Vormittagssitzung.

[617] [Der Zeuge Puhl betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Geben Sie Ihren vollen Namen an.

ZEUGE EMIL JOHANN RUDOLF PUHL: Emil Johann Rudolf Puhl


VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach: »Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. SAUTER: Herr Zeuge Puhl! Sie waren früher Vizepräsident der Reichsbank?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Sie haben, wenn ich recht informiert bin, dem Direktorium der Reichsbank bereits zu Zeiten von Dr. Schacht angehört?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Als dann Dr. Schacht ausschied, sind Sie einer der wenigen Herren gewesen, die in der Reichsbank geblieben sind?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Sie wurden dann von Hitler auf Vorschlag des jetzigen Angeklagten Funk zum geschäftsführenden Vizepräsidenten der Reichsbank ernannt?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Wann war das?


PUHL: Das war im Laufe des Jahres 1939.


DR. SAUTER: Im Laufe des Jahres 1939. Sie haben schon erklärt, zum geschäftsführenden Vizepräsidenten. Ich nehme an, daß das damit zusammenhängt, daß der Angeklagte Funk nicht aus dem Bankfach stammte, während Sie Bankfachmann waren und daß der Angeklagte Funk außerdem noch das Reichswirtschaftsministerium zu betreuen hatte. Stimmt das?


PUHL: Jawohl; aber es war noch ein zweiter Grund maßgebend, das war die Trennung der Gewalten zwischen Geschäftsführung und Personalbetreuung.

[617] DR. SAUTER: Die eigentliche Geschäftsführung lag anscheinend bei Ihnen.


PUHL: Bei mir.


DR. SAUTER: Daher der Titel geschäftsführender Vizepräsident?


PUHL: Jawohl. Darf ich dazu einige Ausführungen machen?


DR. SAUTER: Nur wenn es zum Verständnis der Sache in unserem Falle notwendig sein sollte.


PUHL: Jawohl. Die Geschäftsführung des Reichsbankdirektoriums war eingeteilt unter eine Reihe von Mitgliedern des Direktoriums. Jedes Mitglied hatte eine volle Verantwortung für seinen Geschäftszweig. Der Vizepräsident war nur der primus inter pares, der im wesentlichen die Sitzungen zu leiten hatte, für die Vertretung des Präsidenten nach außen zu sorgen hatte und Fragen allgemeiner Wirtschafts- und Bankpolitik zu erledigen hatte.


DR. SAUTER: Herr Zeuge! Der jetzige Angeklagte Funk hat sich schon im Dezember auf Sie als Zeugen berufen. Das ist Ihnen bekannt? Und darüber wurden Sie dann auch in dem Lager, in dem Sie jetzt untergebracht sind, ich glaube, in Baden-Baden...


PUHL: Bei Baden-Baden.

DR. SAUTER:... am 1. Mai vernommen.


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Zwei Tage darauf sind Sie nochmals vernommen worden?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Am 3. Mai?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Wissen Sie, warum diese Sachen, nach denen Sie am 3. Mai gefragt worden sind, nicht auch schon bei der Vernehmung am 1. Mai mitbehandelt worden sind?


PUHL: Ich habe vor mir hier das Affidavit vom 3. Mai.


DR. SAUTER: Vom 3. Mai. Es bezieht sich auf diese Geschäfte mit der SS.


PUHL: Jawohl. Ich bin aber auch schon am 1. Mai gefragt worden, nur in einer sehr kurzen Form, und man kam am 3. Mai noch einmal, um ausführlicher über dieses Thema mit mir zu sprechen.


DR. SAUTER: Bei Ihrer Vernehmung am 1. Mai haben Sie von diesen Geschäften der Reichsbank mit der SS nichts erwähnt?

PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Haben Sie da was erwähnt davon?


[618] PUHL: Es wurde ein kurzes Statement gemacht.


DR. SAUTER: Bei der Vernehmung vom 1. Mai?


PUHL: Ja. Jedenfalls bei der Vernehmung vorher, und das Statement vom 3. Mai war nur eine ausführlichere Niederschrift dessen, was vorher kurz schon einmal besprochen worden war.


DR. SAUTER: Ich habe Ihre Vernehmung vom 1. Mai vor mir und habe sie heute noch durchgelesen. Da steht von den Geschäften mit der SS, so viel ich gesehen habe, überhaupt nichts darin; da müßte das, wovon Sie jetzt sprechen, noch eine weitere Vernehmung sein?


PUHL: Ja.


MR. DODD: Herr Vorsitzender! Vielleicht kann ich bei dieser offensichtlichen Verwechslung behilflich sein. Der von dem Gerichtshof genehmigte Fragebogen stammt vom 1. Mai; am gleichen Tag jedoch hat unabhängig davon ein Mitglied unseres Stabes den Zeugen ebenfalls verhört; das war jedoch ein gesondertes Verhör, das mit dem Fragebogen in keinem Zusammenhang stand. Ich glaube, dies ist die Ursache der Verwechslung.

VORSITZENDER: Gut.


DR. SAUTER: Sind Sie über diese Geschäfte mit der SS zweimal vernommen worden?


PUHL: In den Tagen um den 1. Mai herum, ja, zweimal, jawohl.


DR. SAUTER: Haben Sie die Affidavits, die Sie am 3. Mai abgegeben haben, noch in Erinnerung?


PUHL: Am 3. Mai, ja.


DR. SAUTER: Es ist das Affidavit, das sich auf diese Geschäfte mit der SS bezieht. Stimmt das, was Sie in diesem Affidavit angegeben haben?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Herr Zeuge! Sind Sie in der Zwischenzeit, also seit dem 3. Mai, über diese Sachen nochmals vernommen worden?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Wann?


PUHL: Hier in Nürnberg.


DR. SAUTER: Wann war das, bitte?


PUHL: In den letzten Tagen.


DR. SAUTER: So; heute haben wir Mittwoch, wann war das?


PUHL: Ja, Freitag, Montag, Dienstag.


DR. SAUTER: Gestern?


[619] PUHL: Ja.


DR. SAUTER: Über diese Sache?


PUHL: Ja.


DR. SAUTER: Haben Sie hier auch einen Film vorgeführt bekommen?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Einmal oder zweimal?


PUHL: Einmal.


DR. SAUTER: Haben Sie denselben früher schon einmal gesehen gehabt?


PUHL: Nein.


DR. SAUTER: Haben Sie das, was aus dem Film vorgeführt worden ist, auch klar erkannt?


PUHL: Ja.


DR. SAUTER: Ich frage deswegen, Herr Puhl: Der Film rollt ja, wie Sie wissen, sehr schnell ab, und es ist ein sehr kurzer Film, und aus diesem Grunde wurde er hier im Sitzungssaal durch die Staatsanwaltschaft zweimal vorgeführt, damit man das, was auf dem Film dargestellt ist, einigermaßen erkennen kann. Sind Sie sich durch die einmalige Vorführung des Films klar geworden darüber, was der Film darstellt?


PUHL: Ja.


DR. SAUTER: Dann bitte ich, mir das zu sagen, was Sie da gesehen haben. Nur das, was Sie auf dem Film gesehen haben oder was Sie glauben, gesehen zu haben.


PUHL: Ja. Der Film war aufgenommen vor Tresorschränken unserer Bank in Frankfurt a. M., den üblichen Tresorschränken, hinter deren Glastüren man die verschlossenen Koffer und Behälter sah, die dort offenbar hinterlegt worden waren. Es war das übliche Bild, das solche Tresorräume bieten. Vor diesen Tresorschränken waren geöffnet verschiedene Behältnisse, aus denen zu ersehen war, was etwa der Inhalt war: Münzen, Schmucksachen, Perlen, Banknoten, Uhren.


DR. SAUTER: Was für Uhren?


PUHL: Große Weckeruhren.


DR. SAUTER: Sonst nichts? Haben Sie sonst nichts gesehen an dem Film?

PUHL: Außer diesen Gegenständen?


DR. SAUTER: Außer diesen -wollen wir mal sagen – Wertsachen, haben Sie sonst nichts gesehen, was da verwahrt gewesen sein soll?


[620] PUHL: Nein, nein.


DR. SAUTER: Nur diese Wertsachen? Bitte weiter.


PUHL: Mir fiel dabei auf, daß unter diesen Wertsachen Münzen waren, scheinbar Silbermünzen, und ferner, daß unter diesen Wertsachen Banknoten waren, offenbar amerikanische Banknoten.


DR. SAUTER: Richtig.


PUHL: Es war erstaunlich, daß diese Dinge zur Aufbewahrung uns übergeben worden sind, denn wären sie zur Kenntnis unserer Beamten gekommen, so wären ganz zweifellos die Banknoten sofort bei der Devisenabteilung abgeliefert worden, denn es bestand bekanntlich eine allgemeine Devisenablieferungspflicht. Und außerdem war bei unseren Beamten bekannt, daß ausländische Banknoten ganz besonders stark gesucht waren.

Etwas Ähnliches gilt für die Münzen. Auch diese hätten eigentlich im ordnungsmäßigen Geschäftsgange in die Tresorbestände überführt worden sein müssen, das heißt, angekauft worden sein müssen für Rechnung des Reiches.


DR. SAUTER: Das ist Ihnen aufgefallen?


PUHL: Ja.


DR. SAUTER: Ist Ihnen sonst nichts aufgefallen an dem Film?


PUHL: Nein.


DR. SAUTER: Herr Zeuge! So sollen die Wertsachen in der Reichsbank verwahrt gewesen sein, die der Reichsbank zur Verwahrung, zur Aufbewahrung gegeben worden sind. Nun habe ich mich gefragt, ob denn wirklich Ihre Reichsbank die ihr anvertrauten Werte in der Weise aufbewahrt hat, wie man es aus dem Film gesehen hat, und deshalb interessiert mich die Frage: Wissen Sie als geschäftsführender Vizepräsident der Reichsbank, wie zum Beispiel in Berlin oder wie in Frankfurt, wo der Film aufgenommen worden ist, die für die Stahlkammern in Verwahrung gegebenen Wertsachen aufbewahrt wurden?


PUHL: Ja.


DR. SAUTER: Bitte!


PUHL: Das äußere Bild der Berliner Tresoreinrichtungen war etwa ähnlich wie das in Frankfurt und wie es schließlich in jeder größeren Bank wohl ist. Aufbewahrt wurden diese Dinge, die wir mit dem banktechnischen Ausdruck »verschlossene Depositen« bezeichnen, in, wie der Name zeigt, verschlossenen Behältern, für welche wir Raum zur Verfügung stellten. Dieser Raum wurde entsprechend seiner Größe von den Hinterlegern bezahlt.


DR. SAUTER: Sind die Sachen zum Beispiel in Berlin oder in Frankfurt so aufbewahrt worden, wie man es auf dem Film gesehen hat?


[621] PUHL: Ja, bei dem Film hatte ich den Eindruck, daß diese Sachen, von denen wir jetzt sprechen, ausdrücklich dorthin gestellt waren für die Aufnahme.


DR. SAUTER: Für die Aufnahme. Erinnern Sie sich vielleicht, daß zum Beispiel ein Sack da war, der, glaube ich, mit vorgeführt worden ist, wo draufsteht »Reichsbank Frankfurt«?


PUHL: Ja, ich kann bestätigen, daß ich einen Sack gesehen habe mit der Aufschrift »Reichsbank«; »Reichsbank Frankfurt« kann ich nicht bestätigen.


DR. SAUTER: Soviel ich weiß, ist draufgestanden »Reichsbank Frankfurt«. Daher haben wir nämlich entnommen, daß der Film vermutlich in Frankfurt aufgenommen worden ist, was die Staatsanwaltschaft dann auch bestätigt hat.


MR. DODD: Ich möchte nicht unterbrechen, aber ich glaube, wir sollten bei dieser Feststellung sorgfältig sein. Es sind schon zwei Fehler von gewisser Wichtigkeit gemacht worden. Wir haben den Film vor dem Gerichtshof nicht zweimal gezeigt, und auf dem Sack steht nicht »Frankfurt«, sondern einfach »Reichsbank«. Und es war der Schacht-Film, der hier zweimal gezeigt wurde, weil er etwas zu schnell ablief.


DR. SAUTER: Herr Zeuge! Wollen Sie vielleicht in Ihrer Beantwortung der Frage fortfahren. Meine Frage geht dahin: Hatte die Reichsbank Goldsachen und dergleichen in solchen Säcken aufbewahrt?


PUHL: Ich verstehe die Frage so, Herr Rechtsanwalt: Wenn dritte Personen bei uns Werte hinterlegten, wurden sie in offenen Säcken hinterlegt. Ist das richtig?


DR. SAUTER: Das weiß ich nicht, welche Handhabung Sie dabei hatten.


PUHL: Wir hatten jedenfalls die Handhabung, wie der Name sagt, der verschlossenen Depositen. Also... Es kann natürlich auch ein Sack sein, der verschlossen ist; das ist ja denkbar.


DR. SAUTER: Soviel ich in Münchener Banken gesehen habe, Herr Zeuge, sind dort die Sachen, die während der Kriegszeit in verstärktem Maße zur Aufbewahrung übergeben worden sind, ausnahmslos in verschlossenen Kisten oder Koffern und dergleichen hinterlegt worden, so daß die Bank im allgemeinen gar nicht wußte, was in den Koffern oder in den Kisten eigentlich verwahrt ist. War das bei Ihnen, bei der Reichsbank, anders?


PUHL: Nein, das war genau so. Und auffallend ist bei diesem Sack, wie schon gesagt wurde, die Bezeichnung »Reichsbank«. Es ist offensichtlich ein Sack aus unseren Beständen und nicht aus den Beständen irgendeiner dritten Stelle.


[622] DR. SAUTER: Also auch bei Ihnen, wenn ich das wiederholen darf, um jeden Zweifel auszuschließen, sind derartige Sachen, die in »verschlossene Depots« gegeben worden sind, einem verschlossenen Behältnis übergeben worden.


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Oder sie kamen in die Abteilungen der Stahlschränke?


PUHL: Das Wort »Depots« könnte irreführend sein. Die verschlossenen Behälter kamen in den Tresor. Ich gebrauche unser Wort. Dieser Tresor bestand aus Stahlkammern, in denen diese Koffer oder Behältnisse hinterlegt wurden. Völlig unabhängig von dieser Institution hatten wir die Einrichtung der offenen Depots. Offene Depots sind solche, bei denen von vornherein eine Verwaltung verabredet ist. Diese Tresors befanden sich in einem völlig anderen Teile des Gebäudes als der sogenannte Haupttresor.


DR. SAUTER: Diese offenen Depots kommen ja wohl in unserem Falle nicht in Frage?


PUHL: Nein.


DR. SAUTER: Nun, Herr Zeuge, komme ich zu den Depots der SS. Diese Depots waren nicht in Frankfurt, sondern vermutlich in Berlin bei der Zentrale?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Nun bitte ich, mir über die Besprechungen zwischen dem Angeklagten Funk und Ihnen hinsichtlich der Depots der SS Auskunft zu geben. Und zwar, Herr Zeuge, bitte ich, jede Antwort sich vorher genau zu überlegen und vor der Antwort Ihr Gedächtnis möglichst zu erforschen. Ich lasse Ihnen hierzu Zeit, selbstverständlich.

Sagen Sie nun mal zunächst, was haben denn Sie und der Angeklagte Funk miteinander besprochen, als Sie zum erstenmal über dieses Depot der SS miteinander sprachen?


PUHL: Ich nehme hierbei Bezug auf mein Affidavit vom 3. Mai. Das Gespräch, das ich mit Herrn Funk hatte, war höchst einfacher Art. Es drehte sich darum, daß die SS gebeten hatte, von den Einrichtungen unserer Bank Gebrauch zu machen hinsichtlich der Hinterlegung von Werten, für die sie, wie gesagt wurde, in den Kellern ihres Bürohauses keinen genügenden Schutz hatte. Ich darf hier der Vollständigkeit halber hinzufügen: SS heißt hier immer die Wirtschaftsabteilung der SS.


DR. SAUTER: Ja, von was hat damals der Angeklagte Funk gesprochen? Bitte sagen Sie mir, hat er genau angegeben, was verwahrt werden soll?


[623] PUHL: Also Wertsachen, die von der SS aus den östlichen Gebieten gekommen waren, die nun in ihren Kellern lagen und für die sie eine sichere Aufbewahrung, zunächst sichere Aufbewahrung, bei uns erbat.


DR. SAUTER: Hat er näher angegeben, der Angeklagte Funk, was das für Wertsachen sein sollen?


PUHL: Nein, detailliert nicht, aber im großen und ganzen sagte er: Werte wie Gold und Devisen, Silber, Schmucksachen.


DR. SAUTER: Gold, Devisen, Silber, Schmucksachen...


PUHL: Wobei ich hinzufügen darf, daß Gold und Devisen ja selbstverständlich der Reichsbank sowieso abzuliefern waren.


DR. SAUTER: Gold, Devisen, Silber und Schmucksachen?


PUHL: Ja.


DR. SAUTER: Und das sollte beschlagnahmt worden sein in den Ostgebieten?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Hat der Angeklagte Funk etwas Näheres Ihnen damals gesagt, warum diese Beschlagnahmen erfolgt seien oder gegen welche Personen?


PUHL: Nein, das ist nicht gesagt worden, das Gespräch wurde, wie ich schon sagte, nur kurz geführt und dann abgebrochen.


DR. SAUTER: Und was haben dann Sie darauf gesagt?


PUHL: Ich habe gesagt, daß diese Art Geschäfte, weil sie von der SS kamen, für uns zumindest unbequem sein würden und habe dagegen Bedenken geäußert. Und ich darf hier hinzufügen, wir haben bei diesen Dingen immer als Reichsbank uns sehr zurückhaltend gezeigt, zum Beispiel bei den Werten, die uns etwa von den Devisenfahndungsstellen, Zollfahndungsstellen und ähnlichen angeboten worden sind.

DR. SAUTER: Was war eigentlich der Grund, warum Sie gerade bei der SS Bedenken hatten?


PUHL: Weil man nicht wissen konnte, zu welchen Weitläufigkeiten und Folgerungen eine solche Geschäftsverbindung führen würde.


DR. SAUTER: Ja, Herr Zeuge, die Antwort genügt mir nicht. Hängt es damit zusammen, daß Sie oder der Angeklagte Funk überhaupt mit der SS nichts zu tun haben wollten, oder hatte es irgendeinen anderen Grund, warum Sie Bedenken äußerten?


PUHL: Ja, der erste Teil Ihrer Frage ist zu verneinen. Also eine grundsätzliche Ablehnung war nicht vorhanden, konnte auch ja nicht vorhanden sein; denn schließlich hatte jede deutsche Organisation [624] oder Einrichtung das legale Recht, über die Dienste der Reichsbank zu verfügen.

Diese besonderen Dinge, die aus der Beschlagnahmung entstanden, waren ähnlich wie die Beschlagnahmungen der genannten Devisenstellen und so weiter, unbequem, weil man nie wußte, welche Weitläufigkeiten damit verbunden sein können.


DR. SAUTER: Also Sie haben, wenn ich Sie recht verstehe, gewisse Bedenken deshalb geäußert – wenn ich es falsch auffasse, bitte ich mich zu berichtigen – deshalb Bedenken geäußert, weil diese Geschäfte für die Reichsbank etwas unbequem sind, aus dem normalen Rahmen Ihrer Geschäfte herausfallen und von Ihnen genau so wenig begrüßt wurden, wie zum Beispiel Depots von der Zollfahndungsstelle oder von der Devisenstelle und dergleichen? Nur aus dem Grunde?


PUHL: Ja. Wir müssen dieses Gespräch noch etwas fortsetzen, zumal gesagt wurde, man möchte der SS behilflich sein bei der Handhabung der hinterlegten Dinge. Denn es war von vornherein klar und auch gesagt, daß in diesen Depots Devisen, übrigens auch Wertpapiere, Devisen, Goldmünzen aller Art und so weiter vorhanden seien und daß die SS-Leute in diesen Sachen nicht recht Bescheid wüßten.


DR. SAUTER: Sind dann die Sachen gekommen?


PUHL: Ja. Da ist aber noch eine Zwischenstation. Also dieses Gespräch war beendet, und nun hat sich der Leiter der Wirtschaftsabteilung der SS, der den Namen Pohl hat, Obergruppenführer Pohl, bei mir gemeldet; ich habe ihn in mein Büro bestellt, und dort hat er mir erzählt, wiederholt, was ich nun schon wußte, und hat mir erzählt, daß er es sehr gern sähe, wenn wir recht bald diese Werte übernähmen.


DR. SAUTER: Was haben Sie dann gesagt?


PUHL: Da habe ich bestätigt, was wir besprochen hatten und habe gesagt: »Benennen Sie Beamte Ihrer Abteilung, ich werde unsere Abteilung benachrichtigen, und sie mögen sich über die technischen Einzelheiten unterhalten.«


DR. SAUTER: Und wenn ich das nachholen darf: Was hat denn der Angeklagte Funk gesagt, wie Sie ihm bei dem ersten Gespräch auseinandergesetzt haben, Sie wollten die Sachen nicht gerne übernehmen, weil man mit solchen Sachen oft Scherereien habe?


PUHL: Es wurde gestellt unter die größere Rücksicht und die größere Einstellung, der SS behilflich zu sein, zumal diese Dinge, das ist ja auch zu unterstreichen, für Rechnung des Reiches waren.


DR. SAUTER: Ist da etwas gesprochen worden, daß diese Dinge, insbesondere Gold, durch die Reichsbank verwertet werden, zum Beispiel eingeschmolzen werden sollen?


[625] PUHL: Nein, im einzelnen nicht, sondern es ist nur gesagt worden, daß die Beamten der Reichsbank ihre guten Dienste der SS zur Verfügung stellen möchten.


DR. SAUTER: Das verstehe ich nicht recht. Die guten Dienste bestehen darin, daß die Beamten der Reichsbank diese Wertsachen in Verwahrung nehmen und verschließen?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Sollten dann die Dienste Ihrer Beamten noch weitergehen?


PUHL: Jawohl, insofern als nun die SS-Leute kommen würden und sich aus den Behältnissen herausnehmen würden, was ablieferungspflichtig war.


DR. SAUTER: Zum Beispiel gemünztes Gold, Devisen et cetera?


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Haben Sie dann, um auf die bereits gestellte Frage zurückzukommen, gesehen, was gekommen ist, was die SS also abgeliefert hat?


PUHL: Ich persönlich, nein. Dieser Vorgang spielte sich ja auch ab weit von meinem Amtszimmer, in einem völlig anderen Gebäude, unten in den Tresoren, wohin ich ja als Vizepräsident der Reichsbank selbstverständlich gar nicht so ohne weiteres kam.


DR. SAUTER: Sind Sie denn als Vizepräsident öfters in diese Tresors gekommen?


PUHL: Das war meine Gewohnheit, gelegentlich, manchmal im Zwischenraum von einem Vierteljahr oder mehr Monaten noch durch die Tresors zu gehen, wenn irgendein Anlaß vorhanden war, also etwa ein Besucher zu führen war oder eine Neueinrichtung zu besprechen war oder irgend etwas, was grundsätzlich über den reinen Kassen- und Personendienst Bedeutung hatte.


DR. SAUTER: Mit dem Kundenbetrieb hatten Sie als Vizepräsident ja nichts zu tun, selbstverständlich?


PUHL: Nein.


DR. SAUTER: Und dieselbe Frage, Herr Zeuge, möchte ich auch hinsichtlich des Angeklagten Funk an Sie stellen. Ist der Angeklagte Funk, der noch dazu nur halb zur Reichsbank gehörte, öfters in die Tresors gekommen?

Wenn ja, wie oft ungefähr und aus welchem Anlaß? Und hat er gesehen, was abgeliefert worden ist von der SS?


PUHL: Darauf ist zu antworten: Funk ist auch gelegentlich in den Tresor gekommen bei besonderen Anlässen, als da waren ausländische Besucher oder irgend etwas ähnliches. Wie oft, kann ich natürlich nicht wissen, und ob er die Depots der SS gesehen hat [626] kann ich ebenfalls nicht wissen. Das hängt davon ab, ob die Kassenbeamten, die geführt haben, darauf aufmerksam gemacht haben.


DR. SAUTER: Haben Sie, Herr Zeuge, die Sachen, die von der SS gekommen sind, haben Sie die selbst gesehen?


PUHL: Nein, nie.


DR. SAUTER: Nie?


PUHL: Nie.


DR. SAUTER: Glauben Sie, daß der Angeklagte Funk sie gesehen hat?


PUHL: Wissen kann ich es natürlich nicht, aber es hängt davon ab, ob die Kassenbeamten extra gesagt haben: »Hier ist das Depot der SS«.


DR. SAUTER: Daher können Sie, wie ich vermute, auch wahrscheinlich uns gar keine Auskünfte darüber geben, wie diese Sachen der SS eigentlich verwahrt oder verpackt waren?


PUHL: Nein.


DR. SAUTER: Ob in Kisten oder... ?


PUHL: Nein, das weiß ich nicht.


DR. SAUTER: Haben Sie über diese ganze Angelegenheit der SS-Depots noch öfter mit dem Angeklagten Funk gesprochen?


PUHL: Nach meiner Erinnerung kaum. Es wird aber so sein, daß ich sicher ein zweites Mal davon gesprochen habe, nachdem Herr Pohl bei mir gewesen war, denn es war selbstverständlich meine Aufgabe und meine Pflicht, Funk über alle Dinge auf dem laufenden zu halten.


DR. SAUTER: Hat man denn im Rahmen des Reichsbankdirektoriums, des Präsidiums, dieser ganzen Angelegenheit eine besondere Bedeutung beigelegt, so daß man vielleicht Veranlassung dazu gehabt hätte, sich öfters über diese Sache zu unterhalten? Oder war das nur ein unangenehmes Nebengeschäft?


PUHL: Nein, in der Direktoriumssitzung ist anfangs wohl darüber berichtet worden, dann aber nicht wieder gesprochen worden.


DR. SAUTER: Sie können sich also nicht daran erinnern, daß Sie später mit Funk nochmals über die Angelegenheit gesprochen hätten? Es könnte aber, wenn ich recht verstanden habe, sein, daß Sie nach dem Geschäft mit dem SS-Obergruppenführer Pohl noch einmal kurz darüber berichtet hätten. Habe ich Sie richtig verstanden?


PUHL: Jawohl.


[627] DR. SAUTER: Nun, Herr Zeuge, in Ihrem Affidavit sagen Sie, unter den Gegenständen, die von der SS deponiert wurden – es ist das Ziffer 5 – befanden sich Schmuck, Uhren, Brillenrahmen, Goldfüllungen – Goldfüllungen sind offenbar diese Zahnsachen – und andere Gegenstände in großer Menge, die von der SS Juden und Konzentrationslageropfern und anderen Personen abgenommen worden waren. Woher wissen Sie das?


PUHL: Das weiß ich aus meinen Frankfurter Vernehmungen.


DR. SAUTER: Das wissen Sie also offenbar deshalb, weil Ihnen bei Ihren Frankfurter Vernehmungen nach Ihrer Gefangensetzung das erzählt worden ist?


PUHL: Und gezeigt worden ist.


DR. SAUTER: Früher, solange Sie in Freiheit waren und solange Sie als Vizepräsident die Reichsbank verwalteten, haben Sie das nicht gewußt?


PUHL: Nein, denn wir haben, ich wiederhole es nochmals, im Direktorium nie über diese Sache gesprochen, weil sie nicht von einer grundsätzlichen währungspolitischen, bankpolitischen oder irgendeiner allgemeinen Bedeutung gewesen ist.


DR. SAUTER: Herr Zeuge! Wenn Sie nun damals im Jahre 1942 gewußt hätten, daß es sich um Sachen handelt, die von der SS zahlreichen Konzentrationslageropfern abgenommen wurden, hätten Sie dann diese Sachen in Verwahrung genommen?


PUHL: Nein.

DR. SAUTER: Sondern?


PUHL: Dann hätten wir also irgendeine Entscheidung herbeigeführt, welche Gedanken die Bank als Ganzes diesem Problem gegenüber einzunehmen hat.


DR. SAUTER: Wer hätte das entscheidende Wort gehabt?


PUHL: Die Entscheidung hätte das Reichsbankdirektorium als Gremium, als Körperschaft, getroffen, und die Entscheidung wäre dem Präsidenten zur Gegenzeichnung vorgelegt worden.


DR. SAUTER: Haben Sie eine Ahnung – Sie haben nämlich früher, das muß ich noch nachholen, vielleicht in der Beziehung Ihres Affidavits, sich etwas mißverständlich ausgedrückt. Sie haben nämlich früher gesagt: »Das gelangte dadurch zu unserer Kenntnis, daß die SS-Leute versuchten, dieses Material in Gold, in Bargeld umzusetzen«, und heute sagen Sie, Sie haben erst nach Ihrer Gefangennahme davon Kenntnis erhalten. Also muß das offenbar, wenn ich Sie recht verstehe...


VORSITZENDER: Dr. Sauter! Ich verstehe nicht, warum Sie »früher« sagen. Es ist doch der Satz, der in diesem Affidavit dem Satz folgt, den Sie ihm vorlegen.


[628] DR. SAUTER: Ja.


VORSITZENDER: Warum sagen Sie dann »früher«? Warum sagen Sie »früher«?


DR. SAUTER: Der Zeuge hat in seinem Affidavit – wenn der Wortlaut des Affidavits stimmt und kein Mißverständnis vorliegt – doch gesagt...


VORSITZENDER: Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß der erste Satz folgendermaßen lautet: »Unter den von der SS hinterlegten Gegenständen befanden sich alle diese den Juden und anderen Opfern in den Konzentrationslagern von der SS abgenommenen Dinge.« Und dann heißt es weiter: »Dies ist uns durch SS-Personal, das versuchte, diese ganzen Sachen in Bargeld umzusetzen, mitgeteilt worden.« Und Sie unterstellen ihm jetzt, daß er diese Darstellung der Sachlage früher gegeben habe. Wenigstens habe ich Sie so verstanden.


DR. SAUTER: Nein; der Zeuge hat heute erklärt, von der Tatsache, daß diese Sachen Konzentrationslageropfern et cetera abgenommen worden seien, habe er erst bei seinen Vernehmungen in Frankfurt am Main Kenntnis erlangt. Das Affidavit aber kann und muß man meines Erachtens dahin auffassen, als habe er damals sagen wollen, diese Kenntnis habe er schon vor seiner Verhaftung durch die SS-Leute bekommen, und das stimmt offenbar nicht; deshalb habe ich den Zeugen gefragt, ob hier diese Ausdrucksweise in dem Affidavit nicht ein Mißverständnis ist.


[Zum Zeugen gewandt:]


Herr Zeuge! Es stimmt also, wenn ich es wiederholen darf. Von der Tatsache, daß es sich um Sachen von Konzentrationslageropfern handelt, haben Sie erst bei Ihrer Vernehmung Kenntnis erhalten?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Und wann haben Sie Kenntnis erhalten, was überhaupt in dem Depot ist, daß da zum Beispiel, um eines herauszugreifen, Goldzähne drin seien; wann haben Sie davon gewußt?


PUHL: Gar nicht, denn es ist überhaupt keine Vorlage der Tresors oder der Kassa an das Direktorium gemacht worden über Einzelheiten dieses Geschäfts.


DR. SAUTER: Also auch davon haben Sie erst jetzt nach Ihrer Verhaftung Kenntnis erhalten?


PUHL: Von den Einzelheiten, ja.


DR. SAUTER: Gut.

Nun sprechen Sie von einer Vereinbarung, die nach der Angabe Funks Himmler, der Reichsführer-SS, mit dem Reichsfinanzminister getroffen haben soll. Was wissen Sie denn von dieser Vereinbarung?


[629] PUHL: Das ist dasselbe, was ich vorhin schon einmal sagte. Es ist von vornherein klar gewesen, daß der Gegenwert der Dinge, die bei uns hinterlegt wurden, dem Reichsfinanzministerium gutzuschreiben waren.


DR. SAUTER: Nicht der SS?


PUHL: Nein, nicht der SS.


DR. SAUTER: Warum nicht? Die SS hatte doch deponiert, nicht wahr?


PUHL: Ja, aber sie vertrat den Standpunkt, ihre Aktionen wären im Namen und im Auftrag der Verrechnung des Reiches gewesen.


DR. SAUTER: Wissen Sie etwas davon, Herr Zeuge, daß diese Wertsachen, die da von der SS im Osten auf irgendeine Weise beschlagnahmt oder geraubt worden sind, daß die überhaupt grundsätzlich zur Verfügung des Reichsfinanzministeriums standen?


PUHL: Ich habe die Frage nicht ganz verstanden. Bezieht sich das nur auf diese Gegenstände oder überhaupt beschlagnahmte Gegenstände, Wertgegenstände?


DR. SAUTER: Auf alle Wertsachen. Ich spreche hier von Gold, Devisen und so weiter, alle diese Wertsachen, die von der SS im Osten an sich gebracht worden sind, sollten alle zur Verfügung des Reichsfinanzministeriums, also nicht der Reichsbank, gestanden haben?


PUHL: Der Gegenwert?


DR. SAUTER: Der Gegenwert, ja.


PUHL: Der Gegenwert wurde dem Reichsfinanzministerium gutgeschrieben.


DR. SAUTER: In diesem Zusammenhang, Herr Zeuge, darf ich Ihnen vielleicht zwei Abrechnungen übergeben. Ich weiß nicht, haben Sie diese schon gesehen? Es sind zwei Abrechnungen der Hauptkasse Ihrer Bank.


PUHL: Jawohl, für uns.


DR. SAUTER: Dann bitte ich, sie sich mal zunächst anzusehen und mir zu sagen, ob Sie davon Kenntnis bisher hatten und was es damit für eine Bewandtnis hatte.


PUHL: Diese beiden Kopien, Photokopien, habe ich auch schon gesehen bei meinen Vernehmungen.


DR. SAUTER: Aber früher nicht?


PUHL: Aber früher nicht; und aus diesen Photokopien geht hervor, was wir eben besprachen, daß der Gegenwert – hier heißt es der Reichshauptkasse, – also die Reichshauptkasse ist ein Teil des Finanzministeriums – zu überweisen war.


[630] DR. SAUTER: Das hängt also offenbar mit dieser Vereinbarung zusammen, von der Sie einmal erfahren haben, daß diese Sachen alle letzen Endes dem Reichsfinanzministerium gehörten, beziehungsweise dem Reich.


PUHL: Jawohl.


DR. SAUTER: Ja, nun hätte ich zu diesem Komplex, Herr Zeuge, noch eine Frage. Da würde mich interessieren, ob vielleicht auch da ein Mißverständnis vorliegt. In dem Affidavit steht ein Satz, daß Funk Ihnen gesagt habe, die Sache solle, wie es hier heißt, absolut geheimgehalten werden. Heute haben Sie uns von diesem Punkt nichts berichtet, obwohl wir das Affidavit da haben. Was sagen Sie nun heute, stimmt das oder ist das ein Mißverständnis?


PUHL: Das Geheimhalten? Nein.


DR. SAUTER: Ja.


PUHL: Natürlich sollte diese Sache geheimgehalten werden, aber schließlich erstreckt sich ja die Geheimhaltung auf alle Dinge, die in einer Bank vorkommen.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Diese Erklärung befriedigt uns sicherlich nicht. Haben Sie bei Ihrer Vernehmung vom 3. Mai so gesagt, wie es hier aufgenommen ist, daß die Sache absolut geheimgehalten werden soll, oder haben Sie sich anders ausgedrückt?


PUHL: Nein, der Text des Affidavits stimmt; die Sache sollte absolut geheimgehalten werden.


DR. SAUTER: Warum?


PUHL: Ja, warum? Derartige Dinge pflegt man eben geheimzuhalten und nicht öffentlich bekanntzumachen, zumal diese Dinge nun aus dem Osten kamen. Ich wiederhole, was ich vorhin schon einmal sagte, daß unsere Haltung gegenüber beschlagnahmten Dingen immer die war, uns möglichst aus diesen Sachen herauszuhalten.


DR. SAUTER: Ist Ihnen das aufgefallen, daß der Angeklagte Funk von einer Geheimhaltung gesprochen hat?


PUHL: Nein.


DR. SAUTER: Oder ist Ihnen das nicht aufgefallen?


PUHL: Besonders nicht.


DR. SAUTER: Nicht besonders?


PUHL: Nein. Nur, es ergab sich aus dem Gespräch, daß, wenn wir schon die beschlagnahmten Dinge der Devisenstellen, Zollfahndungsstellen nicht nehmen wollten, wir bei diesen Dingen natürlich auf Geheimhaltung dringen sollten.


DR. SAUTER: Ja, Sie stellen aber doch die Sache so dar, Herr Zeuge, als hätten Sie auf der einen Seite das Geschäft für durchaus [631] gesetzlich gehalten, Sie sprechen ja auch selber davon, daß es durchaus legal war und daß auf der anderen Seite sich die Geheimhaltung für Sie als alten Bankfachmann von selbst verstanden hat. Man wird nun fragen, warum ist da eigens von der Geheimhaltung gesprochen worden?


PUHL: Da Herr Funk auch seinerseits gebeten worden ist, die Sache möglichst geheimzuhalten und er diesen Wunsch weitergegeben hat.


DR. SAUTER: Wann hat Funk Ihnen das gesagt, daß er gebeten worden ist?


PUHL: Nein, da erinnere ich mich nicht.


DR. SAUTER: Haben Sie ihn nicht gefragt, warum das geheimgehalten werden muß – absolut geheim, sagen Sie, ich weiß nicht, ob Sie das aufrechterhalten wollen, absolut geheim?


PUHL: Ja, es sollte also hier eine besondere Geheimhaltungspflicht den Beamten auferlegt werden.

DR. SAUTER: Ja, was haben Sie als Vizepräsident, als geschäftsführender Vizepräsident, darauf gesagt?


PUHL: Darauf habe ich nichts gesagt, denn wenn das verabredet worden war, so war diesem Wunsche dann Rechnung zu tragen.


DR. SAUTER: Sie wissen ja nicht, ob es verabredet war.


PUHL: Ja, ich unterstelle, daß es verabredet war.


DR. SAUTER: Sie rechnen mit der Möglichkeit?


PUHL: Ja.


DR. SAUTER: Und die Sachen, um zu wiederholen, die dann gekommen sind, haben Sie überhaupt nicht gesehen?


PUHL: Nein, nein.


DR. SAUTER: Sie wissen vielleicht wahrscheinlich auch nicht, wieviel das war?


PUHL: Nein, auch das nicht; ich habe auch, wie ich vorhin schon sagte, nie eine Abrechnung gesehen, und das war auch nicht im Zuge unserer Geschäftsordnung, und schließlich wurden die einzelnen Geschäfte nicht einem Mitglied des Direktoriums vorgelegt.


DR. SAUTER: Ich frage nämlich deswegen, weil neulich einmal vor kurzem aus Anlaß der Erörterung dieses Falles behauptet worden ist, solche Sachen, es seien ganze Waggonladungen gekommen, ganze Waggonladungen.

Sie lachen schon jetzt, und Sie werden noch mehr lachen, wenn ich Ihnen sage, daß sogar von 47 Waggonladungen Gold gesprochen worden sei, das zu Ihnen gekommen sei und von denen Sie nichts gewußt hätten?


[632] PUHL: Davon habe ich nie gehört.


DR. SAUTER: Davon haben Sie nichts gehört? – Herr Zeuge, wir werden diesen einen Punkt verlassen und zu dem zweiten Punkt Ihres Affidavits vom Mai übergehen, der ja sehr kurz sein wird.

Diesen Herrn Pohl, den SS-Obergruppenführer Pohl, von dem Sie uns gerade vorhin gesprochen haben, haben Sie 1942, glaube ich, bereits gekannt?


PUHL: Ja, immerhin war dieser Anlaß der erste, daß Pohl zu mir in mein Büro gekommen ist.


DR. SAUTER: Ja, es soll das kein Vorwurf sein, sondern nur die Feststellung einer Tatsache. Sie haben ihn gekannt, und zwar wegen des ersten Geschäfts, das zeitlich vorausging, nämlich dieses Kredits.


PUHL: Ja, das kann sein.


DR. SAUTER: Der Angeklagte Funk sagt nämlich, so wie er sich an diese Sache erinnern kann – und der er damals keine besondere Bedeutung beimaß – soll die Kreditsache ungefähr um 1940 gewesen sein, längere Zeit vor der anderen Sache. Kann das stimmen? Ungefähr?


PUHL: Ich bestreite es nicht, ich kann es nicht bestätigen, denn ich habe das Datum des Kredits nicht mehr im Kopf.


DR. SAUTER: Nun sagen Sie in Ihrem Affidavit hinsichtlich dieses Kredits, die Reichsbank habe der SS einen Kredit von zehn bis zwölf Millionen zur Verfügung gestellt, ich glaube zur Ablösung eines Kredits, den die SS bei einer anderen Bank gehabt hatte. Und da sagen Sie nun, dieser Kredit sei aufgenommen worden für die Finanzierung der Herstellung von Materialien in SS-geleiteten Fabriken durch Arbeitskräfte aus KZ-Lagern.

Herr Zeuge, mich interessiert hier weniger die Kreditgewährung als solche, denn das gehörte ja zu Ihren Bankgeschäften, und der Betrag von, glaube ich, zehn bis zwölf Millionen wäre ja auch nicht außergewöhnlich. Mich interessiert aber: Woher wissen Sie, daß diese Gelder bestimmt gewesen seien für SS-Fabriken, in denen Arbeitskräfte aus KZ-Lagern beschäftigt waren? Woher wissen Sie das?

PUHL: Der Kreditantrag kam von der vorhin schon einmal erwähnten Wirtschaftsabteilung der SS. Diese Abteilung betrieb eine Reihe von Fabriken in Deutschland und brauchte hierfür Geld. Die Golddiskontbank war bereit, diese Kredite zu geben, aber nur dann, wenn sie die Form ordnungsmäßiger kaufmännischer Kredite hatten. Das heißt also mit anderen Worten: Der Schuldner hatte uns eine Bilanz vorzulegen und hatte uns in regelmäßigen Zwischenräumen Bericht zu erstatten über seine Produktivität, über seinen [633] gesamten finanziellen Status, über das, was für die nächste Zeit geplant war, kurzum über alles das, was ein Schuldner seinen Gläubigern mitzuteilen verpflichtet ist.

Der Vorstand der Golddiskontbank führte diese Gespräche, und bei dieser Gelegenheit haben dann die Beauftragten der Wirtschaftsabteilung, die die Bilanzen vorlegten, auch selbstverständlich über ihr Produktionsprogramm gesprochen, das insofern ja bemerkenswert auch vom Bilanzstandpunkte war, als das Lohnkonto verhältnismäßig niedrig war. Und so hat sich von selbst die Frage ergeben: Woher kommt dieser niedrige Stand eurer Lohnunkosten? Der Vorstand der Golddiskontbank hat dann in der Aufsichtsratsitzung der Golddiskontbank hierüber berichtet.


DR. SAUTER: Sie sprechen hier immer von der Golddiskontbank. Das Gericht wird sich dafür interessieren: Ist die Golddiskontbank identisch mit der Reichsbank, unterstand sie auch dem Angeklagten Funk und Ihnen, wie war das?


PUHL: Ja, die Golddiskontbank ist ein schon in den zwanziger Jahren gegründetes Hilfsinstitut der Reichsbank gewesen für mancherlei Aufgaben, nicht zum letzten zur Förderung des Exportes, aber auch zur Hebung der Produktion. Die kapitalmäßige Konstruktion ist...


DR. SAUTER: Nein, das interessiert uns nicht.


PUHL:... daß fast das gesamte Aktienkapital in Händen der Reichsbank war, und die Leitung: Die Golddiskontbank hatte einen Aufsichtsrat, an dessen Spitze der Reichsbankpräsident jeweils stand, hatte einen stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats, das war der zweite Vizepräsident der Reichsbank, und dann einen Aufsichtsrat, in dem eine Reihe der Herren des Reichsbankdirektoriums, aber auch der Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums saßen.


VORSITZENDER: Es interessiert uns hier nicht, wer die Direktoren der Golddiskontbank waren.


DR. SAUTER: Herr Zeuge! Ich habe Sie ja vorhin schon unterbrechen wollen. Ich wollte Ihnen sagen, daß das, was Sie uns jetzt ausgeführt haben, für den Prozeß ohne Bedeutung ist. Mich und das Gericht wird es nur interessieren, hat der Angeklagte Funk, soweit Sie sich bestimmt erinnern, von diesen Dingen, also wofür der Kredit bestimmt war und daß in den betreffenden Fabriken Leute aus den Konzentrationslagern beschäftigt worden sind, Kenntnis gehabt? Wissen Sie das oder wissen Sie das nicht?


PUHL: Ich möchte das annehmen, aber wissen kann ich es nicht. Immerhin war bekannt, daß der Kredit für diese Fabriken bestimmt war.


[634] DR. SAUTER: Herr Zeuge! Mit der Antwort kann ich mich nicht begnügen, da die SS, wie Sie wohl auch in der Zwischenzeit gehört haben, verschiedene Wirtschaftsbetriebe hatte, in denen keine Konzentrationslagerhäftlinge beschäftigt waren. Meines Wissens zum Beispiel die Porzellanfabrik Allach; da sollen keine Konzentrationslagerhäftlinge beschäftigt gewesen sein. Dann zum Beispiel der ganze Brunnenbetrieb von den Heilbrunnen...


MR. DODD: Ich erhebe Einspruch gegen Aussagen durch den Verteidiger. Er legt ja praktisch dem Zeugen die Antwort in den Mund, noch ehe er die Frage stellt.


DR. SAUTER: Wissen Sie davon, ob die SS Wirtschaftsbetriebe hatte, in denen keine Konzentrations lagerhäftlinge beschäftigt waren?


PUHL: Ich kannte natürlich nicht jeden einzelnen Wirtschaftsbetrieb der SS und konnte auch nicht wissen, ob in dem einen Häftlinge waren oder in dem anderen nicht.


DR. SAUTER: Ist denn in der Sitzung, wo über diese Kredite gesprochen worden ist, der Angeklagte Funk überhaupt anwesend gewesen?


PUHL: Nein, er war nicht anwesend. Nein, es war dasselbe Verfahren, nämlich, wie immer gewöhnlich, die Protokolle vorzulegen.


DR. SAUTER: Hat dann der Angeklagte Funk mit den Leuten, die über diesen auffallenden Stand des Lohnkontos Auskunft gegeben haben, überhaupt gesprochen?


PUHL: Nein, das hat der Vorstand der Golddiskontbank ja getan.


DR. SAUTER: Das hat der Vorstand der Golddiskontbank getan, nicht der Angeklagte Funk!?

Herr Vorsitzender! Ich habe dann an den Zeugen keine weiteren Fragen mehr.


MR. DODD: Ich habe nur einige Fragen zu stellen, Herr Vorsitzender.


[Zum Zeugen gewandt:]


Mit wem haben Sie noch außer den Vertretern der Anklagevertretung seit Ihrer Ankunft in Nürnberg gesprochen? Haben Sie sich irgendwelche Schriftstücke angesehen? Mit wem haben Sie hier in Nürnberg noch außer den Vertretern der Anklagevertretung gesprochen?

PUHL: Ich kenne nicht all ihre Namen. Ich glaube, es war ein Mr. Kempner, Mr. Margolis...

MR. DODD: Ich frage Sie jetzt nicht nach den Herren der Anklagevertretung. Ich frage nur, mit wem Sie sonst noch seit Ihrer Ankunft in Nürnberg gesprochen haben. Das erfordert doch kein [635] langes Nachdenken. Haben Sie seit Ihrer Ankunft hier mit jemand anderem gesprochen oder nicht?


PUHL: Nur mit den Mitinhaftierten auf dem Flur unseres Gefängnisses.


MR. DODD: Mit niemand anderem?


PUHL: Sonst niemand.


MR. DODD: Nun, sind Sie sich dessen auch ganz sicher?


PUHL: Absolut, ja.


MR. DODD: Haben Sie mit Dr. Stuckart in der Zeugenabteilung über Ihre Aussage, die Sie heute früh geben wollten, gesprochen? Beantworten Sie bitte diese Frage.


PUHL: Herr Dr. Stuckart ist einer von den Inhaftierten auf dem Flur unseres Zeugenflügels.


MR. DODD: Das habe ich Sie nicht gefragt. Ich fragte Sie, ob Sie mit ihm nicht vor ein oder zwei Tagen über Ihre Aussagen in diesem Fall gesprochen haben?


PUHL: Nein.


MR. DODD: Nun, ich halte es für sehr wichtig für Sie, daß ich Sie daran erinnere, daß Sie hier unter Eid stehen. Ich frage Sie noch einmal, ob Sie nicht mit Dr. Stuckart in dem Zeugenflügel über Ihre Aussage oder über die Tatsachen, die Funk betreffen, gesprochen haben?


PUHL: Nein, ich habe über allgemeine Dinge gesprochen aller Art.


MR. DODD: Haben Sie nicht mit vier oder fünf anderen Leuten von dort entweder über Ihre Aussage oder über die Tatsachen hier gesprochen?


PUHL: Nein, absolut nein.


MR. DODD: Gut. Kennen Sie einen Mann namens Thoms? T-h-o-m-s?


PUHL: T-h-o-m-s? Thoms, das ist ein Beamter der Reichsbank, der in den Gewölben der Reichsbank in Berlin beschäftigt war.


MR. DODD: Sie kennen den Mann, nicht wahr?


PUHL: Jawohl.


MR. DODD: Nun, Sie haben mit ihm über diese Depots gesprochen, welche von der SS hinterlegt waren, nicht wahr, Herr Puhl?


PUHL: Mit Herrn Thoms, nein.


MR. DODD: Sie haben nicht mit ihm gesprochen?


PUHL: Nein, ich habe Herrn Thoms nur von weitem – hier in Nürnberg überhaupt nicht – und in Frankfurt nur von weitem gesehen.


[636] MR. DODD: Ich spreche jetzt nicht von Nürnberg. Wir wollen das einen Augenblick vergessen. Ich meine während der Zeit, als diese Depots in der Reichsbank hinterlegt wurden. Haben Sie mit Herrn Thoms über diese Depots gesprochen?


PUHL: Jawohl, wie hier in dem Affidavit gesagt worden ist.


MR. DODD: Lassen Sie jetzt mal das Affidavit. Ich möchte einige Fragen an Sie stellen. Mich interessiert hauptsächlich die Angelegenheit der Geheimhaltung. Was haben Sie nun diesem Thoms über die Erfordernisse der Geheimhaltung dieser SS-Depots gesagt?


PUHL: Ich muß hinzufügen, daß zunächst ich überhaupt mit Herrn Tonetti gesprochen habe, weil er der verantwortliche Mann war, und daß Herr Thoms hinzugezogen wurde. Ich habe beiden Herren gesagt, daß der Wunsch besteht, daß diese Sache geheimgehalten wird.


MR. DODD: Haben Sie gesagt, daß es geheimgehalten werden solle und daß man mit niemand anderem darüber sprechen solle? Daß es ein strenges Geheimnis sei, eine ganz besondere Transaktion, und daß er, wenn jemand ihn danach frage, sagen solle, es sei ihm streng verboten, darüber zu sprechen? Haben Sie das Herrn Thoms in der Reichsbank gesagt?


PUHL: Dem Sinne nach, ja.


MR. DODD: Nun, das ist ja, was ich wissen will. Warum sagten Sie Thoms, er solle nicht darüber sprechen, es sei streng verboten und höchst geheim, wenn es sich nur um die übliche Geheimhaltung handelte, die Bankbeamten in Bezug auf eine Geschäftstransaktion auferlegt war?


PUHL: Weil ich diesen Wunsch von Herrn Präsidenten Funk selbst übermittelt bekommen hatte.


MR. DODD: Nun, ich glaube, daß hier eine allgemeine Verwirrung herrscht. Ich habe Sie nämlich ganz deutlich so verstanden – und ich glaube, daß andere, sowie der Gerichtshof selbst, in diesem Verhandlungsraum es auch so verstanden haben –, daß Sie Funks Verteidiger gegenüber erklärt haben, die Geheimhaltung bezüglich dieser Transaktion sei nicht außergewöhnlich gewesen, sondern lediglich die übliche Geheimhaltung oder Vertraulichkeit, die Banken bei ihren Beziehungen ihrer Kundschaft gegenüber wahren. Das war jedoch hier selbstverständlich nicht der Fall, nicht wahr?


PUHL: Die Sache ist, wie ich sie vorhin ausführte, so: Die beschlagnahmten Werte, die in die Bank kamen, haben wir meistens abgelehnt, und wenn nun hier eine Ausnahme gemacht wurde, so war eine größere Geheimhaltung oder eine besondere Geheimhaltungspflicht selbstverständlich.


[637] MR. DODD: Ich möchte, daß Sie diese Frage direkt beantworten. War nicht ein besonderer Grund für diese besondere Geheimhaltung der Einlagen der SS vorhanden? Sie können das mit Ja oder Nein beantworten.


PUHL: Mir nicht erkennbar.

MR. DODD: Warum erklärten Sie dann Thoms, es sei streng geheim und er müsse jedem, der ihn danach fragen sollte, sagen, es sei ihm verboten, darüber zu sprechen? Für gewöhnlich haben Sie doch Ihre Leute nicht so instruiert?


PUHL: Weil ich selber so instruiert worden war.


MR. DODD: Das kann wohl sein. Aber das war ja ein ganz besonderes Geheimnis, nicht wahr? Das war doch sonst nicht Ihre Art und Weise, Geschäfte zu erledigen?


PUHL: Die beschlagnahmten Gegenstände, die zu uns kamen, wurden von uns meist abgelehnt; wenn wir hier eine Ausnahme machten und es wurde bekannt, so war sofort ein Beispiel dafür gegeben für andere, und das wollten wir unter allen Umständen vermeiden.


MR. DODD: Sie wollten diese SS-Angelegenheit nicht telephonisch mit Pohl erörtern, nicht wahr? Sie baten ihn, lieber in Ihr Büro zu kommen, als darüber telephonisch zu sprechen?


PUHL: Ja.


MR. DODD: Ja, warum denn, wenn es nur eine gewöhnliche Geschäftstransaktion war?


PUHL: Weil man bei dem Telephon ja nie wußte, wie weit es abgehört wurde, und diese Transaktion nun anderen Stellen bekannt würde.


MR. DODD: Nun, Sie sprachen mit niemandem viel telephonisch, stimmt das? Sie haben niemals das Telephon von der Reichsbank aus benutzt. Ich glaube, Sie sind sich dessen voll bewußt, daß in diesem Fall ein besonderer Grund vorlag, das Telephon nicht zu benützen. Und Sie sollten meiner Ansicht nach dem Gerichtshof diesen Grund erklären.


PUHL: Ja. Der Grund war, wie ich wiederholt gesagt habe, da von vornherein besonderes Geheimnis gewünscht wurde, so ist dieser Wunsch respektiert worden und entsprechend überall behandelt worden. Auch bei meinem Telephongespräch.


MR. DODD: Sie bestehen immer noch darauf, daß dies keine besonders geheime Transaktion war, die Sie Dr. Kempner gegenüber als eine »Schweinerei« bezeichnet haben. Wissen Sie, was das Wort bedeutet?


PUHL: Ja.


[638] MR. DODD: Was bedeutet das Wort, bedeutet es, daß etwas faul war, ja?


PUHL: Daß wir besser es nicht machen sollten.


MR. DODD: Sie haben Thoms öfter als einmal angerufen, um ihn zu fragen, wie die Depots der SS einliefen, nicht wahr?


PUHL: Nein, ich habe Thoms nur verhältnismäßig wenig gesehen, oft monatelang überhaupt nicht, da er ja kaum in mein Büro kommen konnte.


MR. DODD: Ich habe Sie nicht gefragt, ob Sie ihn oft gesehen haben. Ich habe Sie gefragt, ob Sie ihn telephonisch angerufen und gefragt haben, wie es mit den Depots stand?


PUHL: Nein, ich habe dann kein weiteres Interesse an dem Ablauf dieses Geschäfts genommen. Es hätte auch hier einer Vorlage von der Kasse bedurft.


MR. DODD: Haben Sie ihm gesagt, daß er sich mit Brigadeführer Frank oder Gruppenführer oder Obergruppenführer Wolff von der SS in Verbindung setzen sollte? Haben Sie das zu Thoms gesagt?


PUHL: Ja, ich wiederhole, was ich vorhin gesagt habe: Als Pohl bei mir war, sagte er mir, daß er zwei Leute beauftragen würde, diese Geschäfte mit der Reichsbank zu machen, und das sind die eben genannten Namen gewesen, die ich dann der Kasse mitgeteilt habe.


MR. DODD: Unter welchem Namen waren diese Depots der Reichsbank bekannt?

PUHL: Den Namen, unter welchem diese Depositen in der Reichsbank bekannt waren, habe ich erst in Frankfurt aus den Akten entnommen.


MR. DODD: Kennen Sie den Namen Melmer? M-e-l-m-e-r?


PUHL: Aus meiner Frankfurter Zeit, jawohl.


MR. DODD: Haben Sie nicht bei einer Gelegenheit Herrn Thoms angerufen und ihn gefragt, wie es mit den Melmer-Depots stehe?


PUHL: Ich habe es nicht ganz verstanden, bitte.


MR. DODD: Ich sagte, haben Sie nicht mindestens einmal Thoms in der Reichsbank angerufen und ihn gefragt, wie es mit den Melmer-Depots stehe?


PUHL: Nein, diese Frage konnte ich gar nicht stellen, weil ich das Wort Melmer gar nicht kannte.


MR. DODD: Sie wissen nicht, daß Melmer der Name eines SS-Mannes war. Sie wissen das nicht?


PUHL: Nein, das wußte ich nicht.


[639] MR. DODD: Ich möchte, daß Sie sich jetzt ein Affidavit des Herrn Thoms vom 8. Mai 1946 ansehen. Sie haben das übrigens früher schon einmal gesehen, nicht wahr? Sie haben es gestern gesehen? Beantworten Sie bitte die Frage, Herr Zeuge: Haben Sie das Af fidavit gestern gesehen? Das Affidavit, das ich Ihnen soeben habe überreichen lassen? Das haben Sie doch gestern gesehen, nicht wahr?


PUHL: Jawohl.


MR. DODD: Sie werden aus Ziffer 5 ersehen, daß Thoms, der dieses Affidavit abgegeben hat, erklärte, daß er Sie aufsuchte und daß Sie ihm gesagt haben, daß die Reichsbank als Treuhänder der SS für den Empfang und für die Verwendung der Depots fungieren werde. Die SS werde das Eigentum, nämlich das Gold, Silber und Devisen, abliefern. Sie erklärten ferner, daß die SS beabsichtigte, viele andere Gegenstände, wie Juwelen, abzuliefern und »...wir müssen einen Weg finden, darüber zu verfügen«. Er schlug Ihnen, Herr Puhl, vor,

»daß wir die Gegenstände der Reichshauptkasse übersenden sollten, wie wir es im Falle der Wehrmachtsbeute machten, oder daß die Gegenstände vom Reichsführer-SS unmittelbar dem Pfandhaus zur Verfügung gestellt werden könnten, so daß die Reichsbank nicht mehr damit zu tun habe, als in dem Fall des konfiszierten jüdischen Vermögens. Puhl sagte mir, daß dies nicht in Frage komme und daß Vorkehrungen getroffen werden müßten, um diese nicht üblichen Vermögensgegenstände zu behandeln, daß die ganze Angelegenheit geheimgehalten werde.«

Und dann sagt er weiter:

»Diese Unterhaltung mit Puhl fand kurze Zeit, ungefähr zwei Wochen vor der ersten Ablieferung, statt, die am 26. August 1942 stattfand. Die Unterhaltung spielte sich im Büro des Herrn Puhl ab; sonst war niemand anwesend. Ich weiß nicht mehr, ob Herr Frommknecht während der ganzen Zeit anwesend war, und Puhl sagte, es sei von großer Wichtigkeit, die Sache mit niemand zu erörtern, sie vielmehr streng geheim zu behandeln; daß es sich um eine Sonderaktion handle, und wenn jemand frage, solle ich sagen, daß es mir verboten sei, darüber zu sprechen.«

Und auf der nächsten Seite erklärt Herr Thoms in Ziffer 8:

»Herr Puhl sagte mir, daß, wenn ich irgendwelche Fragen in dieser Angelegenheit hätte, ich mit Brigadeführer Frank oder mit Gruppenführer oder Obergruppenführer Wolff von der Wirtschaftsabteilung der SS in Verbindung treten solle. Ich kann mich daran erinnern, daß ich die Telephonnummer dieses Büros erhielt und ich glaube, ich besinne mich darauf, daß Herr Puhl sie mir gegeben hat. Ich rief Brigadeführer [640] Frank hierwegen an, und er teilte mir mit, daß die Ablieferungen per Lastauto erfolgen werden und daß sie unter dem Befehl eines SS-Mannes namens Melmer stehen würden. Es wurde die Frage erörtert, ob Melmer in Uniform oder Zivil kommen solle.«

Dann, weiter unten, in Ziffer 10 erklärt er:

»Als jedoch die erste Ablieferung erfolgte, er schien zwar Melmer in Zivil, aber ein oder zwei SS-Leute in Uniform standen Wache, und nach der ersten oder zweiten Ablieferung wußten die meisten Leute in der Hauptkasse und fast jeder in meinem Büro alles über die SS-Ablieferungen.«

Dann gehen wir weiter zu Ziffer 12:

»In der ersten Erklärung der Reichsbank, die von mir unterschrieben war, war eine Frage an Melmer über das Konto, auf dem der Erlös gutgebracht werden sollte, enthalten. In Beantwortung dessen teilte mir Melmer mündlich mit, daß der Erlös auf ein Konto ›Max Heiliger‹ gutgebracht werden solle. Ich bestätigte dies dem Rechnungsdirektor Patzer vom Finanzministerium telephonisch und bestätigte die mündliche Unterhaltung in meiner zweiten Erklärung an Melmer vom 16. November 1942.«

Nun, der nächste ist Ziffer 13:

»Nach einigen Monaten kam Puhl zu mir und fragte mich, wie es mit den Melmer-Ablieferungen stehe und sagte, daß sie vermutlich bald vorbei sein würden. Ich sagte Puhl, daß es mir nach der Art und Weise, in der die Ablieferungen hereinkamen, den Anschein habe, als wenn diese im Anwachsen begriffen seien.«

Dann lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf die nächste Ziffer:

»Eines der ersten Anzeichen für die Herkunft dieser Gegenstände ergab sich daraus, daß ein Paket mit Papieren den Stempel ›Lublin‹ trug. Dies war anfangs 1943. Ein anderer Hinweis konnte daraus entnommen werden, daß einige Gegenstände den Stempel ›Auschwitz‹ trugen. Wir alle wußten, daß an diesen Plätzen Konzentrationslager waren. Bei der zehnten Ablieferung im November 1942 tauchten Goldzähne auf. Die Menge der Goldzähne wuchs in ungewöhnlicher Weise.«

Zwar ist da noch ein weiterer Absatz, aber ich möchte Ihre Aufmerksamkeit besonders auf die Tatsache lenken, daß Thoms sagt, Sie hätten ihn angerufen und gefragt, wie sich die Melmer-Ablieferungen gestalten, sowie ferner auf die Tatsache, daß Sie ihm, wie er hier sagt, die Notwendigkeit einer absoluten Geheimhaltung einprägten.

[641] Jetzt möchte ich Sie fragen, nachdem Sie dieses Affidavit wieder gesehen haben – und Sie werden sich erinnern, daß Sie unseren Leuten gestern gesagt haben, dieses Affidavit sei, soweit Sie wissen, absolut wahr – ich frage Sie nun, ob es nicht Tatsache ist, daß ein ganz besonderer Grund vorlag, dieses Geschäft geheimzuhalten.

PUHL: Beim Vorlesen dieses »Statements«, dieser Erklärung, ist es ganz klar ersichtlich, daß der Wunsch nach Geheimhaltung von der SS ausgeht; das deckt sich durchaus mit dem, was ich vorhin schon einmal sagte, daß die SS Wert darauf legte, daß sie der Ausgangspunkt dieses Geheimhaltungswunsches war. Das geht soweit, wie wir hier hörten, daß sie sogar ein Konto, einen Max Heiliger, dafür erfanden; dieses Konto, das ganz offensichtlich, wie auch aus der Aufstellung klar hervorgeht, für das Reichsfinanzministerium war. Also es deckt sich dieses hier mit dem, was ich sagte, daß diese Geheimhaltungspflicht, diese besondere Geheimhaltungspflicht, von der SS gewünscht und auch durchgeführt wurde und daß sie bis zur Überweisung des Gegenwertes ging. Was nun den zweiten Einwand betrifft, daß ich mit Thoms gesprochen haben soll, so erinnere ich mich, wie ich auch gestern ausgeführt habe, eines solchen Gespräches in der Fülle der vielen Gespräche, die ich täglich auf der Bank hatte, nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß ich ihn aufgesucht habe. Das wäre ein völlig ungewöhnlicher Vorgang gewesen. Und daß das Wort »Melmer-Ablieferungen« dabei gefallen ist, erinnere ich mich nicht, und ich unterstelle, daß es hier in dieser Aufstellung der Einfachheit halber gebraucht worden ist, um kurz zu bezeichnen, um was es sich handelt.

MR. DODD: Es ist nicht so wichtig; er sagt jedoch, daß Sie ihn telephonisch anriefen und ihn nicht aufsuchten.

Ich lege dieses Affidavit als Beweisstück US-852 vor.


VORSITZENDER: Diese uns vorliegende Erklärung scheint nicht beschworen zu sein.


MR. DODD: Der Zeuge ist hier in Nürnberg. Ich werde es zurücknehmen, bis es beschworen ist und später vorlegen. Es war mir nicht aufgefallen, daß es nicht beschworen war. Er ist hier und steht uns zur Verfügung; ich habe ihn hierherbringen lassen, falls eine Frage seinetwegen erhoben würde.


[Zum Zeugen gewandt:]


Der Angeklagte Göring wußte auch etwas von diesen Depots, nicht wahr? Da wir nun einmal diese Dinge besprechen, wie verhält es sich damit?

PUHL: Daß Herr Göring über diese Sachen etwas gewußt hat, ist mir unbekannt.

MR. DODD: Ich zeige Ihnen jetzt ein Dokument, das in den Akten der Reichsbank gefunden wurde. Es ist Nummer 3947-PS und [642] ist ein neues Dokument. Sie haben es noch nicht gesehen. Es ist eine Niederschrift aus den Akten, datiert vom 31. März 1944 und betrifft:

»Verwertung von Schmuckwaren und dergleichen, die bei amtlichen Stellen zugunsten des Reiches anfallen.

Auf Grund einer mündlichen vertraulichen Vereinbarung zwischen dem Herrn Vizepräsidenten Puhl und dem Leiter einer Berliner Amtsstelle hat es die Deutsche Reichsbank übernommen, die bei dieser Stelle anfallenden in- und ausländischen Zahlungsmittel, Gold- und Silbermünzen, Edelmetalle, Wertpapiere, Schmuckgegenstände, Uhren, Brillanten und sonstige Wertgegenstände zu verwerten. Die Bearbeitung dieser Eingänge erfolgt unter dem Stichwort ›Melmer‹.

Die hierbei in erheblichen Mengen angefallenen Schmuckgegenstände und dgl. wurden bisher nach Prüfung der Stückzahlen und der etwa angegebenen Gewichte, soweit sie nicht eingeschmolzen sind, der Städt. Pfandleihanstalt, Abteilung III Zentralstelle, Berlin N 4, Elsässerstraße 74, zur bestmöglichsten Verwertung übergeben.«

Ich will nicht das Ganze lesen, es folgt dann weiteres über die Leihanstalt; ich möchte Sie jedoch auf den Absatz aufmerksam machen, der wie folgt beginnt:

»Der Herr Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches, Beauftragter für den Vierjahresplan, setzt nun die Deutsche Reichsbank mit seinem Schreiben vom 19. 3. 44, das wir in Abschrift beifügen, davon in Kenntnis, daß die erheblichen Bestände der Haupttreuhänderstelle Ost an Gold- und Silberwaren, Schmuckstücken und dergleichen auf Grund einer Anordnung der Herren Reichsminister Funk und Graf Schwerin von Krosigk an die Reichsbank abzuliefern sind. Die Verwertung dieser Gegenstände müßte u. E. in der gleichen Weise geschehen wie bei den ›Melmer‹-Lieferungen. Gleichzeitig verweist der Herr Reichsmarschall hierbei auf die Verwertung gleichartiger Gegenstände, die in den besetzten Westgebieten angefallen sind. Bei welcher Stelle diese Gegenstände eingeliefert wurden und auf welche Weise ihre Verwertung erfolgt, ist uns nicht bekannt.«

Dann folgt etwas über eine Nachfrage und über diese ganze Angelegenheit, über Leihanstalten, und so weiter.

Ich möchte Sie vor allem fragen: Im ersten Absatz heißt es »auf Grund einer vertraulichen mündlichen Vereinbarung zwischen Ihnen und dem Leiter einer Berliner Amtsstelle« – wer war dieser Leiter der Berliner Amtsstelle, der eine vertrauliche Vereinbarung hinsichtlich dieses Geschäftes mit Ihnen traf?

PUHL: Das war Herr Pohl. Das war das Abkommen, von dem wir heute morgen sprachen.

[643] MR. DODD: Das war doch Pohl von der SS, nicht wahr?


PUHL: Jawohl.


MR. DODD: Und das war diese ganze Transaktion; die ganze SS-Transaktion, worauf sich diese Niederschrift bezieht, von der soviel die Rede ist?


PUHL: Das war eine Vorlage unserer Kasse, und sie hat hier vermieden, im Sinne der Geheimhaltung das Wort »SS-Wirtschaftsabteilung« oder ähnliches zu schreiben und drückt sich etwas allgemeiner aus und sagt: »dem Leiter einer Berliner Amtsstelle«.


MR. DODD: Und später im Absatz heißt es: »Die Bearbeitung dieser Eingänge erfolgt unter dem Stichwort ›Melmer‹«. Das ist der Name, nach dem ich Sie, wenn Sie sich erinnern, vor einigen Minuten gefragt habe, nicht wahr?


PUHL: Ich habe die Frage nicht verstanden.


MR. DODD: Im letzten Satz dieses Absatzes heißt es »alle Eingänge müssen unter dem Stichwort ›Melmer‹, M-e-l-m-e-r, bearbeitet werden«, und das ist doch der Name, über den ich Sie vor ein paar Minuten gefragt habe. Und Sie sagten, daß Sie diesen Namen nicht kennen.


PUHL: Jawohl, und aus dieser Aufstellung geht ja auch hervor, daß ich ihn nicht gekannt haben kann; denn die Kasse selbst macht ja hier erst die Mitteilung, daß sie erfolgt unter dem Namen ›Melmer‹.


MR. DODD: Ich glaube, wenn Sie es lesen, werden Sie sehen, daß es gerade das Gegenteil beweist, nämlich: Auf Grund einer mündlichen vertraulichen. Vereinbarung zwischen Ihnen und Pohl von der SS hat die Reichsbank es übernommen, Gold- und Silbermünzen und so weiter zu verwerten. Die Bearbeitung aller Eingänge erfolgt unter dem Stichwort »Melmer«.

Sie wollen dem Gerichtshof gegenüber doch nicht etwa behaupten, daß eine Transaktion wie diese in Ihrer Bank, wo Sie Vizepräsident waren, unter einem Stichwort erfolgte, und daß Sie nichts davon wußten. Sie waren der Mann, der direkt mit dem SS-Mann verhandelte? Wollen Sie dies ernsthaft dem Gerichtshof gegenüber erklären?


PUHL: Ja. Also das Wort »Melmer« ist in meiner Gegenwart nie gefallen. Wohl aber hatten unsere Kassendirektoren die Möglichkeit, Kundenkonten Stichworte zu geben, wenn diese vorzogen, nicht ihren eigenen Namen und den Namen ihrer Institution anzugeben, und davon hat auch hier die Kasse Gebrauch gemacht.


MR. DODD: Sie werden bemerken, daß wir zum zweitenmal heute morgen dem Namen Melmer begegnen. Herr Thoms erklärt, Sie hätten sich dieses Stichwortes ihm gegenüber bedient, und jetzt [644] finden wir es in einer Urkunde Ihrer eigenen Bank, einem Dokument, das in unsere Hände fiel. Wollen Sie immer noch sagen, daß Ihnen dies nicht bekannt ist?


PUHL: Nein, gerade weil es... diese Denkschrift ist übrigens nicht für mich gemacht, sondern für den betreffenden Kassendezernenten gemacht. Und gerade um ihn in Kenntnis zu setzen von dem, was die Kasse verabredet hat, erklärt sie hier, unter welchem Namen, unter welcher Chiffre diese Transaktion bei ihr vorgenommen wird.


MR. DODD: Herr Puhl! Schauen Sie mich einen Augenblick an; haben Sie nicht Leutnant Meltzer, Leutnant Margolis und Dr. Kempner gegenüber erklärt, als sie alle um sie versammelt waren, daß dieses ganze Geschäft mit der SS allgemeines Gespräch in der Reichsbank war, diesen Herren, die hier sitzen, zwei von ihnen am Tische der Vereinigten Staaten und einer hier? Sie kennen diese Herren. Ich möchte, daß Sie einen Augenblick überlegen, ehe Sie die Frage beantworten.


PUHL: Wir haben davon gesprochen, daß das Geheimnis nicht gewahrt wurde, weil es in einer Bank letzten Endes auf die Dauer nicht zu wahren ist, aber das hat nichts damit zu tun. Was wir in diesem Augenblick sprachen, waren technische Einzelheiten, wie ein solches Geschäft durchgeführt wurde, was nicht zur Kenntnis einer breiteren Schicht gelangt. Was natürlich nicht zu verhindern war, war die Tatsache als solche.


MR. DODD: Also Sie scheinen mich nicht zu verstehen – darüber sprechen wir gar nicht. Ich glaube, daß Sie sich unbedingt erinnern müssen, weil es nur ein oder zwei Tage her ist, daß Sie, und zwar in diesem Gebäude hier, eine Unterhaltung mit diesen Herren hatten, nicht wahr? Ich frage Sie jetzt, ob es nicht stimmt, daß Sie diesen Herren sagten, die ganze SS-Transaktion mit der Bank sei ein allgemeines Gespräch in der Bank gewesen?


PUHL: Es war ein allgemeines Geflüster über diese Operation in der Bank, aber Einzelheiten waren natürlich nicht bekannt.


MR. DODD: Haben Sie irgendwelche Bedenken über Ihren Anteil an dieser Sache? Ich glaube, es ist eine berechtigte Frage angesichts Ihres Affidavits in Ihrer Aussage. Machen Sie sich darüber Gedanken, was Sie mit dieser Sache zu tun hatten? Ist es so?


PUHL: Nein. Also ich selbst hatte mit der Sache, nachdem sie einmal eingefädelt war, auch nichts mehr weiter zu tun. Und wie ja aus dem übergebenen Statement von Herrn Thoms hervorgeht, gibt er ja selber zu, daß er mich monatelang gar nicht gesehen hat. In der Direktoriumssitzung ist auch diese Sache nie zur Vorlage gekommen, und es ist nie um einen Entscheid angegangen worden.


[645] MR. DODD: Sie wissen doch, daß der Angeklagte Funk im Zeugenstand erklärt hat, Sie seien derjenige, der ihm zuerst von den SS-Geschäften Kenntnis gegeben hat. Ist das auch Ihre Auffassung?

PUHL: Nein. Meine Erinnerung ist die, daß das erste Gespräch bei Herrn Präsident Funk stattgefunden hat, in dem er mir mitteilte, aus den Gründen, die ich vorhin sagte, daß wir der SS gefällig sein wollen, diese Depots – das Wort ist damals gefallen – zu übernehmen.


MR. DODD: Sie gebrauchten vor einigen Tagen einen stärkeren Ausdruck, als Sie darüber nachdachten. Sie sagten: »Können Sie sich vorstellen, daß Himmler mit mir anstatt mit Funk gesprochen hat?« Entsinnen Sie sich, dies den Herren gesagt zu haben?


PUHL: Ich habe die letzte Frage nicht verstanden, bitte?


MR. DODD: Es ist nicht so wichtig, ich fragte Sie, ob Sie sich nicht daran erinnern, diesen Herren, Leutnant Meltzer und Leutnant Margolis, erklärt zu haben, daß Himmler sich nicht mit Ihnen als Vizepräsident der Bank unterhalten, sondern sich an Funk wenden würde. Sie waren sehr aufgeregt, als wir Sie darauf aufmerksam machten, daß Funk gesagt hatte, Sie seien der Mann gewesen, von dem die Sache ausging?


PUHL: Jawohl.


MR. DODD: Sie regten sich sehr darüber auf, erinnern Sie sich dessen nicht?

PUHL: Jawohl.


MR. DODD: Abschließend folgende Frage: Wollen Sie ernstlich behaupten, daß Sie bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie in Frankfurt verhört wurden, weder von dem Vorhandensein noch von der Art dieser Depots etwas wußten? Angesichts des Thoms'schen Affidavits, des Beweisstückes, das ich Ihnen eben zeigte, und des ganzen Verhörs heute morgen, wollen Sie Ihre Aussage mit der Behauptung abschließen, daß Sie tatsächlich zu keiner Zeit wußten, was in diesen Depots enthalten war?


PUHL: Das mir heute vorgelegte Statement oder die mir heute vorgelegte Äußerung der Kasse habe ich zum erstenmal in Frankfurt gesehen. Ich habe sie nie vorher zu Gesicht bekommen und habe mich um die Einzelheiten dieses Geschäfts auch nicht gekümmert, auch nicht kümmern können als Vizepräsident, der ich ja doch verantwortlich war für die allgemeine Wirtschafts- und Währungspolitik, Kredite und derlei Dinge. Zumal wir für unseren Kassenbereich einen ganzen Stab hochqualifizierter Mitarbeiter hatten, die, wenn es notwendig gewesen wäre, dem Reichsbankdirektorium eine Vorlage hätten machen müssen.


[646] MR. DODD: Sie bestreiten selbstverständlich nicht, gewußt zu haben, daß Juwelen, Silber und derartige Dinge in diesem Depot waren?

PUHL: Von vornherein war das deutsche Wort Schmucksachen gebraucht worden.


MR. DODD: Gut. Wir wollen sehen, welche Gegenstände in diesen Depots Ihnen bekannt waren. Sie wußten, daß Schmucksachen, einige Schmucksachen, darin waren. Sie wußten, daß einige Devisen, Geldmünzen und andere Gegenstände in den Depots waren. Nur eines wußten Sie nicht: Daß Zahngold darin war, nicht wahr?


PUHL: Das stimmt bestimmt. Es ist so: Es war bekannt und war auch von vornherein gesagt worden, das hatte mir Herr Pohl gesagt, daß im wesentlichen, zum weitaus größten Teil, in diesen Depots Gold, Auslandsdevisen, Silbermünzen und, so fügt er hinzu, auch »einige Schmucksachen« seien.


MR. DODD: Dann können Sie wohl die Frage einfach beantworten: Sie wußten, daß alles, was in Ihrem Affidavit erwähnt ist, mit Ausnahme des Zahngoldes, daß es von der SS deponiert war? Verstehen Sie diese Frage nicht? Ich glaube, die Frage ist sehr einfach. Sie brauchen nichts zu lesen, Herr Puhl. Wollen Sie bitte hier hersehen; ich frage Sie, ob Sie über alles Bescheid wußten, was in Ihrem Affidavit erwähnt ist, außer dem Zahngold?


PUHL: Also, ich wußte über Schmucksachen, aber ich wußte nicht, wie im einzelnen diese Schmucksachen beschaffen waren.


MR. DODD: Ich frage Sie nicht über Einzelheiten, ich frage Sie nur, ob Sie nicht davon wußten, daß dies darin war. Sie wußten, daß Devisen und andere Gegenstände in den Depots waren, denn das sind ja die einzigen Sachen, die außer dem Zahngold erwähnt sind, und das ist das einzige, worüber Sie anscheinend nichts wußten.


PUHL: Ja, also ich wußte im wesentlichen, daß es sich hier um Gold- und Devisenwerte handelte und daß die Schmucksachen, ich wiederhole das noch einmal...


MR. DODD: Und Juwelen?


PUHL: Ich wußte, daß Juwelen da waren.


MR. DODD: Das einzige, wovon Sie nichts wußten, war das Zahngold. Das ist alles, was ich Sie frage. Warum antworten Sie nicht? Die Antwort kann doch nicht soviel Zeit in Anspruch nehmen? Nicht wahr? Das einzige, worüber Sie nichts wußten, war das Zahngold.


PUHL: Nein.


MR. DODD: Gut, was wird sonst noch erwähnt, von dem Sie nichts wußten?

[647] PUHL: Hier sind zum Beispiel noch Brilleneinfassungen erwähnt worden.


MR. DODD: Sie wußten darüber auch nichts? Gut, dann werde ich das auch mit einfügen. Brillenfassungen und Zahngold. Von diesen beiden Sachen wußten Sie also nichts?


PUHL: Ich war informiert worden nur mit dem allgemeinen Worte »Schmucksachen«.


MR. DODD: Das sind dann wohl die beiden Sachen, über die Sie sich am meisten Gedanken machen mußten, die Brillenfassungen und das Zahngold.

Ich habe keine Frage mehr, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Einen Augenblick, einen Augenblick! Führen Sie diesen Mann noch nicht fort.


[Zum Zeugen gewandt:]


Haben Sie eine Abschrift Ihres Affidavits vor sich?

PUHL: Vom 3. Mai, ja.

VORSITZENDER: Haben Sie nur eine Abschrift davon?


PUHL: Ich werde eben nachsehen. – Jawohl, ich habe noch eine Abschrift.


VORSITZENDER: Geben Sie mir diese bitte.

Dieses Schriftstück wird eine Bezeichnung erhalten und Teil des Protokolls werden. Es hat die entsprechende Nummer zu erhalten.


MR. DODD: Herr Vorsitzender! Ich glaube, es ist bereits als Beweismittel eingereicht.


VORSITZENDER: Dieses Dokument hier nicht. Dies ist das Dokument, das er vor sich liegen hatte. Es enthält einige handschriftliche Bemerkungen und ist in englischer Sprache abgefaßt. Sehen Sie es sich bitte an, Mr. Dodd.


MR. DODD: Jawohl, ich glaube, es wird Beweisstück US-851 werden, dies ist wohl die nächste Nummer.


VORSITZENDER: Beweisstück US-851; sehr gut.


MR. DODD: Ich glaube, die folgende Frage ist für den Gerichtshof hinsichtlich dieses Affidavits von Nutzen:


[Zum Zeugen gewandt:]


Herr Puhl! Sie haben persönlich einen großen Teil dieser eidesstattlichen Erklärung auf der Maschine geschrieben, mit der Hand geschrieben oder diktiert, nicht wahr?

PUHL: Es ist mir ein fertiger Entwurf vorgelegt worden, und ich habe ihn entsprechend abgeändert.

[648] VORSITZENDER: Einen Augenblick! Und dann haben Sie ihn, nachdem Sie ihn abgeändert hatten, unterschrieben?


PUHL: [nickt.]


VORSITZENDER: Nicken Sie nicht nur mit dem Kopf, sondern antworten Sie, bitte. Sie sagten, ein fertiger Entwurf sei Ihnen vorgelegt worden, und Sie hätten ihn entsprechend abgeändert. Ich frage Sie: Haben Sie ihn dann unterschrieben?


PUHL: Jawohl.


MR. DODD: Haben Sie auch die Stellen paraphiert, die Sie im Original abgeändert haben? Haben Sie nicht alle Stellen paraphiert, die Sie abgeändert haben wollten?


PUHL: Nein, wir haben es neu abgeschrieben, es ist völlig neu geschrieben worden...


MR. DODD: Ich weiß, Sie haben es noch einmal abgeschrieben. Haben Sie nicht die Stellen, die Sie abgeändert haben wollten, angestrichen und angegeben, wie Sie es abgeändert haben wollten? Das haben Sie doch, nicht wahr?


PUHL: Ja. Das ist aber von untergeordneter Bedeutung, zum Beispiel wurde das Wort »Reichsbank« durch »Golddiskontbank« ersetzt und ähnliche redaktionelle Änderungen.


MR. DODD: Ich glaubte, daß es vielleicht dem Gerichtshof helfen würde, zu wissen, daß es noch einmal geschrieben und paraphiert wurde.


VORSITZENDER: Sehr gut.


MR. FRANCIS BIDDLE, MITGLIED DES GERICHTSHOFS FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Herr Zeuge! Ich möchte einige Fragen an Sie stellen: War der Angeklagte Funk der erste, von dem Sie über diese Transaktionen hörten?


PUHL: Jawohl.


MR. BIDDLE: Hat Funk Ihnen gesagt, wer in der SS ihm davon erzählt hatte?


PUHL: Himmler.


MR. BIDDLE: Himmler hatte mit Funk darüber gesprochen? Wer war außer Himmler und Funk noch anwesend, als Funk mit Himmler darüber sprach?


PUHL: Das weiß ich nicht.


MR. BIDDLE: Sie wissen nicht, ob Pohl auch dabei gewesen ist?

PUHL: Das kann ich nicht sagen, wohl aber kann ich sagen, daß von vornherein der Name des Finanzministers genannt wurde, ob er aber persönlich anwesend war, weiß ich nicht.


[649] MR. BIDDLE: Hat Funk Ihnen erzählt, was Himmler ihm gesagt hat?


PUHL: Er hatte gebeten, die Einrichtungen der Reichsbank zur Verfügung der SS zu stellen für diesen Zweck.


MR. BIDDLE: Haben Sie dann kurz danach diese Angelegenheit in der Direktoriumssitzung besprochen?


PUHL: Jawohl, ja.


MR. BIDDLE: War Funk bei dieser Sitzung auch anwesend?


PUHL: Nein, das war er nicht.


MR. BIDDLE: Was sagten Sie dem Direktorium?


PUHL: Ich habe dem Direktorium kurz über den Vorgang Bericht erstattet.


MR. BIDDLE: Was sagten Sie dem Direktorium?


PUHL: Ich habe in wenigen Worten geschildert mein Gespräch mit Herrn Funk, mein Gespräch mit Herrn Pohl und die Tatsache bestätigt, daß die Reichsbank Wertsachen der SS in ihre Gewölbe nehmen würde.


MR. BIDDLE: Und hat dann das Direktorium die Handlung gutgeheißen?


PUHL: Jawohl, es gab keinen Widerspruch.


MR. BIDDLE: Der Angeklagte Funk sagte Ihnen, daß diese Sachen »aus dem Osten« hereingekommen seien, nicht wahr?


PUHL: Jawohl.


MR. BIDDLE: Was verstanden Sie unter dem Ausdruck »aus dem Osten«?


PUHL: Im wesentlichen Polen, das besetzte Polen. Aber es mögen auch einige russische Gebiete darunter zu verstehen sein.


MR. BIDDLE: Ich nehme an, Sie wußten, daß es beschlagnahmtes Eigentum war?


PUHL: Jawohl.


MR. BIDDLE: Sie sagten Pohl, daß die Bank bei der Handhabung dieses Eigentums gewisse Dienste leisten würde, nicht wahr?


PUHL: Pohl bat mich, die guten Dienste der Bank zur Verfügung seiner Leute zu stellen. Das habe ich bejaht.


MR. BIDDLE: War in dieser Dienstleistung auch das Sortieren, das Einfüllen in Säcke und das Bezeichnen der Gegenstände einbegriffen?


PUHL: Davon ist nicht gesprochen worden.


MR. BIDDLE: Ich habe Sie nicht gefragt, ob davon gesprochen worden ist, sondern ob in diesen Dienstleistungen das Sortieren der [650] Gegenstände, das Einfüllen in die verschiedenen Behälter oder Säcke mit eingeschlossen war? Haben Sie das getan?


PUHL: Ja, das unterstand der Entscheidung der Kassendirektoren und, wenn sie es für notwendig hielten, konnten sie es machen.


MR. BIDDLE: Wurde das getan?


PUHL: Das kann ich nicht wissen, das ist eine Kassenfrage.


MR. BIDDLE: So, das ist alles.


DR. SAUTER: Herr Präsident! Darf ich noch zwei Fragen stellen, zwei ganz kurze Fragen?


VORSITZENDER: Ja, gut, Herr Dr. Sauter.


DR. SAUTER: Die eine Frage, Herr Zeuge, ist die: Sie sind vorhin immer gefragt worden, wer Sie alles gesprochen hat in den letzten Tagen, nicht wahr?


PUHL: Hier in Nürnberg?


DR. SAUTER: Ja, in Nürnberg. Sie haben gehört, daß verschiedene Herren der Staatsanwaltschaft mit Ihnen die Sache besprochen haben in den letzten Tagen. Ich möchte hier feststellen, habe ich mit Ihnen gesprochen?


PUHL: Nein, ich sehe Sie heute zum erstenmal in meinem Leben.


DR. SAUTER: Das wollte ich nur feststellen, der Korrektheit halber. Und als zweites würde mich interessieren: Ist bei den Verhandlungen – Sie haben es ja an sich schon bestätigt, aber ich möchte nach den Vorhalten der Staatsanwaltschaft das nochmals von Ihnen hören – ist bei diesen ganzen Verhandlungen oder in den Urkunden, die jetzt vorgelegt worden sind, die Sie ja gelesen haben, jemals davon gesprochen worden, daß es sich um Dinge handle, die aus Konzentrationslagern kommen?


PUHL: Das Wort Konzentrationslager ist weder in dem Gespräch mit Herrn Funk noch mit Herrn Pohl gefallen.


DR. SAUTER: Also, auch der Herr Funk hat keine Andeutung in dieser Richtung gemacht?

PUHL: Nein.


DR. SAUTER: Dann habe ich keine Fragen mehr, Herr Präsident, danke sehr.


VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen. Der Gerichtshof wird sich vertagen.


[Pause von 10 Minuten.]


VORSITZENDER: Herr Dodd! Sie haben 3947-PS als Beweisstück unterbreitet, nicht wahr?

[651] MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender, als Beweisstück US-850, glaube ich.


VORSITZENDER: Richtig, 850 war das. Und die Abschrift des Puhl-Affidavits war US-851?


MR. DODD: Das ist richtig; ich habe das andere Affidavit nicht eingereicht, weil wir festgestellt haben, daß es noch nicht beschworen war. Ich werde es veranlassen und mit Ihrer Erlaubnis das Datum hinausschieben. Ich habe den Zeugen hier. Die Frage kann nicht endlos weiter erörtert werden; ich möchte die Angelegenheit nicht weiter in die Länge ziehen. Ich möchte es jedoch als Affidavit vorlegen, wenn er es beschworen hat. Und sollte ihn jemand beantragen wollen, so schlage ich ergebenst vor, daß Dr. Sauter dies jetzt sagt. Er ist kein Gefangener, Herr Vorsitzender, er ist ein freier Mann hier, der Zeuge Thoms.


VORSITZENDER: Sind Sie der Ansicht, daß er jetzt vorgeladen werden soll?


MR. DODD: Wenn er vorgeladen werden soll, dann würde ich vorschlagen, das bald zu tun.


VORSITZENDER: Wenn er ihn im Kreuzverhör zu vernehmen wünscht, dann sollte er jetzt vorgeladen werden.


MR. DODD: Ich würde ihn gerne jetzt hier haben.


DR. SEIDL: Herr Präsident! Ich spreche in Vertretung des Rechtsanwalts Dr. Kauffmann für den Angeklagten Göring.

Der Angeklagte Göring hat mich gebeten, im Wiederverhör an den Zeugen Puhl zwei Fragen zu richten. Die Fragen wären wahrscheinlich im Zusammenhang gestanden mit dem Dokument, das die Anklagevertretung im Kreuzverhör dem Zeugen Puhl vorgehalten hat, und zwar das Dokument 3947-PS.

Die Anklagevertretung hat von Seite 2 dieses Dokuments den Abschnitt 3 verlesen, der wie folgt beginnt: »Der Herr Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches, Beauftragter für den Vierjahresplan...«


VORSITZENDER: Einen Augenblick. Dr. Seidl! Wenn Sie an den Zeugen Puhl im Namen des Angeklagten Göring Fragen stellen wollen, können Sie das tun. Puhl wird zu diesem Zweck wieder vorgeladen werden.


DR. SEIDL: Herr Präsident! Die Schwierigkeit besteht in etwas anderem. Der Angeklagte Göring erklärte, und zwar meines Erachtens mit Recht, er könne die Fragen, die er an den Zeugen stellen wollte, nur dann mit gutem Grundstellen, wenn er vorher die Möglichkeit hätte, das Dokument zu sehen, auf das sich die Anklagevertretung berufen hatte. Ich habe daher während des Kreuzverhörs dem Angeklagten Göring das Dokument 3947-PS [652] durch den wachhabenden Soldaten überreichen wollen. Dies wurde abgelehnt, und zwar mit der Begründung, daß auf Grund eines Befehls des Kommandanten des Gefängnisses dem Angeklagten Dokumente nicht mehr in der Hauptverhandlung überreicht werden dürfen, deren Fall bereits abgeschlossen ist.


VORSITZENDER: Obwohl das Dokument über das Mikrophon verlesen wurde, sollen sowohl Sie wie auch der Angeklagte Göring das Dokument selbstverständlich erhalten; der Zeuge muß jedoch in dieser Sitzung vorgeladen werden. Sie und der Angeklagte Göring können das Dokument sehen, aber der Zeuge muß zur Vernehmung sofort hereingerufen werden.

DR. SEIDL: Herr Präsident! Es wurden ja nur Auszüge aus dem Dokument verlesen, und meines Erachtens sagt der Angeklagte Göring mit Recht: Wenn ich eine vernünftige Frage stellen soll, dann muß ich vorher das ganze Dokument kennen. Und ich bin nun der Auffassung, daß es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder verzichtet die Anklagevertretung darauf gegenüber den Angeklagten, deren Fall angeblich bereits abgeschlossen ist, auch im Kreuzverhör weiteres Beweismaterial vorzubringen oder aber es wird dem Angeklagten die Möglichkeit gegeben, von diesem neuen in dem Prozeß eingeführten Beweismaterial Kenntnis zu nehmen, und das kann bei Urkunden, die nur auszugsweise verlesen werden können, eben nur dadurch geschehen, daß dem Angeklagten das ganze Dokument zugänglich gemacht wird.


VORSITZENDER: Das Dokument ist nur etwas mehr als eine Seite lang, und nur ein Absatz darin bezieht sich auf Göring. Dieser Absatz ist schon verlesen worden. Wenn ich sage eine Seite, so meine ich damit eine Seite in dem englischen Exemplar. Sie haben wahrscheinlich die deutsche Übersetzung vor sich.


DR. SEIDL: Bei mir sind es dreieinhalb Seiten.


VORSITZENDER: Nur ein Absatz bezieht sich auf Göring.

DR. SEIDL: Herr Präsident! Es handelt sich nur um die Frage, ob ich in der Hauptverhandlung diese Photokopie dem Angeklagten Göring zur Kenntnisnahme übergeben darf oder nicht. Wenn diese Möglichkeit besteht – und ich sehe keinen Grund, warum das nicht möglich sein sollte –, dann bin ich in kurzer Zeit in der Lage, eine etwa notwendig werdende Frage an den Zeugen Puhl zu stellen; aber meines Erachtens hat der Angeklagte recht, wenn er sagt, daß er von einem Dokument, von dem nur Auszüge verlesen werden, von seinem ganzen Umfang Kenntnis nehmen möchte.


MR. DODD: Herr Vorsitzender! Vielleicht kann ich etwas behilflich sein. Ich möchte darauf hinweisen, daß Herr Dr. Seidl dieses Dokument sowieso zehn Minuten lang während der Verhandlungspause in der Hand gehabt hat, und außerdem möchte ich [653] darauf hinweisen, daß wir als Mitglieder der Anklagevertretung ihn nicht davon ausgeschlossen haben, das Dokument zu erhalten; es ist lediglich eine Sicherheitsmaßnahme.


VORSITZENDER: Vielleicht sind Sie, Dr. Seidl, zufrieden, wenn wir verfügen, daß der Zeuge Puhl um zwei Uhr wieder vorgeladen wird, damit Sie die gewünschten Fragen an ihn stellen können. Er kann selbstverständlich das Dokument haben; er hält es ja in der Hand; und Göring kann es natürlich auch bekommen.


DR. SEIDL: Da ist ja die Schwierigkeit, Herr Präsident, daß zwar ich das Dokument habe, daß aber auf Grund der Anweisungen, die hier Geltung haben, der Angeklagte Göring nicht in den Besitz des Dokuments kommen kann.


VORSITZENDER: Sie können das Dokument jetzt Göring übergeben.


DR. SEIDL: Das darf ich nicht tun.


VORSITZENDER: Ich sage Ihnen doch, Sie sollen es tun, man wird es gestatten.

Dr. Sauter, wollen Sie Thoms, dessen Erklärung hier vorgelegt wurde, im Kreuzverhör vernehmen?


DR. SAUTER: Bitte, ja.


VORSITZENDER: Sie wünschen es?


DR. SAUTER: Ja.

Herr Präsident! Darf ich zu dem, was eben Dr. Seidl gesagt hat, noch etwas bemerken? Es handelt sich nicht nur um die eine Urkunde, die eben Dr. Seidl dem Angeklagten Göring übergeben wollte, sondern es handelt sich um die allgemeine Frage, ob ein Verteidiger berechtigt ist, einem Angeklagten während der Sitzung übergebene Urkunden auszuhändigen. Bisher war das gestattet, und jetzt steht die Polizei auf dem Standpunkt, daß diejenigen Angeklagten, deren Fall hier zunächst erledigt ist, auch von ihrem Verteidiger keine Urkunden mehr im Sitzungssaal sollen ausgehändigt bekommen. Und das empfinden wir Verteidiger als eine Benachteiligung, weil ja, wie der Fall Göring zeigt, es sehr leicht vorkommen kann, daß ein Angeklagter in einem späteren Fall noch irgendwie beteiligt ist. Und die Bitte, die wir an Sie und an das Gericht richten, geht dahin, daß den Verteidigern auch in Zukunft gestattet sein soll, auch hier in der Sitzung den Angeklagten Urkunden zu übergeben, auch wenn der betreffende Fall an sich schon erledigt ist. Das wollte Herr Dr. Seidl jetzt von Ihnen erbitten.

Herr Präsident, darf ich noch etwas bemerken?


VORSITZENDER: Ja, Dr. Sauter, Sie wollen noch etwas sagen?


DR. SAUTER: Ja, darf ich noch auf folgendes hinweisen? Wir durften bisher schon im Vernehmungszimmer beim Gefängnis [654] unten den Gefangenen, die wir uns vorführen lassen, keine Urkunden übergeben. Wenn ich also eine Urkunde habe, die ich mit meinem Mandanten besprechen will, dann muß ich diese ganzen Urkunden ihm vorlesen. Nun, wenn da unten 10, 12 oder 15 Verteidiger in den Abendstunden sitzen, ist das fast...

VORSITZENDER: Dr. Sauter! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß jedes beliebige Dokument, das den Verteidigern überreicht wird, auch den Angeklagten selbst vom Verteidiger ausgehändigt werden darf. Es macht hierbei durchaus keinen Unterschied, ob der Fall eines Angeklagten in dieser Hinsicht bereits erledigt ist.


DR. SAUTER: Dafür sind wir Ihnen sehr dankbar, Herr Präsident, und wir hoffen, daß diese Ihre Anordnungen dann auch keine Schwierigkeiten bei der Durchführung finden.


VORSITZENDER: Und jetzt haben Sie den Wunsch, Thoms im Kreuzverhör zu vernehmen?


DR. SAUTER: Jawohl.


VORSITZENDER: Ist Thoms im Hause? Kann er sofort hierhergebracht werden?


MR. DODD: Er ist bereits auf dem Wege hierher. Wahrscheinlich steht er bereits draußen.


VORSITZENDER: Gut, vielleicht sieht der Gerichtsmarschall nach, ob er da ist.


MR. DODD: Herr Vorsitzender! Ich habe noch nicht Zeit gehabt, das Affidavit beschwören zu lassen, weil ich ihn noch nicht gesehen habe.


VORSITZENDER: Nein, aber soweit es sich um das Kreuzverhör handelt, kann er hier vereidigt werden.


GERICHTSMARSCHALL: Nein, Herr Vorsitzender, der Mann ist noch nicht da.


MR. DODD: Er ist unterwegs.


VORSITZENDER: Er ist nicht zur Hand.


MR. DODD: Er ist unterwegs, er war vor einer Minute im Büro von Leutnant Meltzer, und er ging ihn holen.


VORSITZENDER: Er kann dann um 2.00 Uhr nach den anderen Zeugen vorgeführt werden.

Und nun Herr Dr. Siemers, sind Sie bereit?


DR. SIEMERS: Hohes Gericht! Ich darf vorweg bemerken, daß ich meinen Fall folgendermaßen vortragen möchte.

Ich möchte, dem Vorschlage des Gerichts entsprechend, Raeder als Zeugen hören, und zwar im Zusammenhang mit all denjenigen Dokumenten, welche die Anklage zur Belastung von Raeder vorgelegt hat. Ich habe Raeder diese Dokumente sämtlich gegeben, [655] so daß er sie auf dem Zeugenstand vor sich hat, um keine Zeit dadurch zu verlieren, daß jedes einzeln gebracht werden muß. Die Britische Delegation war so liebenswürdig und hat diese Dokumente, die sich zum Teil im Dokumentenbuch Raeder 10 befinden... Die Britische Delegation hat freundlicherweise die Dokumente, die noch nicht im Dokumentenbuch Raeder waren, in einem neuen Dokumentenbuch 10a zusammengestellt. Ich nehme an, daß dieses Dokumentenbuch dem Tribunal vorliegt.

Ich werde also zur Erleichterung bei jedem Dokument die Seitenzahl des englischen Dokumentenbuches 10a oder englischen Dokumentenbuches 10 nennen.

Gleichzeitig beabsichtige ich, falls es dem Tribunal so recht ist, die Dokumente aus meinen Dokumentenbüchern, die jeweils mit der betreffenden Frage zusammenhängen, ebenfalls schon vorzulegen.

Danke schön. Ich bitte dann Großadmiral Raeder in den Zeugenstand.


[Der Angeklagte betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Wollen Sie bitte Ihren vollen Namen angeben?

ERICH RAEDER: Erich Raeder.


VORSITZENDER: Wollen Sie mir den folgenden Eid nachsprechen:

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde.


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. SIEMERS: Herr Großadmiral Raeder! Ich bitte Sie, zunächst dem Tribunal zu berichten kurz über Ihren Lebenslauf und Ihre berufliche Entwicklung.


RAEDER: Ich bin geboren im Jahre 1876 in Wandsbek bei Hamburg. Ich trat in die Marine ein 1894 und wurde Offizier 1897. Normaler Aufstieg: zwei Jahre Marineakademie; in jedem der Jahre drei Monate Sprachurlaub nach Rußland während des russisch-japanischen Krieges. 1906 bis 1908 Reichsmarineamt in der Nachrichtenabteilung von Tirpitz. Ich habe da fremde Presse und die Redaktion der »Marine-Rundschau« und des »Nautikus« geleitet.

1910 bis 1912 Navigationsoffizier auf der Kaiserjacht »Hohenzollern«. 1912 bis anfangs 1918 erster Admiralstabsoffizier und Chef des Stabes des Kreuzerführers »Admiral Hipper« auf den Schlachtkreuzern. Nach dem ersten Weltkrieg in der Admiralität Chef der Zentralabteilung bei Admiral von Trotha. Dann zwei Jahre Seekriegsgeschichte geschrieben im Marinearchiv. Als Konteradmiral 1922 bis 1924 Inspekteur des Bildungs- und Erziehungswesens der[656] Marine. 1925 bis 1928 als Vizeadmiral Chef der Marinestation der Ostsee in Kiel.

Am 1. Oktober 1928 wurde ich zum Chef der Marineleitung in Berlin durch Reichspräsident von Hindenburg auf Vorschlag des Reichswehrministers Groener ernannt.

Ich wurde dann im Jahre 1935 Oberbefehlshaber der Kriegsmarine und 1939, am 1. April, Großadmiral.

Am 30. Januar 1943 legte ich das Amt als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine nieder und erhielt den Titel Admiralinspekteur der Kriegsmarine, ohne daß damit eine Dienstfunktion verbunden war.


DR. SIEMERS: Ich möchte nur auf einen Punkt zurückkommen. Sie sagten, Sie wurden 1935 Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Dies war lediglich, wenn ich recht verstehe, eine neue Bezeichnung?


RAEDER: Das war nur eine neue Bezeichnung.


DR. SIEMERS: Demnach waren Sie von 1928 bis 1943 Führer der Marine?


RAEDER: Jawohl.


DR. SIEMERS: Nach dem Versailler Vertrag hatte Deutschland nur ein Heer von 100000 Mann und eine Marine von 15000 Mann mit 1500 Offizieren. Im Verhältnis zur Größe des Reiches war also die Wehrmacht außerordentlich klein.

Ich frage Sie, war Deutschland in den zwanziger Jahren in der Lage, mit dieser kleinen Wehrmacht sich gegen etwaige Überfälle von Nachbarstaaten zu verteidigen, und mit welchen Gefahren mußte Deutschland in den zwanziger Jahren rechnen?


RAEDER: Nach meiner Ansicht war Deutschland in keiner Weise dazu in der Lage, sich selbst gegen Angriffe der kleinsten Staaten wirksam zu verteidigen, da es über keinerlei moderne Waffen verfügte, während die umliegenden Staaten, unter ihnen ganz besonders Polen, mit den modernsten Waffen ausgerüstet waren. Auch die modernen Festungswerke waren Deutschland genommen. Die Gefahr, die Deutschland in den zwanziger Jahren stets vor Augen sah, war...


DR. SIEMERS: Einen Augenblick!

Ich darf Sie bitten, weiterzufahren.


RAEDER: Die Gefahr, die Deutschland in den zwanziger Jahren stets vor Augen sah, war der Einfall Polens nach Ostpreußen, um dieses Gebiet, das durch den Korridor von dem übrigen Deutschland getrennt war, von Deutschland abzutrennen und zu besetzen. Die Gefahr stand Deutschland deswegen besonders klar vor Augen, weil in jener Zeit Wilna von den Polen besetzt war, mitten im frieden mit Litauen, und weil von Litauen das Memelgebiet weggenommen war. Im Süden war auch Fiume weggenommen, ohne daß der Völkerbund oder irgend jemand sonst dagegen Einspruch erhob. Es war [657] aber auch der Deutschen Regierung der damaligen Zeit klar, daß das einzige, was Deutschland nicht mehr passieren durfte in jener Zeit der Machtlosigkeit, war, daß Ostpreußen auch noch besetzt und von Deutschland abgetrennt würde. Daher war das Ziel unserer Bemühungen, uns so einzurichten, daß wir mit den äußersten Mitteln einem solchen Einbruch der Polen in Ostpreußen entgegentreten könnten.


DR. SIEMERS: Sie sagten eben, daß man fürchtete, daß ein solcher Einfall passieren könne. Sind nicht in den zwanziger Jahren sehr häufig auch Grenzüberfälle tatsächlich passiert?


RAEDER: Auch das fand statt.


DR. SIEMERS: Ist es richtig, daß diese Gefahren nicht nur von Ihnen und von den militärischen Kreisen erkannt wurden, sondern in den zwanziger Jahren genau so auch von den damaligen Regierungen, insbesondere von den Sozialdemokraten und von Stresemann?


RAEDER: Jawohl. Ich sagte vorhin schon, daß auch die Regierung sich darüber klar war, daß ein solcher Einfall nicht stattfinden dürfte.

DR. SIEMERS: Die Anklage hat Ihnen nun ein völkerrechtswidriges und vertragswidriges Verhalten schon in der Zeit vor Hitler vorgeworfen.

Sie wurden am 1. Oktober 1928 Chef der Marineleitung und erhielten damit die höchste Stellung in der deutschen Marine. Haben Sie Ihre ganze Kraft eingesetzt, um mit Rücksicht auf die geschilderten Gefahren die deutsche Marine im Rahmen des Versailler Vertrages aufzubauen, um Insbesondere Ostpreußen schützen zu können?


RAEDER: Ja. Ich habe meine ganze Kraft dareingesetzt und habe diesen Aufbau der Marine dann als meine Lebensaufgabe betrachtet. In allen Stadien dieser Aufbauzeit war der Wiederaufbau der Marine ja besonders schwierig, und ich hatte infolgedessen in all den Jahren dauernd nach irgendeiner Seite zu kämpfen, um diesen Wiederaufbau durchsetzen zu können. Dadurch bin ich vielleicht etwas einseitig geworden, da dieser Kampf für den Aufbau der Marine mich voll beanspruchte und mich davon abhielt, mich in irgendwelche andere Dinge zu mischen, die mit diesem Aufbau nichts zu tun hatten. Ich habe bei dem Aufbau, außer dem Aufbau des Materials, in erster Linie meine ganze Kraft auf die Bildung eines tüchtigen Offizierskorps und einer gut durchgebildeten und vor allen Dingen gut erzogenen Mannschaft gesetzt.

Der Großadmiral Dönitz hat bereits hier berichtet, welches das Resultat dieser Erziehung unserer Mannschaften und unserer Offiziere gewesen ist, und ich möchte auch nur bestätigen, daß diese deutschen Marinemannschaften sowohl im Frieden die volle Anerkennung im In- und Ausland erwarben durch ihr anständiges und [658] würdiges Auftreten, ihre Wohlerzogenheit, als auch, daß sie im Kriege in voller Geschlossenheit, in größter Kampfsittlichkeit bis zum Ende vorbildlich gekämpft haben, sich im ganzen an keinerlei Greueltaten beteiligt haben und auch in den besetzten Gebieten, wo sie waren, wie zum Beispiel in Norwegen, sich durch ihr würdiges und anständiges Verhalten volle Anerkennung der Bevölkerung erworben haben.


DR. SIEMERS: Da Sie 15 Jahre lang die Marine leiteten und in diesen 15 Jahren die Marine aufbauten, kann demnach festgestellt werden, daß Sie für alles, was im Rahmen dieses Wiederaufbaues passiert ist, als Leiter der Marine verantwortlich sind.


RAEDER: Ich bin voll verantwortlich dafür.


DR. SIEMERS: Es ist, wenn ich richtig sehe, nur die Einschränkung des Datums vom 1. Oktober 1928 zu machen.


RAEDER: Was das Material anbetrifft.


DR. SIEMERS: Wem waren Sie hinsichtlich des Aufbaues der Marine unterstellt? Sie konnten ja nicht völlig selbständig handeln.


RAEDER: Ich war unterstellt einmal dem Reichswehrminister und durch diesen der Reichsregierung, da ich ja nicht Mitglied der Reichsregierung war; und zweitens hatte ich auch dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht zu gehorchen in diesen Dingen. Dieser Oberbefehlshaber der Wehrmacht war von 1925 an bis 1934 der Reichspräsident Generalfeldmarschall von Hindenburg und nach seinem Tode am 1. August 1934 Adolf Hitler.


DR. SIEMERS: Herr Präsident! Ich darf in diesem Zusammenhang Raeder-Exhibit Nummer 3 vorlegen, ein kurzer Auszug aus der Verfassung des Deutschen Reiches. Dort lautet der Artikel 47, Raeder Nummer 3 – im Dokumentenbuch 1, auf Seite 9 –:

»Der Reichspräsident hat den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht des Reiches.«

Und ich überreiche ferner das Reichswehrgesetz, auf das ich nachher noch zurückkommen muß, im Raeder-Exhibit Nummer 4, Dokumentenbuch 1, Seite 11 und verweise auf Paragraph 8 des Wehrgesetzes, der wie folgt lautet:

»Die Befehlsführung liegt ausschließlich in der Hand der gesetzmäßigen Vorgesetzten.

Der Reichspräsident ist Oberster Befehlshaber der gesamten Wehrmacht. Unter ihm übt der Reichswehrminister Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht aus. An der Spitze des Reichsheeres steht ein General als Chef der Heeresleitung; an der Spitze der Reichsmarine ein Admiral als Chef der Marineleitung.«

Diese Paragraphen sind auch unter dem nationalsozialistischen Regime im vollen Umfange bestehen geblieben. Ich weise nur darauf [659] hin, weil sich hieraus das ergibt, was der Zeuge sagte. Er steht also hinsichtlich des Wiederaufbaues an dritter Stelle: Reichspräsident, Reichswehrminister und dann der Höchste im Militär.


[Zum Zeugen gewandt:]


Herr Großadmiral! Die Anklage macht Ihnen nun zum Vorwurf, daß Sie die Marine aufgebaut haben:

Erstens: unter Bruch des Versailler Vertrages,

zweitens: hinter dem Rücken des Reichstages und der Reichsregierung, und

drittens: mit der Absicht, Angriffskriege zu führen.

Ich möchte Sie hierzu fragen, ob der Aufbau der Marine zu Angriffs- oder zu Verteidigungszwecken erfolgte. Ich bitte Sie aber, hier eine zeitliche Trennung vorzunehmen und zunächst nur über den Zeitraum zu sprechen, der unter dem Zeichen des Versailler Vertrages steht, also über die Zeit von 1928 bis zum deutsch-englischen Flottenabkommen vom 18. Juni 1935.

Meine Frage lautet also: Geschah in diesem Zeitraum der Aufbau der Marine zu Angriffszwecken, wie die Anklage behauptet hat?

RAEDER: Der Aufbau der Marine geschah in gar keiner Weise zu den Zwecken des Angriffskrieges. Er geschah zweifellos unter gewisser Umgehung des Versailler Vertrages. Bevor ich auf die Einzelheiten eingehe, möchte ich bitten, ein paar kurze Stellen verlesen zu dürfen aus einem Vortrag, den ich im Jahre 1928 in Kiel und Stralsund, den beiden größten Garnisonen meiner Marinestation, gehalten habe, auf einer Geschichtswoche und vor der Bürgerschaft und den ich, als ich in Berlin antrat, dem Minister Severing als mein Programm übergeben habe, dem Minister Severing, der mich bei meinem Erscheinen damals mit einem gewissen Mißtrauen betrachtete. Das ist das...

DR. SIEMERS: Einen Moment.

Ich glaube, das Hohe Tribunal wird einverstanden sein, weil ja die Äußerungen aus dem Jahre 1928 die damalige Einstellung Raeders noch prägnanter bringen als seine jetzige Erinnerung. Ich überreiche deshalb diesen Vortrag im Raeder-Exhibit Nummer 6, im Dokumentenbuch 1, Seite 15. Der Vortrag selbst beginnt Seite 17. Ich lese...

VORSITZENDER: Ja?


DR. SIEMERS: Herr Präsident! Es wird vielleicht fünf bis zehn Minuten in Anspruch nehmen. Ich möchte deshalb fragen, ob es eine geeignete Zeit zur Pause ist, aber mir ist es recht, wenn es weitergeht.


VORSITZENDER: Wir wollen Pause machen.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 13, S. 617-661.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

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