Betrug und Diebstahl.

[196] Diebstahl ist, so man fremdes Gut nimmt, was uns nicht gehört. Aber das sind nicht allem Diebe, die bei andern einbrechen, oder sonst auf der Straße den Nächsten anfallen und rauben und plündern, sondern alle, die anderer Gut mit Unrecht an sich ziehen, es geschehe mit List oder heimlich, oder mit Gewalt; auf alle Weise, die nur zu erdenken ist, Haabe und Gut abzubrechen, zu verhindern oder vorzuhalten. Diebe sind auch, die Betrug gestatten, nicht wehren und zuvorkommen, wo sie es können, auch des Nächsten Gut nicht fördern, und, wo er Noth leidet, vorstrecken. Es ist also in diesem Laster begriffen, allerlei Vortheil mit des Nächsten unverdienten Nachtheil in allerlei Händeln. Das ist nur gar ein weitläuftig gemein Laster, aber so wenig geachtet, daß über die Maaße ist; daß, wo sie alle an Galgen hängen sollten, die Diebe und Betrüger sind, und[196] doch nicht heißen wollen, sollte es bald an Galgen gebrechen. Wenn ein Knecht oder Magd im Hause nicht redlich dienet und Schaden thut, oder geschehen lässet, den sie wohl verwehren könnten, oder sonst der Herrschaft Gut verwahrloset oder versäumet aus Faulheit, Unfleiß oder Bosheit zum Trotz der Herrschaft, da kannst du ein Jahr dreißig Gülden und mehr entwenden, welches, so ein anderer heimlich genommen hätte, müßte er am Strick erwürgen; aber hier darfst du noch trotzen und pochen, und bist doch so gut Dieb, wie jener. Desgleichen Handwerksleute und Tagelöhner, so allen ihren Muthwillen brauchen, und nicht wissen, wie sie die Leute übertheuern sollen und doch läßig und untreu in der Arbeit sind. Diese alle sind weit über die heimlichen Diebe, vor denen man Schloß und Riegel legen kann, oder, wo man sie ertappt, also mitfähret, daß sie es nicht wieder thun. Vor diesen aber kann sich niemand hüten, darf sie auch niemand sauer ansehen, oder einiges Diebstahls zeihen. Denn da sind meine Nachbarn, gute Freunde, mein eigen Gesinde, dazu ich mich Gutes versehe,[197] die mich am allerersten berücken. Da giebt es auch Diebe auf dem Markte, im Handel und Verkaufen, da einer den andern öffentlich mit falscher Waare Maaß, Gewicht, Münze betrügt und mit Behendigkeit, seltsamen Kunstgriffen und Lügen übervortheilt, mit dem Kaufe übersetzet und nach seinem Muthwillen schindet. Da werden Dinge verkauft, und alle Mängel und Gebrechen verschwiegen, dazu das Gute erlogen, daß einer sich fürchten möchte zu kaufen. Sind das aber nicht ärgere Diebe, als die des Nachts stehlen? Kürzlich so gehet es in der Welt zu, daß, wer öffentlich stehlen und anderer Gut unterschlagen kann, gehet sicher und ungestraft dahin, und will dazu geehret sein, bildet sich auch wohl auf seine List und Klugheit ein. Doch sollen sie wissen, daß sie vor Gott die größten Diebe sind, der sie auch, wie sie werth sind, strafen wird. Wie auch geschrieben steht I Thes. 4, 6. Es soll niemand seinen Bruder vervortheilen, denn Gott ist ein Rächer über das alles. Und solche Leute laden auf sich alle die Flüche und Verwünschungen von allen denen, welchen sie unrecht thun, und[198] machen sich so verhaßt, daß man ihnen gar niemals mehr glaubt, und es auch gerade mit ihnen wieder so machet. Denn mit welchem Maaße ihr messet, wird man euch wieder messen.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 196-199.
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