Electra [3]

[978] ELECTRA, æ, ( Tab. XXX.) Agamemnons und der Klytemnestra Tochter. Hygin. Fab. 122. Sie hieß anfänglich Laodice. Eustath. ad Hom. Il. [978] I. 145. Den Namen Elektra aber soll sie erst von den Tragödienschreibern erhalten haben. Didym. ad Hom. l. c. Einige wollen, er sey ihr von den Argiern daher gegeben worden, weil sie lange unverheurathet geblieben und das Ehebette nicht gekannt hätte. Aelian. var. hist. L. IV. c. 26. Gleichwohl wurde sie von vielen griechischen Herren zur Gemahlinn gesuchet. Ihr Stiefvater Aegisthus aber wollte sie niemanden geben, aus Furcht, es möchten deren Kinder Agamemnons Tod an ihm rächen. Er verheurathete sie daher lieber an einen geringen Arbeitsmann in Argos, welcher sie aber unberühret ließ. Euripid Electra, v. 19–44. Ihr Namen soll demnach so viel, als ἄλεκτρος, ohne Hochzeitbette, seyn. Jedoch will man auch, sie habe ihn deswegen bekommen, weil ihr Gesicht wie gelber Bernstein oder ein gewisses aus Gold, Silber und Kupfer vermischtes Metall, welches die Griechen und Lateiner Electrum nannten, geglänzet habe. Schol. ad Eurip. Orest. v. 23. Sie verbarg ihren Bruder, Orestes, als ihn ihre Mutter mit ihrem Ehebrecher, wie den Agamemnon, aus dem Wege räumen wollte, und schaffte ihn zu der Astyochea, oder Anaxibia, des Agamemnons Schwester, und Gemahlinn des Strophius, in Phocis. Idem Fab. 117. Sie wurde dafür in ein böses Gefängniß gestecket, zumal sie gar nicht sagen wollte, wo solcher Orestes hingekommen wäre. Senec. Agamemn. v. 991. Dieses machete sie in ihrer Liebe gegen ihn nur eifriger; und da er nach Argos zurück kam, so war sie ihm auf alle Weise beförderlich, den Aegistus und die Klytämnestra aus dem Wege zu räumen; wiewohl solches auf verschiedene Art erzählet wird. Sophocl. Electra & Euripid. Electra Cf. Mezir. sur les epit. d'Ovid. T. II. p. 262. Sie ließ sich auch die Liebe zu ihm so weit treiben, daß sie ihre Schwester, die Iphigenia, zu Delphis unfehlbar mit einem vom Altare ergriffenen Brande würde hingerichtet haben, weil ihr war berichtet worden, es hätte solche den Orestes in Taurica umgebracht, wo nicht Orestes selbst noch zu rechter [979] Zeit darzu gekommen wäre, und sie aus einander gebracht hätte. Es heurathete sie darauf Pylades, des obgedachten Strophius Sohn, Hygin. Fab. 122. ungeachtet sie damals schon eine ziemlich alte Jungfer war. Sie bekam noch von ihm den Medon und Strophius, nach ihrem Tode aber wurde sie unsern von ihrem Vater, dem Agamemnon, zu Mycene begraben. Paus. Cor. c. 16. p. 114. Man muthmaßet sie auf ein Paar geschnittenen Steinen zu sehen, wo auf dem einen ein halb bekleidetes, sehr schön gezeichnetes Frauenzimmer auf einem großen mit Fruchtschnüren geziereten Altare, wofern es nicht vielmehr eine steinerne Todtenkiste seyn soll, sitzt und ein großes Gefäß mit der Asche ihres Vaters auf ihrem Schooße hat. Auf einem andern sieht man eine Frauensperson bey einem Grabmaale Wasser aus einem Kruge gießen, welches ein Opfer seyn soll, das sie auf Agamemnons Grabe verrichtet. Lipperts Dactyl. I Taus. N. 986, 987. Wir haben von ihr noch ein Trauerspiel vom Sophokles Fabric. Bibl. Gr. L. II. c. 17. p. 621. und ein anderes vom Euripides. Ib. c. 18. p. 646. die, so schön sie auch beyde in ihrer Ausführung sind, dennoch in ihrer Erfindung sehr weit von einander abgehen, so wie auch des Aeschylus seines von eben dieser Materie, welches wir unter dem Titel der Koephoren haben. Brumoy Theat. des Grecs T. I. p. 365. & T. II. p. 1. sqq.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 978-980.
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