Vormittagssitzung.

[75] PROFESSOR DR. FRANZ EXNER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN JODL: Herr Vorsitzender! Ich hätte eine Bitte. Mein Klient ist der nächste, der darankommt und möchte gern heute nachmittag und morgen, wenn möglich, von der Sitzung frei haben, damit er sich vorbereiten kann.

VORSITZENDER: Ja, natürlich.


PROF. DR. EXNER: Danke sehr.


GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Der Angeklagte von Papen ist nicht anwesend.


M. HERZOG: Angeklagter Sauckel! Ich habe Sie gestern gefragt, ob Ihrer Meinung nach die Außenpolitik Deutschlands von den beiden Hitlerschen Theorien, nämlich Lebensraum und Herrenrasse, bestimmt werden sollte?


SAUCKEL: Darf ich um die Güte bitten, die Frage zu wiederholen; ich habe sie auf deutsch nicht verstanden.


M. HERZOG: Ich habe Sie gestern gefragt, ob Ihrer Ansicht nach die Außenpolitik Deutschlands nach den beiden Hitlerschen Theorien, Lebensraum und Herrenrasse, bestimmt werden sollte?


SAUCKEL: Ich habe verstanden, ob die deutsche Außenpolitik ausgerichtet sein sollte nach den Prinzipien der »höheren Rasse« und des »Lebensraumes«. Wenn ich richtig verstanden habe.


M. HERZOG: Jawohl, ich bitte, mir zu beantworten, ob Sie der Ansicht waren, daß man nach diesen Gesichtspunkten handeln sollte?


SAUCKEL: Nicht nach dem Prinzip einer »höheren Rasse«. Ich bitte, dazu eine Erklärung abgeben zu dürfen. Ich persönlich habe Auslassungen einzelner nationalsozialistischer Redner über eine »höhere Rasse« und eine »Herrenrasse« nie gebilligt. Ich habe das auch nicht vertreten. Ich bin in der Welt als junger Mensch viel herumgekommen. Ich habe in Australien und in Amerika Anschluß an Familien gefunden, die zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens gehören; aber ich habe mein eigenes Volk geliebt und habe angestrebt, das bekenne ich, die Gleichberechtigung meines eigenen Volkes, und dafür bin ich eingetreten. Eine Überheblichkeit einer Rasse habe ich keinesfalls für gut gehalten, aber ich hielt die Gleichberechtigung für notwendig.

[75] M. HERZOG: Demnach waren Sie also nicht mit allen außenpolitischen Maßnahmen Hitlers einverstanden und haben nicht mit ihm zusammengearbeitet?


SAUCKEL: Ich habe auf die Frage meines Verteidigers schon erklärt, daß ich mich nie als Außenpolitiker gefühlt habe. Ich bin auf einem ganz anderen Weg und aus ganz anderen Motiven zur Partei gekommen.


M. HERZOG: Erinnern Sie sich an die Erklärung, die Sie am 4. September 1945 zwei amerikanischen Offizieren gegenüber abgegeben haben? Das Dokument 3057-PS enthält diese Erklärung und wurde dem Gerichtshof als US-223 vorgelegt. Darin haben Sie folgendes erklärt:

»Seit dem Jahre 1921 war ich ein überzeugter Nationalsozialist und mit dem Programm Adolf Hitlers 100 % einverstanden. Ich habe mich in diesem Sinne aktiv betätigt und in der Zeit von 1921 bis zur Machtübernahme ungefähr 500 Reden gehalten, die dem Sinne und dem Inhalt nach den nationalsozialistischen Standpunkt vertraten. Es war mir eine besondere Genugtuung, den Gau Thüringen zu einer führenden Stellung mit Bezug auf nationalsozialistische Einstellung und Gesinnung gehabt zu haben. Ich habe an Adolf Hitler bis zum Zusammenbruch nicht gezweifelt, sondern seinen Befehlen blindlings Gehorsam geleistet.«


VORSITZENDER: Herr Herzog! Sie sprechen ein wenig zu schnell. Das wurde schon vorgelesen, ich glaube, es ist nicht nötig, daß Sie das Ganze nochmals lesen.

M. HERZOG: Ich frage Sie also, Angeklagter Sauckel, ob Sie die Erklärungen, die Sie am 4. September 1945 unter Eid freiwillig und ohne Zwang abgegeben haben und die im Widerspruche zu Ihren gestrigen und den soeben gemachten Aussagen stehen, bestätigen.


SAUCKEL: Ich bestätige, daß unter diesem Dokument meine Unterschrift steht. Ich bitte das Gericht, aussagen zu dürfen, wie diese Unterschrift zustande gekommen ist. Dieses Dokument wurde mir fertig vorgelegt bei dieser Vernehmung. Ich habe daraufhin gebeten, dieses Dokument in meiner Zelle in Oberursel durchlesen und überlegen zu dürfen, ob ich es unterschreiben kann. Das wurde mir versagt. Es wurde mir in dieser Besprechung eröffnet, unter Hinzuziehung eines Offiziers, von dem mir gesagt wurde, daß er zur russischen oder polnischen Armee gehörte, daß ich, wenn ich zu lange zögerte, dieses Dokument zu unterzeichnen, an die russischen Behörden ausgeliefert würde. Es kam alsdann dieser polnische oder russische Offizier herein und erklärte: Wo ist Sauckels Familie? Wir kennen Sauckel, selbstverständlich nehmen wir ihn mit. Aber [76] die Familie muß ebenfalls mit und wird ebenfalls ins russische Gebiet überstellt werden. Ich bin Vater von 10 Kindern. Ich habe mir das nicht überlegt, sondern mit Rücksicht auf meine Familie dieses Schriftstück unterschrieben. Ich habe dann schriftlich nach Rückkehr in meine Zelle mich an den Herrn Kommandeur des Lagers gewandt und ihn gebeten, in dieser Sache von ihm allein gehört zu werden. Das war nicht mehr möglich, weil ich dann kurz darauf hierher nach Nürnberg gebracht worden bin. Ich kann...


M. HERZOG: Steht Ihre Unterschrift unter diesem Schriftstück, in welchem Sie erklären, diese Aussagen freiwillig und ohne Zwang gemacht zu haben?


SAUCKEL: Das ist richtig, aber mir ist in dieser Situation...


M. HERZOG: Ich glaube, daß es jetzt genügend geklärt ist.


VORSITZENDER: Wollen Sie ihn bitte fragen, ob er es jetzt gelesen hat und ob es wahr ist.


M. HERZOG: Ich fragte Sie vorhin, und ich frage Sie jetzt noch einmal: Sind Sie bereit zu bestätigen, daß diese Aussagen korrekt sind?


SAUCKEL: Diese Aussagen sind in den einzelnen Punkten nicht korrekt, und ich möchte sagen, ich habe ja darum gebeten, diese einzelnen Punkte richtigstellen zu dürfen. Nach meiner Überzeugung ist mir dazu keine Zeit gelassen worden. Es wurde mir noch gesagt, am letzten Morgen vor der Abfahrt, ich könnte das in Nürnberg besprechen, und das habe ich dem hier vernehmenden amerikanischen Offizier auch mitgeteilt.


VORSITZENDER: Herr Herzog! Ist dieses Dokument dem Gerichtshof während der Anklagerede verlesen worden?


M. HERZOG: Dieses Dokument wurde als US-223 vorgelegt.


DR. SERVATIUS: Herr Vorsitzender! Soweit ich mich erinnere, ist gerade dieses Dokument nicht vorgelegt worden. Ich hatte damals eine Besprechung mit dem amerikanischen Vertreter der Anklage und habe ihn auf diese Einwendungen hingewiesen; und er hat dann mit Rücksicht auf diese Einwendungen in der Sitzung davon Abstand genommen, es vorzubringen. Der Herr Präsident haben am Schlusse des Vortrages selbst gefragt, ob denn dieses Dokument nicht vorgelegt werde, und der Vertreter der Anklage hat gesagt: nein, auf Grund einer Besprechung mit dem Verteidiger verzichte ich.


VORSITZENDER: Sie sagen also, daß das Dokument dem Gerichtshof nicht vorgelesen wurde.


DR. SERVATIUS: Nein, es ist vor Gericht nicht verlesen worden. Ich widerspreche der Zulassung dieses Dokuments als Beweis, weil es erzwungen ist.


[77] VORSITZENDER: Unter diesen Umständen, Herr Herzog, können Sie ein Kreuzverhör über dieses Dokument durchführen, ganz wie Sie wünschen. Der Gerichtshof war der Ansicht, es sei schon vorgelesen worden, und deswegen haben wir Sie bei der Verlesung unterbrochen.


M. HERZOG: Im Absatz 2 erklärten Sie:

»Nach Einführung der Nürnberger Gesetze habe ich meiner Überzeugung gemäß dafür gesorgt, daß in dem Gau Thüringen diese Gesetze restlos durchgeführt würden.«

Absatz 4:

»Außenpolitisch bin ich der Ansicht gewesen, daß das deutsche Volk ein Anrecht auf Lebensraum in Europa hat und auf Grund seines rassisch überstehenden Niveaus führende Stellung einnehmen muß. Mit Bezug auf die anzuwendenden Mittel und Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, habe ich alle Beschlüsse Hitlers und der NSDAP gebilligt und mich aktiv an der Verwirklichung dieser Pläne beteiligt.«


SAUCKEL: Ich habe den Schluß nicht mitbekommen.

M. HERZOG: Ich will es noch einmal lesen:

»Mit Bezug auf die anzuwendenden Mittel und Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, habe ich alle Beschlüsse Hitlers und der NSDAP gebilligt und mich aktiv an der Verwirklichung dieser Pläne beteiligt.«

Ich bitte Sie, zu bestätigen, ob Sie diese Erklärungen abgegeben haben.

SAUCKEL: Diese Erklärungen hätte ich in dieser Art nicht abgegeben, wenn ich freien Willens und freier Entschlußkraft gewesen wäre.

M. HERZOG: Stimmt es, daß Sie ernannt worden sind...


VORSITZENDER: Herr Herzog! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß der Zeuge, dem ja das Dokument vorliegt, gefragt werden soll, in welcher Hinsicht er das Dokument für nicht wahrheitsgemäß hält.


M. HERZOG: Sie haben die Frage des Vorsitzenden gehört, Angeklagter Sauckel? Sie behaupten, daß das Dokument nicht der Wahrheit entspricht. Wollen Sie bitte dem Gerichtshof sagen, in welcher Hinsicht Sie dieses Dokument für unrichtig halten.


SAUCKEL: Ich darf nach den Punkten gehen?


M. HERZOG: Ja, bitte.


SAUCKEL: Ich war hundertprozentig mit dem sozialen Programm einverstanden; das habe ich bei meiner Vernehmung durch meinen Verteidiger schon erklärt.


[78] VORSITZENDER: Angeklagter! Der Gerichtshof wünscht, daß Sie das Dokument zur Hand nehmen und Satz für Satz erklären, was daran unrichtig ist.


SAUCKEL: Unrichtig ist im Paragraphen 1 das Jahr 1921. Ich bin, wie meine Mitgliedskarte ausweist, Mitglied erst 1923 beziehungsweise 1925 geworden. Ich habe vor 1923 mit der Partei sympathisiert.

Mit dem Programm Adolf Hitlers war ich hundertprozentig einverstanden; das hundertprozentig verstehe ich dahin, soweit mir dieses Programm als gesetzmäßig, verfassungsmäßig und menschlich-sittlich berechtigt erschienen ist. Wie viele Versammlungen ich abgehalten habe, das kann ich auf eine Zahl festgelegt nicht erklären. Meine Reden und Vorträge haben sich auf Grund meines Lebensgangs und meiner Erfahrungen – denn nur darüber konnte ich reden – in der Hauptsache auf eine Aussöhnung der deutschen Stände und der deutschen Berufe nach der nationalsozialistischen Weltanschauung bezogen.


VORSITZENDER: Angeklagter! Ich habe Sie schon darauf hingewiesen, daß der Gerichtshof nur wünscht, daß Sie das Dokument zur Hand nehmen und erklären, welche Sätze darin unrichtig sind, aber nicht, daß Sie Reden halten.


SAUCKEL: Ja, es sind alle Sätze in meinen Augen nicht richtig. Ich würde alle Sätze nicht so abgefaßt haben wie sie sind, wenn ich sie selbst hätte formulieren dürfen. In dieser Formulierung bestreite ich alle Sätze, denn ich habe sie nicht selbst verfaßt. Ich bin nicht darum gefragt worden; sie sind mir fertig vorgelegt worden.


DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Wenn ich dazu eine Erklärung abgeben darf:

Es handelt sich bei diesem Statement praktisch um ein Resümee der gesamten Vernehmungen, indem in den verschiedenen Punkten ein Geständnis im Sinne der Anklage niedergelegt ist. Damit brauchte der Angeklagte kein Wort mehr zu seiner Verteidigung zu sagen, wenn dieses stimmen würde. Da es ein Resümee ist und daraus Schlußfolgerungen gezogen werden können, muß ihm auch Gelegenheit gegeben werden, diese Schlußfolgerungen zu widerlegen, und das bedingt einen Vortrag. Es sind ja keine bestimmten Tatsachen, die man mit Ja oder Nein beantworten kann.


VORSITZENDER: Der Angeklagte hat gerade gesagt, daß das ganze Dokument unrichtig ist und daß das Dokument unter Zwang von ihm unterschrieben wurde. Es hat deshalb gar keinen Wert, es im einzelnen noch durchzugehen; aber der Gerichtshof möchte gerne von der Amerikanischen Anklagebehörde hören, ob sie etwas darüber zu sagen hat?


[79] MR. DODD: Ich habe keine englische Abschrift des Dokuments vor nur, aber ich...


VORSITZENDER: Herr Dodd! Herr Herzog hat gesagt, daß es als Beweismittel unter US-223 vorgelegt wurde.


MR. DODD: Meiner Erinnerung nach – ich werde es natürlich nachprüfen – meiner Erinnerung nach haben wir dieses Dokument beim Vortrag des Falles »Sklavenarbeit« unserem Dokumentenbuch beigefügt, es aber nicht als Beweismittel vorgelegt. Ich glaube, ich sagte damals dem Gerichtshof, daß wir beschlossen hätten, es nicht vorzulegen. Es war aber gedruckt und dem Dokumentenbuch beigefügt worden.

Möglicherweise irre ich mich, aber soweit ich mich erinnere, fragte mich der Herr Vorsitzende, ob ich nicht die Absicht hätte, es vorzulegen, worauf ich ihm erklärte, daß wir es uns überlegt und beschlossen hätten, es nicht vorzulegen.


VORSITZENDER: Dann kann ich nicht verstehen, wie es eine Beweisstücknummer haben kann, wenn es nicht als Beweismittel vorgelegt ist.


MR. DODD: Ich auch nicht. Ich glaube, es ist ein Irrtum.


VORSITZENDER: Herr Dodd! Wissen Sie, ob es sich hier um ein Resümee oder eine Zusammenfassung von früheren Verhören handelt?


MR. DODD: Ich glaube, es ist gerade umgekehrt. Soviel ich weiß, wurde es gemacht, bevor der Angeklagte Sauckel nach Nürnberg kam und bevor noch irgendwelche Vernehmungen seitens der Vernehmungsabteilung der Amerikanischen Anklagevertretung durchgeführt wurden.


VORSITZENDER: Wußten Sie, daß Dr. Servatius gegen dieses Dokument mit der Begründung, daß die Aussage unter Zwang abgegeben worden war, Einspruch erhoben hat?


MR. DODD: Soweit ich mich erinnere, hat Dr. Servatius damals, als wir den Fall »Sklavenarbeit« behandelten, Einspruch erhoben und dadurch, glaube ich, wurde die Sache damals zur Sprache gebracht; deshalb haben wir auch weiter keinen Gebrauch davon gemacht.


VORSITZENDER: Sehr gut. Dann, glaube ich, Herr Herzog, sollten Sie es auch lieber weglassen.


M. HERZOG: Sie wurden durch eine Anordnung vom 21. März 1942 zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt. Stimmt das?


SAUCKEL: Das stimmt, jawohl.


M. HERZOG: Stimmt es, daß dieser Erlaß von dem Angeklagten Keitel gegengezeichnet war?


[80] SAUCKEL: Der Erlaß trug, glaube ich, nach meiner Erinnerung, drei Gegenzeichnungen, ich glaube, ja. Ich kann es im Augenblick nicht mit Bestimmtheit aus der Erinnerung sagen.


M. HERZOG: Wollen Sie dem Gerichtshof berichten, unter welchen Umständen Ihre Ernennung stattfand?


SAUCKEL: Ich habe diese Frage gestern schon meinem Verteidiger beantwortet. Es war für mich eine Überraschung.


M. HERZOG: Hat der Angeklagte Speer, Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, für Ihre Ernennung irgendwelche Schritte unternommen?


SAUCKEL: Das kann ich aus eigenem Wissen nicht sagen. In der Veröffentlichung Bormanns heißt es: auf Vorschlag Speers. Ich kann das aber aus eigenem Wissen nicht sagen.


M. HERZOG: Sie erinnern sich nicht, daß Sie darüber bei Ihrem Verhör am 12. September 1945 eine Erklärung abgegeben haben?

SAUCKEL: Ich kann mich im Augenblick an die Erklärung nicht genau erinnern.


M. HERZOG: Als Sie am 12. September 1945 von Major Monigan verhört wurden, sollen Sie folgendes erklärt haben: Der Gerichtshof wird diese Erklärung auf der ersten Seite der Auszüge aus dem Verhör, die ich dem Gerichtshof überreicht habe, finden.

»Im März 1942 wurde ich sehr plötzlich zum Minister Speer, der erst kürzlich ernannt worden war, gebeten. Speer sagte mir, daß ich dringend...«


VORSITZENDER: Herr Herzog! Könnten Sie diese Papiere nicht von der Lampe wegnehmen. Dadurch können. Sie das Licht nicht sehen, das ständig aufflammt.

M. HERZOG: Ich zitiere:

»Speer sagte mir, daß ich dringend eine neue Aufgabe, welche mit dem Arbeitseinsatz im Zusammenhang stand, übernehmen solle. Einige Tage später bat er mich, mit ihm in das Hauptquartier zu gehen; ich wurde dem Führer vorgestellt, welcher mir erklärte, daß ich unbedingt diese mir angebotene Ernennung annehmen solle.«

Bestätigen Sie diese Erklärung?

SAUCKEL: Die ist richtig; ich kann nur nicht sagen, ob das vor einem Entschluß – also ob meine Ernennung vorher, also vor diesen Besprechungen – auf irgendeine Initiative eines Herrn ergriffen worden ist. An sich ist diese Darstellung richtig.

M. HERZOG: Aber Sie bestätigen jedenfalls, daß der Angeklagte Speer, der damals Rüstungsminister war, Sie anläßlich Ihrer Ernennung in das Führerhauptquartier mitnahm?


[81] SAUCKEL: Das ist richtig.


M. HERZOG: Gestern hat Ihr Verteidiger eine Tafel vorgelegt, auf welcher die allgemeine Organisation Ihrer Dienststelle und Ihr Verhältnis zu anderen Dienststellen des Reiches dargestellt ist. Sie haben erklärt, daß diese Tafel korrekt sei. Bestätigen Sie diese von Ihnen gestern gemachte Aussage?

Ich bitte Sie, mir noch einmal mit Ja oder Nein zu antworten, ob diese Tafel richtig ist.


SAUCKEL: Nach meiner persönlichen Erinnerung, ja.


M. HERZOG: Haben Sie diese Tafel zur Hand?


SAUCKEL: Nein, ich habe sie nicht.


M. HERZOG: Es handelt sich um das Dokument, welches gestern von dem Verteidiger des Angeklagten vorgelegt wurde, und das die verschiedenen Dienststellen erklärt.


VORSITZENDER: Welche Nummer hat die Tafel?


M. HERZOG: Es ist die Tafel Nummer 1, auf der dargestellt ist, in welcher Verbindung die Dienststelle Sauckels zu den Dienststellen anderer Ministerien stand. Ich verweise Sie auf die sechste Spalte von links, in der oben der Name des Angeklagten steht. Haben Sie es gefunden?


SAUCKEL: Jawohl.


M. HERZOG: Wenn Sie diese Spalte weiter unten ansehen, so finden Sie im dritten Viereck die Rüstungsinspektoren. Stimmt es, daß die Rüstungsinspektoren, wie hier dargestellt ist, dem Minister Funk unterstellt waren?


SAUCKEL: Unter Funk? Welches Feld meinen Sie? Das ist hier nicht ganz richtig. Das gehörte etwas seitwärts heraus. Das gehörte später unter Speer. Es steht Reichsautobahn, Straßeninspektoren, das gehörte nicht unter Funk. Das ist ein Irrtum.


M. HERZOG: Wollen Sie bitte außerdem das Quadrat daneben ansehen, welches den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz mit der Direktion der Reichsautobahn verbindet. Es ist das Viereck auf der rechten Seite, etwas oberhalb der beiden anderen. Sollte das wirklich mit den Reichsautobahnen verbunden sein? Gehört es nicht eigentlich zum oberen Quadrat, zu den Rüstungsinspektoren?


SAUCKEL: Ja, mir ist nicht erklärlich, wie dieser Irrtum in diese Zeichnung kommt. Ich habe die Zeichnung vorher nicht gesehen. Ich sehe hier diese Zeichnung zum ersten Male, es ist ein Fehler. Das habe ich nicht gewußt.


M. HERZOG: Sie haben also behauptet, daß diese Tafel richtig sei, bevor Sie sie überhaupt angesehen haben?


[82] SAUCKEL: Ich habe angenommen, es ist dasselbe gewesen, was mir im fertigen Zustand vorgelegt wurde.


DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Ich habe ja gestern bei der Vorlage gesagt, daß bezüglich der einen Seite einige Unstimmigkeiten sind. Diese Unstimmigkeiten sind hereingekommen im Laufe der Vervielfältigungen. Aber ich habe das letzte nicht gesehen...


VORSITZENDER: Dr. Servatius! Im Rückverhör können Sie so viele Fragen stellen, wie Sie wollen. Es besteht aber kein Grund, gegen die gestellten Fragen Einspruch zu erheben, da sie in jeder Hinsicht korrekt sind.


M. HERZOG: Angeklagter! Sie wohnten den Konferenzen der Zentralen Planung für den Vierjahresplan bei, nicht wahr?


SAUCKEL: Zum Teil nur, soweit Arbeitsfragen zur Debatte standen.


M. HERZOG: Wollen Sie bitte dem Gerichtshof sagen, wer die Mitarbeiter waren, die Sie bei diesen Konferenzen begleiteten oder Sie vertraten?


SAUCKEL: Das war zum Teil verschieden; – Dr. Timm, Dr. Hildebrand, Dr. Stothfang; aber es war verschieden.


M. HERZOG: Welche von den hier anwesenden Angeklagten gehörten sonst noch zu den Persönlichkeiten, die diesen Konferenzen beiwohnten? Wollen Sie das bitte sagen?


SAUCKEL: Ich erinnere mich bestimmt nur an Herrn Speer, der von den Angeklagten an diesen Konferenzen teilgenommen hat. Ob Herr Funk an diesen teilgenommen hat, kann ich mich beim besten Willen an eine bestimmte Sitzung nicht erinnern. Es ist möglich, und es ist auch nicht möglich. Ich kann das nicht mit Bestimmtheit aus der Erinnerung sagen.


M. HERZOG: Und der Angeklagte Göring?


SAUCKEL: Ich habe in den Sitzungen der Zentralen Planung selbst den Reichsmarschall nicht gesehen. Ich weiß aber nicht, ob einige Besprechungen, die bei ihm stattgefunden haben, typische Sitzungen der Zentralen Planung gewesen sind, das weiß ich nicht; ob Sitzungen, an denen er teilgenommen hat zum Teil in Karinhall, unter den Begriff der Zentralen Planung fallen, kann ich nicht sagen. Es war nicht immer deutlich.


M. HERZOG: Wurden die Angeklagten Göring und Funk, wenn sie diesen Konferenzen nicht beiwohnten, durch irgend jemanden vertreten?


SAUCKEL: Der Reichsmarschall war vertreten durch Herrn Feldmarschall Milch. Und ob Herr Reichsminister Funk vertreten war... ich kann das heute aus der Erinnerung nicht mehr genau [83] zu dem Zeitpunkt sagen, vielleicht durch Herrn Kehrl oder durch den einen oder anderen; es waren zahlreiche Herren da; ich habe sie nicht alle persönlich gekannt.


M. HERZOG: Stimmt es, daß während diesen Konferenzen der Zentralen Planung auch das allgemeine Programm des Arbeitseinsatzes im Einvernehmen mit allen dort anwesenden Persönlichkeiten oder ihrer Vertreter aufgestellt wurde?


SAUCKEL: Es wurden in der Zentralen Planung keine Gesamtbeschlüsse gefaßt, sondern es wurden dort die Forderungen bekanntgegeben. Da sie meist strittig waren, mußten sie an höherer Instanz, meist selbst beim Führer, geklärt werden; häufig.


M. HERZOG: Entstand nicht durch die Zentrale Planung eine Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den anderen Angeklagten, die dort anwesend oder vertreten waren?


SAUCKEL: Die Zusammenarbeit ist nicht erst dort entstanden, weil diese Fragen ja schon vor der Bildung der Institution »Zentrale Planung« besprochen worden sind. Die Fragen sind dort auch besprochen worden und Forderungen aufgestellt und diskutiert worden.


M. HERZOG: Wollen Sie bitte das Dokument R-124 zur Hand nehmen, das dem Gerichtshof bereits unter US-179 vorgelegt wurde. In diesem Dokument werden Sie eine Erklärung sehen, die Sie bei der Sitzung vom 1. März 1944 abgegeben haben.


[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]


Ich lese daraus:

»Meine Pflicht dem Führer gegenüber...«


SAUCKEL: Darf ich um die Seite bitten, wo Sie lesen?

M. HERZOG: Seite 1780. Die Stelle muß eingezeichnet sein.

»Meine persönliche Verpflichtung dem Führer, dem Reichsmarschall, dem Minister Speer und Ihnen gegenüber, auch der Landwirtschaft gegenüber, liegt hier klar zutage, und ich will sie auch erfüllen. So, wie es angelaufen ist, sind immerhin 262000 Mann neu da, und ich hoffe und habe die feste Überzeugung, das Gros des Auftrages erfüllen zu können. Die Art der Verteilung muß dann selbstverständlich nach den Notwendigkeiten erstens der deutschen Rüstung und zweitens der deutschen Gesamtwirtschaft geschehen, und ich werde gern bereit sein, meine Herren, zu veranlassen, daß hier ständig der engste Kontakt gewahrt und auch bei den Arbeitsämtern unten und bei den Gauarbeitsämtern auf engste Zusammenarbeit gesehen wird.«

Sie bestreiten doch jedenfalls nicht, daß durch die Zentrale Planung eine Zusammenarbeit unter den verschiedenen Ministerien [84] zustande gekommen ist, die gemeinsam an der Anwerbung von Arbeitskräften beteiligt wären; denn Sie waren es ja selbst, der diese Zusammenarbeit gefordert hat.

SAUCKEL: Ich habe eine Zusammenarbeit nicht bestritten; die ist ja in jedem Regime und in jedem System notwendig. Es handelt sich hier nicht nur um ausländische Arbeitskräfte, sondern zu jenem Zeitpunkt auch in der Hauptsache um deutsche Arbeitskräfte. Ich habe nicht bestritten, daß dort gearbeitet worden ist. Es sind dort nur nicht immer endgültige Entschlüsse gefaßt worden. Das wollte ich zum Ausdruck bringen.

M. HERZOG: Stimmt es, daß Sie Stellvertreter ernannt haben, die Sie bei den verschiedenen Verwaltungsdienststellen in Deutschland zu vertreten hatten?


SAUCKEL: Stellvertreter hatte ich nicht bei den verschiedenen Verwaltungsstellen. Ich hatte Verbindungsmänner, oder die Verwaltungsstellen bei mir.


M. HERZOG: Hatten Sie nicht auch einen solchen »Verbindungsmann«, wie Sie ihn nennen, beim Angeklagten Speer, dem Minister für Rüstung und Munition?


SAUCKEL: Das war kein Verbindungsmann, der ständig bei Herrn Speer war, sondern der die anstehenden Fragen des Bedarfs und so weiter mit dem Minister bisweilen durchsprach, das war nach meiner Erinnerung ein Herr Berk.


M. HERZOG: Hatten Sie einen Verbindungsmann beim Reichsarbeitsminister?


SAUCKEL: Beim Reichsarbeitsminister hatte ich keinen Verbindungsmann, sondern es waren zwei Abteilungen im Reichsarbeitsministerium, denen diese Aufgaben administrativ überlassen waren.

M. HERZOG: In Ihrem Verhör vom 12. September 1945 haben Sie folgendes erklärt:

Der Gerichtshof wird auf Seite 6 und 7 die Auszüge aus dem Verhör, die ich Ihnen vorgelegt habe, finden.

»Antwort: Ich hatte im übrigen noch zwei Beamte, die als Verbindungsmänner zum Minister Speer und zum Arbeitsministerium fungierten.

Frage: Diese Personen stellen die Verbindung zwischen Ihren Dienststellen, dem Minister Speer und dem Arbeitsministerium her?

Antwort: Zwischen mir, dem Ministerium Speer und dem Arbeitsministerium.«


SAUCKEL: Wollen Sie mir bitte die Seite sagen?

[85] M. HERZOG: Seite 4 und 5. Haben Sie das gefunden?


SAUCKEL: Ja.


M. HERZOG:

»Zwischen mir und Minister Speer und dem Arbeitsministerium.«


VORSITZENDER: Das ist Seite 6, nicht wahr? Sie sagten Seite 4 und 5. Es ist Seite 6, nicht wahr?

M. HERZOG: Seite 4 im deutschen Text.


VORSITZENDER: O, ich verstehe.


M. HERZOG:

»Zwischen mir, dem Minister Speer und dem Arbeitsministerium waren zwei Berater, Dr. Stothfang und Landrat Berk. Beide waren Juristen und Spezialisten auf volkswirtschaftlichem Gebiet. Stothfang war hauptsächlich mit der Verbindung zum Arbeitsministerium beauftragt.«

Warum sagten Sie mir eben, daß Sie keinen Verbindungsmann beim Arbeitsministerium hatten?

SAUCKEL: Ich habe ja ausdrücklich betont, daß zwei Abteilungen, die Abteilungen 3 und 5, zum Arbeitsministerium gehörten, und dieser Ministerialrat Dr. Stothfang war früher der persönliche Referent des Staatssekretärs Syrup gewesen; und in seltenen Fällen hat er in meinem Auftrag Besprechungen mit dem Staatssekretär Syrup geführt. Das ist richtig. Das war aber nicht bedeutend. Im allgemeinen bestand ja eine Verbindung zum Reichsarbeitsministerium durch die Abteilungen selbst.

M. HERZOG: Sie bestätigen also, daß Sie einen Beauftragten oder einen Verbindungsmann beim Arbeitsministerium gehabt haben und einen anderen beim Minister Speer?


SAUCKEL: Ich bestätige das für gelegentliche Besprechungen. Aber diese Herren waren fest in diesen Abteilungen beziehungsweise als meine persönlichen Referenten ja bei mir und saßen nicht dort in diesem Ministerium.

Ich kann auch nicht sagen, ob in diesem Fall die Übersetzung so genau stimmt. Ich habe es nicht mehr im Gedächtnis; aber im Prinzip ist es richtig. Aber die Herren saßen bei mir und nicht ständig bei diesen Ministerien.


M. HERZOG: Wollen Sie bitte dem Gerichtshof sagen, was die »Stabsbesprechung« war?


SAUCKEL: Die »Stabsbesprechung« war eine Besprechung von Fachfragen, bei denen die einzelnen Ministerien oder Bedarfsträger der Wirtschaft, die die Arbeiter anforderten, teilnahmen und bei der die Fragen, die zu berücksichtigen waren, besprochen worden [86] sind. Denn ich konnte ja nicht selbständig handeln, wie Sie gehört haben.


M. HERZOG: Wer hatte diese Besprechungen eingeführt, diese neue Einrichtung, diese Stabsbesprechungen?


SAUCKEL: Diese Stabsbesprechungen habe ich eingeführt, um eine korrekte Klärung dieser Fragen herbeiführen zu können; denn es kann ja nirgendswo etwas im luftleeren Raum veranlaßt werden, in keiner Regierung der Welt.


M. HERZOG: Sie bestätigen also, daß durch diese verschiedenen Verbindungssysteme eine gemeinsame Verantwortung für die Entscheidungen entstand, die von jedem einzelnen unter Ihnen hinsichtlich der Arbeitskräfte getroffen wurden.


SAUCKEL: Diese Frage ist mir technisch und administrativ nicht klar. Ich habe ja nichts mit den Arbeitern anfangen können; ich mußte sie weitergeben und mußte den Modus besprechen. Im Sinne einer Verschwörung oder einer verbrecherischen Tat haben diese Besprechungen nicht stattgefunden, sondern es waren genau solche Besprechungen wie früher. Ich habe an parlamentarischen Regierungen teilgenommen, und genau so sind diese Sachen geklärt worden.


M. HERZOG: Danach habe ich Sie nicht gefragt. Ich fragte, ob Sie bestätigen, daß die Existenz dieser Verbindungsmänner beim Minister Speer und beim Arbeitsminister einerseits, und das Bestehen dieses neuen Organs, das Sie geschaffen hatten, andererseits, eine gemeinsame Verantwortung für die Beschlüsse mit sich brachte, die von dem Angeklagten Speer, vom Arbeitsminister und von Ihnen selbst hinsichtlich des Arbeitereinsatzes getroffen wurden.


SAUCKEL: Ich kann diese Frage nicht mit einem klaren Nein beantworten, da ja an mich Anforderungen gestellt wurden, die ich als deutscher Beamter in diesem Falle erfüllen mußte. Und um sie erfüllen zu können, mußte ich ja Besprechungen abhalten. Es war dies nicht anders möglich, denn nicht ich habe die Arbeiter angefordert und eingesetzt, sondern die deutsche Wirtschaft. Das mußte irgendwie geregelt werden, ob es sich um deutsche oder sonst irgendwelche Arbeiter gehandelt hat; das war auch in normalen Zeiten so.


M. HERZOG: Stimmt es, daß Sie, nachdem Ihre Ernennung angeordnet worden war, ermächtigt wurden, sich bei den Dienststellen der Zivilen und militärischen Verwaltung der besetzten Gebiete durch besondere Beauftragte vertreten zu lassen?


SAUCKEL: Es wurden ab 30. Oktober, ich kann das genaue Datum nicht angeben, auf Veranlassung des Führers Beauftragte von mir bei den Regierungen in den besetzten Gebieten ernannt. Das ist gestern schon durch meinen Verteidiger geklärt worden.


[87] M. HERZOG: Sie sagen am 30. Oktober? Ich nehme an, Sie meinen den Erlaß vom 30. September 1942 – ein Irrtum Ihrerseits.


SAUCKEL: Ja, ich bitte um Entschuldigung, ich weiß das genaue Datum nicht.


M. HERZOG: Stimmt es, daß die Beauftragten, die durch diesen Erlaß ernannt wurden, Ihnen direkt unterstellt waren?

SAUCKEL: Soweit es meine Beauftragten waren, also zur Übermittlung von Aufträgen, waren sie mir unterstellt.


M. HERZOG: Stimmt es, daß sie ermächtigt wurden, den militärischen und zivilen Behörden der besetzten Gebiete Anweisungen zu geben?


SAUCKEL: Das stimmt, soweit es sich um Anweisungen handelte, nicht allgemein, sondern nur fachlich.


M. HERZOG: Wer war Ihr Beauftragter bei der Besatzungsbehörde in Frankreich?


SAUCKEL: Der Beauftragte bei den Besatzungsbehörden in Frankreich war erst Präsident Ritter – er ist in Paris ermordet worden – und nach ihm Präsident Glatzel.


M. HERZOG: Hatten Sie in Belgien einen Beauftragten?


SAUCKEL: In Belgien hatte ich bei dem Militärbefehlshaber einen Beauftragten mit Namen Schulze.


M. HERZOG: Und in Holland?


SAUCKEL: In Holland waren verschiedene. Es war zuerst ein Herr Schmidt und ein anderer; von letzterem kann ich Ihnen den Namen, ich glaube Ritter busch oder so ähnlich, nicht mehr genau sagen.


M. HERZOG: Hatte dieses System der Beauftragten bei den Besatzungsbehörden die Zustimmung des Angeklagten Speer?


SAUCKEL: Es ist auf Veranlassung des Führers erfolgt. Ich nehme an, daß Speer dem zugestimmt hat; er hat das mit empfohlen, soviel ich weiß.


M. HERZOG: Wissen Sie, ob Speer bezüglich dieses Führererlasses irgendeine Initiative ergriffen hat?


SAUCKEL: Ja, er ist mit dabeigewesen und hat das mit empfohlen.


M. HERZOG: Bei Ihrem Verhör haben Sie im Zusammenhang mit diesen Beauftragten erklärt, daß Speer diese Dienststellen für Arbeitseinsatz im Jahre 1941 oder 1942 geschaffen hat. Was meinen Sie mit diesem Satz?


SAUCKEL: Ich habe das nicht genau verstanden, bitte.


[88] M. HERZOG: Ich lese einen Auszug aus Ihrem Verhör vom 8. Oktober 1945 vor:

»Frage: Welches waren die Aufgaben Ihrer Vertreter bei den Arbeitsämtern der Militärbefehlshaber und der Zivilgouverneure? Bestanden diese Aufgaben lediglich in technischen Ratschlägen für die Militärbehörden, die diese jederzeit ablehnen konnten, oder hatten die Vertreter die Vollmacht, den militärischen Befehlshabern Anordnungen bezüglich technischer Fragen zu geben?«


VORSITZENDER: Auf welcher Seite steht das?

M. HERZOG: Auf Seite 9, Herr Vorsitzender.

»Antwort: Im Jahre 1941 oder 1942 hat Speer seine Beauftragten für die Arbeitsfragen geschaffen.«

Ich bitte Sie, nun zu sagen, was Sie mit diesem Satz meinen, daß Speer im Jahre 1941 oder 1942 Beauftragte für den Arbeitseinsatz geschaffen hat.

SAUCKEL: Ich muß hier sagen, ich habe das Protokoll seit meiner Vernehmung nicht mehr gesehen. Ich kann diesen Satz, 1941 bis 1942, nicht bestätigen; ich kann mir auch nicht denken, daß ich das so geäußert haben kann in der Vernehmung.

M. HERZOG: Der Gerichtshof wird Ihre Antwort entsprechend bewerten. Stimmt es, daß Sie neben Ihren Beauftragten bei den Zivil- und Militärbefehlshabern in den besetzten Gebieten auch noch Arbeitsämter einrichten ließen?


SAUCKEL: Das ist nicht richtig, die waren ja schon vorhanden.


M. HERZOG: Sie bestätigen also, daß es neben den Beauftragten, die Ihre Vertreter waren, noch Arbeiterwerbestellen in den besetzten Gebieten gegeben hat?


SAUCKEL: Ja, es gab in den besetzten Gebieten bei jeder Gebietsregierung, ob unter ziviler oder militärischer Führung, Abteilungen »Arbeitseinsatz«, die in diese Regierungen fest als Bestandteil der Verwaltung eingebaut waren und der Verwaltung unterstanden.


M. HERZOG: Können Sie angeben, über wieviel Personal diese verschiedenen Dienststellen in den besetzten Gebieten verfügten?


SAUCKEL: Meinen Sie die Gesamtzahl? – Ich kann den Einzelumfang der Verwaltungen natürlich nicht aus der Erinnerung sagen, ich habe sie auch nie persönlich genau gekannt.


M. HERZOG: Erinnern Sie sich nicht an eine Besprechung, die auf der Wartburg unter Ihrem Vorsitz mit dem Präsidenten der regionalen Arbeitsämter am 15. und 16. Juli 1944 in Gegenwart von Arbeiterdelegationen aus den verschiedenen europäischen besetzten Gebieten stattgefunden hat? Am 15. Juli nachmittags hat der [89] Staatsrat Börger über den Personalstand berichtet – das ist das französische Dokument F-810, das ich als RF-1507 vorlege. Ich lese auf Seite 20: Staatsrat Börger erklärte:

»Außerhalb der Reichsgrenzen stehen im Dienste der Arbeitseinsatzverwaltung rund 4000 Personen, und zwar: im Osten 1300, in Frankreich 1016, in Belgien und Nordfrankreich 429, in den Niederlanden 194...«

Bestätigen Sie diese Erklärung des Staatsrats Börger?

SAUCKEL: Ja, das mag im großen und ganzen richtig sein.

M. HERZOG: Haben Sie nicht außer Ihren Beauftragten und außer diesen Dienststellen, von denen wir eben gesprochen haben, in Frankreich auch besondere Kommissionen von Spezialisten geschaffen, die beauftragt waren, den Einsatz der Arbeitskräfte nach deutschem Muster zu organisieren? Wollen Sie bitte antworten.


SAUCKEL: Ich habe die Frage nicht genau verstanden; ich bitte, sie zu wiederholen.


M. HERZOG: Ich wiederhole: Haben Sie außer Ihren Beauftragten und außer den Dienststellen, von denen wir eben gesprochen haben, nicht auch noch besondere Spezialistenkommissionen in Frankreich geschaffen, die mit der Organisation des Einsatzes von Arbeitskräften nach deutschem Muster beauftragt waren?


SAUCKEL: Ich habe gestern meinem Verteidiger gegenüber die Mitarbeit französischer Verbände behandelt.


M. HERZOG: Darum handelt es sich hier nicht. Ich sprach über die Kommissionen von Spezialisten. Erinnern Sie sich nicht, daß Sie, um die Werbung der Arbeitskräfte zu ermöglichen, ein System geschaffen hatten, das darin bestand, zwei französische Departements einem deutschen Gau anzugliedern?


SAUCKEL: Ich erinnere mich jetzt, was Sie meinen. Das waren die im Einvernehmen mit der Französischen Regierung eingerichteten Patenschaften. Diese Patenschaften zwischen je einem deutschen Gau und einem französischen Departement hatten die Aufgabe, zunächst die Arbeiter, die nach Deutschland kommen sollten, mit den Verhältnissen in Deutschland vertraut zu machen und außerdem gemeinsame Besprechungen mit den Wirtschaftsstellen der Departements in Frankreich über die möglichen statistischen Verhältnisse in die Wege zu leiten.


M. HERZOG: Ich lege das Dokument 1293-PS vor, das das französische Dokument RF-1508 wird. Es handelt sich um einen Brief aus Berlin vom 14. August 1943, der Ihre Unterschrift trägt, und aus welchem ich Ihnen Auszüge vorlesen werde. Der Gerichtshof wird ihn in dem Dokumentenbuch finden, das ich am Anfang dieser [90] Sitzung habe einreichen lassen. Zuerst lese ich den letzten Absatz auf der ersten Seite:

»Die Durchführung dieser zwei...«


VORSITZENDER: Ich fürchte, ich habe es nicht; – 1293?

M. HERZOG: Herr Vorsitzender! Die Dokumente, die ich heute morgen in dem Dokumentenbuch dem Gerichtshof habe überreichen lassen, müssen – sollte ich mich nicht geirrt haben, wofür ich im voraus um Entschuldigung bitte – in der Reihenfolge sein, in der ich sie zu benutzen beabsichtige.


VORSITZENDER: Ich habe es gefunden, 1293. Stimmt das?


M. HERZOG: Herr Vorsitzender! Nur diejenigen Dokumente, die ich öfter benutzen werde, habe ich mit einem besonderen Kennzeichen versehen, damit der Gerichtshof sie leichter wiederfindet. Kann ich jetzt anfangen vorzulesen?


VORSITZENDER: Es tut mir leid, die Dokumente waren mir nicht vorgelegt worden, das ist der Grund. Keines davon hatte mir vorgelegen.


M. HERZOG: Ich lese also am Ende der Seite 1:

»Die Durchführung dieser zwei gewaltigen Arbeitseinsatzaufgaben erfordert die sofortige Einrichtung und den Ausbau einer noch schlagkräftigeren, zuverlässig arbeitenden und mit den not wendigen Vollmachten und Mitteln ausgestatteten deutschen Arbeitsorganisation in Frankreich. Ihre Verwirklichung erfolgt durch die Einrichtung von Patengauen. Frankreich besitzt rund 80 Departements. Das Großdeutsche Reich ist eingeteilt in 42 politische Gaue und auf dem Gebiet des Arbeitseinsatzes in 42 Gauarbeitsamtsbezirke. Je ein deutscher Gauarbeitsamtsbezirk übernimmt die Patenschaft für etwa je zwei französische Departements. Jedes deutsche Gauarbeitsamt stellt für seine Patendepartements eine Kommission tüchtigster und zuverlässigster Fachleute. Diese Kommission organisiert den Arbeitseinsatz in seinen Patendepartements nach deutschem Muster.«

Ich überspringe eine Seite und nehme meine Vorlesung auf Seite 2 im französischen, auf Seite 3 im deutschen Text wieder auf:

»Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß durch diese geplante Einrichtung der Patengaue im Sinne des Arbeitseinsatzes französischer Arbeiter in Deutschland und besonders auch des im Interesse Deutschlands notwendigen Umschichtungsprozesses aus der französischen Zivilfertigung zugunsten der deutschen Kriegsfertigung in Frankreich selbst sich außerordentliche Vorteile gegenüber dem bisherigen System ergeben werden.«

[91] Ich überspringe wieder einige Zeilen und gehe auf Seite 3 im französischen Text über, wo ich vorlese, was unter d) steht:

»Die deutsche Arbeitszentrale in Paris, d.h. der Beauftragte des Generalbevollmächtigten und seine Dienststelle...«

Soeben haben Sie erklärt, daß die deutschen Werbedienststellen in den besetzten Gebieten nicht unter Ihrem Befehl als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz standen, sondern daß sie örtlichen Behörden unterstanden. Wie erklären Sie sich also diesen Satz?

SAUCKEL: Er ist ganz einfach zu erklären. Diese Männer unterstanden ja den Militärbefehlshabern in der Abteilung Arbeit, und sie wurden ja detachiert von Deutschland aus, sie wurden von den Arbeitsämtern detachiert und in die Verwaltung eingeführt.

M. HERZOG: Hier sagen Sie:

»Die deutsche Arbeitszentrale in Paris, d.h. der Beauftragte des Generalbevollmächtigten und seiner Dienststelle...«

Die deutsche Arbeitszentrale in Paris war also Ihr Beauftragter?

SAUCKEL: Die deutsche Arbeitszentrale in Paris war eingebaut in die Zivilverwaltung des Militärbefehlshabers von Frankreich. Das ist hier lediglich nicht in diesem Satz zum Ausdruck gebracht, weil es in diesem Schreiben als bekannt für die Gauleiter vorausgesetzt wurde. Das ist vollkommen richtig, wie ich das geschildert habe.

M. HERZOG: Ich werde weiter vorlesen:

»Die deutsche Arbeitszentrale in Paris, d.h. der Beauftragte des Generalbevollmächtigten und seine Dienststelle besitzt alsdann in ganz Frankreich einen zuverlässigen Apparat, der ihm die Lösung der gestellten Aufgaben in Frankreich trotz etwaigen oder sogar tatsächlichen passiven Widerstands der hohen und unteren französischen Bürokratie außerordentlich erleichtert.«

Ich überspringe zwei Zeilen:

»Ich habe daher die Präsidenten bezw. kommissarischen Leiter der neu gebildeten Gauarbeitsämter beauftragt, in den ihnen zugeteilten Patendepartements eine entsprechende Organisation aufzubauen und bitte Sie, in Ihrer Eigenschaft als mein Bevollmächtigter für den Arbeitseinsatz, mit Zustimmung des Reichsleiters Pg. Bormann der neuen Aufgabe Ihres Gauarbeitsamts Ihre Förderung und weitgehendste Unterstützung zuteil werden zu lassen. Der Präsident, bezw. der kommissarische Leiter Ihres Gauarbeitsamtes hat Auftrag, Sie eingehend und laufend über die Durchführung der Maßnahmen zu unterrichten.«

[92] Stellt nicht diese Maßnahme einen Versuch dar, auf dem Gebiet des Arbeitseinsatzes, das französische Territorium dem deutschen administrativ unterzuordnen?

SAUCKEL: Ja. Ich darf Sie aber bitten und darf das Hohe Gericht bitten, meinerseits folgendes noch zur Erläuterung vorlegen zu dürfen.

Es heißt auf der ersten Seite im Absatz 1; ich zitiere von der 3. Zeile:

»... hat mich unter voller Zustimmung des Führers veranlaßt, in Frankreich in Verhandlungen mit dem französischen Regierungschef und den zuständigen«

– und das ist nun das Entscheidende –

»deutschen Dienststellen«

– das ist der Militärbefehlshaber, bei dem diese Arbeitsbehörde und dieser Beauftragte eingebaut und dem sie unterstellt waren –

»umfangreiche und dringliche Maßnahmen zu treffen.«

Und ich darf auf Seite 4 lesen den besonderen Zweck dieser Patenschaften. Patenschaften sollen ja nichts Unfreundliches darstellen. Ich lese auf Seite 4 im deutschen Text unter a):

»a) Vorurteile, Mißtrauen, Fehler in der Betreuung, Abstellung und Aufklärung von Beschwerden«

– also Beschwerden der Arbeiter –

»die den Arbeitseinsatz in Deutschland beeinträchtigen, können hier durch die Beziehungen zwischen Patengau und Patendepartement weitgehendst ausgeschaltet werden.«

Ich lese unter b):

»b) Jeder französische Arbeiter in einem solchen Departement weiß genau, wo er und unter welchen Bedingungen er in Deutschland zu arbeiten hat. Er wird durch deutsches Propaganda- und Aufklärungsmaterial über das zukünftige deutsche Gebiet, in dem er arbeitet und über alle Dinge, die ihn interessieren, weitgehend aufgeklärt.«

Das war der Zweck dieser Einrichtungen, also etwas Günstiges, was ich hier schaffen wollte, zugunsten der französischen Arbeiter, neben den deutschen Eigeninteressen.

M. HERZOG: Angeklagter! Antworten Sie bitte mit Ja oder Nein.

Sollte diese Maßnahme ein Versuch sein, auf dem Gebiet des Arbeitseinsatzes französische Departements deutschen Gauen verwaltungsmäßig anzugliedern? Antworten Sie mit Ja oder Nein.


SAUCKEL: Nein. Ich darf zu diesem Nein eine Erklärung abgeben. Diese Einrichtung sollte bezwecken, ungeklärte Fragen zwischen der Französischen Regierung, zwischen den französischen Departements, zwischen französischen Industriellen und Betrieben [93] auf der einen Seite und den Dienststellen in Deutschland, wo die französischen Arbeiter eingesetzt werden sollten, aufzuklären. Das war der eigentliche Zweck, Beschwerden und Mißtrauen zu bereinigen.


VORSITZENDER: Wir vertagen uns jetzt.

[Pause von 10 Minuten.]


M. HERZOG: Angeklagter! Ist es richtig, daß Ihr Mitangeklagter Göring alle Organisationen des Vierjahresplans, welche die Aushebung von Arbeitern betrafen, Ihrer Kontrolle unterstellt hat?

SAUCKEL: Die Organisationen des Vierjahresplans, die mit Arbeitsfragen befaßt waren, wurden aufgelöst; diese Fragen wurden ausschließlich in den Abteilungen 3 und 5 des Reichsarbeitsministeriums weiterbearbeitet.


M. HERZOG: Ist es richtig, daß Ihnen die Befugnisse des Reichsarbeitsministeriums, soweit sie den Arbeitseinsatz betrafen, übertragen wurden und daß Sie dadurch gesetzgebende und anordnende Gewalt übertragen erhielten?


SAUCKEL: Nur auf dem Gebiete der Abteilungen 3 und 5, soweit sie mit meiner Aufgabe zusammenhingen; das übrige Reichsarbeitsministerium ist vollständig für sich geblieben unter dem Reichsarbeitsminister.


M. HERZOG: Aber im Rahmen dieser Ressorts übten Sie von Ihrer Ernennung ab die Befugnisse des Reichsarbeitsministers aus, das heißt im Rahmen Ihres Amtes als Generalbevollmächtigter für den Ar beitseinsatz?


SAUCKEL: Im Rahmen meiner Dienststelle als GBA. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, die Abteilungen waren mir nicht unterstellt, sondern zur Verfügung gestellt. Es ist damals auf diese Unterscheidung starker Wert gelegt worden. Die Abteilungen blieben an sich im Gesamtverband des Arbeitsministeriums.


M. HERZOG: Durch diese Stellung hatten Sie verwaltungstechnische Autonomie in allem, was den Arbeitseinsatz betraf.


SAUCKEL: Nicht eine Autonomie, sondern nur auf Grund der Abstimmung. Verordnungen konnte ich nicht erlassen, ich konnte nur Anordnungen erlassen; ich war überall gehalten und angewiesen, die Zustimmung anderer Verwaltungsbehörden oder Reichsministerien herbeizuführen und die Zustimmung des Führers beziehungsweise meiner vorgesetzten Dienststelle zu erwirken.


M. HERZOG: Waren Sie nicht vom Führer mit unbeschränkten Vollmachten für die Werbung und Ausnützung von Arbeitskräften ausgestattet worden?


[94] SAUCKEL: Nicht für die Werbung und Ausnützung von Arbeitskräften heißt es, sondern für die Lenkung und Steuerung. – Es ist ja so, wenn ich das sagen darf, daß der Vermittler von Arbeitern, das ist ja praktisch Arbeitseinsatz, nicht die Arbeiter selbst beschäftigt, sondern die Arbeiter beschäftigt der Betrieb, nicht der Vermittler.


M. HERZOG: Sie hatten doch Vollmacht für die Werbung von Arbeitern?


SAUCKEL: Nicht völlig allein, sondern nur nach Abstimmung und bei Zustimmung – vor allem im Ausland – der gebietlichen Behörde; so habe ich keine Werbung in Frankreich gemacht, ohne ausdrückliche Zustimmung der Französischen Regierung und deren Mitarbeit. Der französische Verwaltungsapparat war hierbei eingeschaltet.


M. HERZOG: Angeklagter Sauckel! Sie haben sich bei verschiedenen Gelegenheiten auf die Vereinbarung und Abreden berufen, die Sie in Frankreich mit denjenigen Personen getroffen haben, die Sie selbst »die Führer der Kollaboration« nannten. Sie wissen besser als jeder andere, daß diese »Führer der Kollaboration«, welche Frankreich vom Feinde aufgezwungen wurden, nur für Ihresgleichen eine Autorität darstellten und daß ihre Handlungen niemals von der Masse des französischen Volkes anerkannt wurden. Diese »Führer der Kollaboration« haben außerdem in ihren Aussagen, die Sie nicht bezweifeln werden, selbst erklärt, welchem Druck sie von Ihrer Seite her ausgesetzt waren, und über diese Frage wollen wir nun sprechen.

Ist es richtig, daß Sie am 16. April 1942, also fast einen Monat nach Ihrer Ernennung, in einem an den Angeklagten Rosenberg gerichteten Brief, der Ihnen gestern vorgelegt wurde und der Ihr Programm enthält, auch die Aushebung von ausländischen Arbeitern in Ihr Ausbeutungsprogramm aufgenommen haben?


SAUCKEL: Ich widerspreche dem Ausdruck »Ausbeutung«. Ich habe auf strikteste Anordnung des Führers die Werbung ausländischer Arbeiter, das ist richtig, in mein Programm aufnehmen müssen.


M. HERZOG: Ist es richtig, daß Sie die Aushebung ausländischer Arbeiter in Ihr Programm vom 16. April 1942 aufgenommen haben? Sie haben es gestern zugegeben und ich bitte Sie, es jetzt zu bestätigen.


SAUCKEL: Jawohl, das ist richtig. Ich betone nur, daß ich das auf ausdrücklichen Befehl getan habe.


M. HERZOG: Ist es richtig, daß dieses Programm vom 16. April 1942, also ungefähr drei Wochen nach Ihrer Ernennung, bereits die Grundsätze der Zwangsaushebung enthielt?


[95] SAUCKEL: Es war auf ausdrücklichen Befehl des Führers mit vorgesehen, soweit die freiwillige Werbung nicht ausreichte. Ich habe das gestern schon meinem Verteidiger erklärt.


M. HERZOG: Erinnern Sie sich Ihres Erlasses vom 29. August 1942? Dieser Erlaß behandelte in erster Linie den Arbeitseinsatz in den besetzten Gebieten. Es ist der Erlaß Nummer 10 vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und bezieht sich auf den Arbeitseinsatz in den besetzten Gebieten.

Er wurde dem Gerichtshof als RF-17 übergeben. Erinnern Sie sich daran?


SAUCKEL: Ich entsinne mich der Anordnung Nummer 10, jawohl.


M. HERZOG: War diese Anordnung für die besetzten Gebiete, welche der deutschen Verwaltung unterstanden?


SAUCKEL: Nach meiner Erinnerung – ich habe die Anordnung nicht im Wortlaut und in den einzelnen Paragraphen vor mir – behandelte sie die Regelung von Arbeitsverhältnissen, die mit deutschen Firmen eingegangen worden waren. Sie hatte den Zweck, ein Durcheinander der Verhältnisse dort zu beseitigen.


M. HERZOG: Ist es richtig, daß Sie im August 1942 eine Dienstreise nach Paris machten.


SAUCKEL: Das ist möglich, ich kann mich an die einzelnen Daten natürlich nicht erinnern.


M. HERZOG: Ist es richtig, daß Sie im Januar 1943 eine Dienstreise nach Paris unternahmen?


SAUCKEL: Auch möglich, auch wahrscheinlich.


M. HERZOG: Stimmt es, daß Sie im Januar 1944 dienstlich in Paris waren?


SAUCKEL: Auch wahrscheinlich; ich habe die einzelnen Daten nicht.


M. HERZOG: Sie haben also Dienstreisen nach Paris unternommen, noch ehe die französischen Behörden die gesetzgebenden Verordnungen vom 4. September 1942 erlassen haben. Ist das richtig?


SAUCKEL: Ich habe die Frage nicht genau verstanden.


M. HERZOG: Ich frage Sie, ob es richtig ist, daß Sie Dienstreisen nach Frankreich unternommen haben, noch ehe die französischen Behörden die drei grundlegenden Gesetze über die Zwangsarbeit vom 4. September 1942, 16. Februar 1943 und 1. Februar 1944 erlassen haben?


SAUCKEL: Ich habe Reisen nach Paris nur angetreten zu dem Zwecke, um mit der Französischen Regierung zu verhandeln, und [96] ich möchte dazu sagen, daß für mich nach meiner innersten Überzeugung...


M. HERZOG: Geben Sie zu, daß Sie im Verlauf dieser Dienstreisen den französischen Behörden die Zwangsarbeitsgesetze aufgezwungen haben?


SAUCKEL: Das stimmt so nicht, sondern es ist...


M. HERZOG: Sie bestreiten also, daß die Gesetze über die Zwangsarbeit unter Ihrem Druck erlassen wurden?


SAUCKEL: Ich bestreite das Wort »Druck«. Ich habe mit der Französischen Regierung einwandfrei verhandelt, ehe solche Gesetze erlassen wurden. Ich bestreite ausdrücklich das Wort »Druck«, und es sind ja genug Zeugen bei diesen Besprechungen anwesend gewesen.


M. HERZOG: Erinnern Sie sich an das Telephongespräch, das der Angeklagte Speer am 4. Januar 1943 mit Ihnen vom Führerhauptquartier aus führte?


SAUCKEL: Ja, ich habe wahrscheinlich verschiedene Gespräche von Speer bekommen; ich weiß nicht, welches Gespräch Sie im einzelnen meinen.


M. HERZOG: Erinnern Sie sich nicht an eine Mitteilung, die Sie nach diesem Telephongespräch vom 4. Januar 1943 an Ihre verschiedenen Dienststellen gesandt haben?

SAUCKEL: Ja, ich habe wahrscheinlich verschiedene Aktennotizen gemacht; denn ich muß mir ja eine Notiz machen, wenn ich ein Telephongespräch bekomme mit einem Auftrag.


M. HERZOG: Ich lege nunmehr Dokument 556-PS vor, welches dem Gerichtshof bereits als US-194 und RF-67 vorgelegt wurde.

Ich verlese dieses Dokument oder wenigstens seinen ersten Absatz:

»1. Am 4. Januar 1943, abends 8.00 Uhr, ruft Minister Speer vom Führerhauptquartier aus an und teilt mit, daß es auf Grund der Entscheidung des Führers nicht mehr notwendig sei, bei den weiteren Anwerbungen von Facharbeitern und Hilfskräften in Frankreich besondere Rücksichten auf die Franzosen zu nehmen. Es könne dort mit Nachdruck und verschärften Maßnahmen an die Werbung herangegangen werden.«

Ich frage Sie nun, Angeklagter, was Sie gemeint haben, als Sie sagten, daß es nicht mehr notwendig sei, »besondere Rücksichten auf die Franzosen zu nehmen«?

SAUCKEL: Ich habe ja nicht diese Notiz beziehungsweise diesen Entschluß selbst gefaßt, sondern es war dies eine Mitteilung aus dem Führerhauptquartier auf Grund einer Entscheidung des [97] Führers. Ich habe trotzdem, und ich möchte das ausdrücklich betonen, mein Verhalten gegenüber der Französischen Regierung nicht geändert; das steht auch nicht im Protokoll; ich habe nach wie vor auf derselben höflichen Grundlage mit der Regierung verhandelt und bitte das Gericht, zu der Frage meiner Verhandlungen mit der Französischen Regierung, eine kurze Erklärung abgeben zu dürfen.

M. HERZOG: Sie können diese später im Laufe des Verhörs abgeben.

Erinnern Sie sich an die Unterredung, die Sie am 12. Januar 1943 mit französischen Stellen hatten?


SAUCKEL: Ich habe in der Deutschen Botschaft in Paris meines Wissens nur mit französischen Ministern verhandelt.


M. HERZOG: Gerade das frage ich Sie. Erinnern Sie sich an diese Unterredung mit französischen Behörden am 12. Januar 1943?


SAUCKEL: Ja, aber im einzelnen nicht; daß ich damals verhandelt habe, das ist wahrscheinlich, das ist schon möglich.


M. HERZOG: Erinnern Sie sich an die Personen, die an dieser Besprechung teilnahmen?


SAUCKEL: Ja, es haben gewöhnlich an diesen Unterredungen der französische Ministerpräsident, der französische Arbeitsminister, Minister Bichelonne, teilgenommen, von deutscher Seite der Botschafter und im Auftrag des Militärbefehlshabers Dr. Fischer und von mir wahrscheinlich Dr. Hildebrand oder einer der Herren.


M. HERZOG: Und Sie können sich nicht erinnern, was Ihnen Laval während dieser Unterredung vom 12. Januar 1943 gesagt hat?


SAUCKEL: In diesen Unterredungen sind sehr viele Dinge lang und eingehend besprochen worden. Ich weiß nicht, was Sie meinen.


M. HERZOG: Nun, ich werde Ihnen das Protokoll dieser Unterredung vorlegen. Es handelt sich um Dokument F-809, welches ich dem Gericht als Beweisstück RF-1509 vorlege.

Im Laufe dieser Unterredung gab Ihnen Laval eine lange Erklärung ab oder, genauer gesagt, mehrere Erklärungen.


VORSITZENDER: Wo können wir es finden?


M. HERZOG: Es ist in meinem Dokumentenbuch, Herr Vorsitzender. Es muß mit einem Zettel »809« versehen sein.


VORSITZENDER: Ja, ich habe es gefunden.


M. HERZOG: Ich verlese zunächst Seite 7 des französischen und des deutschen Textes.

»Gauleiter Sauckel verlangt jetzt noch weitere 250000 Arbeiter, Gauleiter Sauckel kennt sehr gut – seine Dienststellen werden ihn darüber unterrichtet haben – die [98] Schwierigkeiten, die die Französische Regierung auf sich genommen hat, um das vorjährige Programm zu erfüllen. Der Gauleiter muß sich darüber Rechenschaft geben, daß im Hinblick auf die Zahl der Kriegsgefangenen und die Zahl der bereits für Deutschland eingesetzten Arbeiter die Entsendung von weiteren 250000 Arbeitern die Schwierigkeiten der Französischen Regierung noch größer machen wird. Ich kann dem Gauleiter diese Schwierigkeiten nicht verheimlichen, denn sie sind augenfällig, und die Deutschen, die in Paris sind, kennen diese Schwierigkeiten. Wenn der Gauleiter mir erwidert, man habe dieselben Schwierigkeiten in Deutschland überwinden müssen, und wenn er sogar erklärt, man müsse die französische Industrie ausweiten, so darf ich darauf hinweisen, daß Deutschland von Frankreich nicht nur Arbeiter fordert, sondern auch anfängt, die Maschinen aus den Fabriken nach Deutschland zu überführen. Wenn Frankreich auch sonst nichts mehr hat, so blieben ihm doch bisher seine Produktionsmittel. Wenn man Frankreich auch diese noch nimmt, so hat es auch seine Arbeitsmöglichkeiten verloren. Ich tue alles, um den deutschen Sieg zu erleichtern,...«

hier sehen Sie, daß Ihnen Laval nicht verdächtig vorzukommen braucht, Angeklagter,

»ich muß jedoch feststellen, daß die deutsche Politik fast jeden Tag härtere Forderungen an mich heranträgt, ohne daß diese Forderungen in den Rahmen einer einheitlichen Politik gestellt werden. Gauleiter Sauckel kann den deutschen Arbeitern sagen, daß sie für Deutschland arbeiten. Ich kann nicht sagen, daß die Franzosen für Frankreich arbeiten.

Ich sehe, daß die Französische Regierung auf vielen Gebieten nicht handeln kann. Es sieht fast so aus, als ob man deutscherseits auf den guten Willen der Franzosen keinen Wert legt und geneigt ist, in ganz Frankreich eine deutsche Verwaltung einzurichten. Man macht mir meine Aufgabe jeden Tag schwerer. Ich lasse mich zwar nicht entmutigen, halte es jedoch für meine Pflicht, den Gauleiter auf den Ernst der deutsch-französischen Beziehungen hinzuweisen und auf die Unmöglichkeit, in dieser Weise fortzufahren. Es handelt sich nicht mehr um eine Politik der Collaboration, sondern französischerseits um eine Politik der Opfer und deutscherseits um eine Politik des Zwanges.«

Ich gehe zur folgenden Seite, Seite 11, über:

»Der augenblickliche Geisteszustand in Frankreich, die Unsicherheit der Mittel, über die die Französische Regierung verfügt, die halbe Freiheit, in der sie sich befindet, gibt mir nicht die notwendige Autorität, um Gauleiter Sauckel eine [99] sofortige Antwort zu geben. Wir können ja nichts machen. Wir sind nicht frei, die Löhne zu ändern, wir sind nicht einmal frei, den schwarzen Markt zu bekämpfen. Wir können keine politische Maßnahme treffen, ohne überall auf eine deutsche Behörde zu stoßen, die sich uns substituiert.

Ich kann nicht als Garant für Maßnahmen tätig sein, die ich nicht selbst ergreife. Ich bin überzeugt, daß der Führer gar nicht weiß, daß die Französische Regierung nicht handeln kann. Es kann in einem Lande keine zwei Regierungen geben über Fragen, die nicht unmittelbar die Sicherheit der Besatzungsarmee betreffen.«

Ich überspringe zwei Seiten und verlese auf Seite 18 diesen einfachen Satz:

»Es ist mir nicht möglich, lediglich Syndikus deutscher Zwangsmaßnahmen zu sein.«

Dieses Dokument lege ich Ihnen vor, Angeklagter, und stelle Ihnen dazu zwei Fragen:

Die erste Frage ist: Was haben Sie Präsident Laval geantwortet, als er Ihnen diese Erklärung abgab?

Und die zweite Frage ist: Glauben Sie nicht, daß hieraus der Druck, den Sie ja bestreiten, deutlich hervorgeht?

SAUCKEL: Zunächst müßte ich, wenn es das Gericht gestattet, meine Antworten an den Präsident Laval vorlesen. Das Dokument beweist ja, und das hat mir der Präsident Laval verschiedentlich bestätigt, daß ich in korrekter Form mit ihm verhandelt habe, und ich habe auch stets, trotzdem mir der Auftrag gegeben war, keine politischen Gespräche zu führen, sondern nur über meinen fachlichen Auftrag, über diese Dinge dem Führer immer wieder berichtet. Ich glaube, daß der Ton meiner Antwort vollständig einwandfrei ist. Es waren eben Verhandlungen, die von meiner Seite...

M. HERZOG: Das habe ich Sie ja gar nicht gefragt. Ich habe Sie gefragt, was Sie ihm geantwortet haben, als er Ihnen diese Erklärung gegeben hat und als er Ihnen zum Beispiel sagte, daß er unmöglich Syndikus deutscher Zwangsmaßnahmen sein könne.


SAUCKEL: Dann müßte ich meine Antwort vorlesen. Ich selbst habe sie nicht mehr im Gedächtnis.


M. HERZOG: Sie bestreiten also, daß hieraus die Tatsache eines Druckes klar hervorgeht?


SAUCKEL: Der Präsident Laval hat sich hier nicht über mich beschwert, sondern er hat sich über die allgemeinen Verhältnisse in Frankreich beschwert; denn es war ja eine Besatzungszeit, es war ja so, daß dort eine deutsche Besatzung war, es war Krieg.


[100] M. HERZOG: Gut, dann lege ich Ihnen das Dokument vor.


DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Zu der Aktennotiz möchte ich auf einen Übersetzungsfehler hinweisen, der hier zu erheblichem Mißverständnis führt; nach der Notiz heißt es, es könne »mit Nachdruck und verschärften Maßnahmen an die Werbung herangegangen werden«. Das Wort »Nachdruck« ist übersetzt worden mit »pressure« im Englischen. Das ist aber nicht gemeint. Es ist nicht Druck gesagt, sondern »Nachdruck«, das heißt man kann mit Energie auf die nächste Stelle drücken.


VORSITZENDER: Wie mir gesagt wird, steht in der Übersetzung, die wir hier haben, »emphasis« (Nachdruck).


DR. SERVATIUS: »pressure«.


VORSITZENDER: Hier wird gesagt, in der Übersetzung steht »Nachdruck«. Nein, nein, die Übersetzung ist »emphasis«, das heißt »Nachdruck« in diesem Dokument.


DR. SERVATIUS: Oh, ich habe die französische Übersetzung.


M. HERZOG: Ich lege Ihnen das Dokument vor...


VORSITZENDER: Ist dieses Dokument aus der PS-Serie?


M. HERZOG: Nein, Herr Präsident, es ist ein neues, französisches Dokument, das ich vorlege und das die Nummer RF-1509 tragen wird.

VORSITZENDER: Woher kommt dieses Dokument?


M. HERZOG: Dieses Dokument, Herr Vorsitzender, kommt aus den Archiven des Hotels Majestic in Paris, in dem sich die deutschen Dienststellen befanden. Die Archive sind vor einigen Monaten in Berlin wieder aufgefunden worden, und wir haben die Sauckel-Dokumente herausgenommen.

Ich unterbreite dem Gerichtshof die Ursprungsbescheinigung für die Sauckel-Akten sowie auch für diejenigen Dokumente, die ich dem Gerichtshof im Laufe meines Kreuzverhörs noch vorlegen werde. Vielleicht wünscht der Gerichtshof, daß ich es verlese, da das Dokument auf französisch ist.


VORSITZENDER: Ja bitte. Sie meinen die Niederschrift. Was ist das für eine Niederschrift? Von wem wurde sie aufgenommen?


M. HERZOG: Diese Niederschrift wurde von zwei Personen aufgenommen, von Major Henri, dem Verbindungsoffizier bei der amerikanischen Dokumentenzentrale in Berlin und von meinem französischen Kollegen Gerthoffer, der zusammen mit Major Henri dieses Archiv beschlagnahmt hat.


VORSITZENDER: Dann wird es wohl besser sein, daß Sie diese Niederschrift verlesen, damit sie in unser hiesiges Prozeßprotokoll aufgenommen wird.

[101] M. HERZOG:

»Ich, Charles Gerthoffer, Staatsanwalt beim Seine- Gericht, beordert zum Internationalen Militärgerichtshof zur Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher, habe mich zum Ministerial Collecting Center nach Berlin begeben und erhielt von Major Henri, dem Chef der französischen Mission mit Genehmigung von Oberst Helm von der Armee der Vereinigten Staaten, dem Chef der Dienststelle 6889, des Berliner Collecting Center, sieben Akten aus den Archiven des Militärbefehlshabers in Frankreich über Zwangsarbeit, die beim M.C.C. unter folgenden Nummern geführt sind: 3 DS, Nr. 1 bis 213, 4 DS Nr. 1 bis 230, 5 DS Nr. 1 bis 404 und zwei Anlagen; 6 DS Nr. 1 bis 218, 7 DS Nr. 1 bis 118 und eine Anlage: 1 bis 121; 50 DS Nr. 1 bis 55, 71 DS Nr. 1 bis 40.

Ich erkläre vor Major Henri, daß ich diese Akten übernehme, um sie dem Internationalen Militärgerichtshof zur Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher zur Benutzung während des Verfahrens vorzulegen und daß diese Akten endgültig im französischen Justizministerium, in dessen Besitz sie bleiben, hinterlegt werden.

Dieses Dokument ist in fünf Exemplaren ausgefertigt, wovon eines als Affidavit für den Internationalen Militärgerichtshof bestimmt ist.

Gezeichnet Gerthoffer,

gezeichnet Henri.«

Dies ist das Ursprungszeugnis der Dokumente selbst.

Ich habe noch ein zweites Zeugnis, das...

SAUCKEL: Darf ich zu dem ersten noch eine Bemerkung machen? Das erste ist die Niederschrift...

M. HERZOG: Ich möchte Sie bitten, mich nicht zu unterbrechen.


VORSITZENDER: Herr Herzog! Die Dokumente kamen vom Hotel Majestic?


M. HERZOG: Jawohl, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Und das Hotel Majestic war die Stelle...


M. HERZOG: Das war der Ort, wo sich in Paris die Büros des deutschen Militärbefehlshabers und der verschiedenen Besatzungsdienststellen befanden. Diese Dokumente, die zur Zeit der Befreiung verschwunden waren, tauchten in Berlin beim Ministerial Collecting (center) wieder auf. Das Dokument, das ich Ihnen eben vorlegte, ist die Ursprungsbescheinigung dieser Akten. Ich habe ebenfalls ein Ursprungszeugnis der Dokumente, die ich aus den Akten entnommen habe und bin bereit, sie zu verlesen, wenn der Gerichtshof es wünscht.


[102] VORSITZENDER: Das Hotel Majestic war also der Sitz der deutschen Militärregierung in Paris, ist das richtig?


M. HERZOG: Jawohl, Herr Vorsitzender, soweit ich mich nicht irre. Wünscht der Gerichtshof, daß ich zum mindesten einen Auszug aus dem anderen Ursprungszeugnis verlese, das sich auf das Dokument selbst bezieht?


VORSITZENDER: Ich dachte, Sie hätten es schon verlesen?


M. HERZOG: Nein, Herr Vorsitzender, ich unterbreitete dem Gerichtshof zwei Ursprungszeugnisse. Das erste, das ich soeben verlesen habe, ist das Ursprungszeugnis über sieben Akten, die zahlreiche Dokumente enthalten. Aus diesen sieben Akten haben wir nur eine gewisse Anzahl von Dokumenten herausgenommen, die wir dem Gerichtshof vorlegen, und deshalb hielt ich es für gut, nach Verlesung des Ursprungszeugnisses für die Akten auch noch...


VORSITZENDER: Die zweite Bescheinigung besagt nur, daß die Dokumente, die Sie vorlegen, aus jenen Akten stammen?


M. HERZOG: Jawohl, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Und die Akten selbst stammen aus dem Hotel Majestic, dem Sitz der deutschen Militärverwaltung. Wollen Sie auch das zweite Dokument in das Protokoll verlesen?


M. HERZOG: Ich lege beide vor.


VORSITZENDER: Bieten Sie die deutschen Originaldokumente als Beweis an?


M. HERZOG: Jawohl, Herr Vorsitzender.


[Zum Zeugen gewandt:]


Da Sie immer noch den Druck, den Sie auf die Regierung ausgeübt haben, bestreiten, werde ich Ihnen nun das Dokument 1342-PS vorlegen.

SAUCKEL: Ich glaube, hier ist ein Übersetzungsfehler passiert. Ich habe verstanden: »Bestreiten Sie, daß Sie einen Druck auf das Gericht ausüben.« Ich habe vor dem Gericht eine viel zu hohe Achtung, um einen Druck auszuüben. Ich verstehe die Frage nicht. Ich habe eben verstanden, ob ich bestreite, daß ich auf das Gericht einen Druck ausgeübt hätte. Ich muß die Frage verneinen.

M. HERZOG: Ich wiederhole: Da Sie bestreiten, daß Sie einen Druck auf die französischen Behörden ausgeübt haben, unterbreite ich Ihnen ein neues Dokument, Nummer 1342-PS, welches bereits dem Gerichtshof unter der Nummer RF-63 vorgelegt worden ist. Dieses Dokument ist der Bericht über eine Sitzung, die Sie am 11. Januar 1943 in Paris mit verschiedenen Stellen der deutschen Besatzungsbehörden abgehalten haben. Entsinnen Sie sich Ihrer damaligen Erklärung über Ihre Beziehungen zur Vichy-Regierung? [103] Ich werde sie Ihnen vorlesen. Sie steht auf Seite 4 im französischen und im deutschen Text.


SAUCKEL: Ich kann das leider nicht finden.


M. HERZOG: Ich verlese diese Erklärung:

»Die Französische Regierung...«

Letzter Absatz vor dem Ende von Seite 4:

»Die Französische Regierung besteht aus lauter Hinhaltekünstlern. Wären die ersten 250000 Arbeitskräfte, nachdem die Verhandlungen mit der Französischen Regierung schon im vorigen Frühjahr begonnen hatten, rechtzeitig bis zum Herbst in Deutschland eingetroffen, hätte man vielleicht die Schlüsselkräfte im Reich früher einziehen und neue Divisionen aufstellen können, so daß es vielleicht zu der Abschnürung von Stalingrad nicht gekommen wäre. Jedenfalls sei der Führer jetzt zum äußersten entschlossen, eventuell auch ohne Französische Regierung in Frankreich zu regieren.«

Finden Sie nicht, daß diese Erklärung den Druck widerspiegelt, den Sie auf die Französische Regierung ausübten?

SAUCKEL: Das ist ja keine Besprechung mit der Französischen Regierung, sondern das ist eine Feststellung von Tatsachen.

M. HERZOG: Ich habe niemals behauptet, daß das eine Besprechung mit der Französischen Regierung sei, ich habe nur gefragt, was Sie damit meinten, wenn Sie sagten, der Führer sei entschlossen, in Frankreich auch ohne die Französische Regierung zu regieren.


SAUCKEL: Das war ja eine reine Entschließung und Äußerung des Führers, für die ich nicht verantwortlich bin, die ich hier nur geäußert habe, die aber niemals realisiert wurde.


M. HERZOG: Warum haben Sie dann diese Erklärung an die Besatzungsbehörden in Frankreich bei einer Besprechung über Arbeiterwerbung weitergegeben?


SAUCKEL: Weil ich verpflichtet war, ja eine Darstellung der Lage zu geben, so wie ich sie gesehen habe.


M. HERZOG: Glauben Sie nicht, daß Sie auch durch die Weitergabe dieser Führererklärung einen gewissen Druck ausübten?


SAUCKEL: Ich konnte ja gar keinen Druck damit ausüben, denn das war eine reine Übermittlung eines Zustandes. Aber ich habe ja nicht der Französischen Regierung gesagt: der Führer will Sie absetzen, also deshalb müssen Sie das tun. Ich habe ja nur verhandelt.


M. HERZOG: Aber Sie haben doch bei einer Konferenz gesagt, und ich bitte Sie, das zu bestätigen, daß der Führer gegebenenfalls [104] entschlossen sei, auch ohne Französische Regierung in Frankreich zu regieren. Haben Sie das gesagt? Antworten Sie ja oder nein.


SAUCKEL: Ich habe das wiedergegeben, ja, aber nicht mit der Absicht, das zu tun.


M. HERZOG: Entsinnen Sie sich der Unterredung, die Sie am 14. Januar 1944 in Paris mit verschiedenen deutschen Persönlichkeiten hatten?


SAUCKEL: Ja, daß ich da eine Unterredung gehabt habe, ist möglich, der Gegenstand aber ist mir nicht gegenwärtig.


M. HERZOG: Sie entsinnen sich also nicht mehr genau der Unterredung, die Sie am 14. Januar gehabt haben? Sie entsinnen sich auch nicht der deutschen Persönlichkeiten, die an dieser Unterredung teilnahmen?


SAUCKEL: Es sind da wohl mehrere Unterredungen gewesen. Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Sie meinen, und ich habe natürlich auch den Gesprächsgegenstand nicht mehr konkret in Erinnerung.


M. HERZOG: Am 14. Januar 1944 hatten Sie eine Unterredung in Paris mit Abetz, von Stülpnagel, Oberg und Blumentritt. Entsinnen Sie sich, daß Sie bei dieser Unterredung diesen Herren einen Gesetzesvorschlag unterbreitet haben, den Sie verfaßt hatten und den Sie der Französischen Regierung aufoktroyieren wollten.


SAUCKEL: Den ich nicht aufoktroyieren, sondern besprechen wollte. Ich habe das verhandelt, nicht aufoktroyiert. Das geht aus den Texten der Protokolle ja klar hervor. Das Protokoll zeigt das ganz klar.


M. HERZOG: Sie bestreiten also, daß Sie selber einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet und der Französischen Regierung unterbreitet haben?


SAUCKEL: Nein, das bestreite ich nicht, daß ich einen Gesetzesvorschlag unterbreitet und ausgearbeitet habe, das bestreite ich nicht, das ist ja bei Verhandlungen notwendig.


M. HERZOG: Sie geben also zu, daß Sie selbst diesen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet haben?


SAUCKEL: Ja, ich kann Ihnen nicht sagen, welchen Sie meinen.


M. HERZOG: Gut, ich lege Ihnen das französische Dokument F-813 vor, welches ich dem Gerichtshof unter der Nummer RF-1512 unterbreite. Dokument F-813 ist ein Protokoll der Konferenz vom 14. Januar 1944. Das Protokoll ist von Abetz, Oberg, von Stülpnagel, Blumentritt und von Ihnen selbst unterzeichnet.

Ich verlese aus dem Abschnitt römisch III:

»Der GBA hat« – es handelt sich um Sie – »einen Gesetzentwurf für die Französische Regierung ausgearbeitet.«

[105] Ich frage Sie jetzt noch mal: Bestreiten Sie immer noch, selber das Gesetz ausgearbeitet zu haben, das Sie der Französischen Regierung unterbreitet haben?

SAUCKEL: Das bestreite ich nicht. Ich mußte ja einen Vorschlag machen, das geschah ja auf Grund von gegenseitigen Verhandlungen.

M. HERZOG: Sie bestreiten also, daß Sie dieses Gesetz durch Druck aufgezwungen haben?


SAUCKEL: Daß ich dieses Gesetz durch Druck aufgezwungen habe, das bestreite ich. Ich habe über das Gesetz verhandelt.


M. HERZOG: Entsinnen Sie sich nicht, dem Führer einen Bericht über Ihre Reise nach Paris im Januar 1944 gemacht zu haben?


SAUCKEL: Zu berichten war ich ja verpflichtet, wenn ich Reisen machte. Denn es waren ja Aufträge des Führers.


M. HERZOG: Dann werde ich Ihnen diesen Bericht zeigen; es ist Dokument 556-PS, das dem Gerichtshof als RF-67 vorgelegt wurde. In diesem Bericht sprechen Sie zweimal von den deutschen Forderungen. Glauben Sie nicht, daß dies ein Bericht an den Führer über die Annahme der deutschen Forderungen, über den Erfolg des von Ihnen ausgeübten Druckes war?


SAUCKEL: Ich kann mir nicht denken, auf welch andere Weise in der Welt Verhandlungsgrundlagen zustande kommen sollten. Die Deutsche Regierung hat gefordert, und es wurde wegen dieser Forderungen mit der Französischen Regierung, die ich für legal betrachten mußte, verhandelt.


M. HERZOG: Sie geben also zu, daß die Deutsche Regierung und Sie als Ihr Vertreter Forderungen stellten? Antworten Sie mit Ja oder Nein.


SAUCKEL: Die Deutsche Regierung hat gefordert, jawohl, das ist richtig.


M. HERZOG: Ich danke Ihnen. Hat diese Forderung nicht manchmal die Form eines wirklichen Ultimatums angenommen?


SAUCKEL: Das ist mir nicht gegenwärtig. Ich kann nur sagen, daß ich mit dem französischen Ministerpräsidenten sehr höflich und zuvorkommend und in gutem Einvernehmen verhandelte. Das hat er auch öfters zum Ausdruck gebracht. Das steht auch im Protokoll.


M. HERZOG: Was taten Sie hinsichtlich der Mobilisierung des Jahrgangs 1944? Entsinnen Sie sich nicht, diese Mobilisierung durch ein richtiggehendes Ultimatum gefordert zu haben? Antworten Sie ja oder nein.


SAUCKEL: Ich kann das aus der Erinnerung so nicht sagen.


[106] VORSITZENDER: Herr Herzog! Vielleicht legen Sie ihm den letzten Satz aus dem Brief vom 25. Januar 1944, 556-PS, vor.


M. HERZOG:

»Ich habe aber keinen Zweifel darüber gelassen, daß, wenn die Forderungen auf Gestellung der benötigten Arbeitskräfte nicht erfüllt werden, weitere verschärfte Maßnahmen ergriffen werden.«


SAUCKEL: Ja, das habe ich wahrscheinlich gesagt, nicht in dieser Form, wie es hier im Brief steht.

M. HERZOG: Entsinnen Sie sich nicht, daß Sie am 6. Juni 1944, also an dem Tag, an dem unsere Befreiung begann, einen Brief an Abetz geschickt haben?


SAUCKEL: Das kann ich Ihnen aus der Erinnerung nicht sagen.


M. HERZOG: Ich werde Ihnen diesen Brief unterbreiten. Es ist das französische Dokument F-822, das ich dem Gerichtshof unter RF-1513 vorlege:

»Paris, den 6. Juni 1944.

Sehr geehrter Herr Botschafter, lieber Parteigenosse Abetz!

Die längstersehnte Invasion hat nun begonnen. Damit endet auch für den Arbeitseinsatz eine Warteepoche, die bisher sichtlich, bisweilen unausgesprochen, als Vorwand diente, daß eine Gestellung von Arbeitskräften für das Reich aus der damit zusammenhängenden politischen Atmosphäre unmöglich sei.«

Ich überspringe einige Zeilen und lese weiter:

»Jetzt, wo der deutsche Soldat am Kanal wieder kämpfen und bluten muß, jetzt, wo sich der Kampf auf viel weitere Gebiete Frankreichs stündlich erweitern kann, wiegen irgendwelche Aufrufe und Worte von Laval federleicht. Die einzige Sprache, die jetzt vernommen wird, wird vom deutschen Soldat gesprochen. Ich möchte daher in diesen entscheidenden Stunden Sie bitten, den Ministerpräsidenten Laval zu veranlassen, nun endlich auch einmal etwas zu tun, was ihm sichtlich schwer fällt. Er möge die Aufrufung des Jahrganges 1944 nunmehr unterzeichnen. Ich wünsche nicht mehr länger hingehalten zu werden. Ich möchte auch nicht mit einer vielleicht unrechten, aber doch sich mir zwingend aufdrängenden Meinung über die hinhaltende Taktik der Französischen Regierung abreisen. Ich bitte daher auf das allerdringlichste, bis morgen vormittag um 10.00 Uhr die Unterschrift des französischen Ministerpräsidenten für den Aufruf des Jahrganges 1944 herbeizuführen oder es mir klipp und klar mitzuteilen, wenn Laval mit einem glatten Nein antworten sollte. Hinauszögernde Ausreden vermag ich unter keinen Umständen [107] anzuerkennen, da alle technischen Vorbereitungen sowohl hinsichtlich der Aufteilung auf die Departements wie der Transportwege hinreichend geklärt sind oder durch dauernde gemeinsame Besprechungen in der endgültigen Planung begriffen sind.«

Ist das nicht ein richtiggehendes Ultimatum?

SAUCKEL: Das ist nur insofern ein Ultimatum, als meine Abreise hier ja in Frage stand, weiter nichts. Denn irgendwelchen Druck oder Drohungen gegenüber Laval konnte ich nicht aussprechen.

M. HERZOG: Was wollten Sie hiermit sagen:

»Ich bitte daher auf das allerdringlichste, bis morgen vormittag um 10.00 Uhr die Unterschrift des französischen Ministerpräsidenten für den Aufruf des Jahrganges 1944 herbeizuführen, oder es mir klipp und klar mitzuteilen, wenn Laval mit einem glatten Nein antworten sollte. Hinauszögernde Ausreden vermag ich unter keinen Umständen an zuerkennen.«

Ist das kein Ultimatum?

SAUCKEL: Das ist nur insofern ein Ultimatum, als ich nicht mehr länger warten konnte; ich mußte abreisen, weil ich Befehl dazu hatte. Ich habe ihn um Entscheidung, ja oder nein, gebeten, weiter nichts.

M. HERZOG: Ja, aber eine Entscheidung zu ja oder nein fordern, Angeklagter Sauckel, bezeichnen Sie das nicht als ein Ultimatum?


SAUCKEL: Ja. Ich mußte abreisen, und ich wollte eine Entscheidung haben, ob der französische Ministerpräsident das unterzeichnet oder nicht.


M. HERZOG: Ich danke Ihnen. Der Gerichtshof wird dies zur Kenntnis nehmen.

Wissen Sie, wie viele französische Arbeiter infolge Ihrer verschiedenen Aktionen nach Deutschland deportiert wurden?


SAUCKEL: Es sind, nach meiner Erinnerung, ich kann mich nicht aus dem Kopf darauf festlegen, 700000 bis 800000 französische Arbeiter in Deutschland eingesetzt worden. Ich kann es aber nicht genau sagen ohne Unterlagen.


M. HERZOG: Stimmt es, daß in Belgien und in Nordfrankreich die Deportationen der Arbeiter für die Zwangsarbeit durch die Gerichtsbarkeit der Besatzungsarmeen angeordnet wurden?


SAUCKEL: Durch die Gerichtsbarkeit der Besatzungsarmeen? Das ist mir nicht bekannt, sondern durch die Arbeitsverwaltung.


M. HERZOG: Stimmt es, daß die Zwangsarbeit durch eine Verordnung vom 6. Oktober 1942 in Belgien und Nordfrankreich eingeführt wurde?


[108] SAUCKEL: Wir haben das »Dienstverpflichtung« genannt nach deutschen Gesetzen. Das ist richtig.


M. HERZOG: Stimmt es, daß General von Falkenhausen, der Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich, die Verordnung vom 6. Oktober 1942 unter Ihrem Druck unterschrieben hat?


SAUCKEL: Nein, die hat er nicht unter meinem Druck unterschrieben, denn ich habe mit ihm darüber gesprochen und es hat gar keine Diskussion stattgefunden; denn das geschah ja auf Antrag der Reichsregierung und des Führers. Auf allen Gebieten.


M. HERZOG: Ich unterbreite das Verhör des Generals von Falkenhausen, der vor einem französischen Beamten am 27. November 1945 ausgesagt hat. Ich habe dieses Verhör bereits unter RF-15 im Verlaufe meiner Ausführungen im Januar vorgelegt. Ich verlese die erste Seite, dritte Frage:

»Frage: Schwören Sie, die Wahrheit, die reine Wahrheit und nur die Wahrheit zu sagen?

Antwort: Ich schwöre.

Frage: Am 6. Oktober 1942 erschien eine Verordnung, durch die in Belgien und Nordfrankreich die Arbeitspflicht eingeführt wurde.«

Ich überspringe zwei Zeilen.

»Antwort: Ich war Oberbefehlshaber für Nordfrankreich und Belgien.

Frage: Erinnern Sie sich, Zeuge, diese Verordnung erlassen zu haben?

Antwort: Ich kann mich des genaueren Textes dieser Verordnung nicht mehr erinnern, da diese nach langem Kampfe mit dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz Sauckel erlassen wurde.

Frage: Haben Sie Schwierigkeiten mit Sauckel gehabt?

Antwort: Ich hatte mich entschieden gegen die Einführung der Dienstpflicht ausgesprochen, und erst nach Erhalt des Befehles habe ich mich bereit erklärt, die Verordnung zu erlassen.«

Bestreiten Sie immer noch, daß der General von Falkenhausen diese Verordnung unter Ihrem Druck erließ?

SAUCKEL: Ich bestreite diese Darstellung, wie sie hier vorliegt, ausdrücklich.

M. HERZOG: Sie bestreiten also die Aussagen des Generals von Falkenhausen?


SAUCKEL: In dieser Fassung, ja. Denn die Einführung...


M. HERZOG: Die Aussage wurde unter Eid abgegeben. Sie sagen heute unter Eid aus, der Gerichtshof wird es berücksichtigen.


[109] SAUCKEL: Ich sage in vollem Bewußtsein aus, daß nach meiner besten Erinnerung diese Darstellung nicht vollkommen korrekt ist, denn die Arbeitsgesetzgebung in den besetzten Gebieten wurde nicht auf meinen Befehl, sondern auf Befehl des Führers eingeführt. Ich habe auch darüber mit dem Herrn General von Falkenhausen keine Diskussion gehabt, sondern wir haben uns sehr freundlich unterhalten und er hat dieses Gesetz eingeführt. Ich erinnere mich nicht, deswegen Schwierigkeiten gehabt zu haben. Er sagt ja auch hier in einem weiteren Absatz, daß er nur damals sämtliche Anweisungen auf Befehl Hitlers gab. Ich selbst habe keine Diskussion und Schwierigkeiten gehabt mit ihm.


M. HERZOG: Stimmt es, daß in Holland die Deportation der holländischen Arbeiter für die Zwangsarbeit durch die Gerichtsbarkeit des Reichskommissariats ausgeführt wurde?


SAUCKEL: Ich bitte, darüber den Angeklagten Seyß- Inquart selbst verhören zu wollen. Die Gerichtsbarkeit ist mir ein vollkommen neuer Ausdruck. Es wurde diese Sache in Frankreich, Belgien und Holland über die Verwaltung der Arbeitsabteilungen beziehungsweise Arbeitseinrichtungen...


M. HERZOG: Wer hat die Verordnungen über die Zwangsarbeit in Holland unterzeichnet?


SAUCKEL: Ich nehme an, daß das Herr Seyß-Inquart getan hat.


M. HERZOG: Nein. Stimmt das, daß die Verordnungen, die von Seyß-Inquart unterzeichnet wurden, nur eine lokale Regelung Ihres allgemeinen Programms darstellten, das Sie durchzuführen hatten?


SAUCKEL: Eine lokale Regelung in Holland? Ich verstehe das nicht ganz vollkommen in der deutschen Fassung.


M. HERZOG: Stimmt es nicht, daß der Angeklagte Seyß-Inquart mit der Unterzeichnung der Verordnungen über Zwangsarbeit in Holland nur Ihr Zwangsarbeitsprogramm durchführte?


SAUCKEL: Er realisierte das Arbeitsprogramm des Führers, so wie es von ihm befohlen und angeordnet war.


M. HERZOG: Sie sind niemals nach Belgien oder Holland gefahren, um die Durchführung der Zwangsarbeitsgesetze zu überprüfen?


SAUCKEL: Nein, nicht zu überprüfen, ich bin in Belgien und Holland sehr kurz gewesen und habe dort Besprechungen mit den führenden Chefs gehabt und habe, meiner Erinnerung nach, in Antwerpen die Arbeitsbehörde besucht und angesehen, wie sie funktionierte, die deutsche.


M. HERZOG: Und während dieser Reisen haben Sie detaillierte Maßnahmen ausgearbeitet, um Ihr Arbeitsprogramm durchzuführen, nicht wahr?


[110] SAUCKEL: Ich habe sie nicht während dieser Reisen ausgearbeitet, sondern ich habe sie dort besprochen. Ich habe zum Teil selbstverständlich die Reisezeit zur Arbeit verwendet.


M. HERZOG: Ich lege Ihnen das Dokument 556-PS vor, das bereits unter RF-67 eingereicht wurde. Es ist ein Brief, den Sie am 13. August 1943 an den Führer gerichtet haben. Im ersten Absatz erklären Sie:

»Mein Führer! Ich bitte, mich von meiner Dienstreise Frankreich-Belgien-Holland zurückmelden zu dürfen. In zähen, harten und langwierigen Verhandlungen habe ich folgendes Programm für die letzten 5 Monate des Jahres 1943 den besetzten Westgebieten auferlegt und umfassende Maßnahmen für seine Durchführung – in Frankreich mit dem Militärbefehlshaber, der Deutschen Botschaft, der Französischen Regierung, in Belgien mit dem Militärbefehlshaber und in Holland mit den Dienststellen des Reichskommissars – vorbereitet.«

Bestreiten Sie immer noch, Angeklagter, daß Sie nach Belgien und Holland gereist sind, um dort detaillierte Maßnahmen vorzubereiten?

SAUCKEL: Ich habe das nie bestritten. Ich möchte mich nicht gegen den Ausdruck wenden, sondern nur gegen die Tendenz, wie Sie es bisweilen vortragen. Es steht ja ausdrücklich drin, daß sie dort besprochen worden sind; darin liegt die Vorbereitung.

M. HERZOG: Eine letzte Frage zu diesem Problem: Wie viele holländische Arbeiter, glauben Sie, sind nach Deutschland deportiert worden?


SAUCKEL: Ich kann Ihnen nicht genau aus der Erinnerung sagen, wie viele holländische Arbeiter in Deutschland eingesetzt worden sind auf Grund von Verträgen mit ihnen und auf Grund dieser Gesetze; es kann sein 200000 bis 300000, es können aber auch mehr sein. Ich kann die holländische Zahl aus dem Kopf nicht sagen.


M. HERZOG: Ich danke Ihnen.

Stimmt das, daß die Zwangswerbung der ausländischen Arbeiter in brutaler Weise durchgeführt wurde?


SAUCKEL: Über die Vorschriften, die ich erlassen habe, ist gestern ausreichend und eindeutig gesprochen worden. Meine Anordnungen liegen ja fast lückenlos vor und lehnen eine brutale Erfassung, die man als Willkür...


VORSITZENDER: Angeklagter! Sie wurden nicht über Ihre Anordnungen befragt, sondern darüber, ob mit Brutalität vorgegangen wurde. Wenn Sie darüber etwas wissen, können Sie antworten.


[111] SAUCKEL: Ich kann das nicht wissen. Ich habe bisweilen Übergriffe erfahren und ich habe sie sofort abgestellt und dagegen Verwahrung eingelegt, wenn ich etwas erfahren habe.


M. HERZOG: Haben Sie von den Protesten gegen die Art und Weise, mit der die Werbung der Arbeiter in den besetzten Gebieten durchgeführt wurde, gewußt?


SAUCKEL: Ich habe Proteste bekommen, soweit sie gestern mit meinem Verteidiger besprochen worden sind.


M. HERZOG: Was haben Sie getan, als Sie diese Proteste erhielten?


SAUCKEL: Ich ließ die Fälle untersuchen, habe den zuständigen Behörden die weiteren Maßnahmen überlassen und habe von meiner Seite alles getan – das kann und wird hier bezeugt werden – um derartige Vorkommnisse zu verhüten und abzustellen.


M. HERZOG: Stimmt es, daß Sie sich an die Wehrmacht wandten, um die Werbung der ausländischen Arbeiter sicherzustellen?


SAUCKEL: Ich habe in den Gebieten, in denen die Gebietshoheit von der Wehrmacht ausgeübt wurde, über den Generalquartiermeister des Heeres an die Militärbefehlshaber oder Oberbefehlshaber die Weisungen des Führers, die ich selbst hatte, weitergegeben.


M. HERZOG: Stimmt es, daß Sie die militärischen Behörden gebeten haben, Ihren Dienststellen Truppenkommandos zur Verfügung zu stellen?


SAUCKEL: An Truppenkommandos erinnere ich mich nicht, sondern dort befanden sich ja Abteilungen »Arbeit«. Richtig ist, daß in Gebieten, in denen Aufstände oder Partisanenkämpfe waren, ich gebeten habe, diese Gebiete zu befrieden, um eine Verwaltung dort wieder möglich zu machen, die meist dann unterbrochen beziehungsweise gestört war.


M. HERZOG: Sie geben also zu, gebeten zu haben, daß Ihnen Truppenkommandos zur Verfügung gestellt wurden?


SAUCKEL: Nicht mir, denn meine Aufgabe war nicht die Befriedung der Gebiete, sondern ich habe zur Voraussetzung der Erfüllung meiner Aufträge erklärt, daß ich sie nur dann durchführen kann, wenn durch die Befriedung eine geregelte Verwaltung wieder möglich ist, nicht zur Erfassung der Arbeiter.


M. HERZOG: Haben Sie verlangt, daß diese Truppenkommandos die Arbeitswerbestellen unterstützen sollten?

Ich lege Ihnen das Dokument F-815 als RF-1514 vor. Es ist ein Brief des Generalfeldmarschalls von Rundstedt vom 18. April 1944, der an Sie gerichtet ist. Ich lese den ersten Absatz vor:

[112] »Seitens des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz...«

Das sind Sie doch, nicht wahr?

SAUCKEL: Das bin ich, das kann aber auch eine andere Stelle in Frankreich sein.

M. HERZOG:

»... ist der Antrag gestellt worden, bei OB. West dafür einzutreten, daß in den Bezirken, in welchen Truppenverbände des OB. West eingesetzt sind, die Kommandeure dieser Truppenverbände angewiesen werden, durch Bereitstellung von Truppenkommandos die Durchführung der dem Arbeitseinsatz gestellten Aufgaben zu unterstützen.«

Bestreiten Sie immer noch, daß Sie Truppenkom mandos angefordert haben?

SAUCKEL: Ich persönlich habe sie nicht angefordert, das scheint die Dienststelle West gewesen zu sein.

M. HERZOG: Sind Sie nicht der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz?


SAUCKEL: Doch, aber es ist mir dieser Befehl persönlich nicht bekannt.


M. HERZOG: Wissen Sie, ob Speer dieses Gesuch unterstützt hat?


SAUCKEL: Das kann ich nicht sagen.


M. HERZOG: Ich unterbreite das Dokument 824-PS...


VORSITZENDER: Vielleicht verschieben Sie das lieber bis nach der Vertagung.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 15, S. 75-114.
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