Kaltwasserkur

[533] Kaltwasserkur (Hydrotherapie, Hydriatrik), in neuester Zeit besonders durch Hahn, Oertel u.a. wieder hervorgehoben, vor Allem aber durch den geistreichen Bauer Vincenz Prießnitz zu Gräfenberg bei Freienwaldau in Oesterreich-Schlesien. Prießnitz kurirte zuerst an seinem Vieh, dann an sich selber und seinen Nachbarn, bis ihm endlich Kranke zu Tausende aus allen Ständen u. aus weitester Ferne zuzogen. Seitdem fand er viele Anhänger u. Nachahmer unter den Aerzten und die Kaltwasser-Heilanstalten verbreiteten und vermehrten sich durch alle Länder wie die Schriften über K. Die Anwendung des kalten, auch kühlen u. lauen Wassers, geschieht hierbei theils innerlich, durch Trinken. theils und vorzugsweise äußerlich, als: Bäder, ganze u. halbe. Theilbäder für einzelne Körpertheile, Einwickeln des Körpers in nasse Tücher mit trockenen Wollteppichen darüber zu Erregung starken Schweißes, Waschungen, Abreibungen, Umschläge, Douchen, Klystiere, Einspritzungen. Die K. zeichnet sich dadurch aus, daß sie alle durch Wasser, Kälte und Wärme (in Beziehung auf Letztere durch die secundären Wirkungen, die sog. Reaction) erreichbaren Wirkungen zu erhalten und zu verwenden sucht. Durch die primäre Wirkung der Kälte wirkt sie theils kühlend, herabstimmend, theils tonisirend, stärkend, durch die sog. Reaction, die secundäre Wärme u. Schweißbildung, erregend, excitirend, und zwar sowohl allgemein auf den ganzen Körper. durch die Einwicklungen und nachfolgende Abkühlungen im kalten Wasser, als örtlich auf einzelne Theile. Die lange (äußere u. innere) Anwendung des kalten Wassers wirkt endlich umändernd auf die ganze Säftemasse, was besonders durch Erregung starker Ausstöße durch die Haut (starke Schweiße, kritische Ausschläge etc.) erzielt wird. Die für K. geeigneten Leiden sind die chronischen Uebel fast aller Art, deßhalb ihr Publikum auch das gewöhnliche aller Bad- und Kuranstalten; indeß auch acute Erkrankungen werden jetzt nach ihr behandelt, freilich gewagter. Ein mächtiges Unterstützungsmittel bei der K. sind der Landaufenthalt, die viele Bewegung der Kranken und die gewählte und strenge Diät.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 533.
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