Undank gegen Wohlthäter.

[223] Ich habe es schon längst geglaubt, daß die unvernünftigen Thiere den Menschen, ihren Herrn, in manchen Stücken übertreffen, und sage es auch noch immer. Wenn ich einem Thiere gutes thue, so thut es mir gewiß nichts böses. So du dem Hunde etwas zu fressen giebst, wird er dich gewiß nicht beißen, es sei denn, daß er Wache halte. Aber so machen es die Menschen nicht, sondern sind ärger, als die Thiere, daß sie auch nicht dankbar sind. So man einem noch so viel giebt, so können sie doch nicht genug haben, vergessen auch das gegebene, und thun nicht wieder Hülfe, wenn man in Noth kömmt. Welches alles der schändlichste Undank ist, welchen auch die Heiden für[223] das größte Laster ausgegeben haben. Manche wollen auch das, was man ihnen erzeigt, gar nicht für gutes erkennen, sondern achten es für Schuldigkeit und Dienst, dafür sie uns kein gut Wort geben. Aber Undank verräth allemal ein boshaft und verdorbenes Herz, das noch gebessert werden muß, und macht sich unwerth aller Güte und Barmherzigkeit, die man an ihm thut. Solche Leute thun auch darinne übel, daß sie andere bedürftige um Wohlthaten bringen. Denn wiewohl die Liebe durch undankbare nicht überwunden wird, denn sie träget alles I Cor. 13, 7., so machet es doch müde und unlustig zu geben und helfen, wenn sie undankbare Leute findet, und es ist ein schändlich Ding, daß einer soll immer helfen, und ihm will niemand helfen. – So du eine Wohlthat empfangen hast, sollst du nicht eher ruhen noch rasten, bis daß du, wo möglich, dem andern noch einmal so viel geben und thun kannst. Siehe das erfordert die rechte Dankbarkeit. Vornemlich mußt du dich deinen Eltern und Lehrern dankbar beweisen, denn diese haben dir so viel gegeben, daß du es ihnen nie[224] bezahlen kannst. »Ja, sprichst du wohl, ich wäre dankbar, aber man thut mir nach dem guten böses, und verdirbt so alles vorhergehende«. Sollte dich aber das Gute nicht das Böse vergessen lassen, daß du Geduld und Nachsicht hättest?

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 223-225.
Lizenz:
Kategorien: