Andenken an denselben.

[324] Du mußt sterben, das weißt du gewiß, aber wenn, wie und wo du sterben wirst, ist dir unbewußt. Darum denke fleißig an deinen Tod. Frühmorgens, so du aufstehest, so sprich: Herr des Lebens, du hast mich bis hieher erhalten, aber ich weiß nicht, ob noch länger. Du kannst mich heute abfordern. Und so du dich zu Bette legest, so denke eben das. Aber da giebt es wohl Leute, die schlechterdings nicht an den Tod denken wollen, und, wenn sie daran erinnert werden, erschrecken. Solchen wollte ich wohl weissagen, daß ihnen der Tod noch weit fürchterlicher sein werde, als wo sie an ihn gedächten. Denn es ist doch wahr, an was man oft gedenket, das wird gemein und ist nicht mehr so schrecklich. So vertreibest du auch die Furcht vor dem Tode, so du oft an ihn gedenkest. Wenn du nun von verstorbenen Leuten hörest, so erinnere dich mit Ernst daran, du seist auch ein Mensch, der heute oder morgen sterben kann, und wie es andern gehet, so[324] werde dir es auch gehen. Denn wo du an den Tod denkest, wirst du nicht sicher sein in wissentlichen Sünden, noch darin fortfahren, sondern dich darauf recht schicken, daß du nicht unversehens überfallen und vom schrecklichen Urtheile Gottes übereilet werdest. Wo du solche Gedanken mit rechtem Ernste vor dich nimmst, und, wo du gehest und stehest, an deine Hinfälligkeit gedenkest, so wirst du wohl über dich weinen wenn du noch in der Gefahr der Sünden stehest. Und solches Weinen ist nöthig und nützlich, denn es bringet Besserung mit sich. Darum heißt es Pred. 7, 3. Es ist besser in das Klaghaus gehen, denn in das Zechhaus. In jenem siehet man, wie es mit allen Menschen ein Ende nimmt und der Lebendige nimmt es Herzen. Diesen Spruch merke fleißig, und lerne, was deine Gedanken sein sollen, wenn du von Todten hörest. Du darfst dich nicht um den bekümmern, der nun sein Leben vollbracht hat. Bekümmere dich aber um dich, und denke du mußt auch hinnach. Die Narren aber scheuen sich wohl vor das Wörtchen Tod, können und wollen auch nicht um[325] sterbende Leute sein, sondern suchen lieber Freude und Kurzweil. Aber wie gehet es endlich hinaus? Weil sie allein um die Welt und was ihnen wohlthut, sich bekümmern, überfällt sie der Tod plötzlich, daß sie nicht wissen, wie ihnen geschiehet und sind ganz und gar trostlos. Das widerfährt weisen Leuten nicht. Die denken und sprechen gern vom Tode, dadurch werden sie gebessert und erinnert, daß sie sich auf solche Heimfarth auch schicken und alle Tage darauf warten. Wenn dann Gott kommt und sie aus diesem Leben fordert, findet er sie nicht, wie jene, schlafend, sondern sein wacker und munter, die ihre Sache in guter Acht haben und wissen, wo hinaus. Dagegen jene, gleich wie ein Mensch im tiefen Schlafen überfallen wird, nicht wissen, wie ihnen geschieht, wo sie aus oder ein sollen. Ja, sprechen sie wohl, warum soll ich auch au den Tod denken, und mir alle Freude verderben? Das will ich wohl lassen, und dafür noch lustig sein, so lange es geht. Du Narr, das verdirbt dir keine Freude. Ich habe wohl mitten in der Lust oft an den Tod gedacht, und deswegen mich noch mehr gefreuet,[326] weil ich denn auf die Zukunft sicher war, und dorten auch Freude sah. Du darfst daher nicht glauben, daß dadurch deine Lust verdorben werde, sondern sie wird erhöhet; aber du wirst doch vorsichtiger und besser dadurch.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 324-327.
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