[283] Eltern sollen ihre Kinder lieben, welches nicht erst ihnen darf geboten werden, sondern schon von der Natur eingepflanzt ist. Und ich zweifle schier, ob es Menschen giebt, die ihre Kinder nicht lieben. Darum müssen Eltern die Kinder als besondere Gaben und Geschenke Gottes ansehen, wie auch Pf. 127, 3. anzeiget, und Gott dafür danken. Denn daß Mann und Weib fruchtbar werden, ist nicht ihr, sondern Gottes Werk, welcher sie so geschaffen hat.[283] Sie sind allein Werkzeuge, durch welche Gott schaffet und wirket. Aber dieweil solche Gottes Gabe so gemein und täglich vor Augen ist, so wird sie auch nichts geachtet, geschweige, daß man über das große Wunder dabei erstaunen sollte. Derohalben sollten sie es sich nicht zuschreiben, wenn sie Kinder überkommen. Denn es begiebt sich oftmals, wenn schon junge, gesunde und starke Leute zusammen sorgen, welche Geld und Gut genug haben, daß sie gleichwohl unfruchtbar sind. Solches thut Gott deshalb, daß er uns damit will anzeigen, daß Kinderzeugen nicht menschliche Kraft, sondern in Werk seines Segens sei; wiederum findet man ein ander Paar, die sich kaum des Hungers erwehren können und haben doch das Haus voll Kinder. Derohalben sagen wir recht: Gott hat mir ein Kind beschert, nur sind gar wenig, die sich über solchen Segen verwundern, oder ihn verstehen. Denn dieser Segen ist also mit vielen schändlichen Begierden des Fleisches, auch mit so viel Jammer, Angst, Mühe und Arbeit verdunkelt, daß man ihn nicht fassen kann, ja daß man Kinder oft mehr für Plage und Elend[284] als für Segen hält. Ich glaube dir es wohl, daß Kinder oft Noth machen. Denn jetzt ist die Mutter der Kinder halben krank; jetzt sind es die Kinder oder sie sind ungehorsam; jetzt sterben Vater und Mutter, und lassen arme elende Waisen nach sich. Aber siehe doch nur an auch die Freude, die du hast und den großen Nutzen, den du damit schaffest. Wolltest du darum nicht die kleine Noth dulden? Die heil. Schrift heißt uns auch unsere Augen abwenden von solchem Jammer, und will haben, daß wir alle diese Widerwärtigkeiten leiden und tragen sollen. Aber da sind wir so undankbar und ungeduldig, daß uns ein Schade mehr wehe thut, als uns hundertfältiges Glück erfreuet. Wie wir auch sehen, wenn einer einen einigen Schwär an einem sonst gesunden Leibe hat, daß derselbe mehr Schmerz darüber, als von der Gesundheit des ganzen Leibes Freude hat. Darum sollst du dich über die Noth hinweg setzen, und dein Kind als ein Geschenk Gottes betrachten. Denn wie wir der Herrn und Fürsten Geschenke, sie sind so geringe, als sie wollen, gleich wohl hoch achten, und sehen mehr der Herrn[285] Gemüth und Gnade gegen uns an, denn was das Geschenk werth sei, also wenn dir Gott schon eine geringe Gabe und Nahrung verliehen hat, daß du dich schwerlich mit deinem Weibe und Kinde kannst erhalten, so sollst du dir doch an des guten Herrn gnädigen Willen gnügen lassen, der dich doch mit den Deinen noch nicht hat hungern lassen. Nun was meinet ihr, ihr Eltern, die ihr unwillig seid, wenn euch Gott viel Kinder bescheret, oder wohl gar andere deswegen verspottet, weil sie ein Kind um das andere haben? Was soll ich euch sagen anders, als daß ihr des Herrn Segen ganz unwerth seid? Da wußten es wohl die Alten anders zu machen und Gottes Wohlthat besser zu schätzen, die den für einen glücklichen Mann priesen, der recht viel Kinder hatte, und die Frau in nicht so großen Ehren hielten, die keine Kinder gebar. Denn es bleibt doch wahr: je mehr Kinder, desto mehr Glück. Denn es ist, ja auch nichts kleines, viele und gute Kinder zu erziehen, und wir müßten ganz irren, wo Gott die Mühe und Noth nicht reichlich belohnen sollte.[286]


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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 283-287.
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