Bibelverbote

[527] Bibelverbote nennen die Protestanten die Vorschriften der Kirche das Bibellesen der Laien betreffend. Es folgt aus dem Begriffe der lehrenden Kirche, daß sie die Bibel, die eine Hauptquelle der Lehre, nicht jedem Schüler zum unbedingten Gebrauche hingeben kann. sondern die Benutzung derselben von dem Alter, der Bildung, der Gesinnung u.s.w. des einzelnen abhängig macht; sie muß denselben vor allem an das lebendige Wort der Kirche verweisen und davon überzeugt sein, daß derselbe das Wort der Kirche hört und befolgt, wenn sie ihm das geschriebene Wort, den Buchstaben, der sich von menschlicher Willkür so vieles gefallen lassen muß, in die Hände gibt, denn einen [527] Mißbrauch des geschriebenen Wortes kann sie nimmermehr gestatten. Die Kirche hat das Bibellesen nie verboten und wird es nie verbieten, aber sie wird es immer überwachen und leiten, damit die Bibel nicht zum Verderben einzelner und vieler mißbraucht werde. Das Sektenwesen, das den Protestantismus in bald unzählige Bruchstücke zertheilt hat, ist der indirecte Beweis dafür, was das unbeschränkte Bibellesen, dieser eine Ausfluß der evangelischen Freiheit, für Wirkungen im Gebiete des Glaubens hervorbringt. Daß sodann protestant. Bibelübersetzungen und überhaupt alle nicht kirchlich approbirte Uebersetzungen dem Katholiken verboten sind, folgt aus dem Berufe der Kirche über die Reinheit der Lehre zu wachen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 527-528.
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