Biblis [1]

[577] BIBLIS, ĭdis, Gr. Βυβλὶς, ίδος, ( Tab. XIV.) des Miletus und der Eidothea Tochter, wurde von vielen vornehmen Cariern zur Ehe verlanget, die sie aber insgesammt verachtete, und dagegen ihren Zwillingsbruder, den Kaunus, zu lieben anfieng. Sie verbarg indessen solche ihre Schwachheit, bis sie nicht mehr konnte, daher sie sich endlich entschloß, sich selbst von einem Felsen hinab zu stürzen, und ihr Leiden zu verkürzen. Allein, indem sie ihren Schluß zu Werke setzen wollte, so erbarmeten sich die Nymphen ihrer, fiengen sie auf, und, nachdem sie ihr einen tiefen Schlaf [577] beygebracht, so macheten sie dieselbe zu einer Hamadryade und zugleich also auch unsterblich, und zu einer ihrer Gefährtinnen. Nicander ap. Anton. Liberal. c. 30. Einige wollen, sie habe ihrem Bruder ihre Liebe angetragen. Als er aber einen Abscheu davor gehabt, und, um ihr aus den Augen zu kommen, sich in die Landschaft der Lelegen begeben, so habe sie sich beydes so zu Gemüthe gezogen, daß sie sich endlich mit ihrem Gürtel an einer Eiche erhenket, wobey denn auch aus ihren Thränen zugleich der Brunn Byblis entstanden. Aristocritus ap. Parthen. Erot. c. 11. Noch andere geben vor, daß sie ihrem Bruder nachgegangen, und daher Carien, Lycien, und andere Länder als unsinnig durchstrichen, bis sie endlich auf die Erde nieder gefallen und in einen Brunn ihres Namens verwandelt worden, Ovid. Metam. IX. v. 452. welcher unter demselben lange Zeit in Milesia bekannt gewesen. Strabo lib. VII. ap. Farnab. ad Ovid. l. c. Ob sie aber Biblis oder Byblis zu schreiben, oder ob ihre Mutter Tragesia oder Aria für Eidothea geheißen, wird noch gefraget. Heins. ad Ovid. l. c. v. 451. Indessen melden doch einige, daß sich Kaunus in sie verliebet, und, da er seines Verlangens nicht gewähret werden können, sich aus Verdrusse auf- und darvon gemacht, welches denn der Byblis so nahe gegangen, daß sie sich auch auf den Weg begeben, ihn wieder zu suchen, und, da alle ihr Bemühen vergebens gewesen, so habe sie sich endlich an einen Nußbaum erhenkt. Conon Narr. 2. & Nicænetus ap. Parthen l. c.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 577-578.
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