Vormittagssitzung.

[559] [Der Angeklagte Jodl im Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich heute nachmittag um 4.00 Uhr vertagen und eine geschlossene Sitzung abhalten.

Der Gerichtshof wird morgen eine öffentliche Sitzung abhalten, und zwar von 10.00 bis 1.00 Uhr.


OBERST J. W. POKROWSKY, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: [zum Zeugen Jodl gewandt] Sie haben ausgesagt, daß Sie der Chef des Wehrmachtführungsstabes waren; das war doch die wichtigste Abteilung des OKW, nicht wahr?


JODL: Ich habe den letzten Teil der Frage nicht ganz verstanden.


OBERST POKROWSKY: Ich frage Sie, ob der Wehrmachtführungsstab im OKW die wichtigste Abteilung war?


JODL: Durch die Bedeutung der Tätigkeit kann man sicher sagen, daß der Wehrmachtführungsstab eine der wichtigsten Abteilungen des OKW war.


OBERST POKROWSKY: Waren Sie auch aus diesem Grunde Keitels Stellvertreter während seiner Abwesenheit?


JODL: Das war ich meist nur in operativen Dingen; in den kriegsministeriellen Fragen war es der älteste Chef, in der Regel der Admiral Canaris.


OBERST POKROWSKY: Leugnen Sie, daß Sie Keitels Stellvertreter waren?


JODL: Wenn Keitel nicht im Hauptquartier war, dann hat selbstverständlich der Führer alles, was er dem OKW zu sagen hatte, zunächst mir gesagt. Denn ich war ja der älteste Offizier nach Keitel.


OBERST POKROWSKY: Erinnern Sie sich an die Aussagen des Zeugen Wagner, daß entweder Keitel oder Sie selbst das OKW bei allen wichtigen Stabstreffen vertreten hatten, bei welchen auch der Zeuge Admiral Wagner zugegen war? Erinnern Sie sich an diese Aussagen?


JODL: Ich habe auch diese Frage nur undeutlich verstanden wegen der Übersetzung.


[559] OBERST POKROWSKY: Es ist möglich. Ich wiederhole: Am 13. Mai sagte der Zeuge Wagner vor dem Gerichtshof aus. Erinnern Sie sich daran?


JODL: An den Zeugen Wagner erinnere ich mich. Er hat bestätigt, daß Feldmarschall Keitel und ich bei jeder Lagebesprechung dabei waren, das ist unbestritten.


OBERST POKROWSKY: Er sagte, daß entweder Feldmarschall Keitel oder Generaloberst Jodl dabei waren. Ist das richtig? Sehen Sie den Unterschied in der Fragestellung?


JODL: In 99 Prozent aller Fälle waren wir beide da.


OBERST POKROWSKY: Kann man daraus – wenn man die formellen Erwägungen und Momente außer acht läßt – den Schluß ziehen, daß gerade Sie, Jodl, sowohl in den Augen Hitlers wie auch des ganzen Offizierskorps und der gesamten Militärmaschinerie des Deutschen Reiches, der Stellvertreter Keitels waren?


JODL: In einzelnen Fällen, wo der Feldmarschall gerade nicht da war und in unwichtigen Dingen, ja. Aber ich konnte ihn ja jederzeit in wichtigen Dingen telephonisch erreichen, also kam es praktisch kaum vor. Er war nie krank, war auch nie auf Urlaub, er war höchstens im Hauptquartier in Berlin.


OBERST POKROWSKY: Dann werde ich Sie an eine Tatsache erinnern, die Sie hier vor dem Gerichtshof am 6. Juni bestätigt haben, als Sie die Gründe darlegten, die Sie bewogen hatten, das Dokument RF-438 zu unterschreiben. Sie sagten, das Dokument habe in keiner Beziehung zu Ihrem Arbeitsbereich gestanden. Dort war die Rede von der Verschleppung der Juden aus Dänemark, und Sie unterschrieben dieses Dokument, obgleich es nicht zu Ihren Obliegenheiten gehörte. Haben Sie es deswegen unterschrieben, weil Keitel zu dieser Zeit abwesend war? Ist das richtig?


JODL: Das ist absolut richtig. Es war eine eilige Angelegenheit, und die mußte sofort unterschrieben werden.


OBERST POKROWSKY: Gut. Wir können viele solche Dokumente finden, ich halte es jedoch nicht für nötig, Zeit dafür zu verschwenden, diesen Punkt noch genauer klarzustellen.

Sagen Sie, kann es als zutreffend angenommen werden, daß Sie über alles, was das OKW durchführte, auf dem laufenden waren, daß Sie sehr gut wußten, mit welchen wichtigen Fragen sich das OKW damals befaßte?


JODL: Das gilt nur in beschränktem Maße, in einzelnen Angelegenheiten. Von allem, was sich in den vielen Ämtern in Berlin abspielte, hatte ich gar keine Vorstellung, das war einfach ganz unmöglich. Es ging mich auch nichts an. Ich habe schon ausgeführt, daß meine Zeit überreichlich ausgefüllt war. Ich hatte mehr Arbeit, als ich Zeit hatte.


[560] OBERST POKROWSKY: Gut, Sie zwingen mich, zu einer Frage zurückzukehren, die ich wirklich als erledigt betrachtet habe. Sehen Sie sich bitte unser neues Beweisstück USSR-476 an. Es ist ein Auszug aus den Aussagen Keitels vom 9. November 1945. Dort steht folgendes geschrieben:

Frage:

»Könnte es der Fall gewesen sein, daß General Jodl eine solche Besprechung ohne Ihr Wissen einberufen konnte?«

Herr Vorsitzender, wir erörtern die Besprechung in Reichenhall.

Die Antwort des Feldmarschalls Keitel:

»Da ich sehr oft auf Dienstreise und der General Jodl berechtigt war, eine solche Besprechung einzuberufen, weil er in meiner Abwesenheit mich vertrat, ist es durchaus möglich.«

Haben Sie die Stelle gefunden? Haben Sie es gelesen?

JODL: Herr Oberst Pokrowsky! Sie tun sich natürlich sehr schwer, in diesen militärischen Dingen wirklich folgen zu können. Das ist ja eine Lächerlichkeit. Ich werde doch meine Generalstabsoffiziere fragen dürfen; da brauche ich doch keine Besprechung einzuberufen. Das waren meine Generalstabsoffiziere, die im Zug in Reichenhall gearbeitet haben. Zu denen werde ich doch wohl hinfahren dürfen, das ist doch mein Amt, mein Auftrag.

VORSITZENDER: Ich glaube, es ist ganz unnötig, derart laut zu sprechen.


OBERST POKROWSKY: Ich glaube, daß Sie zwei von meinen Fragen noch immer nicht beantwortet haben:

Erstens, haben Sie dieses Dokument jetzt durchgelesen? Ich will die Antwort hören, ob Sie es durchgelesen haben? Haben Sie die Stelle, die ich eben verlesen habe, auf der ersten Seite gelesen?


JODL: Ja, hier sagte Feldmarschall Keitel:

»Da ich sehr oft auf Dienstreise war...«


OBERST POKROWSKY: Sie brauchen es nicht noch einmal zu lesen, ich habe es schon getan. Ich will nur, daß Sie mir sagen, ob Sie das durchgelesen haben.

JODL: Ja, ich habe es durchgelesen und es heißt hier:

»... den Generaloberst Jodl zu fragen...«


OBERST POKROWSKY: Nein, Sie lesen etwas weiter als die Stelle, die mich augenblicklich interessiert. Wir werden noch zu der Stelle kommen »... den Generaloberst Jodl zu fragen«. Sie können sich beruhigen. Nun aber die Stelle, die besagt, daß Keitel oft auf Dienstreisen war und Sie ihn dann vertraten, stimmt das oder nicht?


[Keine Antwort.]


OBERST POKROWSKY: Ich höre keine Antwort.

[561] JODL: Ich sagte schon, daß er hie und da mal einen Tag an der Front war und daß er öfter einige Tage in Berlin war, aber da war er Ja gerade bei den Ämtern, die ihm unterstanden sind. Und ich war mit meinem Führungsstab allein, und mit meinem Führungsstab konnte ich ja machen, was ich wollte. Besprechungen anderer Ämter habe ich den ganzen Krieg über in Vertretung von Feldmarschall Keitel niemals einberufen. Von diesen Sachen verstand ich gar nichts.


OBERST POKROWSKY: Sie haben ziemlich viel Worte gemacht, aber Sie gaben mir keine klare Antwort auf meine einfache und kurze Frage. Bestätigen Sie die Richtigkeit der Aussage Keitels oder nicht? Es ist doch sehr einfach, das zu beantworten.


JODL: Das ist dem Sinne nach richtig, aber wie es niedergeschrieben ist, ist es eine Lächerlichkeit.


OBERST POKROWSKY: Nun gut. Wir werden es später bewerten. Es geht mir darum, die Tatsache festzustellen.

Ich übergebe dem Gerichtshof noch ein Dokument USSR-263.

Sie werden jetzt das Vergnügen haben, es selbst durchzulesen, Herr Angeklagter. Es sind Auszüge aus den Aussagen eines anderen Offiziers, mit dem Sie gearbeitet haben, und zwar General Warlimont. Machen Sie sich mit der Stelle vertraut, die bei Ihnen bezeichnet ist, während ich sie jetzt laut verlese. Das wird schneller gehen. Die Frage, die an Warlimont gestellt wurde, ist folgende:

»Wann hat das OKW zum erstenmal die Weisungen für die Vorbereitungen des Angriffs auf die Sowjetunion erhalten?«

Haben Sie die Stelle gefunden?

JODL: Das, was ich hier vor mir habe und was rot umrandet ist, das enthält eine Aussage von Warlimont, wie die Ämter des OKW gegliedert waren. Auf der nächsten Seite kommt dann etwas über die Vorbereitungen des Angriffs auf die Sowjetunion.

OBERST POKROWSKY: Haben Sie es jetzt gefunden?


JODL: Ja.


OBERST POKROWSKY: Sehr gut.

»Wann hat das OKW zum erstenmal die Weisun gen für die Vorbereitungen des Angriffs auf die Sowjetunion erhalten?«

Antwort Warlimonts:

»Ich persönlich erfuhr von diesem Plan am 29. Juli 1940. An diesem Tage ist Generaloberst Jodl in dem Extrazug in Bad Reichenhall eingetroffen, wo sich auch die Abteilung ›L‹ des Wehrmachtführungsstabes befand.«

Haben Sie diese Stelle gefunden?

JODL: Jawohl.

[562] OBERST POKROWSKY: Herr Vorsitzender! Ich halte es nicht für notwendig, einen großen Teil der Aussage Warlimonts zu verlesen, weil es sich um eine bekannte Tatsache handelt, um die Einberufung jener Besprechung, bei welcher Jodl seinen Mitarbeitern den Auftrag gab, einen Plan für den Überfall auf die Sowjetunion vorzubereiten. Dieses Dokument wurde vom Gerichtshof bereits als Beweisstück angenommen.

Warlimont sagt dann:

»Jodl überraschte uns mit dieser Mitteilung, auf die wir gar nicht vorbereitet waren.«


[Zum Zeugen gewandt:]


Haben Sie die Stelle gefunden?

Sehen Sie sich bitte das Dokument an. Jodl, bitte nehmen Sie das Dokument zur Hand, und sehen Sie, ob es richtig verlesen wurde.

VORSITZENDER: Kommt es nicht richtig durch? Warten Sie einen Augenblick.

PROF. DR. EXNER: Ich wollte das Gericht nur darauf hinweisen, daß die Übersetzung und die Übertragung zu uns so schlecht ist, daß ich fast nichts verstanden habe. Ich höre immer nur die halbe Frage. Mich wundert nur, daß der Angeklagte überhaupt hat antworten können.


VORSITZENDER: Verstehen Sie jetzt besser? Kommt die Übersetzung jetzt besser durch?


PROF. DR. EXNER: Ich habe den Eindruck, daß die Übersetzung selbst schlecht ist, nicht nur die technische Übertragung. Man versteht oft die Frage nicht. Die Frage ergibt keinen Sinn, wie mir eben auch mein Kollege Stahmer bestätigt. Darum tun wir uns schwer.


VORSITZENDER: Gut, wir wollen jetzt fortfahren; vielleicht wird es jetzt besser gehen.


OBERST POKROWSKY: Ich möchte, daß Sie noch den einen Satz durchlesen. Das ist die Stelle, in der Warlimont sagt, wem die Durchführung dieser Aufgaben aufgetragen wurde und wie die Offiziere darauf reagierten. Er sagt aus:

»Jodl überraschte uns mit dieser Mitteilung...«

Es ist dieselbe erste Seite, ungefähr in der Mitte. Haben Sie es gefunden?

JODL: Ich habe nur den Satz nicht gefunden, den Sie eben vorgelesen haben.

»Jodl überraschte uns...«


OBERST POKROWSKY: Dann werde ich mit dem vorhergehenden Satz beginnen; vielleicht wird das für Sie leichter:

[563] »Außer mir hat er auch den drei höheren Offizieren befohlen, zu erscheinen... dem Oberst von Loßberg, Oberstleutnant... von Falkenstein und Kapitän Junge...«

Haben Sie es gefunden?

JODL: Ja.

OBERST POKROWSKY:

»Jodl überraschte uns mit dieser Mitteilung, auf die wir gar nicht vorbereitet waren.«

Und dann heißt es etwas weiter unten:

»Jodl erklärte, daß sich der Führer für die Vorbereitung des Krieges gegen Rußland entschieden hätte. Der Führer begründete dies damit, daß der Krieg mit Rußland früher oder später kommen müsse und daß es besser sei, diesen Feldzug in Verbindung mit dem jetzigen Kriege durchzufüh ren...« und so weiter.

Haben Sie die Stelle gefunden?

JODL: Jawohl, das habe ich.

OBERST POKROWSKY: Jetzt möchte ich, daß Sie noch einen Absatz auf der ersten Seite des Dokuments USSR-476, das man Ihnen eben gegeben hat, durchlesen. Es ist die Stelle, Jodl, welche Sie bereits angefangen hatten zu lesen und bei der ich sagte, wir werden später darauf zurückkommen.

Keitel wurde gefragt, ob er etwas von dieser Konferenz wisse, und er sagte:

»Mir ist nichts darüber bekannt« – von einem Angriff auf die Sowjetunion –. »Ich habe davon erstmalig nach meiner Inhaftierung gehört.«

Haben Sie die Stelle gefunden?

JODL: Ich habe das nicht mehr, aber ich erinnere mich, ich habe das vorhin gelesen.

OBERST POKROWSKY: Ich möchte, daß Sie dieses Dokument vor sich haben. Wir wollen keine Unklarheiten. Sehen Sie, daß er weiter unten davon spricht, Sie hätten ihm auch später von dieser Stabsbesprechung keine Mitteilung gemacht? Stimmt das? Bestätigen Sie dies oder nicht? Hat Keitel richtig ausgesagt?


JODL: Eine Konferenz gibt es überhaupt in diesem militärischen Rahmen nicht; die gibt es im parlamentarischen Rahmen oder in Zivil. Bei uns gibt es keine Konferenzen. Meine Generalstabsoffiziere sprach ich, so oft es mir beliebte. Es ist infolgedessen...


OBERST POKROWSKY: Entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche. Sie können später hinzufügen, was Sie sagen wollten. Ich möchte eine direkte Antwort auf meine Frage haben. Hat Keitel [564] richtig ausgesagt, daß Sie ihm von dieser Besprechung nichts gemeldet haben? Stimmt das oder nicht?


JODL: Von der Besprechung selbst habe ich ihm sicher nichts gemeldet, das spielte auch gar keine Rolle. Aber von dem, was mir der Führer sagte, glaube ich bestimmt, daß ich es ihm gemeldet habe, denn das war ja eine wichtige Angelegenheit; und er hat später wegen dieser Angelegenheit eine Denkschrift geschrieben. Also hat er sicher was davon erfahren. Aber das ist ja auch nur eine Vermutung, die ich damit ausspreche, eine ziemlich sichere Vermutung.


OBERST POKROWSKY: Gut, ich bin mit Ihrer Antwort vollauf zufrieden. Zum Schluß meiner ersten Gruppe von Fragen möchte ich Ihnen jetzt noch die letzte Frage in dieser Angelegenheit stellen:

Sind Sie nicht der Ansicht, daß nur der Stellvertreter des Chefs des OKW und nicht ein beliebiger Mitarbeiter selbständig und ohne Wissen Keitels, ohne seine Weisung, ohne ihm – wenn auch post factum – Bericht zu erstatten, solche Entscheidungen treffen konnte, wie die Vorbereitung eines Angriffsplanes auf ein fremdes Land? Haben Sie mich verstanden?


JODL: Wörtlich habe ich Sie verstanden, dem Sinne nach nicht. Erstens haben Sie eine falsche Behauptung in Ihre Frage gelegt. Sie haben nämlich behauptet, ich hätte die Vorbereitung des Angriffs auf ein neutrales Land dem Feldmarschall Keitel nicht gemeldet. Das ist eine Behauptung von Ihnen, die ich gestern unter Eid bereits widerlegt habe. Es drehte sich nicht um den Angriff auf die Sowjetunion bei dieser Besprechung; es drehte sich um die Abwehr eines sowjetischen Angriffs auf das rumänische Ölgebiet; und das liegt im Dokument C-170, im Tagebuch der Kriegsmarine, dokumentarisch fest.


OBERST POKROWSKY: Ist das alles, was Sie zu dieser Frage sagen wollten?


JODL: Ich glaube, daß das genügend ist.


OBERST POKROWSKY: Ich möchte mit Ihnen nicht streiten; aber ich will nur sagen, daß wir zwei Beweise haben, die sich mit dieser Besprechung befassen. Erstens Ihre Aussage, in der Sie die Tatsache der Vorbereitung eines Planes zum Angriff auf die Sowjetunion leugnen, und zweitens die Aussage eines anderen Teilnehmers an der Besprechung, Warlimont, welcher unumwunden erklärt, daß man sich gerade mit der Vorbereitung des Planes für den Angriff auf die Sowjetunion befaßte und daß diese Weisung alle in Erstaunen setzte.

Ich werde mich mit dieser Frage nicht weiter beschäftigen, möchte aber fragen...


[565] JODL: Ich könnte den Unterschied erklären, wenn es Sie interessiert.


OBERST POKROWSKY: Nein, es interessiert mich jetzt nicht.

Wäre es richtig zu sagen, daß Sie der führende oder einer der führenden Stabsoffiziere Hitler-Deutschlands waren, die sich mit der Vorbereitung der Maßnahmen zum Angriff auf die Sowjetunion schon seit Sommer 1940 beschäftigten?

Darauf möchte ich gern Ihre Antwort hören. Ist Ihnen die Frage klar?


JODL: Die Frage ist klar. Die Antwort darauf lautet: Ich war wahrscheinlich der erste, der von den Sorgen des Führers bezüglich der politischen Einstellung Rußlands erfahren hat. Ich war aber nicht der erste, der Vorarbeiten für einen Angriff auf die Sowjetunion gemacht hat. Ich habe zu meiner Überraschung durch den Zeugen Paulus hier erfahren, daß lange bevor wir überhaupt uns befehlsmäßig mit so etwas befaßten, im Generalstab des Heeres Angriffsentwürfe bearbeitet wurden. Woher das kommt, kann ich mit absoluter Bestimmtheit nicht sagen. Vielleicht weiß es der Generaloberst Halder. Ich kann nur eine Vermutung ausdrücken.


OBERST POKROWSKY: Vermutungen interessieren uns wenig. Wir beschäftigen uns lieber mit Tatsachen. Sie haben vorgestern, am 5. Juni, erklärt, daß der Angriff auf die Sowjetunion, durch welchen Deutschland seinen Nichtangriffsvertrag mit der Sowjetunion brach, den Charakter eines Präventivkrieges hatte. Das haben Sie doch gesagt?


JODL: Ja, das habe ich behauptet. Es war ein Präventivkrieg.


OBERST POKROWSKY: Sehr gut, das ist Ihre Ansicht. Erinnern Sie sich an die Aussagen von Milch, Raeder, Göring, Paulus und Keitel, daß sie alle gegen einen Angriff auf die Sowjetunion waren?

Ich werde Ihnen einen Satz aus den Aussagen Keitels hier vor dem Gerichtshof vorlesen, damit Sie sich leichter daran erinnern können. General Rudenko, der Hauptankläger für die Sowjetunion, stellt beim Kreuzverhör Keitels folgende Frage:

»Sie haben ebenfalls erklärt, daß Sie Hitler aufsuchten, um ihm den Vorschlag zu machen, er möge seine Pläne hinsichtlich der Sowjetunion ab ändern. Stimmt das?«

Antwort Keitels:

»Ja, nicht nur abändern, sondern diesen Plan fallen lassen und keinen Krieg gegen die Sowjetunion zu führen.«

Können Sie sich an diese Aussage Keitels erinnern?

JODL: Ja, ich erinnere mich. Ich kenne auch die Denkschrift.

[566] OBERST POKROWSKY: Sehr schön. Finden Sie es nicht sonderbar, daß ein Mann – in diesem Falle Sie selbst –, der auf jede Art und Weise bestrebt ist, sich von der Tatsache loszusagen, daß er der Stellvertreter Keitels war, vor Hitler und hier vor dem Gerichtshof behauptet, daß er über die Sachlage besser als Keitel informiert war und deshalb es wagen konnte, Behauptungen aufzustellen, die den Auffassungen Keitels, Paulus', Raeders, Görings und Milchs widersprachen?


JODL: Das habe ich nicht verstanden.


OBERST POKROWSKY: Ich werde es gern genauer erklären. Keitel hat anscheinend keine Notwendigkeit für einen – wie Sie es nennen – Präventivkrieg gesehen. Auch alle, deren Aussagen ich aufgeführt habe, haben ebenfalls keinen Grund für die Durchführung eines sogenannten Präventivkrieges gesehen. Sie glaubten nicht, daß die Sowjetunion Deutschland angreifen wollte. Sie haben jedoch behauptet, daß der Krieg präventiver Art war.

Haben Sie jetzt meine Frage verstanden?


JODL: Jawohl, jetzt habe ich sie verstanden.


OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Wollen Sie darauf eine Antwort geben?


JODL: Ja, ich kann eine Erklärung dafür geben. Erstens ist es nicht sicher, welche Stellung der Feldmarschall Keitel im Februar 1941 zu dieser Frage eingenommen hat. Zweitens, der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine und der Oberbefehlshaber der Luftwaffe, bei allem Respekt vor den beiden Persönlichkeiten, sahen das Gesamtproblem doch im wesentlichen nur vom Standpunkt der luftstrategischen oder seestrategischen Lage aus, und sahen von seiten der russischen Luftwaffe und von seiten der russischen Kriegsmarine gar keine Gefahr. Was sich an Land abspielte, das interessierte sie naturgemäß weniger, und so ist es zu erklären, daß der Hauptwiderstand von Marine und Luftwaffe geleistet wurde und daß in diesem Falle das Heer sehr viel mehr geneigt war, die Riesengefahr zu sehen, die vor ihm stand. Aber es gibt trotzdem keinen Menschen – mich eingeschlossen – der den Führer nicht ungeheuerlich eindringlich vor diesem Experiment gewarnt hat, das man wirklich nur, unternehmen darf, wenn es gar keinen anderen Ausweg gibt; ich will mich nicht vermessen zu beurteilen, ob es nicht vielleicht eine politische Möglichkeit gegeben hätte, die man nicht ausgeschöpft hat. Das kann ich nicht beurteilen.


OBERST POKROWSKY: Gut. Ich bin mit Ihrer Antwort zufriedengestellt und besonders damit, daß Sie den Bruch dieses Vertrages und den Angriff auf die Sowjetunion mit dem Wort »Experiment« charakterisieren. Sehen Sie sich bitte das Dokument...


[567] VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Sie sollten derartige Bemerkungen nicht machen. Sie müssen Fragen stellen und nicht Kommentare abgeben.


OBERST POKROWSKY: Meine Bemerkung steht im Zusammenhang mit meiner nächsten Frage, Herr Vorsitzender.


[Zum Zeugen gewandt:]


Sehen Sie sich das Dokument 865-PS an! Haben Sie das Dokument?

JODL: Das Dokument habe ich, ja.

OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Auf die Frage Ihres Verteidigers haben Sie geantwortet, daß Lammers Sie ganz zufällig als Rosenbergs Mitarbeiter bezeichnet habe. Vor Ihnen liegt ein kurzes Dokument, welches ich gleich vorlesen werde. Das Dokument ist von Keitel unterschrieben; es ist eine Geheime Kommandosache vom 25. April 1941. Es ist an Rosenberg »eigenhändig« gerichtet. Der Brief lautet wie folgt:

»Der Chef der Reichskanzlei hat mir eine Abschrift des Führererlasses, mit dem der Führer Sie zu seinem Beauftragten für die zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes bestellt hat, zugeleitet. Mit der Bearbeitung dieser Fragen von seiten des Oberkommandos der Wehrmacht habe ich den Chef des Wehrmachtführungsstabes, General der Artillerie Jodl, sowie als dessen Vertreter den Generalmajor Warlimont beauftragt. Ich darf bitten, mit diesem allein seitens Ihrer Dienststelle verkehren zu wollen. Heil Hitler. Ihr sehr ergebener gezeichnet Keitel.«

Was werden Sie angesichts dieses Dokuments auf die Frage antworten? Erinnern Sie sich, daß Sie und Warlimont als Ihr Vertreter vom Oberkommando der Wehrmacht schon im April 1941 beauftragt wurden, sich mit den praktischen Problemen der Hitlerschen Expansion nach dem Osten gemäß den Richtlinien des Stabes Rosenberg zu beschäftigen?

Haben Sie meine Frage verstanden?

JODL: Alles, was zu dieser Formalität zu sagen ist, habe ich gestern dem Gericht bereits gesagt. Der Minister Lammers hat an sämtliche Reichsministerien genau denselben Wortlaut dieses Schreibens gerichtet. Er hat jedes Ministerium gebeten, einen Beauftragten und einen Stellvertreter zu ernennen. Daraufhin hat der Feldmarschall Keitel hier selbstverständlich die zwei Offiziere genannt, die im Hauptquartier waren. Gearbeitet habe ich mit Rosenberg nie – war auch nicht notwendig –, außer einer einzigen Besprechung, die ich gestern auch erwähnt habe. Nur meine Propagandaabteilung hat die Flugblätter mit dem Ostministerium [568] besprochen – ganz selbstverständliche Dinge, die jeder Soldat ohne weiteres versteht.

OBERST POKROWSKY: Da fällt mir eben ein, was die Soldaten betrifft: Sie behaupten hartnäckig, daß Sie sich nur mit militärischen Einsatzfragen beschäftigten und mit politischen Fragen nichts zu tun hatten. Habe ich Sie richtig verstanden?


JODL: Auch diese Erläuterung habe ich gestern schon gegeben; soweit nicht die Politik ein Bestandteil der Strategie ist. In gewissem Maße floß sie natürlich mit hinein; denn es gibt ohne Politik keine Strategie. Sie ist ein Bestandteil der Strategie. Aber da ich nicht der Stratege war, sondern nur der Generalstabsoffizier dafür, so hatte ich nicht direkt damit zu tun.


OBERST POKROWSKY: Sie beschäftigten sich nicht damit? Sie werden sich jetzt das Dokument USSR-477 ansehen! Ich möchte Sie fragen, ob Sie auf der letzten Seite dieses Dokuments Ihre eigene Unterschrift finden?


JODL: Jawohl, die Unterschrift sehe ich.


OBERST POKROWSKY: Es ist eine Weisung für die Propagandaorganisation im Zusammenhang mit dem Fall »Barbarossa«. Nicht wahr?


JODL: Ja.


OBERST POKROWSKY: Werden Sie nun bestreiten, daß in dieser von Ihnen herausgegebenen Weisung die klare Frage gestellt ist, daß die USSR als souveräner Staat vernichtet werden sollen; haben Sie das als eine rein militärische Frage angesehen? Sie, ein Offizier des Generalstabs, sollten an politischen Dingen nicht interessiert gewesen sein?


JODL: Ich habe die Stelle nicht gefunden, wo Rußland zerstört werden soll.


OBERST POKROWSKY: Sie haben recht, wenn Sie auf die Ausdrucksweise aufmerksam machen wollen. Es ist dort nicht gerade mit diesen Worten gesagt. Ich spreche vom allgemeinen Sinn dieser Anweisung. Bitte, sehen Sie sich besonders Punkt d der Anweisung an:


JODL: Ja, aber ich kenne das Dokument.


OBERST POKROWSKY: Ich werde einen Satz verlesen:

»Propagandatendenzen, die auf den Zerfall der Sowjetunion in Einzelstaaten gerichtet sind, dürfen zunächst nicht zur Anwendung gebracht werden«.

Es folgen einige technische Bemerkungen, und dann heißt es in dem gleichen Absatz:

[569] »Unbeschadet dessen müssen jedoch die Ausdrücke ›Rußland‹, ›Russen‹, ›russische Wehrmacht‹ und so weiter vermieden und durch ›Sowjetunion‹, ›Völker der Sowjetunion‹, ›Rote Armee‹ und so weiter ersetzt werden.«

Haben Sie diese Stelle gefunden?

JODL: Jawohl.

OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Was wollen Sie sagen, wenn Sie sich überhaupt dazu äußern wollen?


JODL: Ja, sicher will ich dazu was sagen.


OBERST POKROWSKY: Bitte!


JODL: Wie aus der Überschrift hervorgeht, dreht es sich bei dieser Weisung um die Handhabung der Propaganda. Nun waren wir in der Propaganda gegenüber der Sowjetunion und gegenüber den Angelsachsen ohnehin Waisenknaben. Aber, daß die Propaganda erstens etwas völlig Rechtliches und durch keinerlei völkerrechtliche Bestimmungen Eingeschränktes ist, das wissen Sie vielleicht. Es ist darüber einmal lange in Genf debattiert worden, und man hat es abgelehnt, irgendeine Einschränkung der Propaganda völkerrechtlich festzulegen; das habe ich in der Vorvernehmung schon gesagt: Propagandistisch kann ich tun und lassen, was ich mag. Eine Strafrechtlichkeit weder kriminell noch völkerrechtlich gibt es da nicht. Vielleicht wissen Sie das nicht. Diese Propaganda mußte abgestimmt sein auf die politische Direktive des Führers, und das ist hiermit geschehen. Die Propaganda kenne ich sehr genau. Ich habe sie nämlich fünf Jahre studiert, auch Ihre. Da gibt es ganz andere Propagandaanweisungen noch.


OBERST POKROWSKY: Sie haben es vorgezogen, keine direkte Antwort auf die an Sie gestellte Frage zu geben. Ich bin auch damit vollkommen zufrieden, denn ich habe Ihre diesbezügliche Stellungnahme verstanden. Jetzt mochte ich eine Antwort auf folgende Frage haben: Was hatte das Propagandaministerium mit der Herausgabe dieser Weisung zu tun? Beteiligte es sich an der Ausarbeitung dieser Direktive, oder wurde diese Direktive nur von Ihnen und dem OKW vorbereitet? Haben Sie mich verstanden?


JODL: Ja, ich habe Sie verstanden. Meine Propagandaabteilung arbeitete in Berlin. Wie sie im einzelnen in der Zusammenarbeit bei so einem Schriftstück – sowohl mit dem Minister Rosenberg wie mit dem Propagandaministerium – gearbeitet hat, kann ich im Einzelfall nicht sagen. Das könnte Ihnen aber der General von Wedel, der Chef dieser Abteilung, sagen. Ich weiß nur, daß das im Einvernehmen mit dem Ministerium Rosenberg entstanden ist; denn da legte ich immer großen Wert darauf, daß wir nicht eigene Wege gingen, sondern im Rahmen der zuständigen zivilen [570] Stellen arbeiteten. Aber es ist nur Propaganda, es ist keine Anweisung zur Zerstörung Rußlands; die Propaganda ist eine geistige Waffe.


OBERST POKROWSKY: Ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen in eine Diskussion einzutreten, was die Propaganda darstellt und ob Sie die Verantwortung für die Propaganda tragen. Wir haben noch genügend andere Fragen.

Glauben Sie nun, daß diese Direktive nach einer bestimmten Übereinkunft mit anderen Verwaltungsstellen herausgegeben wurde? Ich habe Sie so verstanden. Stimmt das? Insbesondere im Einvernehmen mit dem Stab Rosenberg?


JODL: Ja, das glaube ich sicher.


OBERST POKROWSKY: Gut. Dann werde ich zu einem anderen Fragenkomplex übergehen. Bestreiten Sie, daß sich das Dokument von der Besprechung in Hitlers Hauptquartier am 27. März 1941 mit Jugoslawien befaßt? Sie erinnern sich doch an die Besprechung?

JODL: Ja, ich erinnere mich daran.


OBERST POKROWSKY: Wollen Sie also bestreiten, daß die Dokumente über diese Besprechung und die Weisung für die Operationen gegen Jugoslawien – beide Dokumente tragen das Datum vom 28. März 1941, wurden also am nächsten Tag herausgegeben –, wollen Sie noch bestreiten, daß diese Dokumente vom Operationsstab der Wehrmacht, das heißt also, von Ihnen selbst herrührten? Wenn Sie wollen, können Sie sich das Dokument 1746-PS ansehen. Vielleicht wird es Ihnen helfen, sich an die Ereignisse zu erinnern.


VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Es ist Ihnen wohl nicht entgangen, daß dieses Thema schon von Herrn Roberts im Kreuzverhör des Angeklagten ausführlich besprochen wurde?


OBERST POKROWSKY: Herr Vorsitzender! Wenn Sie glauben, daß diese Frage schon vollständig geklärt ist, werde ich davon Abstand nehmen. Ich glaube aber, daß er, soweit ich ihn verstanden habe, die Frage in einer ganz anderen Hinsicht behandelt hat. Wenn Sie aber glauben, daß die Sache geklärt ist, werde ich die Frage zurückziehen.


VORSITZENDER: Ich weiß es noch nicht. Ich wollte Sie nur darauf hinweisen, daß diese Frage schon sehr ausführlich von Herrn Roberts behandelt wurde. Ich weiß aber nicht, welches Dokument Sie vorbringen wollen.


OBERST POKROWSKY: Ich habe den Angeklagten auf zwei Dokumente aufmerksam gemacht, Herr Vorsitzender, auf die Weisung für die Operationen gegen Jugoslawien vom 28. März, und die Niederschrift über die Besprechung. Beide Dokumente liegen dem[571] Gerichtshof vor. Wenn Sie glauben, daß diese Angelegenheit völlig geklärt ist, werde ich keine Fragen stellen. Es scheint mir jedoch noch ein Grund gegeben zu sein, die Frage zu stellen.


VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof möchte nur wissen, ob wirklich ein vollständig neuer Gesichtspunkt vorgebracht wird. Sie haben doch Herrn Roberts Kreuzverhör des Angeklagten über den Angriff auf Jugoslawien gehört. Ich kenne diese Dokumente vom 22. und 28. März nicht und weiß nicht, was Sie durch Ihre Fragen aus ihnen herausholen wollen. Wenn es wirklich etwas Neues ist, können Sie es natürlich anbringen, wenn das aber nicht der Fall ist, dann gilt die Verfügung des Gerichtshofs, daß im Kreuzverhör nicht zweimal dasselbe Thema behandelt wird.


OBERST POKROWSKY: Wenn Sie mir gestatten zu bemerken, Herr Vorsitzender, ich habe Jodl dahin verstanden, daß für ihn...


VORSITZENDER: Ich bitte darum.


OBERST POKROWSKY: Ich habe die Aussage, die Jodl bei dem Verhör durch Herrn Roberts gemacht hat, zwar dahingehend verstanden, aber es ist noch nicht ganz klar, wer eigentlich die Operation gegen Jugoslawien leitete. Nur diesen Punkt möchte ich genau geklärt haben. Wenn der Gerichtshof der Ansicht ist, daß diese Frage schon beantwortet ist, werde ich sie selbstverständlich zurückziehen.


VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof kann nicht einsehen, was an dieser Fragestellung neu ist. Wenn Sie nicht selbst darauf bestehen, weil Sie es für sehr wichtig halten, sollten Sie meines Erachtens zum nächsten Punkt Ihres Kreuzverhörs übergehen.


OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Herr Vorsitzender, ich werde fortfahren.


[Zum Zeugen gewandt:]


Ihr Verteidiger hat das Dokument L-172 dem Gerichtshof vorgelegt. Darin steht der folgende Satz, den Sie in einer Rede vor den Gauleitern am 7. November 1943 vorgetragen haben. Ich werde diesen Satz vorlesen:

»Aus diesem Dilemma des Menschenmangels heraus entstanden die Gedanken von der stärkeren Ausschöpfung der personellen Kraftreserven in den von uns beherrschten Gebieten.«

Erinnern Sie sich an das Dokument?

JODL: Ich habe die Frage nicht verstanden.

OBERST POKROWSKY: Ich werde sie wiederholen: Ihr Verteidiger hat dem Gerichtshof das Dokument L-172 vorgelegt. Es ist eine Rede, die Sie vor den Gauleitern gehalten haben.


[572] VORSITZENDER: Der Gerichtshof hätte gern Ihre Aufmerksamkeit... Was gibt's jetzt? Sie können ohne die Kopfhörer nicht hören.


[Zu Prof. Dr. Exner gewandt:]


Wollen Sie etwas sagen?

PROF. DR. EXNER: Bitte, Herr Präsident, die Übersetzung ist derart, daß wir sie einfach nicht verstehen. Es kommen halbe Sätze, die ohne Sinn sind, wenigstens soweit es unser Urteil ist. Ich glaube, das werden die anderen Herren auch finden, und der Angeklagte...

VORSITZENDER: Der Angeklagte hat kein Zeichen gegeben, daß er die Übersetzung nicht verstanden hat. Er hat niemals Einspruch erhoben, und er hat die Fragen beantwortet.


PROF. DR. EXNER: Verstehen Sie, Angeklagter?


JODL: Ich kann sagen, daß ich die Masse der Fragen im wesentlichen errate. Da ich das ganze Problem beherrsche, tue ich mir darin sehr leicht; aber eine Sicherheit habe ich nicht.


VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Wollen Sie bitte langsamer vorgehen. Sie hörten, was Dr. Exner sagte.


OBERST POKROWSKY: Ja, ich hörte es, Herr Vorsitzender. Ich fürchte jedoch, daß das Tempo meiner Fragen das Verhör beeinträchtigen wird. Aber ich werde jedenfalls versuchen, langsamer zu sprechen.


[Zum Zeugen gewandt:]


In der Rede, die Sie vor den Gauleitern am 7. November 1943 gehalten haben, sagten Sie unter anderem auch folgendes:

»Aus diesem Dilemma des Menschenmangels heraus entstanden die Gedanken von der stärkeren Ausschöpfung der personellen Kraftreserven in den von uns beherrschten Gebieten.«


VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Können Sie uns vielleicht sagen, auf welcher Seite wir das finden können? In unserem Dokumentenbuch haben wir bis jetzt kein einziges Dokument in englischer Sprache. Auch dieses Dokument haben wir nicht in englischer Sprache.

OBERST POKROWSKY: Es ist L-172, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Gerade diese Stelle, die Sie vorgelesen haben, oder ein Teil davon, wurde von Herrn Roberts gestern dem Angeklagten vorgehalten. Zweifellos verstößt das gegen unsere Bestimmungen, dasselbe Thema zweimal zu behandeln. Wir haben es bereits angezeichnet.


OBERST POKROWSKY: Verzeihen Sie, Herr Vorsitzender, ich lese diesen Satz nicht als eine Frage, sondern nur als eine einführende Bemerkung zu der Frage, die diesem Satz folgen wird. [573] Die Frage, die jetzt folgen wird, soll den Zeugen nur an diesen Satz erinnern. Der Satz selbst ist keine Frage.


VORSITZENDER: Wollen Sie bitte wiederholen, was Sie. sagten?


OBERST POKROWSKY: Sobald der Angeklagte das Beweisstück hat, werde ich die Frage stellen. Um Zeit zu sparen...

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Wir möchten wissen, welche Frage Sie stellen wollen, damit wir feststellen können, ob es nicht eine Frage ist, welche Herr Roberts bereits eingehend behandelt hat.

Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof hat Ihnen angedeutet, daß derselbe Gegenstand, der gestern behandelt wurde, nicht noch einmal behandelt werden soll. Wenn Sie neue Fragen zu stellen haben, bitte, stellen Sie sie.


OBERST POKROWSKY: Nicht eine einzige der Fragen, die ich heute dem Zeugen gestellt habe, ist eine Wiederholung früher gestellter Fragen. Deshalb fahre ich mit Ihrer Genehmigung fort und bitte den Zeugen, das Beweisstück USSR-130 anzusehen.

Aus diesen Dokumenten ist zu ersehen, daß sie mit Zustimmung des OKW herausgegeben wurden. Sie befassen sich mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in den besetzten Gebieten von Kärnten und Krain.

Haben Sie die Stelle gefunden? Haben Sie die Stelle gefunden, die ich gerade vorgelesen habe, eine Verordnung über die Einführung der Wehrpflicht in den besetzten Gebieten von Kärnten und Krain?


JODL: Ja, das Dokument beginnt mit folgendem Satz:...


OBERST POKROWSKY: Es beginnt mit folgendem Satz: »Im Einvernehmen mit dem Oberkommando der Wehrmacht...« Haben Sie das gefunden, Angeklagter?


JODL: Jawohl.


OBERST POKROWSKY: Als Chef des Wehrmachtführungsstabes mußten Sie von solchen Tatsachen, wie der Einführung der Wehrpflicht der jugoslawischen Bevölkerung – also einer Bevölkerung besetzter Gebiete – in der deutschen Armee gewußt haben. Was haben Sie zu dieser Verordnung, die eine grobe Verletzung des Völkerrechts darstellt, zu sagen?

Haben Sie meine Frage verstanden?


JODL: Ja. Dazu kann ich nur sagen, ich sehe das zum ersten Male. Ich erfahre das zum ersten Male. Ich bin ja nicht OKW. Ich bin Chef des Wehrmachtführungsstabes. Ich habe das im Kriege überhaupt gar nie gelesen.


[574] OBERST POKROWSKY: Haben Sie es jetzt gelesen? Sind Sie nicht der Ansicht, daß das eine grobe Verletzung des Völkerrechts darstellt?


JODL: Dazu müßte ich eine genauere rechtliche Untersuchung erst anstellen. Dazu bin ich aber jetzt nicht in der Lage, und für das Gericht ist das, glaube ich, auch ohne Interesse.


OBERST POKROWSKY: Am 4. Juni haben Sie in diesem Saal erklärt, die Beschlüsse der Haager und der Genfer Konvention seien Ihre Richtschnur gewesen. Man wird Ihnen gleich das Dokument 738-PS vorlegen, das dem Gerichtshof am 20. März als US-788 vorgelegt wurde.


VORSITZENDER: Das Dokument, das uns gerade übergeben wurde, hat die Nummer 638.


OBERST POKROWSKY: Ja, verzeihen Sie, Herr Präsident, die richtige Nummer ist 638-PS.


VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Ist das Dokument, das Sie dem Gerichtshof gerade vorgelegt haben, J-6? Reichen Sie das als Beweisstück ein? Legen Sie das vor?


OBERST POKROWSKY: Nein, ich lege kein neues Dokument vor. Dieses Dokument wurde schon als Beweisstück vorgelegt.


VORSITZENDER: Einen Augenblick, bitte. Beziehen Sie sich auf das Dokument Nummer 638-PS, oder beziehen Sie sich auf das Dokument J-6?


OBERST POKROWSKY: Ich beziehe mich auf das Dokument 638-PS, das als US-Beweisstück vom Gerichtshof angenommen wurde.


VORSITZENDER: Ich nicht. Ich meine das Dokument J-6. Das Dokument, das ich vor mir habe und das 638 ist, ist das jugoslawische Dokument.


OBERST POKROWSKY: Das Dokument, auf das Sie sich beziehen, Herr Vorsitzender, hat zwei Nummern: USSR-130 und ist zu gleicher Zeit J-6. Auch das zweite Dokument hat zwei Nummern.


VORSITZENDER: Mich interessiert das zweite Dokument nicht. Ich möchte nur wissen, ob Sie das erste Dokument als Beweisstück vorlegen, oder wurde es schon als Beweisstück vorgelegt?


OBERST POKROWSKY: Es wurde von der Delegation der Sowjetunion schon vorgelegt, Herr Vorsitzender.


[Zum Zeugen gewandt:]


Sie hatten wahrscheinlich jetzt Zeit genug, Herr Zeuge, das Dokument durchzulesen. Haben Sie es gelesen?

[575] JODL: Ich kenne es schon aus dem Prozeß.

OBERST POKROWSKY: Ganz richtig: Ich möchte nur daran erinnern, daß Göring zweimal die Echtheit dieses Dokuments bestätigte und nur die Richtigkeit einzelner Sätze bestritt.

Nun frage ich Sie: Wie vereinbart sich Ihre Auffassung des Völkerrechts mit der Tatsache, daß uniformierte, aus Verbrechern bestehende deutsche Banden gebildet wurden? Diesen Banden war Plündern, Morden, Brandstiften und Vergewaltigen offiziell gestattet. Sie konnten sich auch bei der Durchführung von Kriegsoperationen Übergriffe aller Art leisten.

Haben Sie meine Frage verstanden? Sie erinnern sich doch, daß solche Banden tatsächlich gebildet wurden und zu den Streitkräften des Deutschen Reiches gehörten? Erinnern Sie sich noch an die Aussagen des Zeugen von dem Bach-Zelewski am 7. Januar 1946 über besondere Brigaden, die nach diesen Grundsätzen handelten?


JODL: Ich weiß nicht, woher Sie wissen, daß das Oberkommando sein Einverständnis gegeben hat; daß das überhaupt geschehen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Das ist ja nur eine Niederschrift von irgendwelchen angeblichen Äußerungen des Reichsmarschalls. Aber ich weiß nicht, was das mit mir zu tun hat.


OBERST POKROWSKY: Ich werde Ihnen behilflich sein, damit Sie diese Tatsachen besser verstehen. Erinnern Sie sich, daß Ende 1941 und Anfang 1942 ein Sonderkommando gebildet wurde, das gegen Partisanen operieren sollte? Der erste Befehlshaber dieser Einheit war Dirlewanger. Von dem Bach-Zelewski hat am 7. Januar 1946 über ihn ausgesagt. Erinnern Sie sich daran?


JODL: Nein, daran kann ich mich nicht erinnern.


OBERST POKROWSKY: Gut. Dann werden wir das ohne Ihre Aussage beweisen. Erinnern Sie sich daran, daß verschiedene Einheiten der jugoslawischen Armee vorgeschriebene Uniformen trugen, vollständig mit Abzeichen, Divisions- und Regimentsnummern? Erinnern Sie sich noch daran? Können Sie meine Fragen verstehen?


JODL: Ich habe verstanden. Meinen Sie vielleicht das Regiment Brandenburg? Das ist mir ein Begriff.


OBERST POKROWSKY: Nein, ich meine etwas anderes.

Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß Einheiten der jugoslawischen Armee, obgleich sie jene Kennzeichen, die Sie hier aufzählten, als Sie von Banden sprachen, nicht hatten, in allen amtlichen Dokumenten des deutschen Oberkommandos als Banden bezeichnet wurden, um alle möglichen Bestialitäten diesen Leuten gegenüber zu rechtfertigen. Nur im streng geheimen Briefwechsel zwischen einzelnen deutschen Offizieren und Stäben wurde die [576] richtige Bezeichnung der verschiedenen Divisionen, Brigaden und Regimenter genannt. Vielleicht wollen Sie auch dies als Beachtung des Völkerrechts durch das deutsche Oberkommando hinstellen. Haben Sie mich verstanden?


JODL: Ich habe Sie gut verstanden, ja.


OBERST POKROWSKY: Wollen Sie etwas antworten?


JODL: Ja, ich kann nur antworten, diese Behauptung von Ihnen ist unwahr. Wir haben diese...


OBERST POKROWSKY: Ich möchte, daß Sie so kurz wie möglich antworten.


JODL: Ja, das war doch sehr kurz. Wir haben die jugoslawischen Banditen aus propagandistischen Gründen zwar Stets als Banden bezeichnet; wir haben aber in der Praxis die uniformierten Kämpfer stets als Kriegsgefangene behandelt. Es gibt keinen Befehl, der das verhindert hätte, sonst wären nicht so viele Gefangene vorhanden gewesen.


OBERST POKROWSKY: Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie die Frage der Kriegsgefangenen angeschnitten haben. Sie haben unter Eid gesagt, daß es keinen Befehl gab, der verbot, Gefangene zu machen. Erinnern Sie sich an Ihre eigene Aussage?


JODL: Nein, es gibt keine völkerrechtlichen Regelungen gegenüber einer Rebellion; die gibt es nicht.


OBERST POKROWSKY: Nein. Ich bitte Sie, nur zu bestätigen, ob ich Ihre damaligen Aussagen dem Gerichtshof richtig wiedergegeben habe. Sie erklärten vor dem Gerichtshof, daß es keinen Befehl gab, keine Kriegsgefangenen zu machen. Haben Sie das vor dem Gerichtshof ausgesagt oder nicht.


JODL: Es ist nicht wörtlich meine Aussage, was Sie hier vorgebracht haben.


OBERST POKROWSKY: Einen Augenblick bitte! Wir werden über die von mir eben erwähnte Sache noch besonders sprechen. Zunächst sollen Sie mir folgendes sagen: Sie haben vor dem Gerichtshof unter Eid ausgesagt, daß es in der Deutschen Wehrmacht keinen Befehl gab, der es verboten hätte, Kriegsgefangene zu machen? Haben Sie diese Aussage gemacht? Haben Sie mich verstanden?


JODL: Ich glaube, mich zu erinnern. Ich kenne keine derartige Anordnung, daß keine Kriegsgefangenen zu machen seien.


OBERST POKROWSKY: Jawohl. Nun noch eine andere Sache, die Sie mir helfen sollen klarzustellen. Im Protokoll erscheint ein Satz, nach dem Sie es für ungebührlich gehalten haben, einen Kriegsgefangenen zu verhören, wenn schon die Entscheidung getroffen war ihn zu erschießen. Stimmt das?


[577] JODL: Ja, ich habe hier ausgesagt, daß ich diesen Satz moralisch und menschlich ablehne.


OBERST POKROWSKY: Jawohl. Sagen Sie mir bitte folgendes: Erinnern Sie sich daran, daß es im deutschen Heer die 4. Gebirgsdivision gab? Sie standen, glaube ich, einige Zeit in direkter Verbindung mit ihr. Gab es eine solche Division oder nicht?


JODL: Daran, daß es vier Gebirgsdivisionen gab, erinnere ich mich nicht; es gab viel mehr.


OBERST POKROWSKY: Ich spreche nicht von vier Divisionen. Sie haben eine unrichtige Übersetzung bekommen. Ich fragte Sie, ob Sie sich daran erinnern, daß es eine 4. Gebirgsdivision gab?


JODL: Das wußte ich sicher; deren Kommandeur wollte ich nämlich werden.


OBERST POKROWSKY: Jawohl. In diesem Falle werden Sie sich vielleicht auch erinnern, daß es einen verantwortlichen Offizier der deutschen Armee namens Kübler gab. Er operierte in Jugoslawien.


JODL: Es gab zwei Kübler, einen älteren und einen jüngeren Kübler.


OBERST POKROWSKY: Ich bin am Generalmajor Kübler Interessiert. Ich frage nicht, wer Keitel war, das wissen Sie besser als ich.


VORSITZENDER: Sollen wir uns jetzt für ein paar Minuten vertagen?


[Pause von 10 Minuten.]


OBERST POKROWSKY: Angeklagter Jodl! Jetzt werden wir uns mit zwei Dokumenten beschäftigen. Ich bitte Sie, das Dokument USSR-132 vorzunehmen. Das ist eine Weisung an die 118. Jägerdivision. Haben Sie das Dokument?

JODL: 118. Jägerdivision.


OBERST POKROWSKY: Sie lautet:

»Richtlinien über das Verhalten der Truppe im Einsatz.«

Absatz 2:

»Gefangene: Wer sich offenbar am Kampf gegen die Deutsche Wehrmacht beteiligt hat und gefangen wird, ist nach Vernehmung zu erschießen.«

Steht es dort so? Hören Sie mich?

JODL: So ähnlich heißt es in dem einen Satz. Aber ich möchte das ganze Dokument haben. Aus einem Satz ist nichts zu entnehmen. Entscheidend ist, was dem vorangeht. Das steht nicht hier.

OBERST POKROWSKY: Die Überschrift lautet:

»Richtlinien über das Verhalten der Truppe im Einsatz.«

[578] Nun zum zweiten Dokument. Es trägt den Stempel des IV. Gebirgsregiments und ist datiert vom 6. Oktober 1943. Darin befinden sich handgeschriebene Weisungen Keitels, wie Gefangene behandelt werden sollen. Ich bitte, Ihre Aufmerksamkeit Absatz 3 zuzuwenden; dort heißt es im zweiten Teil dieses Absatzes:

»... sind Befehlshaber zumindest im Range von Divisionskommandeuren bevollmächtigt anzuordnen, daß niemand gefangengenommen wird, das heißt, daß die Gefangenen und die Bevölkerung im Kampfgebiet erschossen werden darf.«


VORSITZENDER: Einen Augenblick, bitte. Die Übersetzung kam anscheinend nicht richtig durch. Vielleicht sprechen Sie zu schnell. Ich hörte es zwar richtig, aber ich glaube nicht, daß die Angeklagten es richtig gehört haben.

Würden Sie bitte die Frage wiederholen.


OBERST POKROWSKY: Im Absatz 3 des an das IV. Gebirgsregiment herausgegangenen Dokuments heißt es...


VORSITZENDER: Haben Sie uns die Nummer angegeben?


OBERST POKROWSKY: Ja, Herr Vorsitzender, es ist das Dokument USSR-470 oder J-127. Es hat zwei Nummern.


[Zum Zeugen gewandt:]


Haben Sie Absatz 3 gefunden, Angeklagter Jodl?

JODL: Ja, nur kann man das unmöglich als ein Dokument bezeichnen. Das ist kein Dokument.

OBERST POKROWSKY: Es ist ein Dokument, wie man die Gefangenen behandeln soll. Ich weiß nicht, was Sie darüber denken, aber mir ist es ganz klar.


JODL: Es ist aber kein Originaldokument. Es ist eine Phantasiedarstellung einer Übersetzung. Jeder Soldat würde das sofort in den Papierkorb werfen. Das ist eine Fälschung. Aber ich erkenne, daß es vielleicht nur an der törichten Übersetzung liegt. Hier steht für meinen Verstand nur lauter Unsinn drin. Der Kopf lautet IV. Gebirgsregiment. Das »vierte« ist römisch geschrieben; das wird bei uns arabisch geschrieben. Niemals heißt es Gebirgsregiment. Es heißt dann:

»Die Kommandeure der IV. Gebirgsdivision, Abtl. Ic, stellte unter Nummer... folgendes zu.«

Das ist alles Unsinn, barer Unsinn, das ist kein Dokument, das ist ein Fetzen Papier.

OBERST POKROWSKY: Ich bin für die Übersetzung nicht verantwortlich.

[579] VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte gern das Original dieser Dokumente sehen. Die Dokumente sind anscheinend als USSR-132 und USSR-470 vorgelegt worden. Ist USSR-470 ein neues Dokument?


OBERST POKROWSKY: Nein, Herr Vorsitzender, dieses Dokument wurde bereits vorgelegt. Das Original ist im Protokoll enthalten. Ich lege jetzt nur eine Kopie der Übersetzung vor, über die wir verfügen. Beide Originaldokumente wurden kürzlich vorgelegt. Wenn es unbedingt notwendig ist, können wir diese Originale wieder beschaffen und sie nochmals vorlegen.


VORSITZENDER: Ein Sekretär des Gerichtshofs erklärt, daß das Dokument USSR-470 bisher noch nicht als Beweisstück vorgelegt wurde. Sind Sie dessen sicher?


OBERST POKROWSKY: Vielleicht ist hier ein technischer Fehler unterlaufen. Mir hat man gesagt, daß es bereits vorgelegt ist. Wir. werden die Sache gleich gründlich nachprüfen. Herr Vorsitzender, das zweite Dokument haben Sie, soviel ich weiß, im Original vorliegen.


JODL: Ich kann zur Aufklärung etwas beitragen.


VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof ist sich im Zweifel über die Zulässigkeit des Dokuments 470. Können Sie uns ganz genau sagen, worum es sich bei diesem Dokument handelt und unter welchem Gesichtspunkt es jetzt als Beweismittel vorgelegt wird? Woher kommt das Dokument, und worum handelt es sich dabei?


OBERST POKROWSKY: Auf die letzte Frage kann ich Ihnen eine ganz genaue Auskunft geben. Aber auf die erste Frage kann ich erst später antworten, da gerade Nachforschungen deshalb angestellt werden.

Auf der zweiten Seite des Dokuments 470 befindet sich unten eine eidesstattliche Versicherung.

»Es wird hiermit bestätigt, daß diese Abschrift genau dem Originaldokument entspricht, welches im Laufe der militärischen Operationen im Juni 1944 seitens der Jugoslawischen Nationalbefreierischen Armee in Pakrac beschlagnahmt wurde. Das Original wird im Archiv der Staatlichen Kommission zur Feststellung der Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfer in Belgrad verwahrt.«

Es ist vom 4. Januar 1946 in Belgrad datiert und vom Präsidenten der Staatskommission, Universitätsprofessor Dr. Nedeljkovic, unterschrieben.

Ich will jetzt feststellen lassen, ob es bereits vorgelegt wurde, durch welches Mitglied der Sowjetischen Delegation und unter welchem Datum. Wenn dieses Dokument noch nicht vorgelegt wurde[580] – es ist ein erbeutetes Dokument in deutscher Sprache – werden wir entweder das Original, das sich in Belgrad befindet, oder eine beglaubigte Photokopie des Originaldokuments anfordern, wie es dem Gerichtshof beliebt. Wir werden es dann als Beweisstück unterbreiten.

Herr Vorsitzender! Ich habe eben eine Mitteilung erhalten, daß dieses Dokument noch nicht vorgelegt wurde. Es wird daher jetzt zum erstenmal vorgelegt; das Original werden wir zusätzlich anfordern.

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof möchte für einen Augenblick auf das Dokument USSR-132 zurückkommen, welches, wie ich höre, bereits als Beweisstück vorgelegt sein soll. Der Gerichtshof möchte das Original dieses Dokuments sehen, weil die uns vorliegende Abschrift nur zwei Absätze enthält. Diesen Standpunkt nahm auch der Angeklagte Jodl ein, als er das gesamte Dokument zu sehen wünschte.

Oberst Pokrowsky! Der Gerichtshof glaubt vor allem, daß das Dokument USSR-132, das seiner Ansicht nach bereits als Beweisstück angeboten wurde, dem Angeklagten vollständig vorgelegt werden sollte, damit er Erklärungen dazu abgeben kann. Bezüglich des Dokuments 470, das Sie nun zum Beweis anbieten, ist der Gerichtshof der Meinung, daß Sie das Kreuzverhör darüber fortsetzen sollten, vorbehaltlich einer baldigen Vorlage des Originals oder der Photokopie des Originals und unter Vorbehalt des Rechtes des Verteidigers des Angeklagten, die Streichung des Kreuzverhörs zu verlangen, falls die Übersetzung in jugoslawischer Sprache, die dem Angeklagten jetzt vorgelegt oder die für das Kreuzverhör des Angeklagten verwendet wird, vom Originaldokument wesentlich abweichen sollte.

Ist das Ihnen und Dr. Exner klar?


OBERST POKROWSKY: Das wird geschehen, Herr Vorsitzender.


PROF. DR. EXNER: Herr Vorsitzender! Ich glaube, man sollte eine Besprechung dieses Dokuments vorläufig nicht zulassen, es hat allzu viele Mängel. Es kann unmöglich so stimmen. Da heißt es: »IV. Gebirgs-Regiment«. Die römische IV ist falsch. Dann heißt es weiter: »Die Kommandeure... stellte... zu...« Das ist undeutsch. Dann ist in der vierten Zeile erwähnt...


VORSITZENDER: Dr. Exner! Der Gerichtshof möchte wissen, von welchem Dokument Sie sprechen. Sprechen Sie über 470?


PROF. DR. EXNER: Jawohl. Ich will nur zeigen, daß das kein echtes Dokument sein kann, weil es ganz undeutsch ist.

So zum Beispiel in der vierten Zeile heißt es: »Abteilung Wehrmachtführungsstabe – Ob. H.« Der Wehrmachtführungsstab ist aber beim OKW, nicht aber beim Ob. H.

[581] Dann weiter: Es fehlt eine Unterschrift. Es ist zwar hier auf der ersten Seite »Keitel« unterschrieben als Generaloberst, aber er ist, wie ich höre, damals schon Feldmarschall gewesen.

Ferner gehört diese Unterschrift zu dem Zitat. Da heißt es: »Das Oberkommando der Wehrmacht stellte folgendes zu« – und nun das Zitat, zu dem Keitels Unterschrift gehört, während das Dokument selbst angeblich vom IV. Gebirgsregiment stammt, und da ist keine Unterschrift vom IV. Gebirgsregiment.

Ich glaube, es ist wirklich nicht sinnvoll, über dieses Dokument zu sprechen, bevor nicht das Original da ist.

Es heißt zum Beispiel auf Seite 2 an die Kommandeure 6, 7 und so weiter. Die Kompaniechefs sind keine Kommandeure; das hat kein deutscher Militärmann gemacht.


VORSITZENDER: Dr. Exner! Der Gerichtshof bleibt bei der Entscheidung, daß dieses Schriftstück jetzt verwendet werden kann. Eine Beanstandung der von Ihnen angeführten Punkte und eventuell noch auftretenden Unklarheiten steht Ihnen später frei, wenn das Original vorgelegt worden ist und Sie eine Streichung des Kreuzverhörs beantragen.


PROF. DR. EXNER: Ich verstehe.

VORSITZENDER: Aus Gründen der Zeitersparnis hält der Gerichtshof es für vorteilhafter, das Kreuzverhör zu diesem Dokument jetzt vorzunehmen. Es bleibt Ihnen überlassen, später eine Streichung des Kreuzverhörs zu beantragen.


PROF. DR. EXNER: Jawohl.


VORSITZENDER: Nun, Oberst Pokrowsky, hier ist das Originaldokument 132, das dem Angeklagten zur Verfügung gestellt werden sollte, falls er dazu irgendwelche Erklärungen abgeben will.


OBERST POKROWSKY: Wir werden den Anordnungen des Gerichtshofs nachkommen, Herr Vorsitzender, und das Original vorlegen.


[Zum Zeugen gewandt:]


Haben Sie sich mit dem Inhalt des Dokuments vertraut gemacht?

JODL: Es ist ein Befehl der 118. Jägerdivision, ja.

OBERST POKROWSKY: Sie zweifeln die Echtheit des Schriftstückes keinesfalls an?


JODL: Nein, das ist ein Befehl der 118. Jägerdivision, da ist kein Zweifel. Nur der Zusammenhang zwischen der 118. Jägerdivision und mir, der ist rätselhaft; aber der Befehl ist echt.


OBERST POKROWSKY: Vielleicht werden Sie jetzt zugeben, daß es sich nicht um Unsinn, sondern um eine Niederträchtigkeit handelt. Wollen Sie Ihre Aussagen in diesem Sinne erweitern?


[582] JODL: Ich habe Sie nicht verstanden.


VORSITZENDER: Angeklagter! Bei der Befragung über den zweiten Absatz des Dokuments USSR-132 erklärten Sie, daß Ihnen nicht das vollständige Dokument vorliege. Sie haben nun das vollständige Dokument.


JODL: Das habe ich jetzt. Ich habe das ganze Dokument. Der ganze Befehl von Kübler ist, wenn ich ein Urteil darüber abgeben soll, meiner Ansicht nach durchaus in Ordnung. Die Zweifel, die offenbar der Herr Ankläger hat, beziehen sich auf den Punkt 2. Da heißt es:

»Wer sich offenbar am Kampf gegen die Deutsche Wehrmacht beteiligt hat und gefangen wird, ist nach Vernehmung zu erschießen.«

Das dreht sich natürlich nicht um die normalen Truppen, sondern es dreht sich um die Bevölkerung. So nehme ich an.

Und der Paragraph 8 lautet:

»Verhalten gegenüber der Bevölkerung:«

Das ist völkerrechtlich auch in Ordnung. Er unterscheidet zwischen Verhalten gegen feindliche Bevölkerung und Verhalten gegen friedliche Bevölkerung.

OBERST POKROWSKY: Ist das alles, was Sie zu sagen haben?

JODL: Ja, aber wie gesagt, ich verstehe den Zusammenhang zwischen einem Befehl von Generalmajor Kübler und mir nicht, den verstehe ich nicht.


OBERST POKROWSKY: Geben Sie zu, daß die Frage der Behandlung der Bevölkerung getrennt wurde und im Absatz 8, einem selbständigen Absatz, behandelt wird? Ist das richtig? Sie haben gerade darauf Bezug genommen.


JODL: Ja, Absatz 8 erwähnt, welche Behandlung gegen die Zivilbevölkerung angewandt werden sollte.


OBERST POKROWSKY: Ihre Antwort genügt mir. Lassen Sie uns zu einer anderen Fragengruppe übergehen.


VORSITZENDER: Einen Augenblick, bitte.


JODL: Aber ich wollte gern mit Erlaubnis des Gerichts meinen Einspruch...


VORSITZENDER: Einen Augenblick! Angeklagter, wollen Sie sagen, daß der Befehl selbst einen Hinweis enthält, daß die Gefangenen, von denen im Absatz 2 die Rede ist, keine normalen Truppen sind, wie Sie es nannten?


JODL: In dieser Hinsicht ist der Absatz unklar. Aber gerade das nächste Dokument, das der Herr Ankläger vorgelegt hat, könnte vielleicht einen Beweis dafür geben, welche anderen Befehle [583] erlassen worden sind. Ich halte es aber für ausgeschlossen, daß Kübler einen Befehl gegeben hat, die im offenen Kampf gefangenen jugoslawischen Truppen zu erschießen. Das ist ganz ausgeschlossen, und wenn er das getan hätte, dann hätte er es wider den Befehl des deutschen OKW getan. Aber wie kann ich mich zu einem Befehl des Generalmajors Kübler äußern? Am besten frägt man ihn selbst, er existiert ja.


VORSITZENDER: Nun, dann ist also Ihre Antwort auf meine Frage verneinend. Es ist also nichts in dem Befehl selbst enthalten, woraus hervorgehen würde, daß die im Absatz 2 erwähnten Gefangenen keine normalen Truppen waren?


JODL: Das kann man aus dem Wortlaut dieses Befehls nicht entnehmen.


VORSITZENDER: Vielleicht sollte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Worte »Richtlinien über das Verhalten der Truppe im Einsatz« lenken.

Jedenfalls ist das Ihre Antwort auf das gesamte Dokument?


JODL: Darf ich bitten, nochmals das Original zu bekommen? Ich habe nur eine Abschrift.


[Das Dokument wird dem Angeklagten übergeben.]


VORSITZENDER: Haben Sie nun das Originaldokument? Wollen Sie Ihrer Antwort noch etwas hinzufügen?

JODL: Ich wollte nur noch hinzusetzen, wenn man sich schon mit dem Generalmajor Kübler hier befaßt, daß es. nicht sicher ist, ob dieser Befehl nicht eine Spezialkampfhandlung betrifft, zum Beispiel die Säuberung irgendeines bestimmten Gebietes von Banden, die in diesem Augenblick nicht als reguläre Truppen angesehen wurden, sondern als ein Aufstand der Bevölkerung. Das wäre möglich.

Aber alle diese Fragen kann ich nicht beantworten, weil ich ja nicht der Generalmajor Kübler bin.


VORSITZENDER: Sie können nun auf 470 übergehen.


JODL: Ich würde das Gericht bitten, daß ich meinen Einspruch gegen dieses Dokument einer Korrektur unterziehen darf.


VORSITZENDER: Von welchem Dokument sprechen Sie?


JODL: Von USSR-470.


VORSITZENDER: Was wollen Sie dazu sagen?


JODL: Ich habe das Dokument vorhin als einen Unsinn erklärt, weil ich es im ersten Moment für einen deutschen Befehl angesehen habe. Inzwischen habe ich festgestellt, daß es sich offenbar um einen kroatischen Befehl handelt, denn er ist an drei Ustachi-Bataillone gerichtet. In diesem kroatischen Befehl, da erzählt der [584] kroatische Befehlshaber dieses Gebirgsregiments seiner Truppe, was er scheinbar von der deutschen 4. Gebirgsdivision für Anordnungen bekommen hätte, wie man die Gefangenen zu behandeln habe. Und er führt das nun zurück auf einen Befehl von Keitel, der aber falsch dargestellt ist, der aber, wenn er richtig wäre, am besten sofort dem Verteidiger des Feldmarschalls Keitel auszuhändigen wäre, denn er ist die beste Darstellung völkerrechtsmäßigen Verhaltens gegenüber den Banden in Jugoslawien, wenn er richtig ist. Also es ist kein deutscher Befehl, sondern es ist offenbar der Entwurf oder die Übersetzung eines kroatischen Befehls des IV. Gebirgsjägerregiments. Aber was das IV. kroatische Regiment auch mit dem General oder mit dem Angeklagten Jodl zu tun hat, ist mir auch rätselhaft. Das verstehe ich auch nicht.

VORSITZENDER: Fahren Sie bitte fort, Oberst Pokrowsky.


OBERST POKROWSKY: Ich frage Sie, Zeuge Jodl, wußten Sie von einer Weisung Keitels, die die Divisionskommandeure oder höheren Offiziere zu der Anordnung ermächtigte, daß niemand gefangengenommen werden solle. Wissen Sie etwas von einer solchen Anweisung?


JODL: Nein, das ist mir nicht bekannt, ist auch nicht sicher, daß das je so herausgekommen ist. Aber in bestimmten Fällen ist es völkerrechtlich zulässig.


OBERST POKROWSKY: Gut. Ich habe zu diesem Dokument keine weitere Frage mehr zu stellen. Der Verteidiger wird sicher noch Fragen stellen, wenn das Originaldokument dem Gerichtshof vorgelegt wird.

Ich gehe jetzt zur nächsten Fragengruppe über. Wenn ich mich nicht irre, haben Sie die Echtheit Ihrer sogenannten Notizen zum Plan »Grün« bestätigt, wo es um die Konstruierung eines Zwischenfalles an der tschechoslowakischen Grenze ging. Dort heißt es ganz offen, daß die Konstruierung dieses Zwischenfalles der Abwehr übertragen werden sollte. Habe ich den Sinn Ihrer Notizen richtig verstanden?


JODL: Nein, so wie ich ihn in der Übersetzung bekommen habe, ist er völlig entstellt; aber darüber ist auch schon eingehend gesprochen worden.


OBERST POKROWSKY: Um die Aufgabe der Übersetzer zu erleichtern, werde ich die Frage einfacher stellen.

Ich glaube, Sie haben die Echtheit dieses Dokuments über die Konstruierung eines Zwischenfalles bestätigt. Das ist das Dokument der Verteidigung Jodl-14.


VORSITZENDER: Ich glaube, die Übersetzung ist nicht richtig durchgekommen?


[585] JODL: Nein. Sie hat für mich keinerlei Sinn.


OBERST POKROWSKY: Ganz recht! Ich werde es wiederholen. Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie die Echtheit des Dokuments Jodl-14 nicht bestreiten?


JODL: Wenn es sich um das Schreiben von mir an den Major Schmundt handelt, so ist das absolut ein echtes Dokument, das ich geschrieben habe.


OBERST POKROWSKY: Um dies klarzustellen, möchte ich Ihnen die eine präzise Frage stellen: Bestätigen Sie, daß die Provokation, welche Sie die Konstruierung eines Zwischenfalles nennen, zwei Ziele hatte; erstens, einen Vorwand für einen Angriff auf die Tschechoslowakei zu geben und zweitens – um Ihre eigenen Worte zu gebrauchen, die wir hier am 4. Juni hörten –, die Schuld am Kriege auf einen anderen Staat zu wälzen. Hatten Sie diese zwei Ziele im Auge als Sie vorschlugen, einen Zwischenfall zuschafften? Haben Sie die Frage verstanden?


JODL: Ich habe ungefähr die Worte verstanden.


OBERST POKROWSKY: Können Sie darauf eine Antwort geben?


JODL: Ja, ich kann meine Antworten von gestern wiederholen. Ich habe...


OBERST POKROWSKY: Sie bestätigen dies?


JODL: Meine gestrige Aussage, selbstverständlich; was ich gestern gesagt habe, halte ich auch heute aufrecht.


OBERST POKROWSKY: Sehr gut. Wollen Sie bitte dem Gerichtshof alles sagen, was Ihnen über die Versorgung des Sudetendeutschen Henlein-Korps mit Waffen bekannt ist. Sie haben vor dem Gerichtshof schon kurz darüber gesprochen. Sie sagten, daß in diesem Korps eine Anzahl von Offizieren war. Erinnern Sie ach daran?


JODL: Ja, ich erinnere mich daran.


OBERST POKROWSKY: Um Ihnen zu helfen, werde ich Ihnen ein Dokument vorlegen.

Das sind die Aussagen von Karl Hermann Frank. In dieser Aussage bestätigt er, daß das Henlein-Korps eine gewisse Menge an Waffen bekommen hat. Wissen Sie etwas darüber?


JODL: Ich weiß nur von der Bewaffnung des Freikorps Henlein in dem Augenblick, als es auf deutschem Boden gebildet worden ist. Daß vorher oder ob vorher Waffen in die Tschechoslowakei für diese Sudetendeutschen eingeschmuggelt worden sind, ob es geschehen ist oder wie es geschehen ist, darüber weiß ich nichts. Damit war die Wehrmacht auch niemals befaßt, wie sie auch mit dem Freikorps Henlein nachher nicht befaßt war.


[586] OBERST POKROWSKY: Wissen Sie, welche Waffen dahin geschickt wurden? Waren sie deutschen Ursprungs?


JODL: Ich weiß von der Tatsache, daß Waffen in die Tschechoslowakei gekommen sind, gar nichts. Ich war ja kein Waffenschmuggler. Ich war Generalstabsoffizier.


OBERST POKROWSKY: Deshalb frage ich Sie ja gerade. Da Sie erklärten, Sie seien über die Bewaffnung des Freikorps Henlein informiert worden, als es auf deutschem Gebiet eintraf, trage ich Sie als Generalstabsoffizier, waren es deutsche Waffen oder nicht? Sie müssen es doch wissen?


JODL: Das Freikorps Henlein, das am 17. September in dem Raum von Hof und nördlich davon gebildet worden ist, hat meiner Ansicht nach die früheren österreichischen oder auch deutschen Waffen, ich glaube aber österreichische Waffen, bekommen. Aber mit Sicherheit weiß ich es nicht.


OBERST POKROWSKY: In diesem Falle brauchen Sie darauf nicht zu antworten. Wir können nur präzise Antworten über feststehende Tatsachen gebrauchen. Wir werden Ihnen gleich eine Photokopie der Mappe »Grün« vorlegen lassen.

Sehen Sie sich die angestrichene Stelle an. Dort ist folgendes gesagt:

»Zum Erfolg dieser Operation wird das Eindringen nach Sudetendeutschland durch Fallschirmtruppen großen Wert haben.«

Der Angeklagte Keitel hat am 6. April 1946, als er über diese Stelle des Dokuments befragt wurde, geantwortet, daß Sie die erforderliche Erklärung zu diesem Dokument geben könnten.

JODL: Zu diesem Absatz kann ich sagen, daß hier in einer Vorbereitung für einen möglichen Kriegsfall im Auftrage des Heeres eine Ziffer steht, daß man die Befestigungen rasch durchstoßen muß oder daß man sie von rückwärts öffnen muß und daß für den Erfolg die ser Zusammenarbeit, eventuell mit Luftlandetruppen, auch die Mitwirkung der sudetendeutschen Grenzbevölkerung und sudetendeutscher Überläufer von Wert sein kann; denn es war selbstverständlich eine Tatsache, daß von den Eingezogenen, sagen wir rund 100000 Deutschen, nicht einer eine Waffe auf uns gerichtet hätte, sondern auf der Stelle übergelaufen wäre. Das haben sie mir – auch in tschechischer Uniform – in ihren Briefen persönlich geschrieben. Diese Deutschen wären auf der Stelle übergelaufen. Das haben wir hier selbstverständlich erwartet und in unsere militärische Kalkulation mit einbezogen.

OBERST POKROWSKY: Ich befürchte, daß Sie die Frage nicht ganz richtig verstanden haben oder die Ihnen gestellte Frage vielleicht nicht verstehen wollten. Mich interessiert etwas anderes, [587] Angeklagter Jodl. Können Sie bestätigen, daß Sie vor dem Angriff auf die Tschechoslowakei verschiedene Ablenkungsmanöver in der Tschechoslowakei geplant hatten? Das interessiert mich. Wollen Sie bitte mit Ja oder Nein antworten?


JODL: Erstens hat überhaupt kein Angriff auf die Tschechoslowakei stattgefunden; das ist eine historische Unrichtigkeit. Zweitens handelt es sich hier um eine Generalstabsarbeit, die für einen möglichen Kriegsfall angefertigt worden ist. Dazu gibt es weiter gar nichts zu sagen.


VORSITZENDER: Das ist keine Antwort auf die Frage. Die Frage lautete, ob Sie vor dem Kriege oder vor einem möglichen Krieg ein Ablenkungsmanöver in der Tschechoslowakei planten. War das Ihr Plan? Können Sie das beantworten?


JODL: Nein, das habe ich nicht. Da müßte man Admiral Canaris tragen. Ich war mit solchen Dingen nicht befaßt.


OBERST POKROWSKY: Keitel riet uns, Sie zu befragen, und Sie raten uns, Canaris zu befragen. Gut!

Ich habe eine andere Frage: Wurde die Vereinigung aller profaschistischen Kräfte und bewaffneten faschistischen Banden in Jugoslawien, die gegen den Block der alliierten Streitkräfte kämpften, mit Ihrem Wissen durchgeführt? Oder wissen Sie nichts darüber?


JODL: Sie meinen die militärische Organisation unter Marschall Tito. Die ist mir wohl bekannt.


OBERST POKROWSKY: Nein, ich meine die Organisation einer einheitlichen Front aller profaschistischen Banden unter Führung des deutschen Oberkommandos; die Banden eines Neditsch, Michailowitsch und andere, die von Deutschland finanziert und unterstützt wurden und unter Führung des deutschen Oberkommandos standen. Wissen Sie etwas darüber oder nicht?


JODL: Ich weiß nicht, ob Sie dabei die Tschetniks im Auge haben. Die standen unter italienischer Führung. Deswegen gab es immer einen großen Krach zwischen uns und Italien. Dann gab es die Ustascha, das waren Kroaten. Aber sonstige profaschistische Banden sind mir nicht bekannt.


OBERST POKROWSKY: Gut. Wollen Sie sich jetzt das Dokument USSR-288 ansehen. Dem Gerichtshof ist dieses Dokument schon vorgelegt. Es ist die Aussage des Generals Neditsch. Zwei oder drei Sätze in diesem Dokument haben eine direkte Beziehung zu den Fragen, die ich Ihnen gestellt habe. Neditsch sagte unter Eid aus, mit wessen Hilfe und auf wessen Kosten er seine Bande organisierte und finanzierte. Er nennt die Vertreter des deutschen Oberkommandos und der Gestapo, die ihm halfen, diese bewaffneten Kräfte zusammenzustellen. Haben Sie diese Stelle gefunden?


[588] JODL: Ja, es ist richtig. Der Neditsch hat einige serbische Truppen aufgestellt. Das habe ich vorhin vergessen. Neditsch hatte eine, ich weiß nicht, serbische...


OBERST POKROWSKY: Können Sie sich daran erinnern?

JODL: Ja. Neditsch hatte eine kleine Truppe. Das ist richtig, es waren vielleicht fünf- bis sechstausend Mann. Das waren Serben.


OBERST POKROWSKY: Haben Sie dieses Unternehmen geldlich unterstützt?


JODL: Ich nicht, ich hatte kein Geld. Ich habe diese ganzen Dinge nicht veranlaßt.


OBERST POKROWSKY: Ich spreche nicht von Ihren persönlichen Mitteln, sondern den Mitteln des Deutschen Reiches.


JODL: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe mich tun Bezahlung in diesem Krieg nicht gekümmert.


OBERST POKROWSKY: Hat das deutsche Oberkommando die Organisation dieser Banden kontrolliert oder nicht?


JODL: Ich habe sie nicht organisiert. Nein. Das hat wahrscheinlich der Oberbefehlshaber Südost mit Neditsch besprochen. Aber das ist ja eine private Angelegenheit von Neditsch, ob er Serben zum Kampf zusammenrufen will.


OBERST POKROWSKY: Ich weiß nicht, ob es eine private Angelegenheit war. Aber für mich ist es wichtig, daß Sie bestätigen, daß solche Banden wirklich geschaffen wurden; wie Neditsch sie jedoch organisierte, das interessiert uns weiter nicht.


JODL: Das kann ich bestätigen. Es gab etwa 5000 bis 6000 Mann serbischen Ordnungsdienst.


OBERST POKROWSKY: Sehr gut! Jetzt wird Ihnen noch ein Dokument aus derselben Fragengruppe vorgelegt. Es ist ein offizieller Bericht der Polnischen Regierung an den Militärgerichtshof in Nürnberg. Hier finden Sie einige sehr wertvolle Mitteilungen über die Tätigkeit der Fünften Kolonne. Sie sind in Ihrem Exemplar angemerkt. Ich bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf den Absatz B zu lenken. Dort ist folgendes gesagt:

»Außer den Agenten, die aus den Reihen der jungen Leute einberufen und zur Mitarbeit mit der deutschen Zivilbevölkerung herangezogen wurden, gab es noch eine Gruppe von Leitern und Instrukteuren, die aus Offizieren bestand, welche, mit regelrechten Pässen versehen, bereits Wochen vor Ausbruch der Feindseligkeiten nach Polen kamen.«

Wissen Sie als unmittelbarer Leiter der Abteilung Abwehr, die Ihnen doch unterstand, etwas über diese Tätigkeit der Fünften Kolonne in Polen?

[589] JODL: Es sind zwei kleine Irrtümer von Ihnen, Herr Oberst. Erstens unterstand die Abwehr nicht mir, sondern sie unterstand dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Zweitens habe ich des längeren gestern ausgeführt, daß ich von den gesamten Vorbereitungen des Polenkrieges weder operativ noch auf irgendeinem anderen Gebiete überhaupt etwas weiß, weil ich Artilleriekommandeur in Wien und Brünn war. Was Canaris in dieser Zeit mit Polen gemacht hat, entzieht sich völlig meiner Kenntnis. Ich kann Ihnen leider nicht helfen.

OBERST POKROWSKY: Gut! Jetzt wollen wir zur nächsten Fragengruppe übergehen. Am 8. November wurde Ihnen von dem Vertreter der Sowjetischen Anklagebehörde die Frage gestellt, ob Deutschland beim Angriff auf die Sowjetunion Eroberungsziele verfolgte. Erinnern Sie sich an diese Frage?


JODL: Ganz genau, ja.


OBERST POKROWSKY: Sie werden jetzt eine Kopie Ihrer Aussage bekommen, Sie haben folgendermaßen geantwortet:

»Ich gebe zu, daß der Gedanke der Erweiterung des Lebensraumes und die Ausnützung der Wirtschaft Rußlands für die deutschen Bedürfnisse eine gewisse Rolle spielten. Aber das war nicht der Hauptgrund für den Überfall auf die Sowjetunion.«

Erinnern Sie sich, daß Sie in diesem Sinne geantwortet haben?

JODL: Es ist möglich. Ich habe es nicht unterschrieben. Jedenfalls habe ich gesagt: Der Hauptgrund war es nicht.

OBERST POKROWSKY: In derselben Antwort sagten Sie auch:

»Es war nicht unsere Absicht, unseren Lebensraum ständig zu erweitern und uns damit neue Feinde zu schaffen.«

Sie scheinen sich daran zu erinnern?

JODL: Jawohl.

OBERST POKROWSKY: Gut! Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern, daß der Zeuge Ohlendorf hier vor dem Gerichtshof bestätigt hat, Himmler habe vor Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion in seiner Rede ein Programm entworfen, das die Vernichtung von zehn Millionen Slawen und Juden im Osten vorsah?


JODL: Ich erinnere mich, eine solche Aussage hier gehört zu haben, ja.


OBERST POKROWSKY: Würden Sie vielleicht angesichts dieser Aussage von Ohlendorf Ihre Antwort auf die Frage genauer fassen, ob Deutschland mit dem Krieg gegen Sowjetrußland Eroberungsziele verfolgte, Land erobern und die Bevölkerung vernichten wollte, um die auf diese Weise freigewordenen Gebiete – wie [590] Hitler sagte – »in Paradiesgärten für die Deutschen« zu verwandeln. War es nicht so?

JODL: Was der Führer später beabsichtigte, weiß ich nicht, aber die militärischen und strategischen Gründe, die er uns gegenüber vorgestellt hat und die durch viele Nachrichten eindeutig bestätigt waren, habe ich gestern in allen Einzelheiten auseinandergesetzt. Der Hauptgrund war das Gefühl einer ganz unerhört gewaltigen Bedrohung durch einen russischen Aufmarsch. Das war der entscheidende Punkt.


OBERST POKROWSKY: Wir lassen Ihnen jetzt das Dokument C-57 vorlegen. Dieses Dokument ist dem Gerichtshof bereits vorgelegt worden. Am Abend des 5. April 1946 wurde dem Angeklagten Keitel dieses Dokument unter der Nummer USSR-336 vorgelegt. Ich bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf Absatz 4 und 7 dieses Dokuments zu lenken. Der Angeklagte Keitel sagte, daß gerade Sie nähere Erklärungen zu diesem Dokument geben könnten. Absatz 4 handelt von der aktiven Teilnahme Spaniens an der Besetzung von Gibraltar noch im Jahre 1941. Sagen Sie bitte, worin sollte die aktive Teilnahme Spaniens an der Besetzung Gibraltars bestehen? Haben Sie die Stelle in dem Dokument gefunden?


JODL: Ja. Ich kenne das Dokument schon von früher. Aber es ist von niemand unterschrieben. Ich muß zuerst zu dem Dokument eine Erklärung abgeben, um was es sich handelt, damit man das nicht für einen Befehl hält.


OBERST POKROWSKY: Ich glaube, ich habe nicht gesagt, daß es ein Befehl sei?


JODL: Dann ist es gut. Es ist kein Befehl. Ich kann nicht sagen, was sich die Leute, die das gemacht haben, in diesem Augenblick dabei gedacht haben. Es war offenbar ein Entwurf, den Generalstabsoffiziere – vermutlich meiner Abteilung -zusammen mit dem Operationsbearbeiter der Kriegsmarine bei mir vorbereitet haben und den sie dann zur Überprüfung der Seekriegsleitung gegeben haben nach dem Grundsatz, daß der Generalstabsoffizier immer weit vorausdenken, weit vorausarbeiten muß. Da haben sie sich solche privaten Gedanken gemacht und haben das zu Papier gebracht, ohne daß ich es je gesehen habe.


VORSITZENDER: Wie lautete Ihre Frage, Oberst Pokrowsky? Sie fragten, ob der Entwurf nicht...


OBERST POKROWSKY: Ich habe eine Frage gestellt, auf die ich keine Antwort erhalten habe.

Ich habe gefragt, ob er sich kurz darüber äußern kann, welche aktive Rolle Spanien bei einer Besetzung von Gibraltar im Jahre 1941 spielen sollte.


[591] JODL: Ich kann mich zu Gedanken anderer Menschen nicht äußern. Ich kann mich nur äußern zu dem, was bezüglich Spaniens im Jahre 1940 ernsthaft beabsichtigt war. Dazu kann ich mich äußern, zu diesem Papier nicht. Denn damals habe ich diese Sache längst als undurchführbar abgeschrieben gehabt. Ich kenne das erst hier seit Nürnberg, das habe ich nie gesehen.


OBERST POKROWSKY: Daß dieser Plan nicht ausgeführt werden konnte, ist eine andere Frage. Der Angeklagte Keitel hat jedoch gesagt, Sie könnten eine Erklärung zu diesem Dokument geben. Sie sagen, Sie können es nicht.


JODL: Das habe ich ja eben gesagt, es ist eine Vorarbeit von jüngeren Generalstabsoffizieren, die ich mit großem Interesse und mit Schmunzeln hier im Dokumentensaal zum erstenmal gesehen habe. Damals wurde sie mir nicht gezeigt; denn nach acht Tagen war bereits zu sehen, daß die Lage anders werden würde.


OBERST POKROWSKY: Sie wissen auch nichts darüber, daß ein Expeditionskorps über Transkaukasien zum Persischen Golf nach dem Irak, Syrien und Ägypten bei einem möglichen Zusammenbruch Sowjetrußlands, wie es hier heißt, gesandt werden sollte? Darüber wissen Sie auch nichts?


JODL: Zu einem solchen ernsthaften Gedanken ist es nie gekommen. Im Gegenteil, ich habe sogar den größten Krach meines Lebens mit dem Führer gehabt, weil ich mich geweigert habe, noch über den Kaukasus hinweg in Richtung auf Baku anzugreifen. Aber Generalstabsoffiziere haben sich in dem ersten Optimismus der großen Siege im Sommer solche Ideen gemacht. Dazu sind sie ja auch da, sie dürfen sich ruhig Ideen machen. Das, was entschieden wird, machen die Älteren, die etwas ruhigeren Leute.


OBERST POKROWSKY: Bestätigen Sie, daß die Erfolge der Boten Armee diese weitgehenden gewagten Pläne Hitlers, ein Expeditionskorps nach dem Irak, Syrien und Ägypten zu senden, zum Scheitern gebracht haben? Ist das richtig?


JODL: Wenn die Sowjetunion zusammengebrochen wäre, dann hätte man zur Fortsetzung des Krieges ähnliche Ideen haben können, aber niemals eine Idee, zum Beispiel mit Waffengewalt gegen die Türkei vorzugehen. Diese wäre dann ohnehin auf unsere Seite getreten, freiwillig, das war die Auffassung des Führers.


OBERST POKROWSKY: Woher wissen Sie das?


JODL: Woher ich das weiß? Das steht sogar im Dokument drinnen, in Tagebucheintragungen vom Wehrmachtführungsstab, die hier im Gericht sind. Da steht drinnen:

»Die Türkei wird bei großen Erfolgen Deutschlands ohnehin auf unsere Seite treten. Ich befehle, daß sie mit Munition [592] und Waffen und Panzern besonders bevorzugt beliefert werden soll.«

Sie hat nämlich solche Wünsche geäußert und war sehr dankbar, von uns ausgezeichnete, mit Waffen ausgestattete Panzer zu bekommen. Das hätte der Führer nie getan, wenn er die Türkei auf der gegnerischen Seite erwartet hätte.

OBERST POKROWSKY: Jetzt gehen wir zu einer anderen Gruppe von Fragen über. Am Vorabend des Feldzugs gegen die Sowjetunion fand eine Besprechung zwischen Vertretern des OKW, OKH und des sogenannten RSHA statt. Die Teilnahme der Unterabteilung Sipo wurde erwogen und erörtert. Wissen Sie etwas von dieser Besprechung, bei der der Zeuge Ohlendorf zugegen war?

JODL: Davon weiß ich gar nichts. Ich war mit ganz anderen Dingen beschäftigt, und ich habe niemals mit dem Reichssicherheitshauptamt irgendeine Besprechung oder Beziehung gehabt.


OBERST POKROWSKY: Kennen Sie den Mitarbeiter der Abteilung »Kriegsgefangene« im OKW, Wilhelm Scheidt?


JODL: Ja, den kenne ich, er war ein Gehilfe von General Scherf.


OBERST POKROWSKY: Sind Sie mit seiner Aussage vertraut, die hier im Gericht verlesen wurde? Herr Vorsitzender, sie steht im Sitzungsprotokoll vom 7. Januar vormittags (Band IV, Seite 518). Er sagt aus, daß die verbrecherische Tätigkeit der Strafmaßnahmen gegen die friedliche Zivilbevölkerung den Offizieren des Wehrmachtführungsstabes und des Generalstabs des Heeres bekannt war. Erinnern Sie sich daran?


JODL: Ich weiß nicht, was er im Wortlaut gesagt hat. Verbrecherische Dinge waren dem Wehrmachtführungsstab und mir niemals bekannt. Verbrecherische Dinge habe ich abgelehnt und bekämpft. Das habe ich zur Genüge hier klargemacht.


OBERST POKROWSKY: Soll ich Sie so verstehen, daß Sie jegliche Kenntnis von den verbrecherischen Strafmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung ableugnen? Wollen Sie sagen, daß Sie nichts davon wußten?


JODL: Ich kenne selbstverständlich den Kampf gegen Ihre Partisanen. Das ist klar. Ich habe ja zwei Vorschriften gezeigt, die vom Wehrmachtführungsstab dafür erlassen worden sind.


OBERST POKROWSKY: Der Zeuge von dem Bach-Zelewski hat am 7. Januar 1946 ausgesagt, daß das eigentliche Ziel der Partisanenbekämpfung die Vernichtung der Slawen und der Juden war und daß die Methoden dieses Kampfes dem Oberkommando bekannt waren. Wollen Sie das ebenfalls leugnen?


JODL: Es war vielleicht die Absicht von Bach-Zelewski; meine war das nicht. In meiner Vorschrift stand es anders. Diese Absicht [593] habe ich auch gestern schon als völlig unsinnig erklärt. Die Zahlen des Bandenkampfes spielten in dem gewaltigen Ringen zwischen den deutschen und sowjetischen Armeen überhaupt gar keine Rolle. Das war ein verschwindender Prozentsatz.


OBERST POKROWSKY: Vielleicht erinnern Sie sich daran, Angeklagter Jodl, wann und unter welchen Umständen Sie persönlich bei einer Besprechung bei Hitler gesagt haben, daß die deutschen Truppen das Recht hätten, mit den Partisanen nach Belieben zu verfahren, sie allen möglichen Foltern auszusetzen, sie zu vierteilen, verkehrt zu hängen und so weiter. Haben Sie etwas Ähnliches damals gesagt?


JODL: Über diese mehr komische als ernste Angelegenheit haben wir uns in der Vorvernehmung längere Zeit unterhalten.


OBERST POKROWSKY: Vielleicht könnten Sie weniger ausführlich, dafür aber um so genauer über diese Angelegenheit hier berichten? Wollen Sie auf meine Frage antworten? Haben Sie diesen Satz oder einen ähnlichen Satz gesagt und unter welchen Umständen?


JODL: Ich will das kurz erläutern: Es war am 1. Dezember 1942. Wie sich das Gericht erinnern wird, ist am 11. November eine Vorschrift über Bandenbekämpfung vom Wehrmachtführungsstab ausgegeben worden, die wir am 6. Mai 1944 durch die neue Ausgabe als überholt bezeichnet haben. In dieser Vorschrift, die am 11. November herausgegeben ist, hatte ich den Satz geschrieben:

»Das Niederbrennen von Dörfern als Repressalie ist verboten, da es zwangsläufig nur neue Partisanen schafft.«

Der Entwurf dieser Denkschrift lag wochenlang beim Führer. Er beanstandete unaufhörlich, daß hier durch eine Vorschrift die Truppe in der rücksichtslosen Führung des Bandenkampfes eine Einschränkung erfahren würde. Und da ich ohne seine Genehmigung damals schon diese Vorschrift ausgegeben hatte und er seine Genehmigung immer noch nicht erteilte, wurde ich nun etwas ausfällig, und als er wieder mit langen Erörterungen aus seiner Kampfzeit kam, aus Erfahrungen von Chemnitz im Kampfe gegen die Kommunisten, da sagte Ich, um endlich dieses Eis zu brechen: »Mein Führer, was die Leute im Kampf tun, das steht ja gar nicht in der Vorschrift. Von mir aus können sie sie vierteilen oder verkehrt aufhängen.« Wenn ich gewußt hätte, daß die russischen Herren Ironie so schlecht verstehen, hätte ich noch hinzugesetzt: »und am Spieß braten«. Das habe ich gesagt und dann hinzugefügt; »Aber es dreht sich in dieser Vorschrift um Repressalien nach dem Kampfe, und die müssen verboten werden.«

Daraufhin helles Gelächter der gesamten versammelten Offiziere, auch vom Führer, und er gab mir die Genehmigung, diese Vorschrift [594] auszugeben. Das wird Ihnen die Aussage eines Zeugen, des Generals Buhle, der dabei war, noch bestätigen. Daß seit dem 16. Jahrhundert in Deutschland das Vierteilen nicht mehr üblich war, ebensowenig wie das Aufhängen verkehrt, das ist ja wahrscheinlich allgemein in der Welt bekannt. Deswegen konnte diese Bemerkung nur eine ironische sein.

OBERST POKROWSKY: Ich bitte den Gerichtshof noch um eine Minute Zeit, um diese Fragengruppen zu beenden. Es wird nicht länger als eine Minute dauern.

VORSITZENDER: Verzeihung! Was haben Sie soeben gesagt?


OBERST POKROWSKY: Ich bitte noch um eine Minute Zeit, um noch die letzte Frage aus dieser Gruppe stellen zu können.


[Zum Zeugen gewandt:]


Sind Sie sich dessen bewußt, daß die deutschen Truppen die Ironie besser verstanden als wir und im wahrsten Sinne des Wortes die Leute vierteilten, verkehrt aufhängten und die sowjetischen Kriegsgefangenen am Spieß brieten. Wissen Sie das?

JODL: Das weiß ich nicht nur nicht, sondern ich glaube es auch nicht.

OBERST POKROWSKY: Mit Erlaubnis des Gerichtshofs werde ich zu der letzten Gruppe der Fragen nach der Pause übergehen.


VORSITZENDER: Wie lange werden Sie noch brauchen, Oberst Pokrowsky?


OBERST POKROWSKY: Ich habe nur noch wenige Fragen zu stellen und glaube, nicht mehr sehr lange dazu zu brauchen.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 15, S. 559-596.
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