Wunsch zu sterben.

[334] Ich habe Lust abscheiden und bei Christo zu sein, spricht Paulus, und trägt Verlangen nach der himmlischen Gesellschaft Gottes und aller Seligen. Und welcher fromme Mensch sollte nicht darnach Verlangen haben, der da siehet und empfindet, daß er in Sünden möchte fallen, und daß die Menschen hier so viel Böses thun? Aber ich habe auch wohl sprechen gehört: ei wer doch schon todt wäre! Die aber solches aus Ungeduld und Verdruß, auch wohl aus Verzweiflung sagen, wenn es ihnen der liebe Gott nicht nach Wunsche macht und nicht alles so ergehen läßt, wie sie wollen. Und ich sage es gerade heraus, daß diese rechte Sünde thun, und kein Vertrauen zu Gott haben, auch die Gabe des Lebens und der Gesundheit nicht erkennen. Ich wollte darum wohl nicht mir den Tod wünschen im Unglücke, sondern noch eher im Glücke, denn sonst würde ich so sündigen, wie einst Jonas, der auch dem Herrn deswegen misfällig wurde. – Desgleichen[335] thun es einige zum Scheine und aus rechter Heuchelei, daß sie sich den Tod wünschen, und, wo der Tod gleich sich zeigen wollte, würden sie wohl nicht: willkommen! sagen. Aber die Heuchler verdammet der Herr, und wird ihnen nichts helfen, daß sie solche Worte im Munde führen.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 334-336.
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