Atalanta [1]

[455] ATALANTA, æ, des Schöneus, Königes in der Insel Scyrus, Tochter, war ebenfalls von einer ungemeinen Schönheit, wollte aber auch keinen heurathen. Gleichwohl meldeten sich deren verschiedene bey ihr an. Damit sie nun solche los würde, so that sie ihnen den Vorschlag, einen Wettlauf mit ihr zu wagen, unter der Bedingung, daß solche ohne Waffen laufen, sie hingegen einen Wurfspieß in der Hand haben und diejenigen, welche sie einholen könnte, damit durchstoßen dürfte. Wie nun solcher Gestalt unterschiedene zu kurz gekommen waren, so meldete sich endlich Hippomenes, der aber von der Venus vorher drey goldene Aepfel bekommen hatte. Als er daher den Lauf mit der Atalanta antrat, und diese ihn in demselben erreichen wollte, so warf er solche im Laufen einen nach den andern der Atalanta in den Weg, wieche denn begierig war, solche aufzuheben, sich aber auch damit verweilete, und den Hippomenes sich zuvor kommen ließ. Sie heurathete daher auch denselben wirklich, allein indem sie ihrer Liebe eine Genüge zu thun, sich selbst in eine Capelle des Jupiters begaben, so verwandelte sie dieser beyderseits in Löwen. Hygin. Fab. 185. & Schol. Theocr. ad Idyll. III. v. 40. Einige wollen, daß sie ihre, Zusammenkunft in dem einen Tempel der Cybele gehalten, die sie auch nachher, als sie von ihr in Löwen verwandelt worden, statt der Pferde vor ihren [455] Wagen gespannet. Ovid. Met. lib. X. v. 686. Allein, wahrscheinlich ist es wohl, daß sie sich in eine Höhle gemacht, und weil darinnen ein Paar Löwen ihr Lager hatten, von solchen sind zerrissen und gefressen worden. Da aber ihre Leute hernach solche beyde Bestien aus der Höhle haben sehen heraus kommen, so hat man geglaubet, daß solches die verwandelten beyden Personen wären. Palæph. c. 14. Heraclit. de Incredib. c. 12. Man hat noch eine schöne römische Gruppe, auf welcher man den Wettlauf der Atalanta und des Hippomenes sieht, deren jedes einen Apfel in der Hand hält. Montfaucon. antiq. expliq. Supplem. T. I. tab. 95. Sie soll auch auf einem schön geschnittenen Steine gefunden werden, welcher eine laufende Frauensperson vorstellet, die hinter sich zurück sieht. Lipperts Dactylioth. II Taus. n. 59. Auf einem andern sieht man sie mit einem Apfel in der Hand, wie sie unter der Anführung eines Cupido, der eine Fackel trägt, hurtig fortschreitet. Ebend. n. 60. Wie immittelst aber dieses von der Atalanta, des Schöneus Tochter, Hyginus, Ovidius, Servius, Heraklitus u.a.m. erzählen, so melden eben dasselbe hingegen von des Jasons Tochter Paläphatus, Apollodorus, Tzetzes u.a.m. Muncker. ad Hygin. l. c. Muret. ad Propert. lib. I. El. 1. Spanh. ad Callimach. Hymn. in Dian. v. 216. Indessen aber sey es gewesen, welche es wolle, so machen sie doch einige nicht unfüglich zu einem Bilde der Wollust, welcher oft die Menschen, auch mit Gefahr ihres Lebens, nachgehen, und da sie auch dieselbe erhalten, so werden sie, indem sie weder Gott noch Menschen scheuen, endlich selbst in unvernünftige Bestien verwandelt. Nat. Com. lib. VII. c. 8. Cf. Masen. Spec. Ver. occ. c. XXIV. n. 32. Andere haben hierbey noch ein tiefer Einsehen, und halten die Atalanta für die Kunst, den Hippomenes aber für die Natur, wovon jene dieser an sich allemal weit zuvor kömmt, allein durch die Gewinnsucht sich ingemein auch verleiten läßt, daß sie von dem rechten Wege ausschweifet, und sich folglich [456] dennoch die Natur zuvor kommen läßt, welcher sie denn daher auch, wie die Frau dem Manne, unterwürfig seyn muß. Baco Verulam. de Sapient. Vet. c. 25.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 455-457.
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