Mäßigung in der Hitze und im Zorne.

[119] Wenn uns ein Leid geschiehet, und etwas nicht nach unserer Lust gehet, so ist bald allda Fleisch und Blut, fängt an zu wallen und zu wüthen mit Zorn und Ungeduld. Da fahren sie gleich auf wie die wilden Bestien, toben und[119] rasen, und wissen selbst nicht, was sie thun. Man sehe nur einen solchen erhitzten bösen Menschen an, und es ist, als ob die Hölle aus seinem Gesichte Feuer hervorsprudelte, so daß es ein wahrer Abscheu ist, solche Leute zu sehen. Ich habe wohl gutmüthige Leute gesehen, die kein Kind beleidigten, und doch oft über eine Kleinigkeit sich so in Hitze bringen ließen, daß man gar nicht glauben sollte, es seien dieselben Leute. Und diese Hitze ergehet nicht nur über den Nächsten, sondern auch oft über andere Creaturen, und über sich selbst, so daß der Zornige sich oft selbst will vor den Kopf schlagen. Denn ein Herz, das vom Zorne so gar erhitzet ist, ist kühn allerlei böse Thaten zu begehen, denn sie laufen wie Unsinnige herum, denen man muß ausweichen. Sie knirschen mit den Zähnen und machen allerlei tolle Geberden. Ja man hat Exempel, daß solche Leute vor Heftigkeit des Zorns gestorben, oder sonst in Krankheiten verfallen sind. Daraus man siehet, wie sehr die Hitze und Zorn auch dem Leibe schadet, und denselben zerrüttet. Ei, das taugt gar nichts und ist große Sünde. Darum[120] gedenke mit Ernst, daß du von diesem Laster abstehest und dich nicht lassest entrüsten noch erzürnen, sondern bedenkest, was gesagt wird: Seid sangsam zum Zorn. Wenn dir auch ein wenig Unrecht geschiehet, und es nicht nach deinem Kopfe geht, so laß dich das nicht gleich reizen und aufbringen. Wie meinest du, wenn das der liebe Gott so mit dir machen wollte, daß, so du wider ihn sündigest und du nicht thust, was ihm wohl gefällt, er auch gleich mit Donner und Blitz dich tödten sollte. Du würdest schon tausendmal dein Leben verloren haben. Siehe, so mußt du es auch machen, und Zorn und Hitze unterdrücken, welches schlechterdings Gottes Gebot ist. Und was das ärgste ist, so bist du in der Hitze nicht dein mächtig, sondern thust, was dich nachher bitterlich reuen würde.


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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 119-121.
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