Avernvs

[480] AVERNVS, i, Gr. Ἄορνος, ου ein besonderer See in Campanien, unsern von Cumä, der ehemals mit sehr hohen Bäumen, auf seinen ohne dieß hohen Ufern, überwachsen war. Weil es nun sehr finster auf ihm aussah, so hielt man ihn dem Pluto für heilig, glaubete auch, daß, wegen seines häßlichen Gestankes, kein Vogel über ihn hinfliegen könne, sondern vielmehr in denselben hinein fallen müsse. Er wurde für den Eingang der Hölle angesehen. Virgil. Aen. VI. 237. Das Quellwasser bey demselben wurde für den Fluß Styx gehalten, [480] und es waren besondere Priester bestellet, welche den Leuten von nichts, als schrecklichen und der Hölle ähnlichen Dingen, vorreden mußten, auch dieselben mit ihren Orakeln äffeten, indem sie ihre unterirdischen Gänge daselbst hatten, wegen ihrer Betrügerey aber endlich ausgerottet wurden. Da auch Agrippa, zu Augusts Zeiten, den Wald um den Avernus niederhauen ließ, so fand sich nicht allein nichts stinkendes, oder sonst widriges, sondern es war die Gegend vielmehr so angenehm, daß sie zuletzt auch mit den schönsten Lusthäusern bebauet wurde. Strabo lib. V. p. 245. seqq. Immittelst hat er doch den Namen von dem α privat. und ὄρνις, Vogel, und also von obigem Gedichte von den Vögeln und deren Unvermögen über ihn wegfliegen zu können, wird aber auch sonst von einigen an den Eridanus oder Po, und von andern gar in die Landschaft Adiabene in Asien versetzet. Tzetz. ad Lycophr v. 724. Und da er ehemals ja einen garstigen Geruch von sich gegeben, so wird es auf die schwefelichten Dünste gedeutet, die aus demselben aufgestiegen, weil die ganze Gegend mit Schwefel angefüllet ist, der sich aber auch verloren, nachdem der Luft, durch Umhauung des Waldes, ein freyerer Weg gemacht worden.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 480-481.
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