Vormittagssitzung.

[334] GERICHTSMARSCHALL: Zur Kenntnisnahme des Gerichtshofs teile ich mit, daß der Angeklagte Heß abwesend ist.

DR. RUDOLF DIX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Ich bitte das Tribunal um ganz kurzes Gehör für einen eventuellen vorsorglichen Beweisantrag. Ich wiederhole, eventuell und vorsorglich, nur unter einer bestimmten Voraussetzung, die ich sogleich beschreiben werde.

Ich bitte das Tribunal, sich zu erinnern, daß ich zu dem gleichen Beweisthema, zu welchem der Zeuge Gisevius als Entlastungszeuge für Dr. Schacht gehört worden ist, auch Frau Strünk und den Generaloberst Halder hören wollte. Den Antrag auf Vernehmung des Generaloberst Halder hatte ich schon frühzeitig zurückgezogen. Die Vernehmung der Frau Strünk als Zeugin war mir vom Tribunal bewilligt.

Ich habe mich jedoch nach der Vernehmung von Gisevius und Vocke entschlossen, der Zeitersparnis halber auf die Zeugen als kumulativ zu verzichten.

Nun sind diese beiden Zeugen, Frau Strünk und Generaloberst Halder, dann nicht mehr kumulativ, wenn, was nicht meine Ansicht ist, das Gericht der Ansicht sein sollte, daß die Aussagen des Zeugen Gisevius, soweit er Dr. Schacht entlastet hat, durch die Bekundungen des Zeugen von Brauchitsch irgendwie erschüttert sind. Ich habe nicht die Aufgabe, die ideellen oder materiellen Interessen des Zeugen Gisevius zu vertreten. Ich habe auch nicht die Glaubwürdigkeit des Zeugen Gisevius zu erhärten, soweit er andere Angeklagte oder andere Personen belastet hat. Mein Pflichtenkreis umfaßt nur das Beweisthema betreffend Entlastung von Dr. Schacht. Nun bin ich persönlich der Auffassung – und insoweit spreche ich gegen meinen eigenen Antrag –, daß die Aussage Gisevius' hinsichtlich Schacht – also seine Bekundungen über den von Schacht gewollten Zweck der Rüstung, seine Bekundungen über die innere Einstellung Schachts zum Regime und insbesondere seine Bekundungen über die aktive Teilnahme Schachts an der Widerstandsbewegung –, daß die in keiner Weise erschüttert sind durch die Bekundungen des Zeugen Brauchitsch, nach denen er den Zeugen Gisevius überhaupt nicht kenne. Denn dieses Beweisthema wird ja nicht nur durch Gisevius bewiesen, sondern, was den Rüstungszweck und die innere Einstellung zum Regime anlangt, durch sämtliche eingereichten [334] Affidavits und den Zeugen Vocke, was erstens den Beginn der Widerstandsbewegung durch die Fühlung mit Kluge anlangt, durch das Affidavit Schmidts, was die Versuche anlangt, den Krieg noch in letzter...


VORSITZENDER: Dr. Dix! Ich glaube, Sie müssen sich jetzt entschließen, ob Sie einen Antrag stellen wollen oder nicht. Wenn Sie einen Antrag stellen, muß das schriftlich geschehen. Der Gerichtshof möchte nicht vorsorgliche Anträge in Betracht ziehen, die nicht schriftlich vorliegen.


DR. DIX: Ich habe die Absicht, es dem Gericht anheimzustellen und anzuregen, weil ich persönlich der Ansicht bin...


VORSITZENDER: Dr. Dix! Der Gerichtshof hat verfügt, daß alle Anträge schriftlich gestellt werden müssen. Dies betrifft jeden Verteidiger, und diese Regel müssen auch Sie befolgen. Deshalb, wenn Sie einen Antrag stellen wollen, muß das schriftlich geschehen.


DR. DIX: Gut. Ich werde gern den Antrag schriftlich nachreichen. Wünscht dann das Tribunal eine kurze Ankündigung, wohin er zielt, oder soll ich mich darauf beschränken, nur den schriftlichen Antrag in Aussicht zu stellen?


VORSITZENDER: Ich sehe keinen Grund, von der Regel abzuweichen.


DR. DIX: Dann werde ich den Antrag schriftlich stellen.


VORSITZENDER: Ich habe zwei Ankündigungen zu machen. Die erste betrifft den Antrag von Dr. Seidl, der nicht anwesend zu sein scheint. Dem Gerichtshof liegt ein Bericht des Gefängnispsychologen Hauptmann G. M. Gilbert vom 17. August 1946 vor über den Zustand des Angeklagten Heß. Dieser Bericht wird dem Verteidiger des Angeklagten Heß, der Anklagevertretung und der Presse zugestellt werden. Der Gerichtshof wird gegenwärtig keinen weiteren Bericht über den Angeklagten Heß anfordern. Die zweite Ankündigung betrifft den Antrag von Dr. Stahmer vom 14. August 1946. Der Gerichtshof wird diesen Antrag als einen Ausnahmefall behandeln und den Angeklagten Göring nochmals als Zeugen zulassen, damit er zu dem Beweisthema der Experimente Stellung nehmen kann, das zeitlich erst nach der Aussage Görings behandelt wurde; aber nur darüber. Der Gerichtshof lehnt den Antrag auf Vorladung eines weiteren Zeugen ab und wird jetzt den Angeklagten Göring als Zeugen hören.


[Der Angeklagte Göring betritt den Zeugenstand.]


Sie sind sich bewußt, Angeklagter, daß Sie immer noch unter Eid stehen.

HERMANN WILHELM GÖRING: Selbstverständlich.

DR. STAHMER: Waren Sie Präsident des Reichsforschungsrates?


[335] GÖRING: Jawohl.


DR. STAHMER: Wann und durch wen wurde der Reichsforschungsrat geschaffen? Welche Aufgaben hatte er?


GÖRING: Der Reichsforschungsrat wurde meines Erinnerns im Jahre 1942 oder Anfang 1943 von mir geschaffen. Es handelte sich darum, daß alle Gebiete der Forschung überhaupt – Physik, Chemie, Technik, Medizin, Geisteswissenschaften - zusammengefaßt wurden und die verschiedenen staatlichen Institute – Kaiser-Wilhelm-Institut, Universitätsinstitute, wirtschaftliche Forschungsinstitute –, die die gleichen Forschungen betrieben, jeweils zusammengefaßt wurden. In diesem Reichsforschungsrat wurden nach den Gebieten Kommissionen gebildet, die zusammengeschlossen wurden und dafür zu sorgen hatten, daß nicht Parallelforschungen geschahen, sondern die Forschungen gemeinsam erfolgten; und zweitens, daß die Einschleusung der jeweils verwandten Forschungsgebiete, es handelte sich zum Beispiel um Chemie und so weiter, richtig erfolgte. An jeder Spitze dieser Kommissionen stand ein Beauftragter. Im Vordergrund stand selbstverständlich bei sämtlichen Forschungen die Anwendung für die Kriegsnotwendigkeiten. Auch hierfür waren besondere Männer berufen. Unter dem Reichsforschungsrat wurden nun nicht Hunderte, sondern Tausende von Forschungsaufträgen vergeben. Da ich persönlich ja nicht Sachverständiger bin, stand ich dem Gesamtgremium nur deshalb vor, um ihm meine Autorität zu geben, und vor allen Dingen auch, um die notwendigen Geldmittel bereitzustellen. Solche Aufträge liefen unter dem Titel »Der Reichsmarschall des Deutschen Reiches, der Präsident des Reichsforschungsrates«.


DR. STAHMER: Welche Stellung innerhalb der Luftwaffe, welche Aufgaben hatte die Sanitätsinspektion der Luftwaffe?


GÖRING: Diese hatte die Aufgabe wie bei allen anderen Waffenteilen, für die Gesundheit der Luftwaffe zu sorgen und alle auf diesem Gebiet liegenden Aufgaben zu erfüllen.


DR. STAHMER: Stand die Sanitätsinspektion in irgendeiner Beziehung zum Reichsforschungsrat?


GÖRING: Sie hatte selbstverständlich eine lose Verbindung zum Reichsforschungsrat, um die Ergebnisse medizinischer und klinischer Forschungen zugeleitet zu erhalten, beziehungsweise um ihre Wünsche über Forschungsaufträge, die sie besonders interessierte, an den Reichsforschungsrat zu leiten.


DR. STAHMER: Haben Sie nun dem Reichsforschungsrat oder der Sanitätsinspektion der Luftwaffe oder einer anderen Dienststelle zu irgendeiner Zeit Aufträge erteilt zur Vornahme medizinischer Versuche an Häftlingen in KZ-Lagern, wie Dachau oder anderen KZ-Lagern?


[336] GÖRING: Ich möchte hierauf ganz klar erklären, daß es kein einziges Schreiben mit meinem Namen geben kann, daß kein einziger Mann auftreten kann, der behauptet, von mir direkt, und zwar jemals und zu irgendeiner Zeit, einen einzigen Auftrag hierzu oder auch nur eine Andeutung in dieser Richtung erhalten zu haben.


DR. STAHMER: Haben Sie Kenntnis davon gehabt, daß ein Dr. Rascher oder ein Oberfeldarzt der Luftwaffe Dr. Welz medizinische Versuche an Häftlingen im Konzentrationslager Dachau vorgenommen haben?


GÖRING: Dr. Rascher war, wie ich hier erfahren habe und aus den Dokumenten ersehen konnte, anfangs ein Reservearzt der Luftwaffe. Da er scheinbar, es geht aus seinem Schriftwechsel hervor, später mit seinen Versuchen nicht Erfolg hatte, trat er aus der Luftwaffe aus und wurde SS-Arzt. Ich habe diesen Mann nie gesehen, nie gekannt, ebensowenig den zweiten Namen, den Sie eben nannten, von dem ich nicht einmal weiß, ob er Reservearzt war oder aktiver Arzt.


DR. STAHMER: Haben Sie an irgendeine Dienststelle den Befehl erteilt oder erteilen lassen, an Häftlingen in KZ-Lagern Unterdruckkammer-Versuche durchzuführen?


GÖRING: Ich sagte vorhin schon, daß ich das nicht getan habe. Es ist selbstverständlich, daß, wenn irgend jemand zu mir gekommen wäre – sagen wir, von der Sanitätsinspektion oder vom Reichsforschungsrat – und mir gesagt hätte, es ist zweckmäßig, daß wir Forschungen auf dem Gebiet des Flecktyphus machen oder selbst Krebsforschung oder auf anderen Gebieten, daß ich selbstverständlich gesagt hätte, das ist sehr lobenswert; aber mit dieser Tatsache kann ich nicht in Verbindung bringen, daß irgendein Mensch in nicht menschlicher Weise hierzu verwendet wird.

Und wenn mir jemand sagt, es sind zur Zeit Versuche mit der Unterdruckkammer im Gange, so kann ich mir darunter auch nicht vorstellen, daß hierzu Häftlinge genommen worden sind, um so weniger, als ich ja wußte, daß jeder Flieger bezüglich der Prüfung seiner Höhentauglichkeit vorher in eine Unterdruckkammer hineingehen mußte.


DR. STAHMER: Haben Sie dem Reichsforschungsrat oder der Sanitätsinspektion der Luftwaffe oder einer anderen Dienststelle einen Auftrag erteilt zur Vornahme von Versuchen, Meerwasser trinkbar zu machen?


GÖRING: Ich habe von diesen Versuchen niemals gehört. Es hätte mich außerordentlich interessiert deshalb, weil wir wiederholt über diesen Punkt unter uns Fliegern gesprochen haben, nicht in der Richtung, Meerwasser trinkbar zu machen, sondern, womit sich ein Flieger, der auf dem Rettungsgummiboot herumtreibt, überhaupt [337] Wasser verschaffen kann; und es wurde damals allen Fliegern gesagt, es gibt da nur eine Möglichkeit: Sie sollten in ihrem Boot Angelhaken drinliegen haben, um Fische zu fangen und diese dann – um hier eine ganz primitive Anweisung zu geben – in Tüchern auszupressen, weil das das einzige Süßwasser wäre, was in solchen Fällen zu erhalten gewesen wäre. Deshalb ist mir dieser Punkt ganz besonders in Erinnerung.


DR. STAHMER: Nun soll im Mai 1944 über diese Angelegenheit eine Besprechung im Luftfahrtministerium stattgefunden haben. Haben Sie diese Besprechung befohlen, oder ist Ihnen darüber nachträglich etwas gemeldet worden?

GÖRING: Nein, im Luftfahrtministerium fanden täglich laufend Besprechungen aller möglichen Abteilungen und Inspektionen statt. Es ist ganz unmöglich, daß sie mir mitgeteilt werden konnten oder von mir aus dem Hauptquartier bestimmt werden konnten.


DR. STAHMER: Zu der gleichen Frage sollen mit der Luftwaffe in Dachau Besprechungen stattgefunden haben. Sind diese von Ihnen befohlen worden oder zu Ihrer Kenntnis gelangt?


GÖRING: Nein.


DR. STAHMER: Es sollen für diese Zwecke von der Luftwaffe in Dachau Arbeitsräume zur Verfügung gestellt worden sein. Haben Sie davon Kenntnis erhalten?


GÖRING: Ich hatte davon keinerlei Kenntnis.


DR. STAHMER: Kennen Sie den Reservearzt der Luftwaffe Dr. Denk oder Ding?


GÖRING: Weder unter dem Namen Denk noch unter dem Namen Ding.


DR. STAHMER: Haben Sie den Auftrag erteilt oder erteilen lassen zur Vornahme von Unterkühlungsversuchen, die angeblich ein Professor Holzlöhner, ein Reservearzt der Luftwaffe, in Dachau an den Häftlingen durchgeführt hat?

GÖRING: Nein. Soviel mir aus den Papieren erinnerlich ist, hat Rascher diese Versuche gemacht. Holzlöhner ist mir ebenso unbekannt wie die anderen Namen. In der Luftwaffe hat es Tausende von Ärzten und Reserveärzten gegeben.


DR. STAHMER: Haben Sie jemals dem Professor an der Universität Straßburg Dr. Haagen, der Oberstabsarzt der Luftwaffe und beratender Hygieniker gewesen sein soll, den Auftrag erteilt, Versuche mit allen Mitteln zur Bekämpfung von Fleckfieber vorzunehmen?


GÖRING: Wie ich ebenfalls aus den Dokumenten ersehen habe, war Dr. Haagen Reservearzt der Luftwaffe und beratender [338] Hygieniker nicht der Luftwaffe, sondern einer Luftflotte, also eines Unterverbandes. Ich kenne ihn nicht, habe ihm niemals einen Auftrag erteilt. Er könnte darüber ja jederzeit gehört werden. Im übrigen würde das auch in jeder Beziehung in meinem Gedächtnis haften geblieben sein, denn es würde mich in Erstaunen gesetzt haben; nachdem ich selbst mit einem Mittel gegen Flecktyphus dreimal geimpft worden bin, habe ich nicht geglaubt, daß noch weitere Erkundungen auf diesem Gebiet stattfinden würden.


DR. STAHMER: Wie erklären Sie es nun, daß der Zeuge Sievers in einem Brief an den Obergruppenführer Pohl im Mai 1944 sagt, Professor Haagen sei zur Durchführung der Versuche durch den Reichsmarschall und Präsidenten des Reichsforschungsrates beauftragt worden?


GÖRING: Dies erklärt sich daraus, erstens, daß, wie ich vorhin schon sagte, der Briefkopf für alle diese Aufträge, die irgendwie aus der Reichsforschung liefen, lautete: »Der Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches«, Unterschrift: »Der Präsident des Reichsforschungsrates.« Das war im Deutschland üblich, daß immer der persönliche Titel angegeben wurde und nicht das Amt. Es hieß: »Der Reichsfinanzminister« und nicht »Das Reichsfinanzministerium«. Zweitens hat der Zeuge Sievers hier selbst bekundet – er hat dabei reichlich große Zahlen angenommen –, daß Zehntausende von Aufträgen unter meinem Namen liefen, ohne daß ich von diesen Aufträgen etwas gewußt hätte. Das wäre auch unmöglich gewesen. Zum dritten ist es in ganz Deutschland bekannt gewesen, daß wohl selten ein Name so viel gebraucht wurde wie der meinige. Wenn irgend jemand etwas erreichen wollte, schrieb er frisch-fröhlich: »Der Reichsmarschall wünscht das, befiehlt das oder möchte dies und jenes angeordnet wissen.« Ich habe aus diesem Grunde im Jahre 1944 ein eigenes Referat gegen den Mißbrauch meines Namens für alle derartigen Dinge errichten lassen.


DR. STAHMER: Wie war nun Ihre grundsätzliche Einstellung zur Vornahme von medizinischen Versuchen an Menschen?


GÖRING: Ich habe bereits...


VORSITZENDER: Dr. Stahmer! Ich glaube, der Angeklagte hat uns bereits gesagt, was seine grundsätzliche Einstellung war.


DR. STAHMER: Jawohl, dann habe ich zu diesem Sachverhalt keine weiteren Fragen. Ich muß mir noch weitere Fragen vorbehalten, sobald der Zeuge Schreiber hier erschienen ist, von dem ja hier eine Erklärung vorgelegt war, die aber noch nicht als Beweismittel eingeführt ist und zu der ich einstweilen noch keine Stellung nehmen kann.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof weiß nicht, wovon Sie sprechen, da der Gerichtshof noch nicht zugelassen hat, daß der Zeuge Halder [339] gerufen wird. Sie müssen die Vernehmung des Angeklagten jetzt beschließen.


DR. STAHMER: Ich glaube, ich bin mißverstanden worden, Herr Vorsitzender, es handelt sich um den Zeugen Schreiber. Von dem Zeugen Schreiber war hier eine Erklärung angekündigt, und das Gericht hat den Beschluß verkündet, daß Schreiber hier als Zeuge erscheinen soll; ich muß mir vorbehalten...

VORSITZENDER: Die Übersetzung kam durch als Halder.


DR. STAHMER: Nein, nein, Schreiber, von dem Professor Schreiber, von der russischen Erklärung.


VORSITZENDER: Wenn Professor Schreiber laut Verfügung des Gerichtshofs hierher gebracht wird, werden Sie bestimmt die Möglichkeit haben, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen. Dr. Stahmer! Wenn Sie an den Angeklagten Göring weitere Fragen stellen wollen, müssen Sie dies jetzt tun; der Gerichtshof beabsichtigt nicht, den Angeklagten noch einmal aufzurufen, wenn der Zeuge Schreiber hier erscheint. Deshalb müssen Sie, wenn Sie dem Angeklagten über das Fragen stellen wollen, was Dr. Schreiber möglicherweise behandeln wird, dies jetzt tun.


DR. STAHMER: [zum Zeugen gewandt] Haben Sie niemals von Hitler einen Auftrag oder besondere Vollmacht zur Durchführung einer Vorbereitung zum bakteriologischen Krieg erhalten?


GÖRING: Ich habe niemals eine solche Vollmacht oder einen solchen Auftrag erhalten, wie er in dem Brief des Generalarztes Schreiber an die Sowjetische Regierung enthalten ist.


DR. STAHMER: Haben Sie Kenntnis davon erhalten, daß Ihre Ärzte an einer solchen Vorbereitung mitgewirkt haben?


GÖRING: Nein, in diesem Brief wird auch nichts von Ärzten gesagt, sondern lediglich, daß ein Luftwaffenoffizier...


VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte!

Fahren Sie fort. Herr Dr. Stahmer, wollen Sie sich bitte auf die Punkte beschränken, die Sie in Ihrem schriftlichen Antrag bezüglich Dr. Schreiber angegeben haben.


DR. STAHMER: Haben Sie Kenntnis davon gehabt, daß eine Arbeitsgemeinschaft »Bakteriologischer Krieg« bestanden hat?


GÖRING: Daß eine Arbeitsgemeinschaft bestanden hat, davon habe ich keine Kenntnis gehabt; wohl aber war mir bekannt, daß selbstverständlich auch Abwehrmaßnahmen gegen einen bakteriologischen Krieg besprochen worden sind. Man darf nicht vergessen, daß ja auch in gewissem Ausmaß schon ein solcher gegen uns begonnen hat durch Abwerfen des schädlichen Kartoffelkäfers und ähnliches. Es waren Maßnahmen getroffen, um Abwehr auf der einen [340] Seite vorzubereiten und vielleicht – das entzieht sich meiner Kenntnis, aber durchaus möglich – auf Vorbereitungen, um, falls auch von der Gegenseite dieser Krieg in Szene gesetzt wird, ebenfalls darauf zu antworten.

DR. STAHMER: Ist Ihnen Professor Blohme bekannt?


GÖRING: Nein.


DR. STAHMER: Dann haben Sie ihm auch keinen Auftrag gegeben zur Vorbereitung dieser Maßnahmen?


GÖRING: Nicht gut möglich.


DR. STAHMER: Ich habe keine weiteren Fragen.


VORSITZENDER: Will die Anklagevertretung Fragen stellen?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Ich möchte zuerst wissen, inwieweit Sie mit dem Brief des Zeugen Sievers einverstanden sind und inwieweit nicht. Geben Sie zu, daß die Anweisungen zur Ausführung von Fleckfieber-Experimenten in Händen des Direktors des Hygienischen Instituts der Reichsuniversität Straßburg, Professor Dr. Haagen, lagen, der Major und beratender Arzt einer Luftflotte war. Hat Sievers recht, wenn er das behauptet?


GÖRING: Das kann ich nicht nachkontrollieren, das ist möglich.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Nun, bestreiten Sie, daß Dr. Haagen – ich zitiere:

»dazu durch den Reichsmarschall, Präsident des Reichsforschungsrates, beauftragt wurde«,

oder sagen Sie wiederum, daß Sie das nicht nachkontrollieren können?


GÖRING: Das habe ich ganz klar gesagt, ich habe davon nichts gewußt, und es ist interessant, daß er hier auch ausspricht, Reichsmarschall und Präsident des Reichsforschungsrates, das heißt also unter der Firma, unter der sämtliche Tausende Forschungsaufträge liefen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mit einem Wort, Sie berufen sich auf den Gummistempel, daß Ihre Unterschrift auf den Aufträgen einfach ein Gummistempel war, der ebensoviel galt wie die Unterschrift des Präsidenten des Reichsforschungsrates selbst. Das wollen Sie dem Gerichtshof zu verstehen geben?


GÖRING: Nein, das sage ich keinesfalls; wenn meine Unterschrift gegeben wurde, dann war sie vollwertig. Sie ist aber nicht gegeben worden, sondern ich habe vorhin ausgeführt, das war der Kopftitel des Auftrags. Unterschrieben wurden die Aufträge von irgendeiner Unterabteilung, die sich damit befaßte. Wenn ich einen Brief unterschrieben habe, so trage ich allein die Verantwortung. Es würde ja der Anklagebehörde leicht sein, mir ein solches Schriftstück vorzulegen oder Herrn Haagen zu befragen.


[341] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie erklären also, daß, wenn Befehle vom Reichsforschungsrat ausgegeben wurden, Sie davon nichts wußten? Habe ich Ihre Antwort richtig verstanden?


GÖRING: In den Details selbstverständlich nicht, weil das erstens rein zeitlich unmöglich war, auch für mich hat ja der Tag nur 24 Stunden. Zweitens habe ich betont, daß ich ja in keiner Weise Fachmann war; sondern meine Aufgabe bestand darin, Generalanweisungen an die Forschung zu geben, die Forschung auf allen Gebieten zusammenzufassen, und drittens, die sehr großen Geldmittel bereitzustellen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sehen, daß der Brief fortfährt:

»Den Bestimmungen gemäß...«, die angeblich vom Reichsmarschall, dem Vorsitzenden des Reichsforschungsrates, erlassen worden sind, »Den Bestimmungen gemäß muß Dr. Haagen über seine Arbeiten dem Chef des Sanitätswesens der Luftwaffe Bericht erstatten.«


GÖRING: Es ist möglich, daß er diesen Auftrag gehabt hat. Mir hat er nicht berichtet, und der Chef der Sanitätsinspektion hat mir auch nicht berichtet. Aus diesem Grunde hat ja mein Verteidiger auch die Ladung des Chefs der Sanitätsinspektion als Zeugen beantragt, um dies ganz klarzumachen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: In diesen beiden Funktionen – nur in diesen zwei Ihrer Funktionen – handelten sowohl der Reichsforschungsrat als auch der Sanitätsdienst der Luftwaffe ohne Ihre Kenntnis? Von diesen Experimenten, die unter anderem Angelegenheiten des Ihnen unterstellten Wehrmachtsteils betrafen, erklären Sie, daß sie von diesen beiden Stellen ohne Ihr Wissen durchgeführt wurden. Das haben Sie gesagt. Ist das richtig? Sind Sie dessen sicher, daß es stimmt?


GÖRING: Das ist absolut richtig; kurze Begründung dazu. Ja, gestatten Sie es ist ja völlig...


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen Augenblick; wollen Sie bitte ein oder zwei Punkte berücksichtigen, bevor Sie sich zu weit festlegen. Wissen Sie, daß Feldmarschall Milch im Mai 1942 der SS Ihren besonderen Dank für ihre Mitarbeit bei diesen Höhenexperimenten übermittelt hat?

Euer Lordschaft! Es ist Dokument 343-PS. Es ist der Brief, der mit den Worten anfängt: »Liebes Wölffchen!« Wolff gehörte zu Himmlers persönlichem Stab. Wenn ich mich recht erinnere, war er Verbindungsmann zwischen Himmler und Hitler, jedenfalls war er es einmal.

Ihr zweiter Mann, Herr Angeklagter, Feldmarschall Milch, hat der SS für ihre weitgehende Mitarbeit bei diesen Höhenexperimenten [342] den besonderen Dank des Oberbefehlshabers der Luftwaffe übermittelt. Sie sagen, daß Feldmarschall Milch, als er diesen Brief schrieb oder als er ihn im Namen Ihres Sanitätsdienstes unterschrieb, lediglich ein chanson de malaise, nicht aber Ihren Dank an Himmler übermittelt hat?


GÖRING: Das sage nicht nur ich, sondern das hat ganz klar Milch als Zeuge hier gesagt, und wenn Sie das Protokoll nachlesen, gibt er ausdrücklich zu, daß ich von diesen Details keinerlei Wissen gehabt habe. Im übrigen, Herr Anklagevertreter, ist es ja so, daß bei uns eine gewisse Methode des Briefwechsels war, die vielleicht nicht ganz hierherein paßt, aber sie war nun einmal so. Wenn ein Beauftragter eines Ministeriums ein Dankschreiben richtete, das nicht persönlicher Art war, mußte er immer im Namen des Chefs danken. Ich glaube, daß das im übrigen überall gleich ist.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß der Zeuge Milch sagte, daß ihm diese Briefe von Ihrem Sanitätsdienst vorgelegt wurden. Diese Experimente betrafen hauptsächlich die Luftwaffe, Behaupten Sie, daß der Dank der Luftwaffe und des Oberbefehlshabers der Luftwaffe – also von Ihnen selbst – übermittelt wurde, ohne daß man Sie dabei beteiligte?


GÖRING: Feldmarschall Milch sagte nicht aus, daß die Briefe mir vorgelegt worden sind, sondern ihm vorgelegt wurden. Das habe ich auch gesagt.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich sagte »ihm vorgelegt«. Ich habe nicht einmal angenommen, daß sie Ihnen vorgelegt wurden.


GÖRING: Es ist wahrscheinlich nicht richtig durchgekommen. Und er sagte weiter aus, daß er höflich gedankt habe, weil ihm die Inspektion sagte, sie sei daran weiter nicht interessiert, da die Höhenversuche bereits durch unsere jungen Ärzte freiwillig durchgeführt worden seien. Er hat sich des längeren und breiteren darüber geäußert.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie wissen doch, es verblieb nicht bei Ihren jungen Sanitätsoffizieren. Ihre Dienststelle hat auch für Dachau die Ausrüstung für diese Experimente geliefert.


GÖRING: Die Übersetzung kommt nicht durch.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will es wiederholen: Es blieb nicht dabei. Ihre Dienststelle hat auch für Dachau die Ausrüstung für diese Experimente geliefert.

Euer Lordschaft! Es handelt sich hier um GB-582, 2428-PS, ein Affidavit eines Häftlings, namens Anton Pacholegg, der in Dachau war. Er erklärte, daß die Luftwaffe ins Lager Dachau einen Schrank aus Holz und Metall geliefert hat, der einen Quadratmeter groß und [343] zwei Meter hoch war und so weiter. Er beschreibt die Ausrüstung genau.


[Zum Zeugen gewandt:]


Erklären Sie nun, daß die Ausrüstung für diese wichtigen Luftwaffen-Experimente nach Dachau geliefert wurde, ohne daß man Sie dabei beteiligte?

GÖRING: Erstens, nicht die Luftwaffe hat Versuche in Dachau gemacht, sondern der Reservearzt Dr. Rascher. Ob er sich und in welcher Form den Auftrag von der Sanitätsinspektion geholt hat, weiß ich nicht.

Zweitens, nicht Holz und verschiedene Teile wurden hinzugeliefert, sondern ein sogenannter Höhenschrank. Das ist ein Ding, von dem ich vorhin sprach, in das normalerweise jeder hineinkommt, um die Druckverhältnisse seines Körpers zu überprüfen. Es war also für Dr. Rascher nicht schwierig, sich an die Inspektion zu wenden, an die technische, und um einen solchen Schrank zu bitten, ohne genau anzugeben, in welcher Art er seine Versuche machen wollte und ob solche irgendwelche Gefahr für die Untersuchungen und Versuche in sich bergen würden.

Drittens möchte ich nochmals betonen, die Anklage hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, und erst zum letztenmal im Schlußplädoyer von Herrn Justice Jackson hat sie ja ganz besonders betont, daß ich meine fetten Finger überall dazwischen gehabt hätte. Wenn ich also so viele Ämter hatte, wie mir zum Vorwurf gemacht werden, so können Sie verstehen, daß ich mich selbst nicht um jeden einzelnen Höhenschrank zu Versuchszwecken kümmern konnte.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber haben Sie sich nicht selbst mit den Experimenten zur Prüfung der Fliegerkleidung für die Luftwaffe befaßt, wobei Konzentrationslagerinsassen die verschiedensten Arten von Fliegerkombinationen trugen? Sie waren doch selbst Flieger von Beruf, Herr Angeklagter, der auf eine tapfere Laufbahn während des letzten Krieges zurückblicken kann. Worauf ich nämlich hinweisen will ist, daß diese Angelegenheiten nicht nur im Bereich Ihrer Zuständigkeitsinteressen lagen, sondern Sie persönlich als ehemaligen Fliegeroffizier interessieren mußten. Deshalb behaupte ich, daß Sie an diesen Experimenten Interesse haben mußten und es auch hatten. Sind Sie ganz sicher, wenn Sie einmal nachdenken, daß Sie sich nicht an diese Experimente an Konzentrationslagerinsassen zur Prüfung der Fliegerkleidung erinnern können?


GÖRING: Sir David! Ich bin nicht nur ganz sicher, daß ich mich nicht erinnere, sondern ich bin ganz sicher, daß es nicht so gewesen ist; also ich möchte betonen, ich sage nicht, ich erinnere mich nicht, sondern ich sage mit absoluter Sicherheit, es ist nicht so gewesen.

[344] Zum zweiten: Sie haben vollständig recht, daß ich mich natürlich außerordentlich für meine Flieger, ihr Wohlbefinden und auch ihre Kleidung interessiert habe. Es wurde wiederholt unter uns Fliegern über die beste Art der Kombination gesprochen. Hätte man mir gesagt, man würde mit heizbaren Kombinationen arbeiten, so würde ich, gerade aus meiner eigenen Erfahrung, gesagt haben, ich verzichte darauf, denn ich habe zum Schluß des letzten Weltkriegs einmal einen solchen heizbaren Anzug bekommen; Erfolg, daß ich mich außerordentlich verbrannt habe.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Also wenden wir uns einem anderen Experiment zu. Es muß doch das gleiche in Ihrer Luftwaffe wie in unserer gewesen sein, daß eine der größten Schwierigkeiten oder eines der Probleme, die man zu lösen versuchte, das Abstürzen über See war, also was getan werden könne und wie lange man durchhalten könnte. Sagen Sie, daß Sie von den Kälteexperimenten nichts wußten? Nach dem Affidavit, auf das ich mich bezogen habe, führte Dr. Rascher diese Kälteexperimente durch. Das war auch für die Luftwaffe. Man wollte die Widerstandskraft des menschlichen Körpers gegen kaltes Wasser prüfen. Auch von diesen Experimenten erklären Sie, nichts gewußt zu haben?


GÖRING: Ich kannte weder Dr. Rascher noch irgendeines seiner Experimente. Die Kälteerscheinungen, wenn die Leute ins Wasser fielen, waren bekannt. Gegen Erfrierungen war ein ausgezeichnetes Pulver oder so etwas ähnliches vorhanden; im übrigen wußte ich, daß alles getan war, um die Schwimmwesten derartig zu konstruieren, daß das Atmen möglich war trotz Wellen und so weiter, und wir haben ebenso die Vorkehrung und Kleidung und Rettungsmittel der Flieger unserer Gegner auf dem Gebiet beachtet und studiert. Ich erinnere mich, daß ich einmal eine derartige Broschüre in der Hand hatte; aber das ist alles. Im übrigen sind die Leute seit langem ins Wasser gefallen und haben immer das Zweckmäßigste dann getan durch Bewegung, durch Einflößen von Alkohol und so weiter, um wieder warm zu werden.

Verzeihen Sie, auf eines lege ich sehr großen Wert. Die Experimente, wie sie hier dann vorgetragen wurden, mit den Frauen und so weiter, entsprechen durchaus nicht meiner Auffassung der Frau gegenüber, so daß ich mich gerade über solche Experimente auf das allertiefste empört hätte, nicht jetzt, hinterher, sondern damals.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nur noch ein Experiment, und dann werde ich von der Frage, ob Sie von den damaligen Experimenten etwas wußten, abgehen.

Wußten Sie – ja oder nein –, daß das Sanitätswesen der Luftwaffe im Mai 1944 an Experimenten zur Trinkbarmachung des Seewassers arbeitete und zu diesem Zwecke Konzentrationslagerinsassen benutzte?


[345] GÖRING: Nein, das wußte ich nicht. Aber, Herr Ankläger, ich möchte dazu sagen, wie es natürlich vor sich gegangen sein kann. Nicht einmal die Sanitätsinspektion muß das gewußt haben. Sie hat einen Auftrag gegeben – und selbst unterstellt, ich hätte diesen Auftrag gegeben –, so ist ja damit noch nicht eine Kombination mit lebensgefährlicher Benutzung von Menschen gegeben. Wenn nun ein Arzt der Reserve der Luftwaffe irgendwelche Beziehungen, sagen wir, zu Himmler oder seinem Forschungsinstitut hatte – er konnte ja nebenbei zum Beispiel auch noch der SS angehören –, dann waren hier Querverbindungen gegeben, von denen nicht einmal die Luftwaffen-Sanitätsinspektion das geringste zu wissen brauchte. Es wurde ja nicht jede Methode, der Art und Weise nach, nach oben gemeldet.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der erste Brief, den ich Ihnen vorgelegt habe, war vom 20. Mai 1942. Sie sagten also – um es ganz klarzustellen – daß, was Feldmarschall Milch betrifft, dieser einfach die Information über die damals bestehenden Tatsachen weiterzuleiten hatte. Erinnern Sie sich, daß Hitler am 28. Juli 1942 einen Führererlaß, der vom Angeklagten Keitel und vom Zeugen Lammers gegengezeichnet war, zur Bildung eines Lenkungsstabes der Wehrmacht auf dem Gebiet des Gesundheitswesens herausgab. Das war am 28. Juli 1942. Dadurch sollten in Zukunft die Aufgaben der Wehrmacht, der Waffen-SS und der unterstellten Organisationen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens koordiniert werden, und ich möchte Sie daran erinnern, damit Sie es sich in Ihr Gedächtnis einprägen.

»Für die zusammenfassende Bearbeitung dieser Aufgaben sind ihm« – das heißt dem Chef des Wehrmachtssanitätswesens – »... je ein Sanitätsoffizier der Kriegsmarine und ein Sanitätsoffizier der Luftwaffe... zu unterstellen« – und nun hören Sie mir gut zu – »dieser« – also der Sanitätsoffizier der Luftwaffe – »mit der Stellung eines Chefs des Stabes.«

Das war zu der Zeit, als Feldmarschall Milch an Wolff über diese Experimente schrieb. Zwei Monate später erschien ein Führererlaß, und einer Ihrer Offiziere wurde zum Stabschef dieses neuen Lenkungsstabes bestimmt. Wollen Sie jetzt dem Gerichtshof erzählen, daß Sie von dem Führererlaß und davon, daß einer Ihrer Offiziere ernannt wurde, nichts wußten?

GÖRING: Bevor ich dem Gericht das sage, bitte ich um den Erlaß, daß ich ihn einen Moment sehen kann.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie ihn sehen?


GÖRING: Ja, ich möchte ihn gern sehen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe ihn leider nur auf englisch.


[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]


[346] GÖRING: Ja, das wollte ich nämlich feststellen. Dieser Erlaß hat mit Experimenten nicht das geringste zu tun, sondern er beginnt damit – ich will es frei übersetzen, weil ich es nicht so gut kann: »Die Beanspruchung von Personal und Material auf dem Gebiet der Gesundheit und des gesamten Sanitätswesens erfordert eine koordinierte und planmäßige Zusammenfassung. Daher ordne ich folgendes an:...« Es wurde damals der Chef des Gesundheitswesens – ich weiß nicht mehr genau den Ausdruck – geschaffen, um den Ausgleich zwischen den knapp werdenden Ärzten und dem knapp werdenden Material, was hier ganz besonders betont ist, herbeizuführen und außerdem selbstverständlich auch, wenn es notwendig war, gemeinsame Forschungen. Daß wir selbstverständlich auf dem Gebiet Forschungen gemacht haben, ist ja doch absolut klar, besonders während des Krieges.

Da nun die Armee den Hauptteil der Ärzte stellte, die Hauptanforderung an Medizinen und Material, wurde der Sanitätsinspekteur an die Spitze gestellt. Da die Luftwaffe der zweitstärkste Wehrmachtsteil war, wurde der Stabschef von der Luftwaffe genommen. Das ist vollkommen erklärlich.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was ich Ihnen vorwerfe – und ich glaube, Sie haben es verstanden – ist, daß dieses zusätzliche Interesse an medizinischen Experimenten und Forschungen Hitler am 28. Juli 1942 veranlaßte, diesen Lenkungsstab zu bilden. Ich möchte, daß Sie sich daran erinnern, wie dieses Interesse an medizinischen Angelegenheiten auch in Ihrem eigenen Wehrmachtsteil in Erscheinung trat. Einen Monat später, am 31. August 1942, hat Ihr Stellvertreter Milch Himmler einen Brief geschrieben. – Euer Lordschaft! Es ist 343-PS, US-463.

»Lieber Herr Himmler!

Haben Sie vielen Dank für Ihren Brief vom 25. August. Ich habe mit großem Interesse die Ausführung von Dr. Rascher und Dr. Romberg gelesen. Ich bin über die laufenden Versuche unterrichtet. In nächster Zeit werde ich die beiden Herren bitten, vor meinen Herren einen Vortrag mit Filmvorführung zu halten.«

Angenommen, daß Milch über den Zweck dieser Bitte die Wahrheit sagte und daß der Brief ihm vom Chef Ihrer Sanitätsinspektion zur Unterschrift vorgelegt wurde – nehmen Sie das an, wenn Sie wollen –, warum sollte auch der Chef Ihres Sanitätswesens in dem Brief, den er Milch vorgelegt hat, lügen – es liegt auch kein Grund vor anzunehmen, daß der Brief unwahr sei – und wo doch in Ihrem Wehrmachtsteil für die Soldaten Vorträge über diese Experimente mit Filmvorführungen gehalten wurden, erzählen Sie dann immer noch dem Gerichtshof, daß Sie als Chef dieses Wehrmachtsteils [347] über diese Experimente, die für Ihren Wehrmachtsteil durchgeführt wurden, nichts wußten?

GÖRING: Ich sage dem Gericht nur die Wahrheit. Erstens, dieser Brief braucht durchaus nicht von der Sanitätsinspektion Milch vorgelegt worden sein, weil er ein direkter Brief zwischen Himmler und Milch war.

Zweitens, hat Milch hier im Zeugenstand...


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche – ich zitiere nur Milchs Aussage – und ich bat Sie, für einen Augenblick anzunehmen, daß Milchs Aussagen wahr seien. Man hat Milch erklärt, er habe nicht die Wahrheit gesagt, und Ihre Behauptung, der Brief stamme von ihm, sei wahr. Nehmen Sie bitte einmal an, daß Milch die Wahrheit gesagt hat und daß dieser Brief ihm wirklich von Ihrer Sanitätsabteilung vorgelegt wurde. Darum habe ich mich so ausgedrückt. Fahren Sie fort mit Ihrer Antwort!


GÖRING: Ich habe hier das nicht ganz klar verstanden. Haben Sie mir einen Brief des Feldmarschalls Milch vorgelesen, oder haben Sie mir die Zeugenaussage Milchs im Protokoll vorgelesen? Das kam nicht klar durch.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich las Ihnen eine Stelle aus dem Brief des Feldmarschalls Milch an Himmler vor und unterrichtete Sie davon – für den Fall, daß Sie sich nicht daran erinnern –, daß Feldmarschall Milch sagte, ihm sei dieser Brief von Ihrer Sanitätsabteilung vorgelegt worden, und er habe ihn, ohne ihn durchzulesen, unterschrieben. Das war Milchs Aussage. Ich bat Sie, jetzt einmal anzunehmen, daß Milch die Wahrheit gesagt habe. Aber das meine ich im Augenblick nicht. Was ich von Ihnen als Chef Ihres Wehrmachtsteils wissen möchte, ist, ob diese Experimente das Thema der Vorträge und Filmvorführungen bildeten, die Ihren eigenen, Ihnen unterstellten Leuten geboten wurden.

Wollen Sie dem Gerichtshof immer noch sagen, daß Sie nichts davon wußten?


GÖRING: Daß ich selbst nichts davon wußte, habe ich eindeutig klar und deutlich gesagt. Ich sage nicht, daß Feldmarschall Milch die Unwahrheit gesprochen hat. Er muß ja wissen, ob ihm der Brief von der Inspektion vorgelegt wurde oder nicht. Soweit ich seine Aussage hier im Zeugenstand im Kopf habe, hat er die Sache absolut aufgeklärt und selbst betont, daß er mir keinerlei Vortrag über die Details dieser Versuche oder dergleichen gehalten hat.

Ich darf aber, Sir David, Sie nochmals auf diesen Erlaß hinweisen, den Sie mir geschickt haben. Ich habe ihn mittlerweile ganz überflogen. Das hat mit diesen Versuchen überhaupt nichts zu tun, sondern, wie ich vorhin sagte, regelt Ziffer 1 die drei Wehrmachtsteile sanitätsmäßig, und Ziffer 2 das Verhältnis der [348] Wehrmachts-Gesundheitspflege zur zivilen Gesundheitspflege rein auf dem Gebiet der Organisation und Verwaltung.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Zeuge! Sie wissen, ich habe Ihnen eben diesen Befehl überreicht. Ich möchte jetzt Ihre Antwort. Sagen Sie also, daß Sie von den Lichtbildervorträgen über diese Experimente, die den Ihnen unterstellten Männern vorgeführt wurden, nichts wußten? Ich möchte Ihre Antwort ganz klar haben, ja oder nein. Wußten Sie davon oder nicht?


GÖRING: Nein, davon wußte ich nichts. Ich bitte, noch einmal zu bedenken, daß das Ministerium eine Verwaltung für sich war und ich im Hauptquartier mich mehr mit den strategisch-taktischen Dingen befaßte. Ich würde solchen Versuchen entgegengetreten sein; wenn auch – ich glaube, es war die Russische Anklage – dies einmal verdreht hat, so bleibe ich dabei. Ich habe im Jahre 1934 die Versuche an lebendigen Tieren und die Quälereien aufs strengste verboten. Nehmen Sie bitte nicht von mir an, daß ich sie an Menschen hätte durchführen lassen.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist nicht meine Angelegenheit, Erläuterungen dazu zu machen. Es gibt viele Menschen, die Tieren gegenüber Prinzipien haben, die sie aber nicht auf ihre Mitmenschen anwenden. Das ist Ansichtssache, und ich will mich damit nicht weiter befassen. Im November 1942 – Sie erwähnten es in Ihrer Aussage – wurde Dr. Rascher bald darauf von der Luftwaffe zur SS versetzt. Vor dieser Versetzung schrieb Himmler an Milch über diese Angelegenheit, nachdem er ihm zuerst die Experimente über das Verhalten des menschlichen Organismus in großer Höhe, nach längerer Abkühlung und ähnliche Probleme beschrieben hatte. Ich zitiere Himmlers Worte:

»Die Arbeiten, die sich mit dem Verhalten des menschlichen Organismus' in großen Höhen, sowie mit den Abkühlungserscheinungen des menschlichen Körpers bei längerem Verweilen im kalten Wasser und ähnlichen, gerade für die Luftwaffe lebensnotwendigen Problemen befassen...«

Und dann fährt er fort:

»Leider hatten Sie kürzlich keine Zeit, als Dr. Rascher einen Vortrag im Luftfahrtministerium halten wollte. Ich hatte sehr darauf gehofft, da ich glaubte, daß damit die wohl in erster Linie in konfessionellen Gründen liegenden Schwierigkeiten für die Arbeiten Dr. Raschers – deren Verantwortung ja ich übernommen habe – behoben sein würden.

Die Schwierigkeiten sind nach wie vor die gleichen. In diesen christlichen Ärztekreisen steht man auf dem Standpunkt, daß es selbstverständlich ist, daß ein junger deutscher Flieger sein Leben riskieren darf, daß aber das Leben eines [349] Verbrechers – der nicht zum Militär eingezogen ist – dafür zu heilig ist und daß man sich damit nicht beflecken will.«

Dann fährt Himmler angesichts der Wichtigkeit für die Luftwaffe und auch für die Waffen-SS fort:

»Hier schlage ich allerdings vor, daß in Anbetracht der Verbindung zwischen Ihnen und Wolff« – das heißt zwischen Milch und Wolff – »ein nichtchristlicher Arzt... ausgesucht wird, an den die Ergebnisse mitgeteilt werden könnten.« (1617-PS, US-466.)

Erklären Sie, Herr Angeklagter, daß Sie niemals davon hörten, obwohl sogar Hitler davon gehört hatte, daß christliche Ärztekreise gegen diese Experimente protestierten?

GÖRING: Ich glaube, Sie meinen Himmler, nicht Hitler.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Himmler, Verzeihung. Obwohl Himmler davon wußte, sagen Sie, Sie selbst hätten nicht gewußt, daß offensichtlich christliche Ärztekreise – wie aus diesem Brief hervorgeht – öffentlich und nachdrücklich gegen diese Experimente protestierten; wußten Sie das nicht?


GÖRING: Nein, sie haben auch nicht öffentlich protestiert. Ich bin Ihnen aber sehr dankbar, daß Sie mir dieses Schreiben, das mir zumindest unter den vielen Dokumenten, die mir vorgelegt wurden, nicht mehr in Erinnerung war, nun hier gebracht haben; denn es unterstreicht mit eindeutiger Klarheit das, was ich vorhin sagte. Ich bin beglückt, daß unter diesen christlichen Ärzten meine Luftwaffeninspektion scheinbar gemeint ist; denn nur diese konnte dagegen protestieren. Und das ist ja der Grund, weshalb scheinbar dieser Rascher aus der Luftwaffe ausscheiden mußte, weil seine Zusammenarbeit mit der Inspektion nicht mehr zur Zufriedenheit von Herrn Himmler klappte, und deshalb wurde er von ihm in die SS übernommen. Das unterstreicht vollkommen, was ich ausführte.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie noch einmal gut über folgendes nachdenken: Sie und Himmler standen doch noch im Jahre 1942 auf gutem Fuße miteinander, nicht wahr?


GÖRING: Himmler stand bis zum Schluß immer mir gegenüber auf sehr höflichem Fuß, was ihm auch zukam.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie waren sogar mehr als höflich. Einige Tage nach diesem Brief sandten Sie ihm eine krokodillederne Aktenmappe, ein Kistchen Zigarren und ein Notizbuch als Weihnachtsgeschenk. Das zeigt doch, daß Sie auf sehr gutem Fuße mit Himmler standen. Wollen Sie dennoch behaupten, daß Sie niemals davon hörten, daß Himmler Ihnen niemals davon erzählte, daß Milch Ihnen niemals erzählt hat und daß Ihre Sanitätsoffiziere Ihnen niemals erzählt haben, daß diese Experimente durchgeführt wurden [350] und daß seitens der christlichen Ärzteschaft protestiert wurde. Hatten denn alle miteinander konspiriert, Herr Angeklagter, um Sie über alles, was Sie in Verlegenheit bringen könnte, in Unkenntnis zu halten; ist das Ihre Antwort?


GÖRING: Die Experimente und ihre Kenntnisse haben mit der Krokodiltasche und dem Notizbuch nichts zu tun. Im letzteren Fall handelt es sich um ein Weihnachtsgeschenk als Gegengabe gegen ein Geschenk, das mir Himmler im Namen der SS immer zu Weihnachten gab; ich wollte das immer erwidern. Zweitens wurde nicht herumkonspiriert, um mich künstlich in Unkenntnis zu halten, sondern die Aufgabengebiete waren verteilt, es gab wichtige Dinge, wichtigste, und Dinge, die in Ressorts behandelt wurden. Dazu gehörte auch das Sanitätswesen. Es war unmöglich, mir das alles zur Kenntnis zu bringen. Im übrigen, möchte ich nochmals betonen, habe ich nirgends von einem öffentlichen Protest christlicher Kreise oder Ärzte in Deutschland während des Krieges gegen solche Experimente gehört; derartige Äußerungen wären auch nicht möglich gewesen.


VORSITZENDER: Dr. Stahmer! Haben Sie noch Fragen zu stellen?


DR. STAHMER: Ich habe keine Fragen mehr.


VORSITZENDER: Der Angeklagte kann sich auf seinen Sitz zurückbegeben.


[Der Angeklagte verläßt den Zeugenstand.]


Dr. Gawlik.

DR. GAWLIK: Euer Lordschaft! Ich bitte zunächst um Entschuldigung, daß ich gestern zum Dokumentenvortrag nicht bereit war. Es tut mir leid, daß dadurch eine Stockung eingetreten ist. Der Verteidigung der Organisationen ist jedoch mitgeteilt worden, daß die Reihenfolge beim Dokumentenvortrag eine andere als bei der Zeugenvernehmung sei, und zwar ist uns folgende Reihenfolge mitgeteilt worden: Politische Leiter, Gestapo, SS und SD. Ich bin daher davon ausgegangen, daß ich erst nach dem Dokumentenvortrag hinter der SS an der Reihe bin. Ich bitte, hierbei zu berücksichtigen, daß ich augenblicklich mit der Vorbereitung meines Plädoyers beschäftigt bin und es mir daher nicht möglich ist, an den Sitzungen laufend teilzunehmen.

VORSITZENDER: Wollen Sie sagen, daß es Ihnen jetzt nicht möglich ist, an der Sitzung teilzunehmen?


DR. GAWLIK: Jetzt bin ich bereit.


VORSITZENDER: Ich weiß nicht, wie solche Mißverständnisse, wie Sie eben erwähnten, entstehen können; denn der Gerichtshof hat keine Anweisung gegeben, daß die Reihenfolge irgendwie geändert werden sollte. Die Verteidiger der Angeklagten und der [351] Organisationen müssen wissen, daß sie anwesend sein müssen, wenn ihr Fall aufgerufen wird, und man kann den Gerichtshof nicht warten lassen, wie es gestern geschehen ist. Es war dies das erstemal, daß es geschah, und der Gerichtshof hofft, daß es nicht wieder vorkommt.


DR. GAWLIK: Euer Lordschaft! Es ist ein Schreiben vom 1. August, das an der Tafel im Anwaltszimmer angeheftet war.


VORSITZENDER: Was steht darin?


DR. GAWLIK: In diesem Schreiben steht folgendes, daß bei der Zeugenvernehmung die Reihenfolge geändert worden sei, daß die Zeugen des SD vor den Zeugen der SS vernommen worden seien, daß es jedoch für den Dokumentenvortrag und für das Plädoyer bei der alten Reihenfolge verbleibt; und sodann ist die Reihenfolge angegeben, und zwar wie folgt: Politische Leiter, Gestapo, SS und SD.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird über diese Angelegenheit Auskunft einholen.


DR. GAWLIK: Ich bitte zunächst die Protokolle über die von mir vernommenen Zeugen vorlegen zu dürfen. Ich beginne nunmehr mit dem Vortrag der Affidavits. Nur ein Teil der Affidavits ist mit Rücksicht auf die Überlastung der Übersetzungsabteilung bisher vollständig übersetzt worden. Ich bitte, auch diese Affidavits, deren vollständige Übersetzung...


VORSITZENDER: Dr. Gawlik! Da Sie neulich nicht anwesend waren, will ich Ihnen nochmals sagen, was der Gerichtshof in Bezug auf diese Affidavits wünscht. Eine große Anzahl dieser Affidavits, wenn nicht alle, sind zusammengefaßt worden, und diese Zusammenfassungen sind im Kommissionsprotokoll wiedergegeben. Deshalb wäre eine erneute Zusammenfassung der Affidavits für das Gerichtsprotokoll nur eine Wiederholung dessen, was bereits im Kommissionsprotokoll enthalten ist, und der Gerichtshof wünscht dies nicht. Daher beschränken Sie sich bitte darauf, nur diejenigen Affidavits zu kommentieren oder zusammenzufassen, die noch nicht vor der Kommission behandelt worden sind. Das ist alles, was notwendig ist, vorausgesetzt natürlich, daß sie als Beweismittel vorgelegt werden.

Ist das klar? Ich habe nicht gesagt, daß Sie uns Affidavits vorlegen sollen, die noch nicht der Kommission vorgelegen haben, sondern ich habe Ihnen nur sagen wollen, daß wir keine Wiederholung von den Zusammenfassungen wünschen, die der Kommission unterbreitet waren und die im Kommissionsprotokoll aufgeführt sind.


DR. GAWLIK: Ich hatte auch nicht diese Absicht, Euer Lordschaft. Ich habe nur einen Teil dieser Affidavits übersetzen lassen und wollte nur diese vollständig übersetzten Affidavits überreichen. Und von denen, die ich vorlegen wollte, habe ich bisher nur einen [352] Teil, so daß ich sämtliche Übersetzungen dieser Affidavits heute noch nicht vorlegen kann; und diese vollständigen Übersetzungen bitte ich, nachreichen zu dürfen.


VORSITZENDER: Sehr gut. Ehe wir damit beginnen, wäre jetzt der richtige Moment, eine Pause einzulegen.


DR. GAWLIK: Sehr gut.


[Pause von 10 Minuten.]


DR. GAWLIK: Ich werde meine eidesstattlichen Erklärungen in der Reihenfolge der Anklagepunkte vortragen, wie sie im Trial-Brief gegen die Gestapo und den SD niedergelegt sind, weil ich glaube, damit dem Tribunal behilflich zu sein. Das stimmt dann allerdings nicht mit der Nummernfolge überein. Ich glaube aber, daß dies noch in Kauf genommen werden kann, weil auf diese Weise das Tribunal prüfen kann, daß ich mich bemüht habe, keine kumulativen Beweismittel vorzulegen.

Ich komme zunächst zum Punkt Verschwörung, und zwar zu Aufgaben, Zielen und Tätigkeiten des SD seit Gründung bis zur Errichtung des Reichssicherheitshauptamts. Ich habe dazu vorgelegt das Affidavit SD-27, von Dr. Albert. Die Zusammenfassung ergibt sich aus dem Kommissionsprotokoll vom 23. Juli 1946.

Das nächste Affidavit bezieht sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD die Aufgabe gehabt habe, geheime Auskünfte über tatsächliche und mögliche Gegner der Nazi-Führung zu erlangen. Das bezieht sich auf den Trial-Brief gegen die Gestapo und den SD, Statement of evidence III B, Seite 17 der englischen Ausgabe. Hierzu habe ich Affidavit SD-28, von Dr. Albert, vorgelegt. Die kurze Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich gleichfalls aus dem Kommissionsprotokoll vom 23. Juli 1946. Ich habe dazu weiter vorzulegen das Affidavit SD-1, von Ferdinand Sackmann, das ich hiermit überreiche.


VORSITZENDER: Gut, fahren Sie fort!


DR. GAWLIK: Das nächste Affidavit bezieht sich auf den Beweis, daß die Berichterstattung des SD an die Parteikanzlei nicht den Zweck verfolgte, eine Verschwörung zu unterstützen. Ich habe dazu vorgelegt das Affidavit SD-27. Die kurze Zusammenfassung ergibt sich aus dem Protokoll vom 3. August 1946.

Das nächste Affidavit ist vorgelegt worden zum Beweise der Ziele, Aufgaben und Tätigkeiten der Gruppe III D des Reichssicherheitshauptamts und im Zusammenhang damit, daß die Gruppe III D keine Verschwörung unterstützt hat. Hierzu habe ich vorgelegt das Affidavit SD-40, von Ohlendorf. Die Zusammenfassung ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946.

[353] Meine nächsten Affidavits beziehen sich auf die Ziele, Aufgaben und Tätigkeiten der Außenstellen und der Vertrauensmänner und im Zusammenhang damit, daß die Ziele, Aufgaben und Tätigkeiten der Außenstellen und Vertrauensmänner nicht darin bestanden haben, eine Verschwörung zu unterstützen. Ich habe hierzu das Affidavit SD-65, von Professor Dr. Ritter, dessen vollständige Übersetzung ich beantragt habe, die ich aber bisher wegen Überlastung der Übersetzungsabteilung noch nicht erhalten habe. Ich bitte, die besondere Aufmerksamkeit des Tribunals auf dieses Affidavit lenken zu dürfen. Es handelt sich um einen der bekanntesten deutschen Geschichtsforscher, und ich bitte, aus diesem Affidavit folgendes vortragen zu dürfen:

»1. Frage: Geben Sie nähere Einzelheiten über Ihre Berufsstellung.

Antwort: Ich bin seit 1925 ordentlicher Professor der neueren Geschichte an der Universität in Freiburg.«

Ich lasse dann einen Satz weg.

»2. Frage: Waren Sie Mitglied der NSDAP oder einer Gliederung derselben?

Antwort: Nein.

3. Frage: Waren Sie Mitglied einer Widerstandsgruppe gegen das Hitler-Regime, und wurden Sie von diesem verfolgt?

Antwort: Ja, ich gehörte zu den Freunden Dr. Goerdelers und war von ihm vorgesehen als Kul tusminister seines neuen Kabinetts. Ich wurde deshalb im November 1944 verhaftet, in Zusammenhang mit den Ereignissen des 20. Juli vor den Volksgerichtshof in Berlin gestellt und dort aus dem Gefängnis in der Lehrterstraße am 25. April. 1945 durch die russische Armee befreit.«


VORSITZENDER: In der Übersetzung ist durchgekommen: November 1934. Muß es nicht 1944 heißen?

DR. GAWLIK: Jawohl, November 1944.


VORSITZENDER: Gut.


DR. GAWLIK:

»4. Frage: Kennen Sie die Tätigkeit der SD-Arbeitsgemeinschaft, und woher stammen Ihre Kenntnisse?

Antwort: Ja. Meine Kenntnisse stammen aus meiner Tätigkeit als Vorsitzender des Reinigungsausschusses der Universität Freiburg.

5. Frage: Welches waren die Aufgaben der SD-Arbeitsgemeinschaft?

Antwort: 1. Orientierung der obersten SD-Führung (die genaue Bezeichnung kenne ich nicht) über die Stimmung in [354] der Bevölkerung und die dort umlaufenden Kritiken an Parteimaßnahmen.«

Aus Zeitersparnisgründen bitte ich, die nächsten Ziffern dieser Antwort weglassen zu dürfen. Ich lasse die nächste Frage weg und komme zur sechsten Frage:

»6. Frage: Welches waren die Ziele, Aufgaben und Tätigkeiten der Vertrauensmänner?

Antwort: Ziel und Aufgaben waren im wesentlichen die gleichen wie bei den Arbeitsgemeinschaften, denen die Vertrauensmänner angehörten. Während aber die übrigen Angehörigen der Arbeitsgemeinschaften nur gelegentlich zu Auskünften und Besprechungen auf den SD gebeten wurden, standen die Vertrauensmänner in ständiger Fühlung mit diesem.«

Ich komme nun zur achten Frage:

»8. Frage: Hatten die Vertrauensmänner die Aufgabe, staatsfeindliche Äußerungen zu sammeln und weiterzugeben und überhaupt alle staatsfeindlich bekannten Personen zu überwachen?

Antwort: Feststellungen in dieser Richtung sind mir nicht bekannt.«

Ich lasse dann einige Zeilen weg und komme zur neunten Frage:

»9. Frage: Welchen Zweck und welches Ziel verfolgte der SD im Inland mit seiner Berichterstattung?

Antwort: Im Gegensatz zu der oft schöngefärbten offiziellen Parteiberichterstattung sollten die SD-Berichte ein den tatsächlichen Stimmungen und Verhältnissen entsprechendes Bild geben. Im Bereiche der Kulturpolitik sollte darüber hinaus auf Mängel und Mißstände hingewiesen werden...

10. Frage: Hat der SD im Inland über Ihre Vorle sungen und Vorträge berichtet und diese überwacht?

Antwort: Ja. Ich weiß, daß bei der Außenstelle des SD in Karlsruhe bzw. in Straßburg eine Reihe von Berichten und stenographischen Notizen über meine Vorlesungen und Vorträge aufgefunden wurden. Ich kann dazu noch angeben, daß über die Tätigkeit des SD zwischen mir und einer ganzen Reihe von Wissenschaftlern und hohen Beamten ein brieflicher Gedankenaustausch stattgefunden hat,...«


VORSITZENDER: Ich finde, es wäre besser, und wir könnten Ihnen leichter folgen, wenn Sie das Affidavit zusammenfassen würden, statt es zu verlesen.

DR. GAWLIK: Ich habe nur noch einige kurze Fragen, dann ist diese Versicherung beendet. Euer Lordschaft bitte ich zu [355] berücksichtigen, daß es nur eine einzige eidesstattliche Versicherung ist, die ich verlesen werde. Ich lege auf diese eidesstattliche Versicherung besonderen Wert, weil sie nicht von einem SD-Angehörigen stammt, sondern von einem Manne, der selber durch den SD überwacht wurde.


VORSITZENDER: Sehr wohl.


DR. GAWLIK:

»Ich kann dazu noch angeben, daß über die Tätigkeit des SD zwischen mir und einer ganzen Reihe von Wissenschaftlern und hohen Beamten ein brieflicher Gedankenaustausch stattgefunden hat, in dem mir bestätigt wurde, daß meine Darstellung in allen Punkten mit den Erfahrungen dieser Männer übereinstimmte.

11. Frage: Hat der SD auf Grund der Überwachung Ihrer Vorlesungen und Vorträge gegen Sie Maßnahmen der Gestapo veranlaßt?

Antwort: Davon ist mir nichts bekannt.«

Ich lasse eine Frage weg.

»13. Frage: Sind Sie wegen Ihren Vorlesungen und Vorträgen von der Gestapo verhaftet oder verwarnt worden?

Antwort: Nein. Ich wurde zwar einmal von der Gestapo verwarnt, aber auf Grund einer mir bekannten Denunziation, die nicht vom SD ausging.

14. Frage: Aus welchem Grund wurden Sie verhaftet?

Antwort: Wegen meiner Beziehungen zu einigen führenden Männern des 20. Juli.

15. Frage: War den vernehmenden Beamten der Inhalt Ihrer Vorlesungen und Vorträge bekannt?

Antwort: Nein, offensichtlich nicht. Denn sie nahmen es ohne Widerspruch hin, daß ich mich in meinen Verteidigungsschriften auf die einwandfreie ›vaterländische‹ Haltung meiner Vorlesungen und Vorträge bezog. Ich halte es für ausgeschlossen, daß den Gestapobeamten meine Vorlesungen und Vorträge und die darauf beruhenden SD-Berichte bekanntgewesen sind.

16. Frage: Welches war die Einstellung der Staats wissenschaftlichen Fakultät in Freiburg zum Hitler-Reich?

Antwort: Nicht nur die Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität, sondern die Mehrzahl mindestens der geisteswissenschaftlichen Professoren waren Gegner des Nationalsozialismus'. Dies war jedenfalls dem Reichsdozentenführer Dr. Scheel sehr genau bekannt. Er hat die Auflösung der gesamten Universität für nach dem Kriege angekündigt.

[356] 17. Frage: War dem SD diese Einstellung bekannt?

Antwort: Daran kann kaum gezweifelt werden.

18. Frage: Hat der SD irgendwelche Maßnahmen der Gestapo gegen die Staatswissenschaftliche Fakultät oder den übrigen Lehrkörper veranlaßt?

Antwort: Davon ist mir nichts bekannt.«

Ich habe zu diesem Punkt ferner vorgelegt eine eidesstattliche Erklärung von Hans Timmermann, SD-29. Die Zusammenfassung ergibt sich aus dem Protokoll der Kommission vom 23. Juli 1946. Weiter von Dr. Horst Laube, SD-31. Die Zusammenfassung ergibt sich gleichfalls aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946. Ferner SD-26, von Dr. Zirnbauer. Da ist eine Zusammenfassung im Protokoll nicht enthalten, ich trage daher hierzu kurz folgendes vor: Zirnbauer hat zwei Originalberichte, die er als ehrenamtlicher Mitarbeiter verfaßt hatte und an den SD eingereicht hatte, vorgelegt und an Eides Statt erklärt, daß dies Berichte sind, die er als Vertrauensmann des SD verfertigt hatte. Ich bitte vortragen zu dürfen, daß das die einzigen zwei Originalberichte sind, die ich bekommen konnte; die Anlage 1 ist ein Bericht darüber, daß die Ausgabe des Elsaß-Lothringschen Katalogs der landeskundlichen wirtschaftlichen Abteilung der Stadtbücherei Saarbrücken eine unbedingte Notwendigkeit sei; Anlage 2 ist ein Bericht über das Salzburger Konzertleben. Ich habe ferner vorgelegt SD-30, von Zellern; ergibt sich auch aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946.

Die nächste eidesstattliche Erklärung bezieht sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD in der gesamten Zeit ein Teil der SS gewesen sei. Die Einleitung zum Trial-Brief gegen die Gestapo und SD, Seite 12 und Seite 67 der englischen Ausgabe. Ich habe hierzu vorgelegt SD-32; die kurze Zusammenfassung ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946.

Die nächste eidesstattliche Erklärung bezieht sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD in der Ausführung einer oder mehrerer Aufgaben eine Rolle gespielt hat. Es ist die Anklageschrift gegen die SS, Nummer II, Seite 8 der deutschen Übersetzung. Hierzu habe ich vorgelegt eine eidesstattliche Erklärung von Otto Ohlendorf; die kurze Zusammenfassung ergibt sich aus dem Kommissionsprotokoll vom 23. Juli 1946.

Die nächsten eidesstattlichen Erklärungen...

VORSITZENDER: Sie haben die Nummer dieser eidesstattlichen Erklärung nicht angegeben.

DR. GAWLIK: Es ist SD-23; ich bitte um Entschuldigung, Euer Lordschaft: SD-33.

Die nächsten eidesstattlichen Erklärungen beziehen sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß SD und Gestapo zu einem [357] einheitlichen Polizeisystem zusammengeschlossen waren. Es ist dies Statement of evidence II B und III B des Trial-Briefes gegen Gestapo und SD, Seite 9 und Seite 17 der englischen Ausgabe. Ich habe hierzu vorgelegt SD-2, von Otto Ohlendorf; die kurze Zusammenfassung ergibt sich aus dem Protokoll vom 9. Juli 1946. Ferner SD-34; die kurze Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946. SD-35, von Dr. Hoffmann; die kurze Zusammenfassung ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946, und SD-36, von Otto Ohlendorf; die kurze Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946.

Mit der nächsten eidesstattlichen Erklärung will ich beweisen, daß der SD keine Exekutive hatte. Ich habe hierzu vorgelegt die eidesstattliche Erklärung SD-20, von Alfred Kutter; die kurze Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 9. Juli 1946.

Die nächsten beiden eidesstattlichen Erklärungen sind eine Ergänzung zu der eidesstattlichen Erklärung von Dr. Wilhelm Höttl, dem Anklagedokument 2614-PS. Ich lege dazu vor ein Ergänzungsaffidavit SD-37, von Dr. Wilhelm Höttl.


VORSITZENDER: Ist das nicht schon vor der Kommission vorgelegt worden?


DR. GAWLIK: Jawohl, Euer Lordschaft! Die Zusammenfassung ist im Protokoll vom 23. Juli 1946. Ich habe beantragt, daß diese eidesstattliche Erklärung vollständig übersetzt wird und lege die vollständigen Übersetzungen vor. Ich habe weiter vorgelegt zu diesem Punkt SD-38, von Theo Gahmann; die kurze Zusammenfassung dieser eidesstattlichen Erklärung ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946.

Mit der nächsten eidesstattlichen Erklärung will ich beweisen, daß der SD keinen Einfluß auf die Auswahl der SA-Führer hatte; es ist dies Statement of evidence III B, Seite 18 des Trial-Briefes gegen Gestapo und SD. Ich lege hierzu vor das Affidavit SD-4, von Max Jüttner; die kurze Zusammenfassung des Affidavits ist in dem Protokoll vom 9. Juli 1946 enthalten.

Mit den nächsten sieben eidesstattlichen Erklärungen will ich beweisen, daß der SD keinen Einfluß auf die Auswahl der Parteiführer hatte und bezieht sich auf Statement of evidence III B, Seite 18 des englischen Trial-Briefes. Ich lege hierzu vor SD-5, von Otto Frehrer, für den ehemaligen Gau Mainfranken, SD-6, von Bruno Biedermann, für den ehemaligen Gau Thüringen, SD-7, von Siegfried Uiberreither, für den ehemaligen Gau Steiermark, SD-8. von Karl Wahl, für den ehemaligen Gau Schwaben, SD-9, von Paul Wegener, für die ehemaligen Gaue Mark-Brandenburg und Weser-Ems, SD-10, von Albert Hoffmann, für die ehemaligen Gaue Oberschlesien und Westfalen-Süd. Ferner SD-39, von Adam Förtsch, für den ehemaligen [358] Gau Oberbayern. Von diesem habe ich die Übersetzung noch nicht erhalten; diese werde ich nachreichen.

Die nächste eidesstattliche Erklärung bezieht sich auf die Behauptung der Anklage, daß der SD die Treue und Zuverlässigkeit der Staatsbeamten überprüft habe; Statement of evidence III B, Seite 18 der englischen Ausgabe des Trial-Briefes. Ich habe hierzu vorgelegt die eidesstattliche Erklärung SD-3, von Dr. Werner May; die kurze Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 9. Juli 1946.

Ich komme nunmehr zu dem Verbrechen gegen den Frieden. Mit der nächsten eidesstattlichen Erklärung will ich beweisen, daß der SD bei den Grenzzwischenfällen im August 1939 nicht verwendet worden ist und daß die Angehörigen des SD hiervon keine Kenntnis hatten; Statement of evidence V, Seite 23 des englischen Trial-Briefes. Ich habe hierzu vorgelegt die eidesstattliche Erklärung SD-11, von Dr. Marx. Die kurze Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 9. Juli 1946.

Ich komme nunmehr zu den Kriegsverbrechen, und zwar zunächst zu Statement of evidence VI A, Seite 25 der englischen Ausgabe des Trial-Briefes gegen Gestapo und SD. Hierzu lege ich vor die eidesstattliche Erklärung SD-41, von Karl Heinz Bendt. Die Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946. Ich habe ferner zu diesem Punkt vorgelegt SD-42, von Walter Schellenberg. Die kurze Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946. Ich werde ferner vollständig nachreichen die eidesstattlichen Erklärungen SD-43, von Heinz Wanninger, und SD-44, von Otto Ohlendorf. Die kurze Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946. Ich habe zu diesem Punkt weiter vorgelegt die eidesstattliche Versicherung SD-45, von Erwin Schulz. Die kurze Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946. Ferner habe ich vorgelegt zu diesem Punkt SD-46, von Otto Ohlendorf. Die Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich gleichfalls aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946.

Mit den nächsten drei eidesstattlichen Erklärungen will ich beweisen, daß die Angehörigen der Leitabschnitte, der Außenstellen und die Vertrauensmänner keine Kenntnis von der Tätigkeit der im Osten eingesetzten Einsatzgruppen hatten. Ich habe hierzu vorgelegt SD-47, von Wilhelm Dyroff. Dies bezieht sich auf die Kenntnis in den ehemaligen Gauen Süd-Hannover und Braunschweig. SD-48, von Karl Heinz Bendt, bezieht sich auch auf die Kenntnis in dem ehemaligen Oberabschnitt Neu-Stettin, Breslau, Düsseldorf. SD-49, von Adolf Rott. Dies bezieht sich auf die Kenntnis in den ehemaligen SD-Abschnitten Neustadt an der Weinstraße und Saarbrücken. Diese [359] drei eidesstattlichen Erklärungen waren am 23. Juli 1946 vorgelegt worden.

Die nächste eidesstattliche Erklärung bezieht sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD-Abschnitt Tilsit an der Liquidierung von Juden und Kommunisten im Grenzstreifen beteiligt war, auf Statement of evidence VI A des Trial-Briefes. Ich werde hierzu die vollständige Übersetzung meiner vorgelegten eidesstattlichen Erklärung SD-12, von Wilhelm Sieps, nachreichen. Die kurze Zusammenfassung der eidesstattlichen Erklärung ergibt sich aus dem Protokoll vom 9. Juli 1946.

Die nächste eidesstattliche Erklärung bezieht sich auf das Anklagedokument 1475-PS, erwähnt unter Statement of evidence VI A des Trial-Briefes, Seite 25 der englischen Übersetzung. Ich lege hierzu vor die eidesstattliche Erklärung von Gerti Breiter, SD-69.

Mit der nächsten eidesstattlichen Erklärung will ich beweisen, daß der auf Seite 26 der englischen Ausgabe des Trial-Briefes gegen Gestapo und SD erwähnte SS-Major Pütz nicht dem SD, sondern der Gestapo angehörte. Ich habe hierzu die eidesstattliche Erklärung SD-50 vorgelegt, von Heinz Wanninger. Die Zusammenfassung ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946.

Die nächsten eidesstattlichen Erklärungen beziehen sich auf Statement of evidence VI F des Trial-Briefes, Seite 54 der englischen Ausgabe. Erstes Beweisthema: in den Anklagedokumenten 553-PS, 498-PS und 532-PS ist unter SD nicht der Inlandsnachrichtendienst, Amt III, oder der Auslandsnachrichtendienst, Amt VI, oder das Amt VII zu verstehen, sondern die Sicherheitspolizei. Ich lege hierzu vor die eidesstattliche Erklärung SD-52, von Wilhelm Keitel. Kurze Zusammenfassung des Inhalts im Protokoll vom 23. Juli 1946.

Das nächste Beweisthema, daß der SD an der Lynchjustiz nicht beteiligt war. Ich habe hierzu vorgelegt SD-51, von Walter Schellenberg. Die kurze Zusammenfassung des Inhalts ist im Protokoll vom 23. Juli 1946 enthalten. Weiter SD-68, von Hans Steiner. Die kurze Zusammenfassung des Inhalts ist im Protokoll vom 3. August 1946 enthalten.

Die nächsten beiden eidesstattlichen Erklärungen beziehen sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD Gefangene in den Gefängnissen ermordet habe, um zu verhindern, daß sie durch alliierte Truppen befreit wurden; Statement of evidence VI J, Seite 56 der englischen Ausgabe des Trial-Briefes. Ich habe hierzu vorgelegt die eidesstattliche Erklärung SD-13, von Horst Laube. Die kurze Zusammenfassung ist im Protokoll vom 9. Juli 1946. SD-14, von Fritz Wolfbrandt, in dem gleichen Protokoll.

Die nächste eidesstattliche Erklärung bezieht sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD an der gewaltsamen Beschlagnahme und Aufteilung von öffentlichem und privatem Besitz [360] teilgenommen hat; Statement of evidence VI K, Seite 67 der englischen Ausgabe. Ich habe hierzu vorgelegt SD-15, von Kurt Klauke. Kurze Zusammenfassung des Inhalts ist im Protokoll vom 9. Juli 1946.

Die nächsten eidesstattlichen Erklärungen beziehen sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD Juden verfolgt habe; Statement of evidence VII A der englischen Ausgabe des Trial-Briefes. Ich habe hierzu vorgelegt die eidesstattliche Erklärung SD-16, von Walter Keinz – kurze Zusammenfassung des Inhalts im Protokoll vom 9. Juli 1946 –; ferner SD-17, von Emil Hausmann in dem gleichen Protokoll, sowie SD-53, von Emil Fröschel, im Protokoll vom 23. Juli, dann SD-54, von Dr. Laube, in dem gleichen Protokoll.

Die nächsten eidesstattlichen Versicherungen beziehen sich auf den gegen den SD erhobenen Vorwurf der Kirchenverfolgung; Statement of evidence VII B, Seite 63 der englischen Ausgabe des Trial-Briefes. Ich habe hierzu vorgelegt SD-55 – kurze Zusammenfassung des Inhalts im Protokoll vom 23. Juli 1946 –; Walter Keinz, SD-18, im Protokoll vom 9. Juli 1946. Ich werde ferner nachreichen eine vollständige Übersetzung SD-19, von Helmut Fromm. Kurze Zusammenfassung des Inhalts ist im Protokoll vom 9. Juli 1946 enthalten.

Mit der nächsten eidesstattlichen Erklärung will ich die Aufgaben, Ziele, Tätigkeiten und Methoden des SD im Generalgouvernement nachweisen. Ich werde hierzu nachreichen eine vollständige Übersetzung des Affidavits SD-56, von Helmut Fromm; Zusammenfassung des Inhalts im Protokoll vom 23. Juli 1946.

Mit der nächsten eidesstattlichen Erklärung will ich beweisen, daß die Polizei in Frankreich als SD bezeichnet wurde. Ich habe hierzu vorgelegt ein Affidavit von Dr. Laube, SD-23; Zusammenfassung des Inhalts im Protokoll vom 9. Juli 1946.

Das nächste Affidavit wird vorgelegt zum Beweis dafür, daß die Angehörigen der Geheimen Staatspolizei und Kriminalpolizei in Belgien und Nordfrankreich die SS-Uniform mit der SD-Raute trugen. Ich habe hierzu vorgelegt SD-24, von Walter Hofmeister; kurze Zusammenfassung des Inhalts im Protokoll vom 9. Juli 1946.

Mit der nächsten eidesstattlichen Erklärung will ich beweisen, daß die in Belgien und Nordfrankreich eingesetzten Angehörigen des SD nicht zum Amt III gehörten. Ich habe hierzu vorgelegt SD-25, von Walter Hofmeister; kurze Zusammenfassung des Inhalts im Protokoll vom 9. Juli 1946.

Mit der nächsten eidesstattlichen Erklärung will ich beweisen, daß die Zugehörigkeit zum SD, Amt III, während des Krieges im allgemeinen nicht freiwillig war, sondern auf gesetzlicher Anordnung [361] beruhte. Ich habe hierzu vorgelegt SD-57, von Bernhard Dilger, wiedergegeben im Protokoll vom 23. Juli 1946; SD-58, von Dr. Ehlich, im gleichen Protokoll; SD-59, von Karl Heinz Bendt, im gleichen Protokoll; SD-60, im gleichen Protokoll, und ich reiche nach SD-21, von Oskar Eiseler; die Zusammenfassung des Inhalts ist im Protokoll vom 9. Juli 1946.

Mit der nächsten eidesstattlichen Erklärung will ich beweisen, daß ein Ausscheiden aus dem SD für die Hauptamtlichen nicht möglich war. Ich lege vor SD-22, von Werner May; Zusammenfassung des Inhalts im Protokoll vom 9. Juli 1946.

Die nächsten drei eidesstattlichen Erklärungen beziehen sich auf die Aufgaben, Ziele, Tätigkeiten des Amtes VI. Hierzu werde ich nachreichen SD-61, von Walter Schellenberg. Die Zusammenfassung des Inhalts ist im Protokoll vom 23. Juli 1946 enthalten. Ferner SD-62, von Walter Schellenberg. Die kurze Zusammenfassung des Inhalts ist in dem gleichen Protokoll. Ich lege ferner vor über die Aufgaben und Tätigkeiten des Amtes VI eine eidesstattliche Erklärung, SD-66, von Otto Skorzeny.

Die nächste eidesstattliche Erklärung bezieht sich auf die Ziele, Aufgaben und Tätigkeiten des Amtes VII. Diese eidesstattliche Erklärung lege ich vorsorglich vor. Vor der Kommission ist nicht entschieden worden, ob das Amt VII mitangeklagt ist. Der Herr Vorsitzende der Kommission hat mir mitgeteilt, daß hierüber eine Entscheidung des Tribunals vorgenommen werden soll. Es ist SD-63, von Dr. Dietl, die ich nachreichen werde.

Die nächste eidesstattliche Erklärung bezieht sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß die Einwanderungszentralen den Zweck hatten, Evakuierungen mit dem Ziel der dauernden Kolonisierung der eroberten Gebiete, der Vernichtung deren nationaler Existenz vorzunehmen und dadurch immerwährend die deutschen Grenzen auszudehnen; Trial-Brief gegen die SS, III G, Seite 33 und 35 der deutschen Übersetzung. Ich habe hierzu vorgelegt SD-64, von Martin Sandberger. Die Zusammenfassung des Inhalts ergibt sich aus dem Protokoll vom 23. Juli 1946.

Ich habe nun noch eine eidesstattliche Erklärung zur Widerlegung der von der Anklagebehörde bei der Vernehmung des Zeugen Dr. Hoffmann vorgelegten eidesstattlichen Erklärung, F-964. Diese eidesstattliche Erklärung habe ich vor der Kommission nicht mehr einreichen können, weil die Kommission ihre Tätigkeit bereits abgeschlossen hatte, als ich die eidesstattliche Erklärung erhalten hatte. Ich bitte daher, diese eidesstattliche Erklärung unter SD-65 noch vorlegen zu dürfen.


VORSITZENDER: Sie haben schon eine Nummer 65, nicht wahr? So kam es durch die Übersetzung.


[362] DR. GAWLIK: Das sollte SD-71 sein, Euer Lordschaft. Ich lese aus dieser eidesstattlichen Erklärung kurz folgendes vor: Erstens zum Nachweis der Kenntnis über die Angaben:

»Ich, Georg Schräpel..., war von 1930 bis 1939 in Braunschweig als Regierungsrat; 1939 vorübergehend im Reichskriminalpolizeiamt Berlin und von 1941-1945 als Abteilungsleiter für Personalfragen im Hauptamt Sicherheitspolizei des Reichsministe riums des Innern tätig. Ab Januar 1944 unterstand mir auch die Dienstaufsicht über das Personalreferat der Geheimen Staatspolizei. Mein letzter Dienstgrad war Regierungsdirektor und SS-Standartenführer.«

Die Angaben:

»Es hat zu keiner Zeit des Bestehens der Geheimen Staatspolizei und des SD Weisungen oder Erlasse des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD oder des Reichsministeriums des Innern gegeben, nach denen die Tätigkeit der Geheimen Staatspolizei sowohl in der Spitze wie bei allen Dienststellen im Reich vom SD zu beeinflussen oder zu überwachen war. Die Dienststellen der Geheimen Staatspolizei blieben zu jeder Zeit völlig selbständig. Die Selbständigkeit und die besondere Stellung der Staatspolizei ließ auch eine allgemeine Beeinflussung durch den SD nicht zu, eine Überwachung wäre weder vom Amtschef IV... noch vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD geduldet worden, da eine solche Überwachung mit der tatsächlichen eigenen Verantwortung der Staatspolizei niemals zu vereinbaren gewesen wäre.«

Ich bitte, diese eidesstattliche Erklärung nachreichen zu dürfen, wenn ich die Übersetzung habe. Ich habe nunmehr eine Sammelerklärung über 6123 eidesstattliche Erklärungen; die Übersetzungen habe ich noch nicht erhalten. Ich bitte um Entschuldigung, ich habe nur die französischen Übersetzungen und bitte die französischen Übersetzungen überreichen zu dürfen.

Ich überreiche ferner die Zusammenstellung der Listen über diese eidesstattlichen Erklärungen. Aus meiner Sammelerklärung bitte ich, nur das Thema 18 verlesen zu dürfen betreffend Teilnahme von SD-Angehörigen bei Exekutionen in den Einsatzgebieten. Ich habe zu diesem Thema 140 eidesstattliche Erklärungen der Dienststellen des SD aus allen Teilen Deutschlands und für die Zeit von 1939 bis 1945, in denen folgendes versichert worden ist:

»Die Dienststellen und Angehörigen des SD, Amt III, hatten keine Kenntnis von der Teilnahme SD-Angehöriger bei Exekutionen in den Einsatzkommandos im Osten.«

Ich komme nunmehr zu meinem Dokumentenvortrag. Ich bitte, zunächst vortragen zu dürfen, daß meine Dokumente auch entsprechend dem Trial-Brief gegen Gestapo und SD geordnet sind.

[363] Die ersten Dokumente beziehen sich auf den Vorwurf der Verschwörung. Ich habe zunächst vorgelegt als Dokument SD-1 eine Vereinbarung zwischen Himmler und Ribbentrop über die Einrichtung eines einheitlichen deutschen geheimen Meldedienstes. Das Dokument ist bereits vorgelegt unter USSR-120. Ich zitiere aus diesem Dokument folgendes:

»Der geheime Meldedienst hat, soweit das Ausland in Betracht kommt, die Aufgabe, Nachrichten auf politischem, militärischem, wirtschaftlichem und technischem Gebiet für das Reich zu beschaffen.«

Ferner folgenden Absatz:

»Das beim geheimen Meldedienst eingehende außenpolitische Nachrichtenmaterial wird vom Reichssicherheitshauptamt dem Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellt.«

SD-2; es handelt sich um einen Auszug aus dem Sonderfahndungsplan der Sicherheitspolizei und des SD. Ich werde dieses Dokument nicht verlesen. Ich bitte jedoch, die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf hinlenken zu dürfen, daß, obwohl die Ämter III und VI mit den Ämtern IV und V im Reichssicherheitshauptamt vereinigt waren, die Ämter III und VI keine polizeilichen Aufgaben hatten und eine strenge Trennung zwischen sicherheitspolizeilichen und SD-Dienststellen bestand; denn zur Anordnung des Fahndungsalarmes waren die Ämter III und VI nicht befugt.

Die nächsten sechs Dokumente, SD-3, SD-4, SD-5, SD-6, SD-7 und SD-8 gehören zusammen. Es handelt sich um Auszüge aus Verfügungen des Reichsjustizministers, SD-3; der Reichsverkehrsbehörde, SD-4; der Dienststelle des Reichsnährstandes, SD-5; des Reichsforstmeisters, SD-6; des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, SD-7; des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, SD-8; über die Zusammenarbeit dieser Dienststellen mit dem Sicherheitsdienst. Ich bitte, die besondere Aufmerksamkeit des Gerichts auf die Aufgabenstellung des SD lenken zu dürfen, die sich aus diesen Dokumenten ergibt: die Führungsstellen des Reiches über die stimmungsmäßigen Auswirkungen behördlicher Maßnahmen in der Bevölkerung zu unterrichten. Ich habe diese Dokumente ferner zum Beweis vorgelegt, daß es die Aufgabe des SD war, nicht nur mit der Staatspolizei, sondern mit allen Dienststellen des Staates zusammenzuarbeiten.

Das nächste Dokument, SD-12; mit diesem will ich beweisen, daß der SD in den Jahren um 1936 nicht die Bedeutung hatte, die ihm von der Anklagebehörde beigelegt wird.

Das nächste Dokument, SD-13; es handelt sich um einen Auszug aus dem Runderlaß des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 16. Oktober 1941. Aus diesem Dokument ergibt sich, daß der SS- und Polizeigerichtsbarkeit nur die hauptamtlichen Angehörigen des SD, [364] nicht dagegen die ehrenamtlich tätigen und diejenigen Personen unterstanden, die einzelne Aufträge ausführten. Der größte Teil der Mitglieder des SD waren ehrenamtliche, die also nicht der SS- und Polizeigerichtsbarkeit unterstanden.

Das nächste Dokument, SD-14; es handelt sich um einen Auszug aus einem Erlaß der Parteikanzlei. Ich zitiere daraus folgendes:

»Zur Ausstellung einer politischen Beurteilung oder einer politischen Unbedenklichkeitsbescheinigung sind ausschließlich die Hoheitsträger der Bewegung, vom Kreisleiter an aufwärts, berechtigt.«

Dieses Dokument bezieht sich auf den Trial-Brief gegen die Gestapo und SD, Statement of evidence III und IV.

Dasselbe Beweisthema betrifft das nächste Dokument, SD-15; der Auszug aus dem Runderlaß des Reichssicherheitshauptamtes vom 12. Juni 1940. Aus diesem Erlaß ergibt sich, daß ab 1. Juli 1940 die Auskunftstelle des Amtes I SD in das Referat IV C 1 überführt wurde. Damit wurde für politische Auskünfte jeder Art das Gestapoamt zuständig, und es entfiel jede Unterstützung der Geheimen Staatspolizei durch den SD.

Das nächste Dokument, SD-15 a; aus diesem Dokument ergibt sich, entgegen dem Dokument 3385-PS, das von der Anklagebehörde vorgelegt worden ist, daß der SD weder der einzige noch überhaupt der Nachrichtendienst der Partei war. Vielmehr hatte die Partei innerhalb ihrer politischen Organisation die Einrichtung eigener »politischer Lageberichte« und von den Kreisleitungen aufwärts die fachlichen Tätigkeitsberichte über alle Ämter.

Dokument SD-16; es handelt sich um einen Auszug aus der Denkschrift von Hitler über die Aufgaben des Vierjahresplanes.

SD-17; mit diesem Dokument will ich beweisen, daß die Tätigkeit der Angehörigen des SD im Einsatz in den besetzten Gebieten nicht freiwillig war, sondern auf gesetzlicher Anordnung beruhte. Ich zitiere aus diesem Dokument:

»Weigerung von Gefolgschaftsmitgliedern zu einem Einsatz in den besetzten Gebieten.... Für die Gefolgschaftsmitglieder des öffentlichen Dienstes ist durch« – ich lasse die Bestimmung weg – »die Verpflichtung zur Übernahme der Arbeit an einem anderen Ort als dem bisherigen Dienstort grundsätzlich anerkannt worden. Da eine Beschränkung auf das Reichsgebiet nicht vorgesehen ist, muß ein Gefolgschaftsmitglied, sofern die Voraussetzungen der besonderen Dienstordnung erfüllt sind – zumal jetzt im Kriege – auch einer Abordnung in die besetzten Gebiete nachkommen.«

Mit den nächsten Dokumenten, SD-18 bis SD-22, will ich die Behauptung der Anklagebehörde widerlegen, daß der SD Spezialformationen in Kriegsgefangenenlagern hatte, um rassisch [365] unerwünschte Personen auszusondern und zu exekutieren. Trial-Brief gegen Gestapo und SD, Statement of evidence III B.

Bei dem Dokument SD-18 handelt es sich um einen Auszug aus dem Runderlaß des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD. Ich bitte, die Aufmerksamkeit des Gerichts zunächst auf das Aktenzeichen lenken zu dürfen: »IV A.« Daraus ergibt sich die Zuständigkeit der Geheimen Staatspolizei. Der Erlaß ist ferner gerichtet an alle Staatspolizeistellen und den Kommandeur der Sicherheitspolizei in Lublin.

Dokument SD-19: Ich bitte, auch hierbei die Aufmerksamkeit des Gerichts auf das Aktenzeichen »IV A« lenken zu dürfen. Ich zitiere aus diesem Dokument:

»Die Staatspolizeileitstellen werden nochmals gehalten, die zur Zeit noch laufenden Überprüfungen beschleunigt zum Abschluß zu bringen.«

Dokument SD-20; das Dokument betrifft den Arbeitseinsatz sowjetischer Kriegsgefangener...

VORSITZENDER: Dr. Gawlik! Was bedeutet der zweite Absatz im Dokument SD-19? Es wird doch ausdrücklich Bezug genommen auf verschiedene Zahlen, und dann heißt es: »Nr. 92/42 Gkdos«, wonach die Aussonderung sämtlicher Kriegsgefangener künftig nur noch im Generalgouvernement stattfindet. Warum sondern sie Kriegsgefangene aus? Was bedeutet das?

DR. GAWLIK: Das ist dieser Vorwurf, der von der Anklagebehörde erhoben worden ist, und ich will beweisen, daß dies durch die Geheime Staatspolizei allein geschehen ist. In diesem Erlaß ist angeordnet, daß diese Aussonderungen nur noch im Generalgouvernement stattzufinden haben. Dies interessiert in diesem Zusammenhang nicht, Euer Lordschaft. Mir kommt es nur auf den Absatz 3 an.


VORSITZENDER: Aber ist das nicht ein Dokument des SD?


DR. GAWLIK: Jawohl.


VORSITZENDER: Ist es nicht ein Verwaltungserlaß?


DR. GAWLIK: Euer Lordschaft! Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD hatte sieben Ämter. Aus diesem Grund kommt es darauf an, welches seiner Ämter gehandelt hat.

Amt IV war die Geheime Staatspolizei; Amt III der Inlands-SD; Amt VI war der Auslandsnachrichtendienst. Jedes dieser Ämter hatte einen eigenen Amtschef. Amt IV ist ja eine andere Organisation als Amt III und VI. Über diesen sieben Amtschefs stand der Chef der Sicherheitspolizei und des SD. Aus diesem Titel ergibt sich noch nicht, daß damit der SD etwas zu tun hat, sondern man muß prüfen, [366] welches seiner Ämter das getan hat, ob Amt IV, III oder VI, und da habe ich die Aufmerksamkeit Euer Lordschaft auf das Aktenzeichen gelenkt. IV A, das war das Amt IV, die Geheime Staatspolizei, und daraus ergibt sich, daß die Ämter III und VI mit dieser Angelegenheit nichts zu tun hatten, sondern nur das Amt IV. Und dies ergibt sich weiter aus der Ziffer 3, wo ausdrücklich nur die Staatspolizeileitstellen angeführt sind.


VORSITZENDER: Gut, wir vertagen uns nunmehr.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 21, S. 334-368.
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