Würdiger Gebrauch desselben.

[353] Ich halte dafür, daß jederman das als einen Probierstein ansehen kann, ob er das heilige Abendmal würdig genossen hat, so er dadurch besser geworden ist. Denn wer nachher die Sünde ablegt, und anfängt, Gott noch stärker als vorher zu lieben, der genießt dasselbe würdig. Aber welcher so bleibt, wie er war, und sich dadurch nicht mehr reizen läßt zum Guten, der isset und trinket unwürdig davon, und isset und trinket ihm selber das Gericht, wie der Apostel sagt. Es wäre besser, er wäre nicht hinzugegangen, weil seine Strafe wegen der Undankbarkeit noch größer wird. Der Mensch prüfe sich selbst, und betrachte seinen[353] Lebenswandel, und sehe zu, wo er bisher unrecht gethan, und fasse den festen Gedanken, es zu meiden. Auch gehört dazu, daß man mit Gott ergebenen Herzen hinzutrete, und niemand mit Haß und Neid verfolge. Denn dies Sakrament der Gemeinschaft, Liebe und Einigkeit mag nicht Zwietracht dulden. Du mußt der andern Gebrechen und Nothdurft dir zu Herzen gehen lassen, als wären sie dein eigen. Wer zum Abendmal gehet, muß den feinen und schönen Gedanke mitbringen, alle wie Brüder zu lieben und wohlthätig zu sein, gleichwie der Herr war. Daher kömmt es, daß Verläumder und Frevelrichter den Tod im Sakrament empfahen müssen. Denn sie thun nicht ihrem Nächsten, wie sie suchen bei Christo, gönnen ihm nichts gutes, haben nicht Mitleid mit ihm, nehmen sich seiner nicht an, wie sie wollen von Christo angenommen sein. Sie achten nicht darauf, daß Christus seinen Leib gegeben hat, daß durch dies Sakrament Liebe und guter Wandel geübt werden soll. Diese Meinung Christi sehen sie nicht, gehen hin und halten das Abendmal, und bleiben doch einen Tag[354] wie den andern, ja werden täglich ärger, ohne daß sie es fühlen. Darum schau auf und wisse, daß es das Abendmal allein nicht macht, daß es Gott gefalle, sondern daß wir sein recht brauchen und zur Frömmigkeit uns gereichen lassen. Und es ist zu besorgen, daß mit solchem gefährlichen Halten des Abendmals Kraft und Tugend von uns gewandt werde, und ganz untergehe durch falsche Sicherheit. Sie bekennen die Sünde und rumpeln über die Worte hin, daß es keine Frucht bringt. Sie führen sich selbst bei der Nase, glauben alles zu thun, und thun nichts. Aber nicht durch das Werk allein erlangest du Vergebung der Sünde, sondern daß du dich dadurch zum Vertrauen und aller Art Frömmigkeit stärken lassest. – Man kann das Abendmal auch als einen rechten Zehrpfennig ansehen, den man den Sterbenden mitgiebt, aber daß man ja nicht glaube, daß es den Sterbenden stracks in den Himmel trollt oder huckt, sondern es tröstet und beruhiget nur die, die Trostes bedürfen. Wenn man es aber will, so nehme man es zeitlich. Denn es sind etliche so versäumlich, daß sie es nicht eher fordern,[355] bis der Tod auf der Zunge sitzt. Aber, ehe die Krankheit anfängt, wünschen sie es nicht. Und es darf durchaus nicht sein, daß man dem das Abendmal reiche, der keine Vernunft mehr hat zu reden, gleichwie man es noch unter dem Papstthume gewohnt war, da niemand gewohnt war, zu fragen, ob sie glauben und das Evangelium wissen, sondern das Sakrament in den Hals gestossen wurde, als in einen Brodsack. Ein jeder schicke sich selbst zeitlich, und bereite sich und versöhne sich mit seinem Nächsten, auf daß, ob der Herr anklopfet und er übereilet würde, seine Seele doch versorget und Gott befohlen sei. – Es ist auch nicht nöthig, daß du mit Furcht und Zittern zum Abendmal gehest, sondern, so du dich recht bereitet hast, kannst du es mit rechter frommer Freude thun. Denn sage mir, wirst du wohl über Wohlthaten und Liebe erschrecken oder dich fürchten? Das würde man dir doch wohl verdenken. Nun siehe, hier erinnerst du dich an die größten Wohlthaten, die dir im Leben nur widerfahren können, also sei ohne Furcht, nur mußt du mit Demuth und Liebe zu Gott erscheinen, auch[356] auf nichts anderes dabei denken, sondern lediglich auf das große Gut, das dir zugetheilt wird. Du darfst auch nicht mit Prunk an Kleidern beladen sein, oder gar die Aermern neben dir verachten, wie die Corinthier thaten, welches Paulus hart an ihnen strafet. Denn das ist stracks wider den rechten Brauch des Abendmals, wo wir alle gleich sind, und alle ein großes unverdientes Gut empfangen. – Wie oft du aber das Abendmal brauchen sollst, davon hat dir Christus und die Apostel nichts geboten. Die ersten frommen Christen feierten das Abendmal alle Sonntage, so oft sie zusammen kamen. Und ich selbst bin gar oft acht Tage hintereinander hinzugetreten. Denn es kömmt dabei auf die Lust und das Herz an. So oft du dich dazu lustig fühlst, und das Herz Trost und Stärke bedarf, so oft komm und empfahe. Es ist dir hierin nichts vorzuschreiben, das mußt du selbst wissen und urtheilen, wenn dies fehlet. Aber freilich oft muß es sein, so du des Nutzens theilhaftig sein willst. Ich verhoffe, du wirst dich dazu nicht nöthigen lassen. So wie ich niemanden erst zwingen[357] darf, zu mir zu kommen, dem ich etwas schenken will.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 353-358.
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