesen. Die Herren Richter werden das Dokument auf Seite 181 des Dokumentenbuches finden. Ich verlese:

»Die Ernährungslage des deutschen Volkes erfordert es, daß die Wehrmacht, soweit nur irgend möglich, zu ihrer Entlastung beiträgt. Die Voraussetzungen dafür sind in den Operations- und besetzten Gebieten des Ostens und Westens nunmehr auch in vollem Umfang gegeben.

[53] Vor allem in den besetzten Ostgebieten müssen in Zukunft viel größere Mengen an Verpflegungs- und Futtermitteln als bisher sichergestellt werden...«

Zweiter Auszug, ich verlese:

»Stolz und Ehrenpflicht aller Dienststellen muß es sein, dieses Ziel unter allen Umständen zu erreichen, um damit auch auf diesem Gebiet seitens der Wehrmacht die entscheidenden Voraussetzungen für die Erringung des Sieges zu schaffen.«

In einer Aktennotiz, die von den Abteilungsleitern Klare und Dr. Bergmann am 19. November 1942 angefertigt ist, finden wir unter der Überschrift »Streng geheim«, und unter dem Inhalt: »Versorgung der Wehrmacht mit Verpflegung« folgende Beurteilung des Ergebnisses des oben erwähnten Befehls von Keitel. Ich verlese nur den ersten Absatz dieser Notiz, die ich dem Gerichtshof im Original als USSR-175 überreiche:

»Auf Weisung des Führers hat der Chef des OKW durch anliegenden Befehl vom 29. 8. 1942 klargestellt, daß die Wehrmacht soweit wie irgend möglich zur Entlastung der Ernährungslage des deutschen Volkes beitragen und deshalb in den besetzten Gebieten auch ihrerseits dafür sorgen muß, daß nicht nur die Verpflegung der Truppe aus dem Lande sichergestellt wird, sondern darüber hinaus auch die Mengen aufgebracht werden, die das Reich benötigt.

Auf Grund dieses Befehls ist die Zusammenarbeit zwischen den Heeresdienststellen und den Wirtschaftsdienststellen erfreulicherweise immer enger geworden.«

Jetzt möchte ich mit Ihrer Erlaubnis noch ein Dokument verlesen, und zwar ein Telegramm Keitels vom 8. September 1944. Dieses Dokument wurde uns im Original seitens der Amerikanischen Anklagevertretung zur Verfügung gestellt. Es ist Dokument 743-PS. Es wurde bisher nicht vorgelegt. Ich überreiche es deshalb dem Gerichtshof als USSR-286. Ich verlese:

»An:

1. Gen.St.d.H./Gen.Qu./Chefgr. (Anna)

2. Gen.St.d.H./Gen.Qu./K.Verw. (Anna-Bu)

3. Ob.Heeresgruppe Nord

4. Ob.Heeresgruppe Mitte

5. Wi Stab Ost

6. Wehrkreiskommando I.«

Ich verlese den Text des Telegramms:

»1. Der Führer hat den Gauleiter Koch beauftragt, die Landesausnützung in den von der Heeresgruppe-Mitte besetzten Teilen des Reichskommissariats Ostland durchzuführen. [54] Der Führer hat weiter angeordnet, daß alle deutschen und landeseigenen Verwaltungsbehörden an die Weisungen des Gauleiters Koch gebunden sind. Bei der Bergung von Wirtschaftsgütern hat Gauleiter Koch mit den zuständigen Obersten Reichsbehörden Fühlung zu halten.

2. Alle Wehrmachtsdienststellen haben Gauleiter Koch in der Durchführung dieses Auftrages weitmöglichst zu unterstützen.«

Auf diese Weise, Hoher Gerichtshof, streckten Hitler, Keitel, Koch, und noch viele andere Ende des Jahres 1944, als das Hitler-Deutschland unter den Schlägen der Roten Armee und ihrer Verbündeten unaufhaltsam der endgültigen Niederlage entgegenging, und nur noch wenige Monate vor dem endgültigen militärischen und politischen Zusammenbruch stand, ihre schon erstarrenden Finger nach fremdem Eigentum, nach fremdem Gut aus.

Das sind die Beweisstücke für die Plünderungen und den Raub, die von den Hitler-Banden in den besetzten Gebieten der Sowjetunion verübt wurden. Aber sie haben nicht nur die Lebenden, sondern auch die Toten geplündert. Mein Kollege, Oberst Smirnow, hat schon erschöpfende Angaben über diese Tatsachen gemacht. Ich werde sie nicht wiederholen, ich will Sie aber daran erinnern, um zu zeigen, wie allumfassend und geschlossen der Kreis dieser Verbrechen war.

Wie Rauschning in seinem Buch, das dem Gerichtshof bereits durch die Sowjetanklage vorgelegt wurde, ausführte, hat Hitler einmal gesagt:

»Ich brauche Leute mit kräftigen Fäusten, die durch keine Grundsätze aufgehalten werden, wenn es heißt, jemand umzubringen, und, wenn sie einmal eine Uhr oder Juwelen klauen, so pfeife ich darauf.«

Und Hitler hat wirklich solche Leute in den Angeklagten und ihren vielen Mittätern gefunden.

Wie aus den von mir vorgelegten Dokumenten zu ersehen ist, wurden diese zahlreichen Verbrechen von dem Angeklagten Göring begangen, und zwar auf Grund der hohen Stellung, die er als Reichsmarschall und Beauftragter für den Vierjahresplan in der Hitler-Regierung und als Anführer des ganzen verbrecherischen Systems zur Ausplünderung der besetzten Gebiete innehatte.

Aus diesem Grunde ist das Stenogramm einer geheimen Sitzung der Reichskommissare der besetzten Länder, die am 6. August 1942 unter dem Vorsitz von Göring stattfand, von besonderem Interesse. Dieses Dokument, wie so viele andere, die ich heute dem Gerichtshof vorlegte, wurden von den sowjetischen Militärbehörden im September 1945 in Thüringen, in der Stadt Jena, in einem der städtischen Gebäude gefunden und beschlagnahmt.

[55] Der Inhalt dieses bemerkenswerten Dokuments besteht aus einer langen Rede Görings und aus den Erwiderungen der hitlerischen Beherrscher in den besetzten Gebieten. An dieser Sitzung, Hoher Gerichtshof, haben viele der hier auf der Anklagebank sitzenden Personen teilgenommen. Der Inhalt dieses Schriftstückes ist von solcher Art, daß ein Kommentar völlig überflüssig ist. Erlauben Sie mir deshalb, direkt zur Verlesung von Auszügen aus diesem Stenogramm überzugehen. Ich verlese:

»Stenographischer Bericht. Donnerstag, den 6. August 1942, 4.00 Uhr nachmittags, im Hermann- Göring-Saal des Reichsluftfahrtministeriums.

Reichsmarschall Göring: Gestern haben die Gauleiter sich hier ausgesprochen. Wenn auch Ton und Gebaren verschieden sein mögen, so klang doch bei allen Gauleitern gleich klar heraus: das deutsche Volk hat zu wenig zu essen. Meine Herren, der Führer hat mir Generalvollmachten gegeben von einem Ausmaße, wie er bisher Vollmachten nicht erteilt hat im Vierjahresplan.

In diesem Augenblick beherrscht Deutschland vom Atlantik bis zur Wolga und zum Kaukasus das Fruchtbarste an Kornkammern, was überhaupt jemals im europäischen Raum vorhanden war; ein Land, reicher denn je zuvor an Gestaltung und Fruchtbarkeit nach dem andern wurde von unseren Truppen erobert, wenn auch einzelne Länder dabei sind, die nicht als Kornkammern betrachtet werden dürfen. So erinnere ich nur an die unerhörte Fruchtbarkeit der Niederlande, an das einzige Paradies Frankreichs, auch Belgien ist außerordentlich fruchtbar, ebenso die Provinz Posen, dann vor allen Dingen die Roggen- und Kornkammer Europas in weitem Ausmaß, das Generalgouvernement, dem unerhört fruchtbare Gebiete wie Lemberg und Galizien angegliedert sind, in denen die Ernte in unerhörtem Maße gut steht. Dann kommt Rußland, die Schwarzerde der Ukraine, diesseits und jenseits des Dnjepr, der Donbogen mit seinen uner hört fruchtbaren und nur wenig zerstörten Gebieten. Jetzt haben unsere Truppen bereits die über alle Grenzen hinaus fruchtbaren Gaue zwischen Don und Kaukasus zum Teil besetzt oder sind in der Besetzung!«

Göring sagt dann weiter:

»Sie sind weiß Gott nicht hingeschickt, um für das Wohl und Wehe der Ihnen anvertrauten Völker zu arbeiten, sondern um das Äußerste herauszuholen, damit das deutsche Volk leben kann; Das erwarte ich von Ihren Energien. Die ewige Sorge für die Fremden muß jetzt endlich einmal aufhören.

[56] Ich habe hier Berichte Hegen, darüber, was Sie zu liefern gedenken. Das ist gar nichts, wenn ich Ihre Länder betrachte. Es ist mir dabei gleichgültig, ob Sie sagen, daß Ihre Leute wegen Hunger umfallen.

Eines werde ich tun; Die Auflagen, die ich Ihnen mache, hole ich herein, und wenn Sie das nicht können, dann werde ich die Organe wecken, die unter allen Umständen das bei Ihnen herausholen werden, ob Ihnen das paßt oder nicht paßt...

Vor den Toren des Ruhrgebietes liegt das reiche Holland. Es könnte in diesem Augenblick viel mehr Gemüse in dieses geplagte Gebiet hineinschicken, als es getan hat. Was die Herren Holländer darüber denken, ist mir gleichgültig.

Mich interessieren in den besetzten Gebieten überhaupt nur die Menschen, die für die Rüstung und die Ernährung arbeiten. Sie müssen so viel kriegen, daß sie gerade ihre Arbeit tun können. Ob die Herren Holländer Germanen sind oder nicht, ist mir dabei völlig gleichgültig, denn sie sind, wenn sie es sind, nur um so größere Dickköpfe, und wie man mit den dickköpfigen Germanen manchmal verfahren muß, haben schon größere Persönlichkeiten in der Vergangenheit gezeigt. Wenn auch von verschiedenen Seiten geschimpft wird, haben Sie doch recht gehandelt, denn es geht allein um das Reich!«

Und nun komme ich zum nächsten Zitat:

»Ich bleibe bei den Westgebieten. Belgien hat außerordentlich für sich selbst gesorgt. Das ist sehr vernünftig von Belgien gewesen. Aber auch da, meine Herren, könnte mich der leibhaftige Zorn packen. Wenn in Belgien jede Anlage mit Gemüse bepflanzt ist, dann mußten sie ja dazu Gemüsesamen haben. Deutschland hat, als wir im vergangenen Jahre eine große Brachlandaktion machen wollten, nicht annähernd den Gemüsesamen gehabt, den es brauchte. Es ist weder von Holland, noch von Belgien, noch von Frankreich abgeliefert worden, obwohl ich in Paris selbst in einer einzigen Straße mehr als 170 Sack mit Gemüsesamen habe zählen können. Sehr schön, wenn die Franzosen für sich Gemüse anbauen. Das sind sie auch gewöhnt. Aber meine Herren, diese Völker sind uns alle feind, und Sie werden durch Ihre humanen Maßnahmen auch keinen gewinnen. Die Leute sind jetzt charmant gegen uns, weil sie charmant sein müssen. Lassen Sie einmal den Engländer dort vordringen, dann werden Sie das wahre Gesicht der Franzosen sehen. Derselbe Franzose, der abwechselnd bei Ihnen speist und Sie bei ihm speisen, wird Ihnen schnell beibringen, daß der Franzose ein Deutschenhasser ist. So ist die Lage, und wir wollen sie nicht anders sehen, als sie ist.

[57] Es ist mir auch wurst, ob die Königlich Belgische Tafel jeden Tag mit soundsoviel Gängen besetzt ist. Der König ist ein Kriegsgefangener, und wenn er nicht nach Kriegsgefangenenrecht behandelt wird, so werde ich dafür sorgen, daß er an einen anderen Ort gebracht wird, wo ihm das klar wird. Ich habe wirklich die Sache bis hierhin satt.

Ich habe ein Land vergessen, weil dort außer Fischen nichts zu holen ist. Das ist Norwegen.

Von Frankreich behaupte ich, daß es immer noch nicht bis zum äußersten bestellt ist. Frankreich kann noch ganz anders bestellt werden, wenn die Paysans dort noch anders zur Arbeit gezwungen werden. Zweitens frißt sich in diesem Frankreich die Bevölkerung voll, daß es eine Affenschande ist...

Außerdem, Gnade Gott, wenn vor einem französischen Lokal in Paris ein deutscher Wagen steht. Er wird notiert. Daß aber eine ganze Reihe von französischen Benzinkarren dasteht, stört keinen Menschen.

Ich würde gar nichts sagen, im Gegenteil, ich würde es Ihnen übelnehmen, wenn wir in Paris nicht ein fabelhaftes Lokal hätten, wo wir uns anständig mit dem besten Essen versehen können. Aber ich habe keine Lust, daß die Franzosen da hineinspazieren können. Für uns muß Maxim die beste Küche haben!«

Herr Vorsitzender! Hier ist einer der Verteidiger vorgetreten. Ich möchte ihn sprechen lassen.

DR. ALFRED THOMA, VERTEIDIGER FÜR DEN ANGEKLAGTEN ROSENBERG: Herr Präsident! Ich habe nur eine kurze Anfrage. Der Herr Anklagevertreter hat nicht mitgeteilt, wo dieses Dokument zu finden ist, in welchem Dokumentenbuch und welche Nummer es hat. Er hat lediglich angegeben, auf welcher Seite das Gericht dieses Dokument findet.

STAATSJUSTIZRAT SCHENIN: Dieses Dokument ist dem Gerichtshof als USSR-170 überreicht worden. Der Verteidigung sind Photokopien überreicht worden. Gestatten Sie, Herr Vorsitzender, daß ich fortfahre?


VORSITZENDER: Es kommt aus den Archiven des Angeklagten Göring, nicht wahr? Sie haben dies erklärt.


STAATSJUSTIZRAT SCHENIN: Jawohl.

»Für deutsche Offiziere, deutsche Männer drei; vier Lokale, ganz ausgezeichnet, aber nicht für die Franzosen.«

Ich lese den nächsten Auszug:

»Sie müssen geradezu wie ein Schweißhund hinterher sein, wo noch etwas ist, was das deutsche Volk brauchen kann. [58] Das müßte blitzartig aus den Lagern herauskommen und hierher. Wiederholt habe ich gesagt, wenn ich eine Verfügung getroffen habe: Soldaten können einkaufen, soviel sie wollen, was sie wollen, was sie schleppen können...

Nun werden Sie mir sagen: Außenpolitik Laval. Herr Laval beruhigt Herrn Abetz, und Herr Laval kann von mir aus in das gesperrte Maxim hineingehen. Aber im übrigen werden die Franzosen das sehr schnell beigebracht bekommen. Die sind von einer Frechheit, davon machen Sie sich keinen Begriff. Wuchern tun die Freunde, wenn sie hören, es handelt sich um einen Deutschen. Dann schlagen sie den dreifachen Preis auf. Und wenn der Reichsmarschall etwas kaufen will, den fünffachen. Ich wollte einen Gobelin kaufen. Es wurden 2 Millionen Franken dafür verlangt. Man sagte der Frau, daß der Käufer den Gobelin sehen will. Sie sagte, daß sie ihn nicht aus der Hand geben wolle. Dann müßte sie hinfahren. Es wurde ihr gesagt, daß sie zum Reichsmarschall fahre. Als sie ankam, kostete der Gobelin 3 Millionen Franken. Das meldete ich herüber. Glauben Sie, daß etwas geschehen ist? Ich habe mich an das französische Gericht gewandt, und das hat der Donja beigebracht, daß ein solcher Wucher mir gegenüber nicht ange bracht sei.

Was mich allein interessiert, ist, was aus dem derzeitig in unserer Hand befindlichen Boden bei äußerstem Fleiß und Einsatz aller Kraft herausgeholt werden kann und was davon nach Deutschland fließen kann. Auf die Ein- und Ausfuhrstatistiken von früher pfeife ich.

Nun Lieferung an das Reich. Im letzten Jahr hat Frankreich 550000 t Brotgetreide geliefert, und jetzt fordere ich 1,2 Millionen. In vierzehn Tagen Vorschlag, wie es gemacht wird. Darüber keine Debatte mehr. Was mit den Franzosen geschieht, ist gleichgültig. 1,2 Millionen werden abgeliefert. Futtergetreide im vorigen Jahre 550000, jetzt 1 Million, Fleisch im vorigen Jahr 135000, jetzt 350000, Fett im vorigen Jahr 23000, jetzt 60000«

und so weiter.

Der nächste Auszug aus diesem Bericht betrifft die Verteilung der Nahrungsmittellieferungen aus den Niederlanden, Belgien, Norwegen und aus dem Generalgouvernement. Dabei wurden bestimmte Ziffern von den Anwesenden als Antwort auf Görings Fragen und Weisungen genannt. Ich lasse eine Seite aus und verlese weiter:

»Reichsmarschall Göring: ›Das wäre im großen und ganzen der Westen. Wegen der Aufkäufer, die Kleider, Schuhe usw. alles, was es überhaupt gibt, aufkaufen, kommt noch eine besondere Verfügung heraus.

[59] Jetzt kommt der Osten. Hier bin ich mir mit der Wehrmacht im klaren. Die Wehrmacht verzichtet auf die Anforderungen, die sie an die Heimat stellt. Das war an Heu.‹

Backe: ›11/2 Millionen Tonnen, an Stroh über 1 Million, an Hafer 1,5 Millionen Tonnen. Das können wir keineswegs leisten (?).‹

Reichsmarschall Göring: ›Also, meine Herren! Dieser Versorgung der Wehrmacht ist nichts mehr hinzuzufügen als das eine: bis auf weiteres will ich nichts mehr von Ihnen hören, keine Anforderungen. Also das Land hier mit dem saueren Rahm und den Äpfeln und dem Weißbrot wird uns lukrativ ernähren. Der Donbogen tut das übrige!‹«

Nächstes Zitat: Es spricht Göring:

»Die Wehrmacht in Frankreich wird selbstverständlich durch Frankreich ernährt. Das ist selbstverständlich, und ich habe es vorhin erst gar nicht erwähnt.

Nun aber Rußland!

Über die Fruchtbarkeit besteht kein Zweifel. Das steht alles in einer wirklich unvorstellbaren Güte...«

Nächstes Zitat Göring:

»Ich habe zu meiner Freude gehört, daß es beim Reichskommissar im Ostland genau so dick und gut steht und die Leute genau so rundlich und dick sind und an leichtem Asthmaleiden, wenn sie ihre Arbeit verrichten. Jedenfalls werde ich bei aller sorgfältigen Behandlung, die gewisse Gruppen er fahren sollen, doch dafür sorgen, daß aus der unendlichen Fruchtbarkeit dieses Raumes auch noch etwas abgegeben werden kann.«

Danach kommt Lohse, Reichskommissar Weißrußland, zu Wort. Ich verlese:

»Darf ich dazu kurz Stellung nehmen? Ich will Ihnen mehr geben, aber dazu sind besondere Voraussetzungen zu erfüllen. Es ist so, daß die Ernte bei mir gut ist. Andererseits kann in mehr als der Hälfte des Gebietes von Weißruthenien, das gut bestellt ist, kaum geerntet werden, wenn jetzt nicht endlich mit dem Banden- und Partisanenunwesen Schluß gemacht wird. Ich schreie seit 4 Wochen, daß Abhilfe geschaffen wird.«

Weiter spricht Lohse über die Aktivität der Partisanen, und dann unterbricht ihn Göring und sagt:

»›Lieber Lohse, wir kennen uns schon seit längerer Zeit. Sie sind ein großer Dichter.‹

Lohse: ›Ich lehne das ab, ich habe nie gedichtet.‹«

[60] Zum Abschluß verlese ich die letzten drei Zitate aus Görings Rede. Er sagte:

»›Dann müssen wir in der Ukraine und wo anders Aufkäufer vom Wirtschaftsministerium haben, Funk. Die müssen wir nach Venedig schicken, damit sie dort die rosa Sachen und die scheußlichen Dinge aus Alabaster und minderwertigen Schmuck usw. kaufen. Ich glaube, man bekommt kaum irgendwo so viel Kitsch wie in Italien.

Nun wollen wir sehen, was Rußland liefern kann. Ich glaube, es muß erreicht werden, Riecke, aus dem gesamten russischen Raum 2 Millionen t Brot- und Futtergetreide herauszuholen.‹

Riecke: ›Die kommen heraus.‹

Reichsmarschall Göring: ›Dann also 3 Millionen müssen wir herausbekommen, außer der Wehrmacht.‹

Riecke: ›Nein, was vorne ist, geht nur an die Wehrmacht.‹

Reichsmarschall Göring: ›Dann bringen wir 2 Millionen.‹

Riecke: ›Nein.‹

Dann 11/2 Millionen. (Riecke: ›Ja.‹) ›Gut.‹«

In diesem Sinne geht es in dieser Sitzung weiter.

Göring beendet seine Rede mit folgenden Sätzen:

»›Meine Herren, ich möchte gleich ein weiteres sagen. Ich habe außerordentlich viel zu tun und außerordentlich viel Verantwortung. Ich habe keine Zeit, Briefe und Denkschriften durchzulesen, in denen Sie mir mitteilen, daß Sie das, was ich verlangt habe, nicht leisten können, sondern ich habe nur Zeit, durch einen kurzen Bericht von Backe von Zeit zu Zeit festzustellen, ob die Forderungen eingehalten werden. Wenn nicht, dann müssen wir uns eben auf einer anderen Ebene wiedersehen.‹«

Wie Sie gehört haben, Hoher Gerichtshof, nahmen an dieser Sitzung außer Göring die Angeklagten Rosenberg, Sauckel, Seyß-Inquart, Frank, Funk und andere teil. Wie Sie gehört haben, hat Göring seine Rede mit einer unmittelbaren Drohung gegen die Teilnehmer an der Sitzung beendet, indem er folgendes sagte:

»Dann müssen wir uns eben auf einer anderen Ebene wiedersehen.«

Diese Drohung wurde wahr gemacht. Sie haben sich tatsächlich und in jeder Weise auf einer anderen Ebene wiedergesehen, und zwar auf dieser Anklagebank.

Auf diese Weise zeigen die gesamten angeführten Beweise, daß

erstens die verbrecherische Hitler-Regierung und das Oberkommando der Wehrmacht gleichzeitig mit der frühzeitigen [61] Vorbereitung des militärischen Angriffs auf die Tschechoslowakei, Polen, Jugoslawien, Griechenland und die USSR auch einen Plan zur Massenplünderung und Beraubung des privaten, öffentlichen und staatlichen Eigentums in den Gebieten dieser Länder vorbereitet haben,

zweitens, nachdem sie diese verbrecherischen Pläne ausgearbeitet hatten, die Verschwörer auch frühzeitig alle Vorbereitungen zu ihrer Durchführung getroffen haben, indem sie besondere Einheiten von Offizieren und Beamten für die Ausplünderung der zur Eroberung bestimmten Gebiete ausgebildet und besondere Anweisungen, Hinweise und Handbücher ausgearbeitet und zu diesem Zweck herausgegeben haben; daß sie ferner einen besonderen weitverzweigten Apparat in Gestalt aller möglichen Wirtschaftsinspektionen, Gruppen, Abteilungen, Aktiengesellschaften, Beauftragten und so weiter ins Leben gerufen haben, unter Heranziehung einer ungeheuren Zahl aller möglichen Fachleute, militärischer landwirtschaftlicher Sachverständiger, Landwirtschaftsführer, Wirtschaftsspione und so weiter;

drittens sie in Übereinstimmung mit diesen vorzeitig ausgearbeiteten Plänen die ungeheure Ausplünderung und den Diebstahl des privaten, öffentlichen und staatlichen Eigentums in den besetzten Gebieten und die allgemeine Beraubung der friedlichen Bevölkerung dieser Gebiete unter Anwendung der furchtbarsten Grausamkeiten, Gewalttätigkeiten und Willkür durchgeführt haben;

viertens um das sogenannte »materielle Interesse« der Offiziere und Soldaten der Wehrmacht am Kriege wachzuhalten, die Verschwörer die Plünderungen und Raubzüge seitens der deutschen Wehrmachtsangehörigen in den besetzten Gebieten nicht nur nicht bestraft, sondern diese weitestgehend gefördert und zu Massenverbrechen aufgefordert haben;

fünftens durch die Gesamtheit dieser Verbrechen die Verschwörer den Völkern der besetzten Gebiete einen ungeheuren materiellen Schaden zugefügt haben; daß sie diese Völker dem Hunger und den Leiden preisgegeben und zugleich das Ergebnis der verbrecherischen Tätigkeit zu ihrer und ihrer Anhänger privaten Bereicherung ausgenutzt haben;

sechstens die Verschwörer, indem sie die Angriffskriege gegen friedliebende Völker vorbereiteten, planten und entfesselten, das Ziel der räuberischen Ausplünderung dieser Völker verfolgt und fernerhin dieses verbrecherische Ziel mit ebenso verbrecherischen Raubmethoden verwirklicht haben.

Infolgedessen steht fest, daß die Angeklagten vorsätzlich und bewußt Artikel 50 der Haager Konvention von 1907, die Gesetze und Gebräuche des Krieges, die allgemeinen Grundsätze des Strafrechts, die von dem Strafrecht aller zivilisierten Völker anerkannt sind, [62] ebenso wie auch das nationale Recht jener Länder, in denen diese Verbrechen begangen worden sind, verletzt haben.

Hoher Gerichtshof! Diese verbrecherischen Taten, jede für sich und alle zusammen, sind im Artikel 6b des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs vorgesehen. Alle Angeklagten müssen für schuldig erklärt werden und sowohl individuell als auch als Teilnehmer an dieser Verschwörung die Verantwortung für diese Verbrechen tragen.

Meine Herren Richter! Die Dokumente, die ich dem Gerichtshof vorgelegt und hier im Gerichtssaal verlesen habe, sind stumme Zeugen der für die von den Angeklagten organisierten und durchgeführten Verbrechen. Aber das Gewissen der Richter wird die Aussagen dieser stummen Zeugen hören, die wahrheitsgetreu von der Willkür und den Übeltaten der Hitler-Räuber und von den unsagbaren Leiden ihrer zahllosen Opfer berichten.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich.


[Das Gericht vertagt sich bis

21. Februar 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 8, S. 40-64.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon