Freundschaft.

[225] Ein getreuer und guter Freund ist der allerköstlichste Schatz und Gut im ganzen Leben, nicht allein um gemeiner und leiblicher Gefahr und Noth willen, darinne ein Freund dem andern Trost und Hülfe erzeigen kann, sondern auch um der geistlichen Aufechtungen willen, daß er uns vor Bösen warnen und erinnern kann. Denn es ist ein großer Dienst und Trost, so du einen getreuen Freund hast, mit dem du von der Religion reden und seinen Trost hören kannst. Und ich halte es für einen geringern Schaden, alle sein Gut verlieren, denn eines getreuen Freundes beraubt werden. Darum wähle dir einen guten rechtschafnen Mann zum Freunde, aber schließe ihm nicht gleich dein[225] Herz und Brust auf, sondern prüfe ihn erst und erfahre, ob er treu ist, und das siehest du am ersten in der Noth. Und so du ihn hast für treu befunden, so lasse du nicht von ihm ab, sondern halte ihn fest, denn du kannst ihn gut brauchen. Und mußt ihm nichts übel nehmen, sondern dich in allen gleich stellen, auch nicht zugeben, daß Ohrenbläser zwischen dir und ihm sind, welche eine Lust daran haben, die besten Freundschaften zu zerschneiden. Diesen, sag ich dir, traue nicht, sondern weise ihnen die Thüre und damit gut. Und bist du ja mit ihm nicht zufrieden, so sag es ihm frei heraus und freundlich, so wird bald alles wieder auf dem vorigen Wege sein. Aber der liebe Eigennutz reißet immer die besten Freunde auseinander, und macht, daß sie um Geld oder zeitliche Ehre willen Feinde werden. Diese Gefahr mußt du nun zu fliehen suchen, und dich in nichts einlassen, wobei dein Freund Schaden leiden könnte. Du kannst ihn auch warnen, so er fehlet, denn das ist der rechte Nutz und Dienst der Freundschaft, aber auch gern Tadel und Verweiß von ihm annehmen, so[226] wird das ein rechter christlicher Gottesdienst sein, denn da hat die Verheißung Kraft Matth. 18, 20. wo zwei oder drei in meinem Namen versammlet sind etc. Auch das Gesinde macht oft zwischen Herrschaften, die Freunde sind, Feindschaften, wie wir das Exempel haben an Abraham und Loth I Mos 13, 6–8.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 225-227.
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