Bauhütten

[52] Bauhütten. Die frühern mittelalterlichen Bauten auf kirchlichem Gebiete gehen von Geistlichen aus, die erst mit der Zeit Laienhilfe, anfangs zu niedrigen Diensten, beizogen. Im 13. Jahrh., frühestens im 12., vereinigten sich, wie die andern Berufsleute, so auch die Maurer und Steinmetzen zu Bruderschaften, Innungen und Zünften. Die erste wird im J. 1258 in Paris erwähnt. Die häufigen Wanderungen, welche die damaligen Architekten unternahmen, vermittelten einen Rapport zwischen den einzelnen Korporationen und riefen einen einheitlichen Verband in grösserem Umfange ins Leben. Zum ersten Male geschah dieses 1459 zu Regensburg. Das Gebiet, über das sich dieser Verband erstreckte, bestand aus vier Distrikten oder Provinzen, für welche Strassburg, Köln, Wien und Bern (später Zürich) als Hauptorte bezeichnet wurden. Diese Verbrüderungen, nach dem auf der Baustelle befindlichen Werkhause »Bauhütten« genannt, beziehen sich in erster Linie auf die Regulierung der Berufsverhältnisse. Der Vorsteher der Hütte ist der Meister, unter Umständen durch den Parlierer vertreten. Der Meister verteilt die Arbeiten, bestimmt Beginn und Beendigung derselben und vertritt zugleich das Amt eines Richters und Hüters der Ordnung. Im Ferneren enthält die Ordnung die Gesetze und Bedingungen für die Gesellen, Lehrlinge und Handlanger und wer sonst bei dem Bau beschäftigt ist. Hat der angehende Maurer seine Lehrzeit beendigt, so empfängt[52] er nebst den Erkennungszeichen, durch die er sich als Angehöriger des Bundes legitimiert, ein bestimmtes Monogramm, das Werkzeichen, welches neben seinem Namen in das Gesellenbuch eingetragen wird. Dieses Monogramm od. Steinmetzzeichen war gleichsam sein Wappen, mit dem er seine Arbeiten bezeichnete, und das er, Anstellung suchend, als Probe der Geschicklichkeit in den Stein zu meisseln hatte. Solche Chiffern, meist aus einfachen Linien, kreuzförmig und diagonal in den verschiedensten Kombinationen zusammengesetzt, kommen beinahe an jedem spätmittelalterlichen Bauwerke vor und sind auch mitunter zu Wappenzeichen geworden. Neben diesen Vorschriften, die sich auf das Berufswesen beziehen, fehlt es auch nicht an solchen, welche auf Erhaltung und Förderung christlichen Wandels, des Anstandes und der Sitte zielen. Das Institut der Bauhütten erhielt sich lange über das Mittelalter hinaus.

Die günstigen Wirkungen der Bauhütten liegen darin, dass sie dem Berufsleben eine höhere Weihe gaben, die Erfahrungen der Kunst von Generation zu Generation überlieferten. Die tüchtige Behandlung des Details in den Monumenten aus spätgotischer Zeit ist zunächt als Ergebnis dieser handwerklichen Überlieferungen zu betrachten, Genauigkeit und Sauberkeit der Ausführung wurden bis spät als Haupterfordernisse betrachtet. Hinwieder zeigt sich darin ein Sinken der Kunst, dass das persönliche, individuelle freie Schalten der Phantasie, wie es die früheren Baumeister besessen hatten, hier zurücktritt. Alles geschieht während der Zeit der Bauhütten mit handwerksmässiger Tüchtigkeit. Deshalb überall dieselben Gurtungen, Gewölbeformen, Pfeilergliederungen und Masswerkkombinationen. Die geheimen Ceremonien, die sich an die Bauhütten knüpfen und denen zufolge die Freimaurer ihren Orden aus den Bauhütten abzuleiten pflegten, sind durchaus untergeordneter Natur. Nach Rahn, bild. K. in d. Schweiz, 40 ff. Das Hauptwerk Schnaase, Gesch. d. bild. Künste, IV, 222 ff. Vgl. Gierke, Genossenschaftsrecht, 1, 408.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 52-53.
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