Virtvs

[2465] VIRTVS, utis, Tugend, wurde von den Römern ebenfalls göttlich verehret, und zwar gelobete ihr und dem Honor den ersten Tempel M. Marcellus. Weil er aber für beyde vermeynte Gottheiten nur einen bauen wollte, so wurde er von den Auguren daran verhindert, weil zween Götter in einem Tempel nicht wohnen könnten. Er bauete daher zuerst den Tempel der Ehre, und setzete darauf der Tugend ihren so gleich daran. Livius l. XXVII. c. 11. Sein Sohn weihete hernach beyde ein. Id. ibid. l. XXIX c. 11. Sie waren aber so gebauet, daß, wer in den Tempel der Ehren gehen wollte, erst durch den Tempel der Tugend hinweg gehen mußte. Symmach. ap. Nardin. l. III. c. 2. Rosin. l. II. c. 18. Indessen ist noch nicht ausgemacht, ob die Tempel in der Stadt, oder außer derselben gestanden, welches letztere wahrscheinlicher, als jenes, fällt. Nardin. ipse l. c. Als solche Tempel sehr baufällig geworden, so ließ sie Vespasianus erneuren, da denn Cornelius Pinas, den einen, und Actius Priscus den andern ausmaleten. Plin. H. N. l. XXXV. c. 10. Eben dergleichen Tempel soll auch Marius errichtet haben, jedoch niedriger, als andere, damit ihn nicht die Auguren etwa möchten abbrechen lassen, wenn er ihnen im Wege stünde. Vitruvius, Festus & vetus inscriptio ap. Rosin. l. c. Es ist aber ungewiß, ob solches nicht von eben vorhergehenden Tempeln zu verstehen sey. [2465] Es findet sich auch nichts von dem Tempel der Tugend, welchen ehemals Scipio Numantinus, oder Africanus der Zweyte, soll errichtet haben. Plutarch. ap. Donat. l. III. c. 22. Ihr Bildniß soll bald als eine Matrone, bald als ein Mann, bald als ein Greis seyn vorgestellet worden. Rosin. l. c. Wie sie mit der Ehre gepaaret auf Münzen gebildet wird, sieh Honor. Sie kommt aber auch oft eben so allein vor. Jedoch sitzt sie auf einer Münze des Kaisers Trajans auf einem Brustharnische, oder Waffenrocke, und hält in der rechten Hand an statt des kurzen Degens einen Zweig. Biæi & Croyiac. Imp. num. t. 59. n. 3. Auf einer Münze des Galba steht sie ganz unbekleidet, nur mit dem Spieße in der linken Hand, und dem in der Scheide steckenden Degen in dem rechten Arme. Id. tab. 22. n. 20. Statt desselben setzet sie, auf einer Münze des Kaisers Victorins, die rechte Hand auf ein auf der Erde stehendes Schild, und hat nur einen Mantel hinter sich hinabhängen. Id. t. 62. n. 4. Dieß sind ihre gewöhnlichsten Abbildungen: doch sieht man deren noch viele andere auf den Münzen. Agostin. Dial. II. p. 27. sqq.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 2465-2466.
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