Egoismus

[503] Egoismus, der (vom lat. ego, ich), die Ich- od. Selbstsucht, ist die verkehrte Selbstliebe, welche das Ich mindestens thatsächlich zum Gotte und Mittelpunkt alles Seins und Strebens macht und somit das Zeitliche nicht den ewigen Zwecken unterordnet u. anpaßt, sondern umgekehrt Gott, Welt und Mitmenschen nur als Mittel und Werkzeuge für Erreichung zeitlicher Dinge behandelt. Der E. ist wesentlich Selbstvergötterung und wird zur Quelle alles Uebels, indem der Egoist das erste und größte aller Gebote beständig verletzt. Man kann unterscheiden einen praktischen E., der sich im bürgerlichen Leben als Eigensinn, Eigennutz, Ehrsucht, Stolz, Habsucht und Wollust, einen socialen, der sich im Gebiete der Gesetzgebung u. Politik als Religions- und Gewissenlosigkeit breit macht u. endlich einen theoretischen, der vom liebgewordenen Irrthum und Unglauben in religiösen und kirchlichen Dingen ausgehend die aus der Oberherrschaft des E. fließenden Zustände wissenschaftlich zu verschleiern oder gar als recht und gut zu begründen versucht.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 503.
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