B. Deportation der Zivilbevölkerungen von und aus besetzten Ländern zur Sklavenarbeit und für andere Zwecke.

[54] Die Politik der deutschen Regierung und des deutschen Oberkommandos bestand während der ganzen Dauer der Besetzung sowohl der westlichen als auch der östlichen Länder darin, dienstfähige Bürger solcher besetzten Länder nach Deutschland oder nach anderen besetzten Ländern zu verschleppen, um sie zu Sklavenarbeit [54] an Verteidigungswerken, in Fabriken und zu anderen mit dem deutschen Kriegseinsatz verbundenen Aufgaben zu verwenden.

In Verfolgung dieser Politik fanden Massendeportationen von allen westlichen und östlichen Ländern während der ganzen Dauer der Besetzung zu den genannten Zwecken statt.

Solche Deportationen verletzten die internationalen Konventionen, insbesondere Artikel 46 der Haager Bestimmungen von 1907, die Kriegsgesetze und -gebräuche, die allgemeinen Grundsätze des Strafrechtes wie sie sich von den Strafgesetzen aller zivilisierten Nationen herleiten, die Strafgesetze jener Länder, in denen solche Verbrechen verübt wurden und Artikel 6 (b) des Statuts.

Einzelheiten dieser Deportationen, die als Beispiele dienen sollen, ohne jedoch die Vorlage von Beweismaterial für andere Fälle zu beeinträchtigen, sind wie folgt:


1. Aus den westlichen Ländern:

Aus Frankreich wurden folgende Deportationen von Personen aus politischen und rassischen Gründen vorgenommen – jeder Transport bestand aus 1500-2500 Deportierten:

1940

3 Transporte

1941

14 Transporte

1942

104 Transporte

1943

257 Transporte

1944

326 Transporte

Diese Deportierten wurden auf barbarischste Weise zusammengepfercht; sie waren mit völlig unzureichenden Kleidungsstücken ausgestattet und erhielten mehrere Tage hindurch wenig oder gar keine Nahrung.

Die Transport-Bedingungen waren solcherart, daß viele der Deportierten während der Reise starben, zum Beispiel:

In einem der Eisenbahnwagen, welche am 17. September 1943 von Compiegne nach Buchenwald abgingen, starben 80 von 130 Menschen.

Am 4. Juni 1944 wurden 484 Leichen in Saarburg aus dem Eisenbahnzug genommen.

In einem Zug, der am 2. Juli 1944 Compiegne verließ und nach Dachau ging, wurden mehr als 600 Tote, d.h. ein Drittel der Gesamtzahl, bei seiner Ankunft aufgefunden.

In einem Zug, der am 16. Januar 1944 aus Compiegne nach Buchenwald abfuhr, waren mehr als 100 Menschen in jedem Waggon eingeschlossen. Die Toten und Verwundeten wurden während der Reise im letzten Waggon aufgehäuft.

Nur 4000 von den 12000 im April 1945 von Buchenwald evakuierten Internierten waren noch am Leben, als die marschierenden Kolonnen in der Nähe von Regensburg anlangten.

[55] Während der deutschen Besetzung von Dänemark wurden 5200 dänische Staatsangehörige nach Deutschland deportiert und dort in Konzentrationslagern oder anderen Orten eingesperrt.

In und nach 1942 wurden 6000 Luxemburger aus ihrem Lande unter so bedauerngswürdigen Bedingungen deportiert, daß viele von ihnen zugrunde gingen.

Mindestens 190000 Zivilpersonen wurden in den Jahren von 1940 bis 1944 aus Belgien nach Deutschland deportiert und als Sklavenarbeiter verwendet. Diese Deportierten wurden Mißhandlungen ausgesetzt, und viele von ihnen wurden gezwungen, in Waffenfabriken zu arbeiten.

Fast eine halbe Million von Zivilpersonen wurden in den Jahren von 1940 bis 1944 aus Holland nach Deutschland und anderen besetzten Ländern deportiert.


2. Aus den östlichen Ländern:

Die deutschen Besatzungsbehörden deportierten ungefähr 4978000 Sowjetbürger aus der Sowjetunion zu Sklavenarbeit.

750000 tschechoslowakische Staatsangehörige wurden zur Zwangsarbeit aus der Tschechoslowakei in das Innere Deutschlands verschleppt und in die deutsche Kriegsmaschine eingespannt.

Am 4. Juni 1941 wurde in der Stadt Zagreb (Jugoslawien) eine Sitzung von deutschen Vertretern unter dem Vorsitz des Gesandtschaftsrats von Troll einberufen. Der Zweck dieser Sitzung war, Mittel für die Deportation der jugoslawischen Einwohnerschaft von Slowenien bereitzustellen. Zehntausende von Personen wurden in Ausführung dieses Planes deportiert.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 54-56.
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