Beschaffenheit derselben.

[41] Die Dankbarkeit ist, daß man die empfangenen göttlichen Wohlthaten erkenne und gut gebrauche. Wer Gottes Güte und seine Unwürdigkeit erkennet, der danket rechtschaffen. Thut uns jemand gutes, da ist es billig, daß wir ihm wieder gutes thun. Wir können nun aber Gott nichts geben, denn es ist alles sein, und wir haben alles von ihm, allein Lob und Dank können wir ihm geben. So wie es auch im Psalm heißt: was soll ich doch Gott bezahlen für alles Gute, das er mir gegeben hat? Ich will anrufen seinen heiligen Namen. Dadurch nichts anders gesagt wird, als die empfangene Wohlthat bekennen, und dieselbe nicht uns, sondern allein ihm zuschreiben und anheim tragen.[41] Darum halte sich ein jeder fleißig und erkenne die empfangenen Gaben, daß sein Häuslein, Höflein, Acker, Weib, Kindlein, Geld, Gut und Vieh von Gott sei, daß es nicht von seinen Händen herkomme, und durch seine Kräfte erlangt habe. Sage immer: lieber Vater, es ist dein, alles was ich bin und habe; meine Hände haben es nicht erworben, deine Zusagung und Verheißung hat es gegeben; ich sehe alles wohl vor meinen Augen, aber ich habe es von dir und nicht durch mich. Aber bei den Gottlosen ist dieser Dank nicht. Da gedenket man: da habe ich meinen Schatz, mein Korn, mein Ackerwerk und Handwerk, das habe ich erworben, ich will mich darauf wohl ernähren. Da trotzet und pochet man denn auf die Güter, jauchzet darüber, gedenket Gottes auch nicht, hilft andern Leuten nicht, stiehlt, lügt und betrügt andere und meinet, seine Habe und Güter habe er von seiner sauren Arbeit. Aber der Dankbare denket: weil Gott so viel Gutes an mir beweiset, und mit der That bezeuget, daß er mein Gott sei, derohalben will ich ihn nicht erzürnen, sondern thun was er haben will.[42] Denn warum sollte ich nur unrecht thun, stehlen, meinen Nächsten betrügen? Gott hat noch immer mehr, als er schon, so lange die Welt, ausgegeben hat. Ich werde genug haben, denn ich habe es ja erfahren, daß er meine Kraft und mein Reichthum ist, und daß er mich ernähren will. – Nun aber lassen sich einige einfallen und sagen, sie brauchten nur Gott für das Große zu danken und nicht für das kleine. Nur so er ihnen recht viel auf einmal giebt, und sie überflüßig satt und froh macht, wollen sie ihre Hände gen Himmel heben und ihrem Herrn Gott danken. Gleich als ob das kleine und geringe nicht auch von ihm käme. Hierauf will ich dir gesagt haben, daß für alles und jedes für das viele sowohl als für das wenige zu danken ist. Jeder Bissen Brod, den du in den Mund steckest, jeder Trunk Wasser, den deine Zunge schmeckt, jeder Lumpen, den du um deinen Leib wirfst, muß dich zum Danke bewegen. Daß du lebest, gesund bist, Hand und Fuß rühren kannst, die Deinigen gesund siehest – wer macht das als der Herr dein Gott. O so thue, was gesagt wird: Saget[43] Dank allezeit. – Wiederum danken einige nur, wenn sie Gott in Nöthen geholfen hat, aber vergessen Gottes, wenn es ihnen wohl geht. Wenn die Trübsal vorüber ist, da preisen, loben und rühmen sie den Herrn, aber nach einem Tage oder zween, wenn die Noth aus den Gedanken ist, ist auch der Dank dahin. – Ich kann es auch nicht leiden, wenn man mit unzufriednem Herzen Gott danken will. Denn es ist nicht möglich, daß der aufrichtig danken sollte, der immer mehr haben will. Er kann es nicht lassen, er muß auch bei dem Danken murren, sintemal Dank nicht geschehen kann, als mit Frohlockung des Herzens. Der Dankende muß sagen mit dem Spruche des Propheten Jes. 61, 10. Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott. Wie fein würdest du dich beklagen, wenn dein Knecht oder Magd mit der einen Hand dankte, und mit der andern mehr haben wollte, und mürrisch und verdrießlich wäre. Also kann ein trauriger und ungeduldiger Mann mit seinem Danke Gott nicht gefallen. – Und das ist der Scheideweg, darauf sich von einander scheiden, der[44] wahre Dank und der falsche Dank, so du blos sprichst: ich danke dir Gott für alles; aber dich nicht durch die Gaben Gottes lässest antreiben, Gutes zu thun, und das Böse zu meiden. Darum sagt Paulus: Was ihr thut mit Worten oder mit Werken, das thut alles in dem Namen des Herrn Jesu, und danket Gott dem Vater durch ihn. Hieraus siehest du nun, worin der wahre Dank besteht. Nicht im Munde allein, wiewohl auch, sondern im Leben und Wirken, wie Gott es haben will, und Christus uns gelehrt hat. Aus dem kann denn hernach folgen, daß man Gott danke, dem allein die Ehre und Ruhm gebühret von allem Guten. Wer aber durch die Wohlthaten Gottes nicht bewegt wird, daß er sich bessere, der lügt und ist falsch wie der Heuchler im Evangelio. – Desgleichen mußt du wissen, daß, so du recht danken willst, auch die Gaben Gottes recht brauchen und anwenden mußt. Ein Kind wirst du nimmermehr dankbar nennen, das, so ihm der Vater etwas Geld giebt, es nicht achtet, und den sauren Schweiß seines Vaters verprasset. Siehe, so mußt auch du eine gute[45] Gabe Gottes nicht schlecht brauchen und nutzen, sondern es dazu verwenden, wozu er es gab. Giebt dir Gott Geld und Gut, so mußt du nicht kargen und geizen, auch nicht verschlemmen und verthun; giebt er dir fromme Eltern, Gatten, Gesinde, so mußt du sie, willst du dankbar sein, in Ehren halten und so fort. – Weiter will Gott auch haben, daß wir ihm danken sollen nicht nur für uns, sondern auch für andere. Aber da gehet man hin, und gedenket nicht einmal des guten, was er uns erweiset, geschweige dessen, was er andern thut. Denn wenn wir unsern Nächsten lieben sollen als uns selbst, so müssen wir Gott eben so herzlich danken, wenn er es mit ihm, als wenn er es mit uns wohl macht.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 41-46.
Lizenz:
Kategorien: