I.

[406] Für die langdauernde Disputation von Tortosa stehen gegenwärtig drei Quellen zu Gebote: Der Auszug aus den lateinischen Protokollen der Verhandlung (die im Escorial liegen), aus denen Rodriguez de Castro Auszüge (in seiner Bibliotheca I, p. 206) mitgetheilt hat, ferner ein Referat darüber, in Form eines Sendschreibens von Bonastrüc an die Gemeinde von Gerona (in Schebet Jehuda No. 40) und endlich ein zweites Referat in hebräischer Sprache, aus einem Manuskript Halberstamm's abgedruckt in Kobaks Jeschurun, hebr. Theil, Jahrg. VI (1868), p. 45 f., ohne Ueberschrift. Das Letzte stammt von einem bei der Disputation Anwesenden oder Einberufenen. Es beginnt mit den Worten: ןודאה ינפל ונאב רייא שדחל ?ימי העבשב רויפיפאה. Obwohl zeitgenössische Quellen, geben sie doch kein vollständiges Bild von diesem Factum; die lateinische Quelle giebt nur das Gerippe und keineswegs die interessanten Nebenumstände und Einzelnheiten, und die hebräischen, wohl ausführlicher und farbiger, sind zum Schlusse defect. Sie stimmen indeß in vielen Punkten mehr, als man von dem parteiischen Standpunkte beider erwarten sollte, mit einander überein. Nur in Betreff mancher Namen der dazu berufenen jüdischen Notabeln herrschen bedeutende Differenzen, die durch die jüngst veröffentlichen Quellen, [406] sowie durch Notizen berichtigt werden können. Zurita hat nämlich gewiß aus den Escorialprotokollen einige Namen, welche bei de Castro fehlen (Annales de Aragon III., p. 108 ff.), und Amador de Los Rios hat in seiner größeren Geschichte der Juden von Spanien und Portugal ebenfalls eine wichtige Notiz aus Garibal (Geschichte der Stadt Gerona) mitgetheilt. Stellen wir diese voran: Auf Antrag des Papstes sollte der Bischof von Gerona Ramon de Castellar vier jüdische Gelehrte aus dieser Gemeinde einladen, sich zur Disputation nach Tortosa zu begeben, und ganz besonders den Rabbi Ben-Astrüc: quatuor de Sapientioribus ex vobis, inter caeteros principaliter Rabbi Ben Astrüc eruditus in talibus (Amador II., p. 434, Note). Statt vier sind aber daselbst fünf aufgezählt. Der Bischof hatte durch einen Notar in seinen Palast laden lassen: Maestro Ben Astrüc y los Rabinos Azag Todros (o Toros), Nassim Ferrer con los Alfaquies Jahudah (o Jaffuda) y Ben Astruch Joseph (das sind also drei Rabbiner und zwei Aerzte). Ein Name ist gewiß entstellt. Azag Todros ist hebräisch סורדוט קחצי aber »Nassim« läßt sich nicht auf einen hebräischen Namen zurückführen. Er ist vielleicht אישנ und gehört auch zu Azag Todros, nämlich Nassi. Derselbe mag auch dazu den Beinamen Ferrer geführt haben. So wären also vier aus Gerona delegiert worden. Ben-Astruch, welchen der Papst ganz besonders gewünscht hat, ist gewiß identisch mit Bonastrüc, welcher die Relation in Schebet-Jehuda als Sendschreiben an die Gemeinde von Gerona gerichtet hat: שודק להקל להקל קורטשנובא לודגה םכחה חלשש בתכה ספוט אנוריג. Amador verwechselt ihn irrthümlich mit Astruc Levi aus Doroca, welcher sich von den agadischen Sentenzen über Messias losgesagt hat, (das. p. 442, Note; vergl. w.u.). Im Protokoll wird derselbe Benastruc Desmaestre de Gerona genannt. Desmaestre war ein Beiname einer angesehenen Familie (vgl. w.u. 410 f.) Eine Direktive für die Namen der Notabeln, welche die angesehensten in den aragonischen Gemeinden waren, giebt die Notiz in der jüngst veröffentlichten anonymen Quelle (im Jeschurun, nennen wir sie die Relation J, dagegen die im Schebet Jehuda die Relation S), daß ihrer 22 waren: יחולש םש ונייהו םינשו םירשע דע רפסמב אינולטקו ןוגרא תוכלמ להקה.

Von diesen zählt S nur 16 auf5:


Aus Saragossa 3:

תשנבנב ןב לדיו ןוד רשה; יולה היחרז 'רה ירהציה היתתמ;

" Kalatajud 2:

אשומ ןב השמ; יולה לאומש ןוד אישנה

" Huesca 1:

ןיטנטשוקלא (יכדרמ Var.) סורדוט ןיד

" Alcañiz 2:

האויגחלא ריאמ ןוד; טודרא ןב ףסוי ןוד

" Doroca 1:

יולה ףורטשא ןוד

" Monreal 1:

ובלא ףסוי 'רה

" Monzon 2:

השיקרק בוט םוי; יולה ףסוי ןוד

" Montelban 1:

(Judah, הדוג leg.) הדנג ובא

" Belchite 3:

סורדוט רשה; אוגנוב םכחה; גלבלא ףסוי ןיד איחי ןב


Die Namen der Notabeln aus Gerona fehlen, denn das Wort אנוריגמ steht in S abgebrochen da, wahrscheinlich weil der Berichterstatter Ben-Astrüc, der doch an die Gemeinde Gerona geschrieben hat, es nicht für nöthig fand, die Notabeln aus dieser Stadt zu nennen. Da wir nun wissen, daß vier aus Gerona6 berufen waren, so hätten wir schon 20 Namen. Das Protokoll führt [407] auch einen Namen Rabi Moysen Abenabez aus Saragossa an; er ist sicherlich יסאבע ןב השמ, an den Dafiera Verse und Briefe gerichtet hat (Maskir XIV, p. 79, vergl. w.u.). Der Name ist wohl im Verzeichniß S ausgefallen. Vier Delegierte aus der großen Gemeinde Saragossa wäre nicht zu viel. Einige dieser Namen kommen auch im Protokoll vor.

Die Relation J nennt nur wenige von diesen Namen, aber einen, welcher in S fehlt, nämlich המלש אשוטרוט להקמ ןומימ. Dieser entspricht dem Namen Salomon Judäus Rabi Aljamae Dortunensis. (Meine irrthümliche Vermuthung, daß darunter Salomo Bonfed verstanden werden könne, hat Halberstamm berichtigt). Was »Judaeus« bedeuten soll, ist unklar. Identisch damit ist wohl auch der in den christlichen Quellen genannte Aben-Mime7. So wären, wenn zu den 20 Mose Ibn-Abbasi und Salomo Maimon hinzugezählt werden, die 22 Delegierten ermittelt. Eine Schwierigkeit entsteht indeß, daß ein Autor, dessen Namen nicht unter diesen vorkommt, sich selbst als zu den zur Disputation Gepreßten nennt, Namens Abraham Raimuch aus Barbastro, von dem aber weder im Protokoll, noch im Verzeichniß eine Spur angedeutet ist. Der Verf. eines Commentars zu den Psalmen, Namens ךומיר ןב םייח ןב םהרבא, sagt von sich in der Einleitung (Katalog, Bodl. Ms. p. 66, No. 326): יתדלומ ץראמ דחפמו ינורוה ידלי םש רשא הללוהמה הנולצרב איה ינושרג תנידמב ןוגרא תוכלמבו ינואיצוה םשמ תודמשהו תורזגה ... םינש (?למ) שמחו םישלשכ םש בשאו ינובישוה רתשברב ינארק דעוה תיבלו רסאמב ינאיביו ... ויתוריזג ושדחתנ שדח (?) םעו רויפיפאה םע חכותהל תולהקה ישארו םימכחה ראש םע הניחבה ףרצמב רשא דע םיבר םימי םש יהנו ינואיבה וימכח תא יתבזעו .. םדובכ ורימה ונילודגמ םיבר יכ יתואדבו יננחב ריסהל ונילע ורזג איהה תעבו .. יתונבו ינב ינוממו ינזה ... יתיב םהיהלא תיבב םונתיו ונתלפת ירפס לכו ונתרות תדמח ונממ .לדו ךמו ךד יתראשנו יניעל יתרות וסמחיו

Es kann doch nicht bezweifelt werden, daß hier von der Disputation von Tortosa die Rede ist, worauf doch die Massentaufen und die Confiscation der rabbinischen Schriften hinweisen. Abraham Raimuch war demnach ebenfalls als Notar einberufen oder, wie er es bezeichnet, durch Kerkerhaft dazu gezwungen worden. Mit diesem wäre die Zahl 23 gewesen, was eine Ausgleichung erfordert.

Eine andere Incongruenz bietet der Name eines dieser Notabeln. In der Relation S spielt Don Vidal, Sohn des Benveniste, eine hervorragende Rolle bei der Disputation. Er wurde von seinen Genossen gewählt, auf die Eröffnungsrede zu antworten, weil er der lateinischen Sprache mächtig gewesen: ומיכסהו ארקנ ליחתי ימו רויפיפאה יפב םירבדמה שאר היהי ימ םהיניב (ןב) לאדיו ןוד ליחתיש םלכ ומיכסהו אגנירא םנושלב (?) ןיטאל ןושל ביטב עדויו תומכחב םכח היהש ינבמ יתשנבנב. Don Vidal hielt auch die erste lange Rede zur Entgegnung auf Geronimo's verletzende Eröffnungsrede (Schebet Jehuda l.c.p. 69). In dem lateinischen Auszuge aus den Protokollen kommt dagegen der Name Vidal gar nicht vor, auch nicht bei Zurita; dafür figurirt dort als Hauptsprecher ein Rabi Ferrer, der wiederum in der hebräischen Quelle vermißt wird. Es liegt also nahe, daß Don Vidal b. Benveniste und Rabi Ferrer identisch [408] sind. Diese Identität ergiebt sich auch aus einem andern Momente. Nach den Protokollen hat Rabbi Ferrer in der ersten Disputation Geronimo entgegnet (nach de Castro's Uebersetzung a.a.O. p. 200): En el 8 mo de Febrero empezó Geronimo su disputa y la tuvo este diacon Rabi Ferrer. Am 15. war die Disputation zwischen Geronimo einerseits und Rabbi Ferrer andrerseits: el 15mo de Febrero con un Judio de Girona Ilamado Bonastruc Desmaestre y con Rabi Ferrer. Die hebräische Quelle berichtet ebenso, daß gerade an diesen beiden Tagen Don Vidal gegen Geronimo das Wort ergriffen habe (das. p. 70): ירטישיאמ ליחתהו חוכיוה תליחת התיה 'גה םויב לטבתנו ..... לאדיו ןוד בישה ... לאדיו ןוד רמא ... ומינוריג ותואל רזחו ... ונדעב רויפיפאה חלשש רירביפל ו"ט דע חוכיוה ונינודא לאדיו ןוד רמא .... חישמה דלונ רמאש לאומשד רמאמה 'וכו דומלתב םכסימ ונל שי רופיפאה .... Also gerade an diesen zwei Tagen, am 8. und 15. Februar, an welchen nach der lateinischen Quelle Rabbi Ferrer das Wort führte, war nach der hebräischen Don Vidal der Sprecher. Es ist also an der Identität von Don Vidal Ben Benveniste aus Saragossa und Rabbi Ferrer nicht zu zweifeln. Der Name Ferrer war auch unter den Juden gebräuchlich.

Der Name erregt aber Zweifel bezüglich der Individualität. Denn es gab zur Zeit der Disputation zwei Persönlichkeiten von Bedeutung desselben Namens, von denen aber der eine noch den Beinamen איבל ןב geführt hat. Die Monographie über Vidal, Beneveniste und Ibn-Labi in den bibliographischen Blättern (Maskir XV, Jahrg. 1875, p. 60 und 78 f.), welche den Knäuel zu entwirren suchte, hat ihn nur noch mehr verwirrt. Sie geht von der Voraussetzung der Identität aller mit diesen Namen Bezeichneten aus, was aber irrthümlich ist. Der Einblick in den handschriftlichen Diwan des Salomo Bonfed führt auf den ersten Blick darauf, daß es zwei desselben Namens gegeben hat (Katalog Bodl., No. 1984. Piècen = No. 35, p. 673): ןב לאדיו ןוד םיררושמה ורבע םימיב יתוארב 'ר םכחהל םהיריש וצירה איבל ןב לאדיב ןודו ל"ז תשנבנב רואינש. In derselben Sammlung findet sich im Diwan des Benveniste ein Schreiben des Dichters an Don Vidal Ben-Labi (das. p. 674): A letter adressed to Don Vidal Ben-Labi regretting the separation of one from the other. Aus mehreren Notizen ist es nicht zweifelhaft, daß der hier als תשבנב ןב לאדיו ןוד bezeichnete, wie sein Doppelgänger ebenfalls noch den Familiennamen איבל ןה geführt hat. Die Frage, welcher der beiden Vidal Hauptsprecher bei der Disputation gewesen sein kann, drängt sich unabweislich auf, da aus vollgiltigen Zeugnissen die Thatsache feststeht, daß einer derselben zur selben Zeit zum Christenthum übergetreten ist.

Dieser werthvolle Codex, Bonfeds Diwan, hat in der Sammlung Michael, No. 805 (und wie angegeben Bodl. 1984) die Aufschrift: ןב המלש 'רל תיצילמו םיריש חוכיוה תעב רבח דשא שבירה לש ורוד ינבמ דיפנוב ןביאר השוטרוטב. Auf der ersten Seite (Katalog B., p. 670) referirt Bonfed: חור םש היה חוכיוה תעב השוטרוטב יתויהב םע תוכלמב רשא םיררושמה בור םש ויהיכ .םירגנה םימכ רישה ןיב רבע רשא איבל ןב לאדיב ןוד היה םללכבו םימכחה רתי ירטשימסיד קוררטשנובא םכחה וינפ םדקו דמע אלו םירזגה ינא םגו .םירודה םירבדב ןוכנ חורב ובישה אוהו םירקי םירישב םימה לע הרמ קעוצ וריש ןושלב רבדמ רישה הז ול יתחלש ... םירבעה הנחמב הנולת לוק ריבעמו םירמה. Diese umschriebene Phrase will gewiß sagen, daß Vidal Ben-Labi sich getauft hat. Dasselbe sagt noch deutlicher ein anderer Passus in demselben Diwan (p. 673, No. 44): רשא איבל ןב לאדיו ןוד ללוכה םכחהו םימיה וכרא יכ יהיו חכש םירזגה ןיב רבעו ונילעמ ותראפת תרדא ריבעה תונועב .וסנא תמחמ יתבהא

[409] An einigen Stellen deutet Bonfed an, daß in dieser traurigen Zeit überhaupt angesehene Männer zum Christenthum übergegangen sind (No. 46, dieselbe Seite): םידבכנו םיבר חור המש היה יכ חוכיוה תעב יתוארב םכחלו רימא שארב םירגרג השלש םינש תחפה לא ולפנו רימהל םע 'ורנ ירטשיאמסיד ךירתשנובא ברהו ל"ז סאבע ןבא השמ ןוד ךרדב םדסח ללהל יתגלפה רימאה לש (?) וקלחל םינברה רתי רימזה תע אלו תוכבל תע אוהה תעה תויה םע רמזהו רישה. In No. 2 (p. 671) lautet die Ueberschrift eines Gedichtes: הלענל רישה הז יתחלשו תורמהה רי הרבגו ץרפה ץרפנ ןכ רחא ירשמ םידבכנו םיבר תדירפ לע לבאתמכ דיפנוב קורתשאנ יבורק ונתוליהק. Es ist dieselbe Klage über Abfall, wie sie Abraham b. Raimuch (o. S. 408) geäußert hat. In No. 32 (p. 672 u. ff.): Ein Gedicht gegen die öftere Anwendung der philosophischen Auslegung der Bibel, welche in der Zeit der Apostasie nachtheilig für das Judenthum sei, besonders gerichtet gegen En-Schaltiel Gracian, welcher sich damit befaßt hat: טרפבו םלש ויתעדי יכ ןאיסרג לאתלאשנא םכחה דגנ יפעפע יתרשיה הרמהה תנש תנש איהו ... ותרותב. Nebenher ergiebt sich aus den Excerpten, daß wie Bonastrüc Desmaestre, auch Mose Ibn-Abbas bei der Disputation anwesend waren, obwohl deren Namen in der Aufzählung in der hebräischen Quelle fehlen. Unter den angesehenen Persönlichkeiten, welche zur Zeit der Disputation zum Christenthum übergetreten sind, war also auch ein Vidal Ben-Labi. Und ein anderer desselben Namens war Hauptsprecher bei dieser Disputation? Wie sind sie von einander zu unterscheiden? Einer dieses Namens mit dem hebräischen Namen Joseph hat ein medicinisches Werk aus dem Arabischen in's Hebräische übersetzt. In der Einleitung giebt er seinen Namen an (Codex der Wiener hebräischen Bibliothek, Katalog von Krafft und Deutsch, S. 164): קיתעמה רמא אבא םכחה ... איבל ןב תשנבנב 'ר רשה ןב לאדיו הנוכמה ףסוי רמאמ רבחל ... שיויו ןב עשוהי 'ר ללוכה םכחה ינפ רחש ירמ ... םימסו םימשב ישאר לכ ןסממ רוקחל םיאפורה תעדל .... רצק חצהו [haʽrav heʽarev] ברעה ברעה ןושלב אוהה רמאמה רבחו רדעהל םותחה רפסה ירברכ םיניעמה תצק לא וירבד תויהלו ..... רמאמה קיתעהל ילע וציו ותמכח הרזג .אוהה ןושלב םתואיקב םרג רפסה הז םש יתארקו .... שודקה וננושלל רכזנה אוהה תולעמה. Von seinem Vater giebt der Verf. des genannten medicinischen Werkes, Josua Ibn-Vives, einige Notizen: (l. ןב) ןכ ףסוי 'ר ףוסוליפה םכחה ןב עשוהי רמא םגו ונזוחמב םסרופמו עודי (l. יקרוללא) יקרלא הנוכמה שיויו ןב .. תשנבנב 'ר םלשה דבכנה ןודאה תלעמ הז ונמילקא תוצקב 'האירילאבאק אליד הנוכמה איבל ןב המלש 'ר ףוסוליפה הלעמה רס אל תולהקה תגהנהו םירש ךלמ אשממ סומע ותויה םע אוהש איפוסוליפב תוננובתה לאו הרותה תמכחב ןויעה לא םיתע עובקמ תכאלמ תודוסיב הזל ףרוצמ ול שיו לודג עובג לא עיגהש דע ישעמהו ינויעה םיקלח ינשב האופרה.8 Der Vater des Don Vidal, Namens Benveniste, war demnach Sohn des Salomo Ibn-Labi und führte auch den Familiennamen de la Caballeria. Es ist derselbe, der mit Joseph Orabuena und Chasdaï Crescas in Correspondenz gestanden (o. S. 412 N.). Auch mit Don Meïr Alguadez stand er im Verkehr, und ein Sendschreiben an ihn in dem Wiener Codex No. 108 (Bl. 208 o.) giebt an die Hand, daß derselbe vielleicht noch 10 Jahre nach der Verfolgung von 1391, also um 1401 gelebt hat. In diesem Sendschreiben empfiehlt Benveniste b. Labi dem hochgestellten Alguadez den Jona Desmaestre (Schwiegervater [410] des Simon Duran I.) und seinen Sohn Salomo, beide als würdige Nachkommen Nachmani's und Jona Gerundi's. Die Ueberschrift lautet: ןוד ו"רנ ץידאוגלא ריאמ ןודל חלש (l. איבל) ןב תשנבנב. Das Sendschreiben selbst lautet, mit Weglassung des Unwesentlichen: לבח אובי םרטב ... הכולמ ףינצו תראפת תרטע וכפהנ יכו הערה ימי ינופיקה יכ יהיו ... .ונינקזבו ונירענב תורצה ברו ןינמ בר ונממ לפנו תואבצ 'ה תרבעב תואלתה יריצ ונילע הרות החכתשנ טעמכ דע .... םיקקוחמ ודרי לואש לא םג ,ןינב רשא םידירש ונל ריתוה תואבצ 'ה אלול .... ונממ החדנ הישותו ונבו ירטשאמסיד הנוי 'ר 'רה םללכמו 'הו 'ד וזלה ץראב דרש 'ה תש אל רכזנה המלש 'ר טרפבו .... אוה םינוקז ןב יכ המלש 'ר תואלפנבו תולודגב ךלה אל ,'ה תרותב םא יכ םינש רשע הז ובל יפוג םה םה םישודקה ויתובא חור וילע הרשתש אוה יואר .... הנוי 'ר ברהו ל"ז ןבמרה תיכלהה. (Ueber die Genealogie dieser hier genannten, ihre Ascendenz und Descendenz vergl. Respp. Salomo Duran I, No. 291). – Don Benveniste Ibn-Labi, eben der Vater des Don Vidal, correspondirte auch mit dem Apostaten Astrüc Raimuch9, allerdings so lange dieser noch Jude war (in demselben Codex).

[411] Es ist also unzweifelhaft, daß ein Vidal Ibn-Labi Sohn des Benveniste Ibn-Labi, und dieser wieder Sohn des Salomo Ibn-Labi war, welcher noch den Beinamen de la Caballeria führte. Der Beiname de la Caballeria neben Ben-Labi führt nun auf ein Kriterium, die beiden Vidal Benveniste zu unterscheiden. Salomo, der Vater des Benveniste Ibn-Labi führte diesen Beinamen (vergl. auch Katalog Bdl. No. 216, 4, p. 704, worin unter Anderem auch ein Schreiben von אירלבק הליד המלש vorkommt10. In dem »grünen Buche« von Aragonien des Sekretärs der Inquisition von Saragossa Anchias (vergl. S. 150, Note), welches die von getauften Juden abstammenden Familien genealogisch verfolgt, ist angegeben, daß Vidal de la Caballeria, Sohn des Bienvenit de la Caballeria aus Saragossa mit seiner Frau zum Christenthum übergegangen ist. (Revista de Espana, Jahrg. 1885, Tomo 105, p. 568): Vidal de la Cavalleria, hijo de Bienvenit de la Cavalleria, judio franco de Çaragoça. El y su muger se volverion Christianos y dixieron á el Gonçalo de la Cavalleria y a ella Beatrix de la Cavalleria y huvieron dos hijas. Bienvenit oder, wie Anchias an anderer Stelle denselben Namen schreibt: Bienvenis, ist doch unstreitig Benveniste. Dieser Vidal hatte keinen Sohn, sondern nur zwei Töchter, von denen die ältere Cipres de Paternoy, Stammvater einer berühmten Marranenfamilie, und die jüngere Caspar Ruis geheirathet hat. Die Familie de la Caballeria war dagegen sehr verbreitet in Aragonien und hatte hochgestellte Familienglieder. Ein Bruder des Benveniste de la Caballeria (also des Vaters des Vidal) war Bonafos de la Caballeria. Dieser Bonafos und seine Frau, welche sich zuerst gegen die Taufe gesträubt hatten, gingen doch zum Christenthume über, wollten aber den Familiennamen de la Caballeria nicht aufgeben (das. p. 571): Bonafos de la Cavalleria y Bienvenis de la Cavalleria eran hermanos ... El qual y su mujer se hicieron Christianos y no quisieron dejar el apellido de la Cavalleria. Dieser Bonafos nannte sich als Christ Pedro. Er war also der Oheim des Apostaten Vidal Benveniste. Bonafos soll, nach Anchias, außerdem noch sieben Brüder gehabt haben, welche [412] sämmtlich zum Christenthum übertraten und meistens mit hohen Aemtern belohnt wurden. Bei der Aufzählung der Glieder dieser Familie wiederholt Anchias die Apostasie des Vidal, Sohnes des Benveniste (p. 578): Y eran parientes de Bienvenis y de Vidal de la Cavalleria, aunque no muy cercanos ... Gonçalo de la Cavalleria que, sienda judio se llamaba Vidal y su padre Bienvenis.

Daß diese getaufte Familie ihren alten, an ihren jüdischen Ursprung erinnernden Namen nicht aufgeben mochte, scheint in dem Umstande gelegen zu haben, daß er von einem Ahnen geführt wurde, auf den sie stolz war. Dieser hieß Juda de la Caballeria, ein Arzt, der bei den Königen von Aragonien und auch bei der Bevölkerung von Saragossa hochgeachtet war. Als in Saragossa das Judenviertel abgesondert werden sollte, bewilligte 1331 die Königin Leonore ihm die Ausnahme, damit er nicht gehindert sei, auch bei Nacht zu christlichen Patienten gerufen zu werden (Asso b. Amador, p. III, 98 u. ff.) Die Benennung de la Caballeria hatte dieser, sowie seine Nachkommen von einem Städtchen dieses Namens. Sie waren Leviten, wie Amador bemerkt (das. p. 98): Dividida ... (la familia de los Cavalleria) en dos distintas ramas, pagábanse ambas de traer su origen de la tribu de Levi. Abraham Bedarasi nennt im XIII. Jahrhundert: ((תכפהתמה ברח) איבלו יול ןבל תשנבנב. Den Namen Ibn-Labi mögen sie, wie Fürst richtig bemerkt hat, von ihrem Ahnen Jehuda geerbt haben. Dieser Name wurde in jüdischen Kreisen in הירא »Löwe« metaphrasirt, und איבל ןב »Sohn der Löwin« wäre dasselbe, und dieser Name hatte, auch arabisch איבל ןבא, einen besseren Klang als »Löwe«; darum mögen die Nachkommen ihn vorgezogen haben. Die Genealogie der de la Caballeria, welche auch den Familiennamen Ibn-Labi geführt hat, wäre demnach vom Ende des vierzehnten und Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts:11

I

So viel ist gewiß, daß dieser Zweig der Familie de la Caballeria zum Christenthum übergetreten ist, also gerade der in Bonfed's Diwan genannte לביא לאריב ןוד אבן. Folglich ist wohl der Delegierte bei der Disputation תשנבנב ןב לאדיו ןוד identisch mit dem im Diwan zugleich genannten (תשנכנב ןב) תשנבנב לאדיו ןוד) ohne den Beinamen איבל ןב. Dieser wird in dem Protokolle Rabi Ferrer genannt. Derselbe nahm so sehr den konsequent talmudischen Standpunkt ein, daß er mit Joseph Albo nicht einmal die anstößigen Agada-Sentenzen im Talmud preisgeben mochte (vergl. w.u.). Die Erforschung der weitverzweigten Familie איבל ןב muß demnach kritischer als es bisher geschehen ist, aufgenommen werden. Denn es muß nicht blos zwei angesehene Männer תשנבנב gegeben haben, sondern [413] auch mehrere איבל ןב לאדיו, welche dem Judenthume treu geblieben sind. Bonfed's Diwan nennt einen לאדיו ןוד תולהקה תדמעהב לדתשמ הגוראט ךרד רבע ל"ז דיסחה איבל ןב (Katalog Bdl. p. 671, No. 11). Die antichristianische Schrift םישדקה שדק, welche gegen den Apostaten Lorqui = Geronimo de Santa-Fé gerichtet ist, hat zum Verf. Vidal Ben-Levi (Wolf I, 354, und de Rossi Bibliotheca antichristiana, 175), wohl zu lesen: ןב לאדיו איבל. Dieser wenigstens ist doch verschieden von dem Apostaten. Ueber diese Schrift vergl. w.u.

In dem Diwan des Salomo da Fiera sind mehrere Piècen gerichtet an und von תשנבנב ןב לאדיו ןוד, der hin und wieder auch als איבל ןב bezeichnet wird und dieser wird doch schwerlich der Apostat Vidal Gonçalo gewesen sein. In den Responsen des Isaak Ben-Scheschet, die noch vor seiner Auswanderung, also vor 1391, erlassen sind, kommen die Namen vor (No. 395): א"י איבל ןב המלש ןוד הלענה לאשש הלאש ןינעב, und im Verlaufe: לא ... ומצעמ בתכ איבל ןב המלש ןוד אשנה שקשרק יארסח ןוד םכחה, und (No. 435): ןודל :רששיא לאש .ינודא .א"י איבל ןב המלש, (No. 249): ןוד אשנל ריבגה תלאש .א"י איבל ןב תשנבנב, und (No. 360): אשנל א"י איבל ןב לאדיו ןוד. Ben-Scheschet wird doch schwerlich innerhalb eines Jahrzehntes mit Großvater, Sohn und Enkel correspondirt haben. Codex de Rossi, 303 g, erwähnt ein Pijut für den Versöhnungstag, welches Anfangs das Akrostichon hat איבל ןב ףסוי ינא und zuletzt das Akrostichon תשבנב ןב לאדיו. Dieser Name erinnert auch an den Apostaten.

Einem Vidal Ben Benveniste gehört auch die Parabel הנידו רפע תצילמ an, welche in der Edition und im Ms. die Ueberschrift hat: לאדיו ןוד אפורה םכחה השעמ הז ל"ז תשנבנב , und in der Editio princeps: הצילמה תאז תשנבנב לאדיו ןוד הלזעמו םלשה םכחה ררושמה הרבח. Ganz verschieden von diesem, sowie von dem Täufling Vidal Ibn-Labi de la Caballeria ist der, welchen der Verfasser des םלוע תוכילה rühmt, daß er ihm im Jahre 1467 in Toledo beigestanden hat. Derselbe referirt nämlich in der Einleitung (ed. princeps Constantinopel 1520): ... ןסמלת ץראמ רשא יולה ףסוי ןב העושי ... ינאו ?ותמ יתאציו ... ומעב 'ה ףא הרח ז"כרו םיפלא 'ה תנשב יהיו לע טלמהל אייליטשק ץרא יתאבו ישרדמ תא יתבזעו הכפהה יתדלומ ץראמו יבא תיבמ םיהלא יתוא ועתה רשאכו .... ישפנ ישנאמ תודומח שיא יתמועל םש הנהו הלוטילט ריע ןמזה ינלטלט הז וילע רמול יואר יניסמ םתניתנכ תוינשמב יקב תודמהו הלעמה ... תמאו דסח ימע שעיו ... איבל ןב לאדיו ןוד אישנה אוה יניס .רפסה הז יתרבח ותוצמבו

In den hebräischen Quellen, die defekt sind, ist nicht angegeben, daß sich gegen Schluß der Disputation eine Meinungsverschiedenheit unter den Notabeln gezeigt hat. Die lateinische Quelle berichtet darüber, daß Astrüc Levi die Erklärung abgegeben habe, daß er den agadischen Sentenzen, aus welchen de Santa Fé die Bezeugung Jesu im Talmud bewiesen hat, keine Autorität einräume. Und die meisten Notabeln, bis auf Albo und Ferrer, hätten sich dieser Erklärung angeschlossen. Der Passus lautet nach den Protokollen bei de Castro l.c.p. 222: In sexagesima septima sessione ... Rabi Astruch nomine omnium Judaeorum dedit unam cedulam, in qua continebatur, quod nesciebant defendere dictas abominationes (Talmud), nec dabant fidem illis, et omnes Judaei asseruerunt, quod erant concordes in dicta responsione, exceptis duobus Judaeis, Rabi Ferrer et Josef Albo. Der merkwürdige Protest des Astrüc Levi lautet daselbst: Et ego Astruch Levi ... respondeo dicens: quod licet auctoriates Talmudicae contra Talmud tam per Eleemosynarium, quam per Magistrum Hieronymum allegatae, sicut ad literam jacent, male sonent, partim quod prima facie videntur hereticae, partim contra bonos mores, partim quia sunt erroneae, et [414] quamvis per traditionem meorum magistrorum habuerim, quod illae habent, vel possint alium sensum habere: fateor tamen, illum me ignorare. Ideo dictis auctoritatibus nullam fidem adhibeo, nec auctoritatem aliqualem, nec illis credo, nec ea defendere intendo ... Omnibus Judaeis et Rabinis totius congregationis ibidem praesentibus (Rabi Ferrer et Rabi Joseph Albo dumtaxat exceptis) magna voce clamantibus et dicentibus: »et nos in dicta cedula concordamus et illi adhaeremus.«


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1890], Band 8, S. 406-415.
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Gedanken über die Religion

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Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.

246 Seiten, 9.80 Euro

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Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

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