Kamaldulenser

[471] Kamaldulenser, ein reformierter Mönchsorden des 10. Jahrhunderts, wurde von Romuald, geb. um 950 zu Ravenna, gestiftet. Dieser gehörte einer vornehmen und reichen Familie an, war ein leicht erregbarer, stürmischer Mensch, von einer ohne Geistesbildung und in wildem Lebensgenusse verlebten Jugend; zur Sühnung eines von seinem Vater verübten Totschlages, ging er für einige Zeit nach Ravenna in ein Benediktinerkloster, wo er sich entschloss, der Welt zu entsagen und Mönch zu werden. In der Nähe Venedigs fand er in Maurinus einen zwar bildungslosen, einfaltig frommen Anachoreten, der ihn in seine Zucht und Heiligung nahm. Mit ihm zog er 976 in Begleitung des Dogen und dem auf der Wallfahrt begriffenen Abt Marin in die Nähe von dessen Kloster St. Michel de Cusan bei Perpignan in Südfrankreich, lebte hier als Anachoret, kehrte aber wieder nach Italien zurück und begann sein unstetes Anachoretenleben von neuem, gewann die Teilnahme und Bewunderung vieler, namentlich hoher Personen, wie Otto III., Heinrich II. Im Jahre 1018 stiftete er auf einem hohen, schwer zugänglichen Orte, dem Campus Maldoldi in den Appenninen bei Arezzo, eine Niederlassung von fünf Einsiedlern, wo er ein sehr strenges, namentlich an Geisselungen reiches Eremitenleben einführte; er starb im Jahre 1027, nachdem er mehrere ähnliche Institute gestiftet. Aber keines bewahrte den eremitischen Geist Romualds besser als die Einsiedelei von Camaldolt. In besondere Aufnahme kam dieser Ort dadurch, dass Petrus Damiani, der Prophet des asketisch-mittelalterlichen Kirchengeistes, Mönch von Fonte Avellana, einem Kloster, das Ludolf, ein Schüler Romualds, im Jahre 1000 gestiftet hatte, bald nach 1040 das Leben Romualds beschrieb. Damiani prägte die Büsstheorie in der Form des verdienstlichen Geisselns noch schärfer aus und übte dasselbe nach Niederlegung seines Kardinalats in seinem Kloster Fonte Avellana selbst an sich aus bis zu seinem im Jahre 1073 erfolgten Tode. Erst in diesem Jahre wurde durch päpstliche Bestätigung der eigentliche Orden der Kamaldulenser aufgestellt, als eine Abzweigung der Benediktiner, die es zu höherer Vollkommenheit gebracht haben sollten. An der Spitze stand der Prior von Camaldoli als Major. Sie wohnten und assen abgesondert voneinander, Fleich war verboten, Fasten sehr häufig, das wichtigste Gebot war das des Schweigens. Sie trugen[471] weisse Gewänder. Die erste geschriebene Regel stammt aus dem Jahre 1102, von demselben Major Rudolf, der auch die Kamaldulenserinnen einführte. Auch Camaldoli hatte das gleiche Schicksal, wie die meisten Klöster dieser Jahrhunderte, es wurde reich und besass ganze Grafschaften, die alte Strenge wurde mehr und mehr gemässigt, und neben den Einsiedlern entstand ein regelrechtes Klosterleben, namentlich im Gebiete der Stadt Venedig, auf einer Insel zwischen Venedig und Murano und in Murano selbst. Zur Zeit der Reformation unterschied man daher Eremiten, Observanten und Konventualen.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 471-472.
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