Horae

[1289] HORAE, arum, Gr. Ὥραι, ῶν, ( Tab. X.) Jupiters und der Themis Töchter, und Gefährtinnen der Gratien, Pausan. Corinth. c. 17. p. 114. wie auch wohl der Parcen. Id. Att. p. 75. Sie hießen mit ihren besondern Namen Irene, Eunomia und Dice. Hesiod. Theog. v. 901. Apollod. l. I. c. 3. §. 1. Diod. Sic. l. V. p. 234. Andere nennen sie Karpo und Thallo. Pausan. Bœot. c. 35. p. 595. wie man denn anfänglich deren nur zween, wie die Gratien, bildete. Id. Lacon. p. 196. Jedoch, wie noch andere in der Zahl, also gehen sie auch in den Namen [1289] von diesen ab, und nennen sie bald Auxo, Eunomia, Pherusa, Karia, Odice, Euporie, Irene, Ortesie und Challo; bald Auge, Anatole, Musia, Gymnasium, Nymphe, Mesembria, Sponde, Elete, Akte und Hekypris. Hygin. Fab. 183. & ad eum Muncker. l. c. Sie sollen im Frühlinge geboren seyn, Orphæus Hymn. XLII. v. 3. weiche Füße haben und unter allen Göttern die langsamsten seyn, gleichwohl aber allemal etwas neues mitbringen. Theocr. Idyll XV. v. 104. Sie sollen der Juno Ammen gewesen seyn, Olen. ap. Pausan. Corinth. c. 13. p. 108. auf deren Krone sie auch nebst den Gratien stunden; Pausan. ib. c. 17. p. 114. wiewohl sie auch mit den Parcen selbst dem Jupiter auf den Kopf gesetzet wurden. Idem Att. c. 40. p. 75. Man schreibt ihnen das gute und böse Wetter zu; Homer. Il Ε. v. 749. & Orpheus l. c. und sie sollen da bey die Aufsicht über die Pforten des Himmels haben. Homer. l. c. & Ovid. Fast. I. v. 125. Sie hatten ihren besondern Tempel zu Argos, Paus. Cor. c. 20. p. 120. und anderweits mehr. Die Athe nienser feyerten ihnen zu Ehren die Horäa, Ὥραια, wobey kein Fleisch gebraten, sondern alles gekocht werden mußte, weil jenes eine allzu große Hitze, dieses aber eine mit Wärme temperirte Feuchtigkeit bemerket. Indessen hatten sie auch Theil an den Panopsien und Thargelien, werden aber nicht so wohl für die zwölf Stunden des Tages, als vielmehr für die vier Jahreszeiten genommen. Voss. Theol gent. l. IX. c. 33. In dieser Absicht bildet man sie denn in kurzen bunten geschürzten Kleidern, Ovid. Fast. V. 217. wie sie im Kreise herum tanzen und gleichsam das Jahr herum drehen, da denn die Erde, nach ihrem Unterschiede, auch ihre Früchte unter ihnen bringet, oder sie dergleichen tragen. Sie lassen die Haare fliegen, und haben von ihrer Bemühung im Tanzen ganz rothe Wangen. Philostr. Icon. l. II. 35. p. 860. Durch sie regierete Jupiter die ganze Welt. Horat. l. I. Od. XII. v. 16. Es sollen aber deren zweyerley Arten seyn, die Pförtnerinnen des Himmels, welche auch Dienerinnen [1290] der Sonne sind; und die Töchter der Themis. Man behauptet daher mit Rechte, daß die homerischen Horen andere, als des Hesiodus seine sind, oder daß ihnen wenigstens der erstere Dichter ein anderes Amt angewiesen, als der letztere. Græv. lect. Hesiod c. 23. ad v. 903. Es unterscheiden sie auch andere. Voss. l. c. Jene waren die Jahreszeiten, und weil man solcher in der ersten Welt nur zwo oder drey rechnete, so hatte man auch nur so viel Horen. Nachher zählete man ihrer viere, welche Eiarene, Therine, Metoperike und Cheimerine sollen geheißen haben. Voss. l. c. Man weis aber nicht, woher diese Benennungen eigentlich genommen sind. Schlegel beym Ban. I. B. 338 Anm. Doch heißen die Frühlingshoren Erinen, die Sommerhoren Xanthen, die Herbsthoren Oporinen und die Winterhoren Cheimerien: jedoch war ihre Anzahl nicht bestimmt. Philostrat. l. c. Sie hatten ihren Namen von ὡρεύω, ich bewahre, Voss. l. c. lib. VIII. c. 3. oder von Ὄρω, ich rege, treibe an, bewege, weil nichts schneller ist, als Zeiten und Jahre, oder auch von ὅρος, ein bestimmtes Ziel, wie weit etwas geht. Dam. Lexic. etym. p. 1775. Doch wollen ihn andere lieber von dem ägyptischen Gotte Horus herleiten, welcher die Sonne bedeutet. Macrob. Saturn. l. c. c. 21. Die Töchter der Themis aber sollen ihren Namen von dem ebräischen Or, Licht, haben, welches verblühmter Weise die Kenntniß bedeutet. Cleric. ad Hesiod. l. c. Sie selbst bildeten auch ihren besondern Namen nach die Früchte der Gerechtigkeit ab; und bedeutete Eunomia, dieguten Gesetze oder die rechtmäßige Austheilung, welche einem jeden das Seinige giebt; Dice die Ausübung der Gerechtigkeit oder die Entscheidung gerichtlicher Streitigkeiten;. Irene, den Frieden Phurnut. de nat. Deor. c. 29. Sonst sollen sie auch ihrer schönen liebens würdigen Wirkung wegen also seyn genannt worden; denn ὥρα heißt nicht allein eine gewisse Zeit, sondern auch die Schönheit; daher sie denn zur Ausschmückung aller Sachen gebrauchet[1291] werden. græv. l. c. Man glaubet, sie noch auf einem alten Denkmaale in dem albanischen Landgute zu entdecken, wo man drey obbeschriebener Maßen gebildete Frauenspersonen um oder gegen einen brennenden Altar tanzen sieht. Die eine davon hat einen Korb mit Früchten in der Hand, die andern aber tragen nichts, sondern heben nur die Hände zur Bewegung im Tanzen auf. Alle sind mit Kronen bekränzet, die man von Palmblättern zu seyn glaubet. Winkelm. Monum. antichi. n. 47. ex 48. p. 57. Eine derselben will man auf einem geschnittenen Steine finden, wo eine Frauensperson in tanzender Stellung einen Gürtel in beyden Händen hält, der ihr über ihrem Kopfe fliegt und über welchem drey Sterne zu sehen sind. Maffei gemme ant. T. III. t. 85. p. 156. So sollen auch auf einer andern sehr schön geschnittenen Gemme zwo dieser Horen des Bacchus Wagen ziehen, auf welchem er mit Ariadnen sitzt. Lipp. Dactyl. I T. 286 N.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1289-1292.
Lizenz:
Faksimiles:
1289 | 1290 | 1291 | 1292
Ähnliche Einträge in anderen Lexika